Urteil des BPatG vom 04.12.2008
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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
21 W (pat) 32/06
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 100 43 896.2-54
…
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf-
grund  der  mündlichen  Verhandlung  vom  4. Dezember 2008 unter  Mitwirkung  des
Vorsitzenden  Richters  Dipl.-Phys. Dr. Winterfeldt  sowie  der  Richter  Baumgärtner,
Dipl.-Phys. Dr. Morawek und Dipl.-Phys. Dr. Müller
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beschlossen:
1. Der  Beschluss  der  Prüfungsstelle  für  Klasse H 01 S  des  Deut-
schen  Patent-  und  Markenamtes  vom  21. Februar 2006  wird
aufgehoben.
2. Das  Verfahren  wird  auf  der  Basis  des  in  der  mündlichen  Ver-
handlung überreichten Patentanspruchs 1, an den sich die Un-
teransprüche 2,  4  und  9  bis  13  gemäß  Offenlegungsschrift  in
angepasster  Form  anschließen,  zur  weiteren  Bearbeitung  an
das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
G r ü n d e
I
Die Patentanmeldung wurde am 6. September 2000 unter der Bezeichnung "Laser
mit durch Halbleiterelement angeregtem Oberflächenemissions-Halbleiter und un-
terdrückten  Schwingungsmoden  höherer  Ordnung"  beim  Deutschen  Patent-  und
Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 26. April 2001.
Die  Prüfungsstelle  für  Klasse  H 01 S  hat  die  Anmeldung  mit  Beschluss  vom
21. Februar 2006 zurückgewiesen, da der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu
sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die  Anmelderin  verfolgt  ihre  Patentanmeldung  auf  der  Grundlage  eines  in  der
mündlichen Verhandlung neu formulierten Patentanspruchs 1 weiter.
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Dieser  Patentanspruch 1  lautet  (Merkmalsgliederung  hinzugefügt,  ohne  Bezugs-
zeichen):
M1 Laservorrichtung, umfassend:
M2 ein Halbleiterlaserelement, welches erstes Laserlicht mit einer
ersten Wellenlänge emittiert;
M3 ein  oberflächenemittierendes  Halbleiterelement,  welches  von
dem  ersten  Laserlicht  angeregt  wird,  welches  zweites  Laser-
licht mit einer zweiten Wellenlänge, die länger ist als die erste
Wellenlänge, emittiert,
M4 und welches eine erste aktive Schicht und
M5 einen ersten Spiegel auf einer Seite der ersten aktiven Schicht
aufweist;
M6 und  einen  zweiten  Spiegel,  der  außerhalb  des  oberflächen-
emittierenden  Halbleiterelements  derart  angeordnet  ist,  dass
der  erste  und  der  zweite  Spiegel  einen  Resonator  bilden,  in
welchem das zweite Laserlicht schwingt;
dadurch gekennzeichnet, dass
M7 das  oberflächenemittierende  Halbleiterelement  an  seiner
Lichtaustritts-Stirnfläche  einen  Ti-Film  mit  Nadelloch  zum
Steuern  einer  räumlichen  Mode  des  zweiten  Laserlichts  auf-
weist.
Im Verfahren sind folgende Druckschriften:
D1 WO 00/10234 A1 (nachveröffentlicht),
D2 M. Kuznetsov  et  al.,  IEEE  Journal  of  selected  topics  in  quan-
tum electronics, Vol. 5, No. 3, May/June 1999, p. 561-573
D3 M. Kuznetsov et al., IEEE photonics technology letters, Vol. 9.
No. 8, August 1997, p. 1063-1065
- 4 -
D4 D. Vakhshoori  et  al.,  Electronics  Letters,  27th May 1999,
Vol. 35, No. 11, p. 900-901
D5 B. Demeulenaere et al., IEEE Journal of quantum electronics,
Vol. 35, No. 3, March 1999, p. 358-366
D6 K. Iga,  Electronics  and  communications  in  Japan,  Part 2,
Vol. 82, No. 10, 1999, p. 70-82.
Die Anmelderin beantragt,
den  Beschluss  der  Prüfungsstelle  für  Klasse  H 01 S  des  Deut-
schen  Patent-  und  Markenamtes  vom  21. Februar 2006  aufzuhe-
ben und
die Anmeldung auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung
überreichten  Patentanspruchs 1,  an  den  sich  die  Unteransprü-
che 2,  4  und  9  bis  13  gemäß  Offenlegungsschrift  in  angepasster
Form anschließen, an die Prüfungsstelle zurückzuverweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft sowie form- und fristge-
recht eingelegt, § 73 Abs. 1, Abs. 2 PatG. Die Beschwerde hat auch insoweit Er-
folg,  als  sie  zur  Aufhebung  des  Beschlusses  und  zur  Zurückverweisung  an  das
Patentamt  gemäß  dem  neuen  Patentanspruch 1  führt;  § 79  Abs. 3  Satz 1  Nr. 1
PatG.
Der neue Patentanspruch 1 ist zulässig, denn er ist in den am Anmeldetag einge-
reichten  Unterlagen  offenbart.  Die  Merkmale  im  Anspruch 1  ergeben  sich  insbe-
sondere aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 und der Beschreibung, siehe
Spalte 12, Zeilen 60 bis 63 der Offenlegungsschrift.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine zuverlässige Laservorrichtung un-
ter  Verwendung  eines  Halbleiter-Laserelements  zu  schaffen,  die  im  Grundmodus
mit  hoher  Ausgangsleistung  schwingt  und  eine  Hochgeschwindigkeitsmodulation
des abgegebenen Laserlichts ermöglicht (siehe OS, Spalte 2, Zeilen 29 bis 33).
Zuständiger Fachmann auf dem Gebiet der Halbleiter-Laser ist ein Dipl.-Physiker
aus dem Fachgebiet der Optik und Halbleiterphysik.
Der  Gegenstand  des  neuen  Patentanspruchs 1  ist  neu  und  beruht  unter  Berück-
sichtigung des bisher im Verfahren befindlichen Standes der Technik auf einer er-
finderischen Tätigkeit.
Aus  der  Druckschrift D1  ist  eine  Laservorrichtung  gemäß  den  Merkmalen M1  bis
M6 bekannt, die jedoch auf dem Halbleiterelement eine Apertur aus GaAs (siehe
Seite 15, Zeilen 2 bis 22 und Fig. 2, Bezugszeichen 40) zur Modensteuerung und
somit keinen Ti-Film mit Nadelloch gemäß Merkmalsgruppe M7 aufweist.
Der  Gegenstand  des  Patentanspruchs 1  ist  somit  neu  gegenüber  der  Druck-
schrift D1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist die D1 als ältere An-
meldung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 PatG nicht zu berücksichtigen.
Aus  dem  Stand  der  Technik  sind  als  Halbleiterlaser  insbesondere  sogenannte
VCSEL´s  (vertical-cavity  surface-emitting  laser)  und  VECSEL´s  (vertical-external-
cavity surface-emitting laser) bekannt (siehe D2, Absatz "Introduction"). VECSEL´s
werden  optisch  gepumpt  und  der  zweite  (externe)  Spiegel  ist  außerhalb  des  La-
serlichtes  emittierenden  Halbleiterelements  angeordnet.  Die  Laservorrichtung
nach Patentanspruch 1 entspricht demnach diesem Lasertyp.
Die  Druckschriften D2,  D3  und  D4  befassen  sich  mit  VECSEL´s.  Dabei  wird  ge-
mäß Druckschrift D2 und D3 der Transversalmode des Lasers über den externen
Spiegel  und  die  Länge  des  Resonators  eingestellt  (siehe  D2,  Seite 562,  lin-
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ke Spalte, Absatz "OPS VECSEL´s" und Seite 570, rechte Spalte, Zeilen 9 bis 12
und D3, Seite 1065, linke Spalte, die letzten 4 Zeilen).
Bei der Druckschrift D4 wird lediglich offenbart, dass die Spiegelapertur des exter-
nen Spiegels den Zerstreuungsverlust (diffraction loss) des Grundmode TEM
00
mi-
nimiert (siehe Seite 900, rechte Spalte, Absatz "Device structure and operation al
principle".  Zur  Sicherstellung  des  Grundmodes  bei  einem  einstellbaren  (tunable)
Laser werden in dieser Druckschrift verschiedene Maßnahmen offenbart, z. B. das
optische Pumpen (optical pumping) und eine entsprechende Einstellung des Ein-
gangslaserflecks (input pump spot size).
Die  Verwendung  einer  Ti-Blende  auf  der  Lichtaustritts-Stirnfläche  des  Halbleiter-
elements ist aus diesen Druckschriften somit dem Fachmann weder bekannt noch
nahe gelegt.
Die Druckschriften D5 und D6 betreffen VCSEL´s. Bei diesen Halbleiterlasern wird
elektrisch gepumpt, d. h. die Pumpleistung wird elektrisch über außerhalb der als
Resonatorspiegel  dienenden  Halbleiterschichten  angebrachte  Elektroden  zuge-
führt. Eine Elektrode ist dabei mit einem Austrittsloch für das Laserlicht versehen
(siehe D6, Fig. 4a). Diese Elektrode sitzt demnach außerhalb des durch die Spie-
gel definierten Resonators und unterscheidet sich daher von der in Merkmalsgrup-
pe M7 beanspruchten Blende sowohl in der Position der Anordnung in dem Laser,
der  Funktion  als  auch  im  Material,  da  in  Druckschrift D6  lediglich  Au/Zn/Au  und
AuGe/Au offenbart ist (siehe Fig. 4a).
Diese Halbleiterlaser besitzen eine Oxid-Apertur (oxide aperture) als Stromfenster
(current window), um die aktive Region des Lasers effektiver pumpen zu können
(siehe  D5,  Seite 358,  linke Spalte,  Absatz  "Introduction"  und  Fig. 1).  Hinsichtlich
einer Modenbeeinflussung werden lediglich positive Auswirkungen auf die Moden-
stabilität  erwähnt  (siehe  D5,  a. a. O).  Weitere  Möglichkeiten  zur  Steuerung  der
Moden werden in diesen Druckschriften nicht erwähnt. Die nicht-metallische Oxid-
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Blende zum Stromeinschluss bei den elektrischen VCSEL´s (siehe auch D6, Sei-
te 75, rechte Spalte, die letzten 3 Zeilen) kann dem Fachmann somit keine Hinwei-
se auf die Verwendung von metallischen Ti-Blenden zur Modensteuerung bei op-
tisch gepumpten VECSEL´s liefern.
Somit lässt sich mit dem bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik eine Zu-
rückweisung der Anmeldung nicht begründen.
Das Verfahren ist jedoch noch nicht zur Entscheidung reif und die Anmeldung mit
dem  neuen  Anspruch 1  zur  weiteren  Prüfung  an  das  Patentamt  zurückzuverwei-
sen, da die Patentfähigkeit des neuen Anspruchs 1 noch nicht ausreichend geprüft
worden  ist.  § 79  Abs. 3  Satz 1  Nr. 1  PatG  bestimmt,  dass  das  Patentgericht  die
angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entschei-
den, wenn das Patentamt noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Dies ist
auch  dann  der  Fall,  wenn  - wie  vorliegend -  die  Gründe,  die  der  angefochtenen
Entscheidung  zugrunde  liegen,  entfallen  sind  und  somit  eine  neue  Sachprüfung
erforderlich ist. Bei der Anmeldung waren die Merkmale M7 des neuen Patentan-
spruchs 1 im ursprünglichen Patentanspruch 3 und in der Beschreibung enthalten,
zu denen im Patentamt noch nicht recherchiert wurde.
Dr. Winterfeldt
Baumgärtner
Dr. Morawek
Dr. Müller
Pü