Urteil des BPatG vom 07.08.2000
BPatG: verwechslungsgefahr, vorbenutzung, kennzeichnungskraft, verbraucher, patent, eugh, erstellung, winter, datenverarbeitung, computersoftware
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 301/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
7. August 2000
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die angegriffene Marke 397 50 684
BPatG 154
6.70
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 7. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Buchetmann, die Richterin Winter und den Richter Schramm
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
NETPOINT
ist als Marke für
"Computerhardware und Computersoftware; EDV-Schulun-
gen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung;
Computerberatungsdienste"
am 27. November 1997 in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Ver-
öffentlichung der Eintragung am 30. Dezember 1997 ist am 24. März 1998 Wider-
spruch erhoben worden aus der Marke 2 911 198
siehe Abb. 1 am Ende
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die seit dem 18. August 1995 eingetragen ist für die Waren/Dienstleistungen:
"Erstellung von Konzepten für digitale Kommunikationsme-
dien für den Einsatz im Bereich neue Kommunikations-
Technologien; Netzwerke und CD-Roms für den Einsatz im
Bereich neue Kommunikations-Technologien".
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren mit Schrift-
satz vom 31. Januar 2000 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat wegen
klanglicher Identität der Marken und der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden
Waren und Dienstleistungen die Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung
der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie meint mit
näheren Ausführungen, daß Verwechslungen nicht ernsthaft zu befürchten seien.
Insbesondere verweist sie darauf, daß sie schon seit Oktober 1993 unter der Be-
zeichung NETPOINT tätig sei. Ihrer Marke gebühre daher der Vorrang.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
den Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 13. Oktober 1999 aufzuheben.
Die Widersprechenden beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie halten mit näheren Ausführungen die Entscheidung der Markenstelle für zu-
treffend.
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Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf den angefochtenen Beschluß der
Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig. Der ange-
fochtene Beschluß des Patentamts ist ihren damaligen Bevollmächtigten am
22. Oktober 1999 zugestellt worden. Die Beschwerde ist am 22. November 1999
beim Patentamt eingegangen, nachdem die Beschwerdegebühr dem Konto des
Patentamts bereits am 8. November 1999 gutgeschrieben worden war.
In der Sache ist die Beschwerde indessen ohne Erfolg. Es besteht Verwechs-
lungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Markenstelle zu
Recht wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 911 198 die Löschung der Ein-
tragung der angegriffenen Marke angeordnet hat.
Bedenken gegen die Zulässigkeit des Widerspruchs bestehen entgegen der Auf-
fassung der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht: Nach Veröffentlichung der
angegriffenen Marke am 30.
Dezember
1997 ist der Widerspruch am
24. März 1998 beim Patentamt eingegangen; die Frist des § 42 Abs 1 MarkenG ist
damit gewahrt. Die Widersprechenden waren auch zur Erhebung des Wider-
spruchs berechtigt: Auf den Umschreibungsantrag vom 4. März 1997 ist die Um-
schreibung der Widerspruchsmarke auf die Widersprechenden vom Patentamt am
10. Februar 1998 verfügt worden.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wech-
selbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der
Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit
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der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen
werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999,
22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).
Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderer Anhaltspunkte von einer
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang
der Widerspruchsmarke aus. Die sich gegenüberstehenden Markenwörter sind al-
lerdings im Klang identisch. Unter diesen Umständen bedarf es erheblicher Ab-
weichungen im Bereich der sich gegenüberstehenden Waren und Diestleistungen,
um die Verwechslungsgefahr verneinen zu können. Diese erheblichen Abwei-
chungen liegen aber nicht vor:
Nach der maßgeblichen Registerlage - die von der Inhaberin der angegriffenen
Marke erhobene Einrede der Nichtbenutzung ist gemäß § 43 Abs 1 MarkenG der-
zeit nicht zulässig - können sich die Marken auf identischen und ähnlichen Waren
und Dienstleistungen begegnen. Die "Computerhardware" der angegriffenen Mar-
ke kann die "Netzwerke und CD-Roms" der Widerspruchsmarke umfassen; zwar
ist im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke die von der jüngeren Marke be-
anspruchte "Computersoftware" nicht aufgeführt; "Netzwerke" können aber ohne
Software nicht betrieben werden, so daß schon der Begriff "Netzwerk" eher Hard-
und Software umfassen dürfte; bei Hardware und Software handelt es sich vor al-
lem aber um Waren, die aufeinander bezogen und häufig aufeinander abgestimmt
sind, sich also gegenseitig ergänzen, wie auch durch die Fassung des Warenver-
zeichnisses der jüngeren Marke zum Ausdruck gebracht ist. Es liegt daher nahe,
daß der Verbraucher wegen der Bezogenheit der Waren aufeinander von der Ver-
antwortlichkeit ein und desselben Unternehmens für die Qualität der jeweiligen
Waren ausgeht (vgl EuGH aaO - CANON; BGH MarkenR 1999; 242 - Canon II).
Die Dienstleistung "Computerberatungsdienste" der jüngeren Marke kann wegen
des weiten Oberbegriffs die "Erstellung von Konzepten für digitale Kommunikati-
onsmedien für den Einsatz im Bereich neuer Kommunikations-Technologien" um-
fassen, so daß insoweit Identität der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen
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möglich ist. Bei den Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Daten-
verarbeitung; EDV-Schulungen" kann wegen der Nähe zu den Waren und Dienst-
leistungen der Widerspruchsmarke wegen der Bezogenheit aufeinander ebenso
der Eindruck aufkommen, sie stammten aus demselben Unternehmen; von Ähn-
lichkeit ist daher auch hier auszugehen, wenn auch möglicherweise nur im mittle-
ren Bereich. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebend ist der
durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher (vgl BGH
MarkenR 2000; 140 - ATTACHÉ/TISSERAND).
Soweit im Bereich identischer Waren von strengen Anforderungen an den erfor-
derlichen Markenabstand auszugehen ist, liegt unter den gegebenen Umständen
die Gefahr von Verwechslungen auf der Hand. Selbst wenn aber im Hinblick auf
einen gewissen Abstand im Bereich der genannten Dienstleistungen an den zur
Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand zu Gunsten der
Inhaberin der angegriffenen Marke eher weniger strenge Anforderungen gestellt
werden, wird die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht diesen Anforderungen
nicht gerecht. Wegen der klanglichen Identität der Markenwörter besteht Ver-
wechslungsgefahr, so daß die weitere Frage einer schriftbildlichen Verwechs-
lungsgefahr dahingestellt bleiben kann (vgl BGH MarkenR 1999, 57, 59 - LIONS).
Die klangliche Identität der Marken stellt die Inhaberin der angegriffenen Marke im
Grunde auch gar nicht in Abrede. Sie macht vielmehr geltend, sie habe durch Vor-
benutzung einen Besitzstand an der Bezeichnung "NETPOINT" erlangt. Dieses
Vorbringen vermag der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das
Markenrecht kennt keinen Schutz der Vorbenutzung eines Zeichens, wobei eine
Markenanmeldung selbst in Kenntnis der Vorbenutzung des Zeichens durch einen
Dritten nicht ohne weiteres als unlauter anzusehen ist (vgl BGH GRUR 1998, 412
- ANALGIN).
Zu einer Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen
Anlaß (§ 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG).
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Dr. Buchetmann
Schramm
Winter
Hu
Abb. 1