Urteil des BPatG vom 27.02.2003

BPatG: farbe, unterscheidungskraft, beschreibende angabe, verkehr, zahnmedizin, eugh, dienstleistung, form, materialien, beschaffenheitsangabe

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 197/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 45 032.3
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 27. Februar 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems
sowie des Richters Engels und der Richterin Bayer
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Effect Color
ist am 8. August 1998
für eine Vielzahl von Waren ua "Chemische Erzeugnisse für zahnärztliche und
zahntechnische Zwecke; Zahnfüllmittel; Ätzmittel; Mittel zur Nachahmung von
Zahnoberflächen (Fissuren); Dentalkeramiken und Dentalkunststoffe in flüssiger,
pastöser oder pulverförmiger Form zur Herstellung und Wiederherstellung von
Kronen, Brücken, Prothesen, Prothesenteilen, Gaumenplatten, als Verblendmate-
rial und Füllwerkstoff; künstliche Zähne, Zahnkronen, Zahnbrücken, Zahnprothe-
sen und Zahnprothesenteile" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet
worden.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach
Beanstandung durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren
ergangen ist, die Anmeldung für die vorgenannten Waren zurückgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, dass der angemeldeten Bezeichnung in bezug auf die
diese Waren jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
fehle. Die Wortfolge "Effect Color" stelle insoweit eine sprachüblich gebildete und
beschreibende Bezeichnung in der Bedeutung "effektvolle, überraschende Farbe"
(Farbwirkung) bzw wörtlich "Effekt-Farbe" dar und sei in diesem Sinne jedermann
verständlich. Die Wortfolge sei auch eindeutig beschreibend und werde ohne wei-
teres dahingehend verstanden, dass die so gekennzeichneten Waren über eine
beeindruckende (effektvolle, überraschende) Farbe verfügten bzw eine solche
Farbe bewirkten. Gerade im Bereich der Zahntechnik und Zahnmedizin sei die na-
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türliche Farbgebung im Zahnbereich von ausschlaggebender Bedeutung. So
könnten zB Kunstzähne, Inletts, Kronen, Brücken usw durch beabsichtigte Farbef-
fekte den ursprünglichen Zähnen angeglichen werden. "Effect Color" stelle des-
halb in bezug auf die zurückgewiesenen Waren aus der Sicht des Verkehrs eine
Beschaffenheits- bzw Wirkungsangabe dar, wobei dahin gestellt bleiben könne, ob
die Anmeldung auch insoweit wegen des weiteren Schutzhindernisses nach § 8
Abs 2 Nr 2 MarkenG zurückzuweisen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die keinen Antrag gestellt
und ausgeführt hat, dass die Wortfolge "Effect Color" wegen der Voranstellung
von "Effect" nicht sprachüblich gebildet sei. Sprachlich korrekt müsse es "effective
color" bzw "effectual color" heißen, wenn man den von der Markenstelle angege-
benen Begriffsgehalt unterstelle. Die beteiligten Verkehrskreise, hier Zahnärzte,
Zahntechniker und deren Assistenten verfügten über so gute Englischkenntnisse,
dass sie ohne weiteres in der Lage seien, die Sprachunüblichkeit der Wortzusam-
mensetzung zu erkennen. Es bestehe auch keine Notwendigkeit diese künstliche
Begriffsbildung freizuhalten. Auf die ergänzend durchgeführte Internet-Recherche
des Senats zur Verwendung des Begriffs "effect color", hat die Anmelderin ergän-
zend ausgeführt, dass Zahnfarben nicht dazu dienten Farbeffekte hervorzurufen,
sondern der Farbkaschierung und Naturimitation dienten und der im Internet be-
legte Gebrauch von "effect color" lediglich eine zufällige Verwendung betreffe, wie
zB "special effect color" oder der Nachweis "to effect color", in welchem "effect"
nur das Verbum zu "color" darstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Mar-
kenstelle und den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen
Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats der Eintragung der angemeldeten
Bezeichnung für die von der Zurückweisung der Anmeldung betroffenen Waren
das absolute Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen-
steht.
Unterscheidungskraft im Sinne von des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist nach ständiger
Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidenti-
tät der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st Rspr
BGH GRUR 2002, 1070 – Bar jeder Vernunft; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149
Tz 22 – Bravo - zur GMV). Deshalb kann die Frage, ob ein Zeichen eine solche
Unterscheidungskraft besitzt, nicht abstrakt ohne Berücksichtigung der Waren
oder Dienstleistungen, die sie unterscheiden sollen, beurteilt werden (zur ständi-
gen Rspr vgl EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22, 29 – Bravo; BGH Mar-
kenR
1999, 292, 294 - HOUSE OF BLUES).
Danach sind insbesondere solche Zeichen nicht unterscheidungskräftig, bei denen
es sich für den Verkehr in bezug auf die beanspruchte Dienstleistung ohne weite-
res erkennbar um eine unmittelbar beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2
Nr 2 MarkenG handelt. Allerdings kann auch sonstigen Zeichen, welche dem
Schutzhindernis bezüglich beschreibender Angaben im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2
MarkenG nicht unterfallen und auch nicht zu den allgemein gebräuchlichen Wör-
tern der Alltagssprache zählen, jegliche Unterscheidungskraft fehlen. Denn aus
der Sicht des Verkehrs kann es zahlreiche - im Einzelfall zu untersuchende -
Gründe geben, in einem Zeichen keinen herkunftsbezogenen Hinweis zu sehen -
wie zB bei nur mittelbar beschreibenden Bezeichnungen bzw solchen mit lediglich
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assoziativer Verbindung zur Ware oder Dienstleistung oder bei Werbeschlagwör-
tern (vgl hierzu eingehend BPatG MarkenR 2002, 201, 205-207 - BerlinCard -
mwH). Deshalb haben die Vorschriften des § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG trotz
möglicher Überschneidungen ihren eigenen Anwendungsbereich (vgl auch EuG
MarkenR 2002, 88, 90 Tz 25 b – EUROCOOL - zu Art 7 Abs 1 Buchstaben b und
c GMV). Dies gilt auch dann, wenn man die in § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG genannten
"sonstigen" Merkmalsangaben in zutreffender Weise nicht zu einschränkend aus-
legt (vgl hierzu auch Ströbele, Absolute Eintragungshindernisse im Markenrecht,
GRUR 2001, 658, 662; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl § 8 Rdn 114; BPatG
MarkenR 2002, 299, 302 – OEKOLAND). Insoweit hat der Bundesgerichtshof
auch klargestellt, dass die Formulierung des Fehlens "jeglicher" Unterscheidungs-
kraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG im Lichte der Anforderungen an die
Unterscheidungskraft als Marke zu beurteilen ist und nicht auf die (geringeren) An-
forderungen an die Unterscheidungskraft abzustellen ist, wie sie für Werktitel gel-
ten (BGH MarkenR 2001, 368, 370 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten – mwN).
Wie bereits die Markenstelle mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, ist die
Wortfolge "Effect Color" auch den inländischen Verkehrskreisen, insbesondere
den angesprochenen Fachkreisen der Zahntechnik und Zahnmedizin, ohne weite-
res im Sinne des auch im Deutschen nahezu identisch gebildeten Begriffs-
paars "Effekt Farbe" bzw "Effektfarbe" oder auch "Farbeffekt" ohne weiteres ver-
ständlich. Die ergänzende durchgeführte Internet-Recherche belegt darüber hin-
aus auch eine entsprechende beschreibende Verwendung im Inland, wobei entge-
gen den Ausführungen der Anmelderin die Wortfolge auch keineswegs nur in zu-
fälliger Aneinanderreihung belegt werden konnte. In einer Vielzahl von Treffern ist
vielmehr auch eine glatt beschreibende Verwendung im Sinne von "Effektfarbe",
oder "der Effekt: Farbe" zu belegen. So heißt es zB in einer deutschsprachigen
Übersicht zu Farbfolien und der Farbe "Teal Green": "A medium green-blue which
can be used as a mystical special effect color" oder unter der Internetadresse
"www. oetb.de "..a simple experiment testing the effect color..", während weitere
Nachweise auch die Verwendung von "effect" als Verbum im Sinne von "to effect
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color" belegen ("This bug would not effect color"; "three ways to effect color" usw).
Entgegen der Ansicht der Anmelderin steht aber auch diese Verwendung, ebenso
wie die von ihr zitierten Wortfolgen "general effect color" oder "Special Effect Co-
lor", keineswegs im Widerspruch zu der Annahme der Markenstelle, dass die an-
gemeldeten Wortfolge als glatt beschreibende Beschaffenheitsangabe oder Wir-
kungsangabe in der Bedeutung "effektvolle Farbe" oder im Sinne "Effektfarbe" in
bezug auf die zurückgewiesenen Waren verstanden wird. Denn die angemeldete
Wortfolge stellt sich insbesondere auch bei einer derartigen Verwendung und ei-
ner Bedeutung im Sinne von "Allgemein- oder Spezialeffekt: Farbe" als schlag-
wortartige Sachangabe dar. Die Markenstelle hat insoweit bereits zutreffend dar-
auf hingewiesen, dass insbesondere in dem hier maßgeblichen Bereich der Zahn-
technik und der Zahnmedizin die Farbe der verwendeten Materialien von größter
Bedeutung ist und der Verkehr auch daran gewöhnt ist, warenbezogene Sachan-
gaben werbemäßig in komprimierter Form und mit Hilfe mehr oder weniger ein-
prägsamer Wortfolgen vermittelt zu bekommen.
"Effect Color" stellt deshalb auch keine vom üblichen Sprachgebrauch in ihrer
Wortstruktur oder ihrem semantischen Gehalt ungewöhnliche Gesamtbezeichnung
dar, die den Verbraucher veranlassen könnte, hierin einen individualisierenden,
betrieblichen Herkunftshinweis für die beanspruchten Waren zu sehen, zumal
auch "to effect" als Verb in Verbindung mit "color" in sprachüblicher Verwendung
die Bedeutung von "Farbwirkung erzielen bzw herbeiführen" aufweist und aus der
Sicht des angesprochenen Verkehrs deshalb Zweifel an dem ausschließlich sach-
hinweisenden Bedeutungsgehalt von "Effect Color" noch weniger veranlasst sind.
Nach Auffassung des Senats wird durch die Aneinanderreihung und Getrennt-
schreibung von "Effect" und "Color" das Verständnis als Hinweis auf den Effekt
durch Farbe als Sachangabe geradezu verdeutlicht und drängt sich ohne weitere
Überlegung und analysierende Betrachtung ebenso auf, wie bei den Wortbildun-
gen "effective color" bzw "effectual color", die im übrigen einen anderen Bedeu-
tungsgehalt aufweisen. Selbst wenn man deshalb davon ausgehen würde, dass
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die angemeldete Bezeichnung - trotz der Verwendungsnachweise - nicht sprach-
üblich gebildet wäre, kann deshalb vorliegend - anders als in der Entschei-
dung
"Baby-dry" des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Mar-
kenR 2001, 400) - nicht gefolgert werden, der Verkehr werde in "Effect Color" nicht
ausschließlich eine Sachangabe, sondern einen betrieblichen Herkunftshinweis
sehen. Der Annahme eines Verständnisses als Sachangabe steht auch nicht ent-
gegen, dass sich eine Verwendung der gewählten Schreibweise für die in Rede
stehenden Waren nicht lexikalisch belegen lässt (vgl auch BGH GRUR 2001,
1151, 1552 – marktfrisch; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 142), zu-
mal der Verkehr an "grammatikalisch unrichtige" Begriffsbildungen gewöhnt ist
und diese den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten der werbemäßigen Verwen-
dung von Sachangaben auch auf dem hier maßgeblichen Warensektor entspre-
chen (vgl hierzu EuGH, MarkenR 2001, 400 - Baby-dry; BGH MarkenR 2001, 465,
469, - Bit/Bud - mwH).
Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob eventuell Teile des Verkehrs die an-
gemeldete Wortfolge in Bedeutung von "Farbeffekt" und nicht im Sinne von "Ef-
fektfarbe" oder "Effekt: Farbe" verstehen. Denn unabhängig davon, dass ein
Schutzhindernis auch dann begründet ist, wenn bereits für einen wesentlichen Teil
der angesprochenen Verkehrskreise von dem - im übrigen auch nächstliegenden -
Begriffsverständnis von "Effect Color" im Sinne von "Effektfarbe" auszugehen ist,
stellt auch ein Verständnis der Wortfolge im Sinne von "Farbeffekt" in bezug auf
die maßgeblichen Waren keine abweichende Angabe dar, welche von einem Ver-
ständnis als Sachangabe und einem entsprechenden Bedeutungsgehalt wegfüh-
ren würde.
Zutreffend hat die Markenstelle auch darauf hingewiesen, dass auch das Vorspie-
geln von Natürlichkeit - insbesondere die Angleichung der beanspruchten Waren
an die natürliche Zahnfarbe - eine Farbwirkung bzw ein Farbeffekt ist, wie auch ein
Verständnis von "Effect Color" als Sachangabe nicht dadurch ausgeschlossen ist,
dass es sich um eine allgemeine Angabe handelt. Denn auch die mit einer verall-
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gemeinernden Aussage einher gehende Unbestimmtheit einer Angabe oder die
Unkenntnis der durch den Begriff im Einzelfall repräsentierten tatsächlichen Inhal-
te muss einem Verständnis als bloße Sachangabe - wie auch der Beurteilung als
freihaltebedürftiger Sachbegriff - nicht entgegenstehen (vgl für die Sammelbe-
zeichnung "Bücher für eine bessere Welt" auch BGH MarkenR 2000, 330, 332;
ferner BPatG MarkenR 2002, 201, 207 – BerlinCard - mwH). Eine begriffliche Un-
bestimmtheit kann insoweit vielmehr gewollt sein, um eine positive Erwartungshal-
tung des Kunden zu fördern und einen möglichst weiten Bereich warenbezogener
Eigenschaften, Vorteile oder Leistungen zu erfassen, ohne diese im Einzelnen zu
benennen.
Im Ergebnis ist demnach festzustellen, dass der angemeldeten Wortfolge zu
Recht von der Markenstelle in dem mit der Beschwerde angegriffenen Umfang die
Eintragung wegen des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8
Abs 2 Nr 1 MarkenG versagt worden ist, auch wenn grundsätzlich von einem
großzügigen Maßstab auszugehen ist und es zur Begründung von Unterschei-
dungskraft keiner eigentümlichen oder originellen Zeichenbildung oder eines
Phantasieüberschusses bedarf (vgl zur ständigen Rechtsprechung des BGH Mar-
kenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; BGH Mar-
kenR 1999, 349, 351 – YES; BGH GRUR 2002, 64 – INDIVIDUELLE; EuG GRUR
Int 2001, 756, 759 Tz 39 - EASYBANK - zu Art 7 Abs 1 Buchst b und c GMV). Es
kann deshalb dahingestellt bleiben, ob weitere Eintragungshindernisse bestehen.
Die Beschwerde der Anmelderin war deshalb zurückzuweisen.
Kliems Bayer Engels