Urteil des BPatG vom 02.03.2010
BPatG: stand der technik, patentanspruch, luft, form, einspruch, staub, bildaufnahme, messung, zusammensetzung, toter
BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 333/06
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 198 26 835
…
- 2 -
…
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 2. März 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Schröder, des Richters Harrer sowie der Richterinnen Dr. Proksch-Ledig und
Dr. Münzberg
beschlossen:
Das Patent 198 26 835 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
G r ü n d e
I
Die Erteilung des Patents 198 26 835 mit der Bezeichnung
„Anordnung und Verfahren zur automatischen Bestimmung luftgetragener Mikro-
organismen, biotischer und/oder abiotischer Partikel“
ist am 2. Februar 2006 veröffentlicht worden. Das Patent umfasst 10 Patentan-
sprüche, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:
„1.
Anordnung zur automatischen Bestimmung luftgetragener Mikroorga-
nismen, biotischer und/oder abiotischer Partikel mit mindestens
einem Träger oder mindestens einem Teil eines Trägers für die luft-
getragenen Mikroorganismen, biotischen und/oder abiotischen Parti-
kel, der nacheinander lose mit mindestens den Einrichtungen zum
Ansaugen von Luft, zur Bildaufnahme und zur Reinigung verbunden
- 3 -
ist, dadurch gekennzeichnet, dass an die Einrichtung zur Bildauf-
nahme (3) eine aus
-
einer die Objekte in Form der Mikroorganismen, der biotischen
und der abiotischen Partikel auf dem Träger (1) oder einem Teil
des Trägers (1) extrahierenden und einzelne Objekte identifizie-
renden und entweder nach dem Schwellwertverfahren arbeitende
und die Grauwertverteilung der in einem Histogramm gewandel-
ten Objekte auswertende oder nach der Wasserscheidentransfor-
mation arbeitende Bildsegmentierung,
-
einer Objektisolierung einschließlich einer Vereinzelung überla-
gerter Mikroorganismen, biotischer und/oder abiotischer Partikel,
-
einer die Objekte zählenden und mindestens einer der Merkmale
hinsichtlich der Form, Farbe, Fluoreszenz, Größe und Struktur
bestimmenden Merkmalsbestimmung und
einer Klassifikation der Objekte, die mindestens einen der folgen-
den Parameter
-
Anzahl der Objekte unabhängig von ihrer Zusammensetzung und
Herkunft,
-
Größe der Objekte,
-
Form der Objekte,
-
Anzahl alveolengängiger Objekte,
-
Anzahl der Objekte biogenen Ursprungs,
-
Größe der Objekte biogenen Ursprungs,
-
Form der Objekte biogenen Ursprungs,
-
Anzahl toter Objekte biogenen Ursprungs,
-
Anzahl lebensfähiger und eventuell vermehrungsfähiger Objekte
biogenen Ursprungs,
-
Arten und Gattungen aufgrund charakteristischer Sporen- oder
Pollenformen,
-
Verhältnis von luftgetragenen abiotischen zu biotischen Partikeln
und
- 4 -
-
Verhältnis von toten zu lebensfähigen luftgetragenen Mirkoorga-
nismen umfasst,
bestehende Einrichtung zur Bildauswertung (6) angeschlossen ist.“
Zum Wortlaut der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10, die besondere Ausgestal-
tungen der Anordnung zur automatischen Bestimmung luftgetragener Mikroorga-
nismen, biotischer und/oder abiotischer Partikel nach Patentanspruch 1 betreffen,
wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen dieses Patent ist am 1. Mai 2006 Einspruch erhoben worden. Der Ein-
spruch ist im Wesentlichen damit begründet, dass die beanspruchte Anordnung
zur automatischen Bestimmung luftgetragener Mikroorganismen, biotischer und/
oder abiotischer Partikel nicht patentfähig sei. Zur Stützung ihres Vorbringens ver-
weist die Einsprechende auf die Druckschriften
E1
VDI-Richtlinien, „Messung partikelförmiger Niederschläge - Mikrosko-
pische Unterscheidung und größenfraktionierte Bestimmung der Par-
tikeldeposition auf Haftfolien - Probenahmegerät Sigma-2“, VDI 2119
Blatt 4, VDI/DIN-Handbuch Reinhaltung der Luft, Band 4, Au-
gust 1997, S. 2 bis 25
E2
R.C. Gonzalez und R.E. Woods, „Digital Image Processing“,
Addison-Wesley Publishing Company, Inc., Nachdruck mit Korrektu-
ren, September 1993, S. 443/444
E3
S. Beucher and C. Lantuejoul, „Use of Watersheds in Contour Detec-
tion“, International Workshop on image processing: Real-time Edge
and Motion detection/estimation, Rennes, Frankreich, 17. bis
21. September 1979
E4
R. Eltschka, J. Kühr und E. Schultz, „Luftverunreinigungen und Atem-
wegserkrankungen - Lufthygienische Messungen und epidemiologi-
sche Untersuchungen im Raum Freiburg“, ecomed verlagsgesell-
- 5 -
schaft AG & Co. KG, Landsberg, 1995, S. 21 bis 23, 260, 261, 265,
269 bis 275, 279, 280 und 284
E5
US 4 808 827
E6
US 4 586 389
E7
Internetseite zum „Recording air sampler“ der Burkard Manufacturing
Co. Ltd., UK, 7. Januar 2001
E8
M. Mazière, „Etude de faisabilité pour la reconnaissance automatique
de grains de pollen“, INRIA Sophia-Antipolis - Projet ORION,
24.06.1997, S. 17 bis 30
E9
W.C. McCrone and J.G. Delly: The Particle Atlas, Edition Two, ann
arbor science Publishers Inc., Michigan, USA, 1973, Volume I, „Prin-
ciples and Techniques“, S. 42 und 204
E10 A. William and C. Hinds, „Aerosol Technology - Properties, Behavior
and Measurement of Airborne Particles“, John Wiley & Sons, New
York, 1985, S. 309
E11 K. Spurny, „Nuclepore Siebfilter-Membranen: Zehn Jahre Anwen-
dung für Staub- und Aerosolmessungen“, Staub - Reinhalt. Luft 37,
1977, Nr. 9, S. 328 bis 334
Sie führt schriftsätzlich insbesondere aus, dass die Anordnung des unabhängigen
Anspruchs 1 unter Berücksichtigung der Angaben in E1 und E4 sowie E5 bzw. E6
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Aus der E1 sei eine Anordnung zur
automatischen Bestimmung von Partikeln bekannt, welche sich von der patentge-
mäßen Anordnung nur dadurch unterscheide, dass in dieser Anordnung keine Ein-
richtungen zur Objektisolierung, zur Reinigung des Trägers und zum Ansaugen
von Luft vorgesehen seien. Derartige Einrichtungen in einer Anordnung gemäß
der E1 vorzusehen läge für den Fachmann jedoch auf der Hand. Denn die für eine
genaue Bilduntersuchung selbstverständliche Vorrichtung zur Objektisolierung,
einschließlich einer Vereinzelung überlagerter Objekte, sei aus der E4 bekannt.
Für eine aktive Beaufschlagung des Trägers könne auf die in der E5 oder E6
beschriebene Einrichtung zum Ansaugen von Luft zurückgegriffen werden. Eine
- 6 -
Einrichtung zum Reinigen des Trägers werde der Fachmann nach Bedarf vorse-
hen, falls der Träger oder Bereiche des Trägers mehr als einmal verwendet wer-
den sollen. Somit ergebe sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in nahe
liegender Weise aus dem Stand der Technik und unter Heranziehen des allgemei-
nen Fachwissens. Auch die Merkmale der Unteransprüche ließen keine erfinderi-
sche Tätigkeit erkennen. Die in den Ansprüchen 1, 5 und 10 des Streitpatents
beschriebene Anordnung zur automatischen Bestimmung luftgetragener Mikroor-
ganismen, biotischer und/oder abiotischer Partikel sei zudem nicht ausführbar, da
sich im Streitpatent keinerlei Angaben dazu fänden, wie die in den Patentansprü-
chen 1 und 10 genannte lose Verbindung des Trägers mit den Einrichtungen
bewerkstelligt werden könne; zudem sei dem Streitpatent keine nacharbeitbare
Offenbarung zu entnehmen, wie eine patentgemäße Anordnung zur automati-
schen Bestimmung luftgetragener Mikroorganismen, biotischer und/oder abioti-
scher Partikel allein durch eine Einrichtung zur Bildauswertung, gemäß den Merk-
malen im Patentanspruch 5, gebildet werden könne.
Die Einsprechende beantragt schriftsätzlich,
das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt schriftsätzlich,
das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten (Hauptantrag),
hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der
Grundlage der mit Schriftsatz vom 25. Januar 2010 eingereichten
Patentansprüche 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 1, weiter hilfsweise,
das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage der
mit Schriftsatz vom 25. Januar 2010 eingereichten Patentansprü-
che 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 2.
- 7 -
Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und macht im Wesentli-
chen geltend, dass der Fachmann in Kenntnis der im Streitpatent definierten Ein-
richtungen, sowie der Bewegung und Geometrie des Trägers die patentgemäße
Anordnung mit ihren losen Verbindungen zwischen dem Träger und den einzelnen
Einrichtungen realisieren könne. Die Unteransprüche 2 bis 10 würden vorteilhafte
Ausgestaltungen der im Patentanspruch 1 genannten Lösung beinhalten. Eine
Anordnung mit den im Patentanspruch 5 genannten Merkmalen sei daher eben-
falls ausführbar. Darüber hinaus sei die beanspruchte Anordnung zur automati-
schen Bestimmung luftgetragener Mikroorganismen, biotischer und/oder abioti-
scher Partikel unbestritten neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In ihrem Schriftsatz vom 20. Januar 2010 hat die Einsprechende mitgeteilt, dass
sie an der für den 29. Januar 2010 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht
teilnehmen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1.
Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen.
Der Einspruch ist somit zulässig. Er kann aber nicht zum Erfolg führen.
2.
Die gemäß Hauptantrag geltenden Ansprüche sind zulässig. Die erteilten
Patentansprüche 1 bis 10 sind aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3, 5, 7
bis 10, 12, 13, 15, 16, 20, 22 und 23 sowie Beschreibung Seite 9, vierter Absatz,
Seiten 10 und 11 - Beispiel 2 i. V. m. Figur 1 der Erstunterlagen ableitbar.
3.
Die Anordnung zur automatischen Bestimmung luftgetragener Mikroorganis-
men, biotischer und/oder abiotischer Partikel wie in den Patentansprüchen 1, 5
und 10 beschrieben, ist ausführbar. Aufgrund der in der Figur 1 des Streitpatents
- 8 -
gezeigten Anordnung und der dazugehörigen Beschreibung wird der Fachmann
- hier ein auf dem Gebiet der analytischen Chemie tätiger Chemiker, der im Team
mit einem Ingenieur aus dem Fachbereich Luftmesstechnik zusammenarbeitet -
eine „lose Verbindung“ nicht als undefinierte mechanische Verbindung auffassen,
sondern diese als eine räumliche Platzierung der einzelnen Bauteile um den Trä-
ger verstehen, welche die Rotationsfreiheit des Trägers garantiert (vgl. Streitpa-
tent, Figur 1 i. V. m. Abs. [0038]). Demzufolge wird der Fachmann auch keinen
Widerspruch darin sehen, dass die Bauteile in der patentgemäßen Anordnung
einerseits lose miteinander verbunden sind und der Träger andererseits zwischen
den Bauteilen frei rotieren kann. Mit dem in der Figur 1 des Streitpatents gezeigten
Ausführungsbeispiel wird somit ein gangbarer Weg für die Verwirklichung der im
Streitpatent offenbarten technischen Lehre aufgezeigt und damit den in den BGH-
Entscheidungen „Taxol“ bzw. „Kupplungsvorrichtung II“ festgelegten Erfordernis-
sen ausreichend Rechnung getragen (vgl. BGH GRUR 2001, 813, 817 IV. - Taxol
und BGH GRUR 2003, 223, 225 I.4 - Kupplungsvorrichtung II).
Der von der Einsprechenden vertretenen Auffassung, die im Patentanspruch 5
beschriebene Anordnung sei nicht realisierbar, da diese Anordnung lediglich aus
einer Bildauswertungseinheit bestehe, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn
beim Patentanspruch 5 handelt es sich nicht um einen unabhängigen, zum Patent-
anspruch 1 nebengeordneten Anspruch, sondern vielmehr um einen auf den Pa-
tentanspruch 1 rückbezogenen Anspruch. Demzufolge wird mit den Merkmalen
des Patentanspruchs 5 keine alternative Anordnung zu der im Patentanspruch 1
genannten Anordnung beschrieben, sondern die Anordnung nach Patentan-
spruch 1 lediglich weiter ausgestaltet und zwar mit einer Bildauswertungseinheit,
mit der aufgrund eines Bildanalysealgorithmus überlagerte Objekte vereinzelt dar-
gestellt werden können. Der Fachmann weiß somit, wie er vorzugehen hat, um die
Merkmale des Patentanspruchs 5 realisieren zu können.
Die Einsprechende vertritt ferner die Auffassung, dass eine komplexe Bestimmung
von Mikroorganismen mit der patentgemäßen Anordnung nicht durchführbar sei,
- 9 -
da eine solche Bestimmung im Streitpatent nicht durch nacharbeitbare Ausfüh-
rungsbeispiele belegt werde. Die von der Einsprechenden geäußerten bloßen
Zweifel reichen allerdings nicht aus, um die Ausführbarkeit der im Streitpatent
offenbarten technischen Lehre zu verneinen, denn ohne die Vorlage von entge-
genstehendem Beweismaterial besteht aus Sicht des Senats keine Veranlassung
an der Ausführbarkeit dieser Bestimmungen zu zweifeln.
4.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag betrifft eine Anordnung zur auto-
matischen Bestimmung luftgetragener Mikroorganismen, biotischer und/oder abio-
tischer Partikel, die folgende Merkmale aufweist:
1.1
mindestens einen Träger oder mindestens einen Teil eines Trägers für
die luftgetragenen Mikroorganismen, biotischen und/oder abiotischen
Partikel,
1.2
der nacheinander lose mit mindestens
1.3
den Einrichtungen
1.3.1
zum Ansaugen von Luft
1.3.2
zur Bildaufnahme und
1.3.3
zur Reinigung verbunden ist, wobei
1.4
an die Einrichtung zur Bildaufnahme (3) eine Einrichtung zur Bildaus-
wertung (6) angeschlossen ist, bestehend aus
1.4.1
einer die Objekte in Form der Mikroorganismen, der biotischen und/
oder der abiotischen Partikel auf dem Träger (1) oder einem Teil des
Trägers (1) extrahierenden und einzelne Objekte identifizierenden und
entweder
1.4.1.1
nach dem Schwellwertverfahren arbeitenden und die Grauwertvertei-
lung der in einem Histogramm gewandelten Objekte auswertenden
oder
1.4.1.2
nach der Wasserscheidentransformation arbeitenden Bildsegmentie-
rung,
- 10 -
1.4.2
einer Objektisolierung einschließlich einer Vereinzelung überlagerter
Mikroorganismen, biotischer und/oder abiotischer Partikel,
1.4.3
einer Objektzählung und einer Merkmalsbestimmung mit der mindes-
tens eines der Merkmale hinsichtlich der Form, Farbe, Fluoreszenz,
Größe und Struktur bestimmt wird, sowie
1.4.4
einer Klassifikation der Objekte, die mindestens einen der folgenden
Parameter umfasst:
1.4.4.1
Anzahl der Objekte unabhängig von ihrer Zusammensetzung und Her-
kunft,
1.4.4.2
Größe der Objekte,
1.4.4.3
Form der Objekte,
1.4.4.4
Anzahl alveolengängiger Objekte,
1.4.4.5
Anzahl der Objekte biogenen Ursprungs,
1.4.4.6
Größe der Objekte biogenen Ursprungs,
1.4.4.7
Form der Objekte biogenen Ursprungs,
1.4.4.8
Anzahl toter Objekte biogenen Ursprungs,
1.4.4.9
Anzahl lebensfähiger und eventuell vermehrungsfähiger Objekte bio-
genen Ursprungs,
1.4.4.10
Arten oder Gattungen aufgrund charakteristischer Sporen- oder Pol-
lenformen,
1.4.4.11
Verhältnis von luftgetragenen abiotischen zu biotischen Partikeln und
1.4.4.12
Verhältnis von toten zu lebensfähigen luftgetragenen Mirkoorganis-
men.
Eine Anordnung mit diesen Merkmalen ist, wie von der Einsprechenden in ihrem
schriftsätzlichen Vorbringen auch nicht bestritten wurde, neu, da in keiner der Ent-
gegenhaltungen E1 bis E11 eine Anordnung mit sämtlichen Merkmalen des
Patentanspruchs 1 offenbart ist.
5.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht auch auf
einer erfinderischen Tätigkeit.
- 11 -
Ausgehend davon, dass eine seriöse Interpretation der Ergebnisse von Luftunter-
suchungen bisher nicht möglich ist, da bei diesen Untersuchungen sowohl die
Zahl der Stichproben zu gering als auch das zur Auswertung gebrachte Luftvolu-
men meist zu klein ist und Emissionsspitzen dabei nicht oder nur unzureichend
erfasst werden, liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, eine Anordnung
bereitzustellen, mit der luftgetragene Mikroorganismen, biotische und/oder abioti-
sche Partikel in der Luft automatisch bestimmt werden können (vgl. Streitpatent-
schrift, Abs. [0002 bis 0008]). Die Aufgabe wird durch die Anordnung gemäß
Patentanspruch 1 gelöst, die die Vorteile bietet, dass mit ihr eine Vielzahl von
Messungen durchführbar sind, bei denen Maxima und Minima in der Konzentra-
tion von Mikroorganismen, biotischen und/oder abiotischen Partikeln erfasst wer-
den und die Zusammensetzung des Keimspektrums ermittelt werden kann, so
dass diese Anordnung eine kontinuierliche und messtechnisch einheitliche Kon-
trolle der Luft ermöglicht (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0010]).
Ausgangspunkt für die Lösung der Aufgabe sind die Entgegenhaltungen E1 und
E4, die sich beide mit einer rechnergestützten Bestimmung luftgetragener Partikel
beschäftigen.
Aus der E1 ist eine Vorrichtung zur mikroskopischen Unterscheidung luftgetrage-
ner Partikel bekannt (vgl. E1, S. 3, li. Sp., zweiter Abs.). Die Probensammlung
erfolgt bei dieser Vorrichtung passiv durch Sedimentation, so dass nur luftgetra-
gene Partikel auf der Haftfolie gebunden werden, die aufgrund ihrer Größe eine
ausreichende Sinkgeschwindigkeit besitzen (vgl. E1, S. 2, li. Sp. i. V. m. S. 3,
Bild 1 und li. Sp. dritter Abs.). Eine entsprechende Größenverteilung der abge-
schiedenen Partikel wurde in der E1 anhand von Vergleichsmessungen auch für
den Fall ermittelt, dass der Träger aktiv z. B. mit Hilfe eines Impaktors beauf-
schlagt wird (vgl. E1, S. 22, li. Sp. Punkt 6.3, Punkt 1, zweiter Abs.). Eine aktive
Beaufschlagung des Trägers findet in der E1 darüber hinaus allerdings keine wei-
tere Beachtung, da bei der in der E1 verwendeten passiven Sammeltechnik die
Partikel auf der Haftfolie bereits isoliert abgeschieden werden und damit der
- 12 -
mikroskopischen Bestimmung gut zugänglich sind (vgl. E1, S. 4, li. Sp., erster und
zweiter Abs.). Demzufolge wird für die Bestimmung der Partikel in der E1 auch ein
Bildanalysesystem verwendet, welches zwar Algorithmen für eine schnelle Bilder-
fassung, Bildoptimierung, Segmentierung und Messung besitzt, aber keinen Algo-
rithmus für eine Objektisolierung enthält, mit dem eine Vereinzelung überlagerter
Partikel möglich wäre (vgl. E1, S. 6/7, Abschnitt 2.2.3). Der Einsatz einer solchen
rechnergestützten Objektisolierung - wie sie unter Merkmal 1.4.2 des Patentan-
spruchs 1 vorgesehen ist - wird in der E1 auch dann nicht als erforderlich erachtet,
wenn die passive Probensammlung aufgrund hoher Immissionsbelastungen zu
einer Überbelegung des Trägers mit luftgetragenen Partikeln führt, da in diesem
Fall eine Verkürzung der Probenahmedauer vorgeschlagen wird (vgl. E1, S. 24,
li. Sp., Punkt 7, letzter Abs.).
Auch die E4 liefert dem Fachmann keinen Anreiz dafür, eine Anordnung zur auto-
matischen Bestimmung luftgetragener Partikel mit den im Patentanspruch 1
genannten Merkmalen 1.3.1 (Einrichtung zum Ansaugen von Luft) und 1.4.2 (Ob-
jektisolierung) auszustatten. Der E4 ist zwar zu entnehmen, dass bei lufthygieni-
schen Messungen die Probenahme aktiv, unter Verwendung eines Impaktors
erfolgen kann, mit dem Luft aus der Umgebung angesaugt und der Luftstrom
durch eine Düse bekannter Geometrie auf einen Träger gelenkt wird, so dass sich
die im Luftstrom suspendierten Partikel größenabhängig aufgrund ihrer Trägheit
auf der Trägeroberfläche abscheiden (vgl. E4, S. 265, erster Abs. und zweiter
Abs., Z. 1 bis 4). Allerdings wird die Probenahme bei den in der E4 beschriebenen
lufthygienischen Messungen dennoch passiv durchgeführt (vgl. E4, S. 21,
Punkt 1.3.2 und S. 260, dritter Abs.). Denn die Autoren der E4 kommen zu dem
Schluss, dass eine aktive Probenahme trotz ihres geringen zeitlich Erfassungsgra-
des zwar eine repräsentative Aussage erwarten lässt (vgl. E4, S. 265, vierter
Abs.), sich diese Form der Probensammlung aber insofern als nachteilig erweist,
als dabei vor allem Partikel mit sehr geringem Durchmesser nicht erfasst werden
(vgl. E4, S. 265, letzter Abs.). Die in der E4 vermittelte technische Lehre wird den
Fachmann folglich nicht dazu veranlassen, die Probennahme aktiv - d. h. durch
- 13 -
Ansaugen von Luft und damit wie im Merkmal 1.3.1 des Patentanspruchs 1 ge-
mäß Streitpatent vorgesehen - zu gestalten. Entgegen der von der Einsprechen-
den schriftsätzlich vertretenen Auffassung, findet sich in der E4 auch kein Hinweis
dahingehend, für die mikroskopische Auswertung der Partikelproben eine Objekt-
isolierung zur Vereinzelung überlagerter luftgetragener Partikel einzusetzen. Denn
bei der in der E4 verwendeten Sedimentationsabscheidung liegen die Partikel auf
der Haftfolie isoliert vor, so dass eine Objektisolierung in diesem Fall nicht erfor-
derlich ist (vgl. E4, S. 260, dritter Abs). Aber auch bei den Vergleichsmessungen
zur Unterscheidung der Partikelablagerung bei aktiver und passiver Probennah-
me, werden die gewonnen Partikelproben mikroskopisch untersucht, ohne dass
hierfür eine rechnergestützte Objektisolierung verwendet wird (vgl. E4, S. 265, ers-
ter Abs. und zweiter Abs., Z. 10 bis 17).
Auch die Berücksichtigung der Entgegenhaltungen E5, E6 und E8 führt zu keiner
anderen Beurteilung des Sachverhalts.
Die E5 betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Nachweis der Konzentra-
tion radioaktiver Actinoide in der Luft (vgl. E5, Sp. 4, Z. 35 bis 41 sowie Ansprü-
che 1 und 8). Die Actinoid-haltigen Partikel werden dabei aus der Umgebungsluft
mit Hilfe eines Impaktors angesaugt und auf einem Papierträger abgeschieden,
auf dem sie anschließend mit einem Strahlendetektor nachgewiesen werden (vgl.
E5, Sp. 10, Z. 8 bis 24, Fig. 1 und 2 sowie Anspruch 1). Da mit dem Impaktor
bereits die größeren Actinoid-haltigen Partikel von den kleineren Partikeln abge-
trennt werden - die in aller Regel mit Zerfallsprodukten des Radons belastet sind
und somit -Strahlung aussenden, die mit der -Strahlung der Actinoid-haltigen
Partikel interferiert, was wiederum zu einer Verfälschung der Messergebnisse
führt - ist eine optische Differenzierung der gesammelten Partikel in E5 nicht erfor-
derlich (vgl. E5, Sp. 1, Z. 22 bis 30 und Sp. 2, Z. 31 bis 35). Für die Auswertung
des mit Partikeln beaufschlagten Trägers ist bei der Vorrichtung der E5 daher
keine Bildauswertungseinheit mit dem Merkmal 1.4.2 des Patentanspruchs gemäß
- 14 -
Streitpatent vorgesehen, sondern vielmehr eine computergestützte Strahlendetek-
toreinheit (vgl. E5, Sp. 15, Z. 1 bis 22).
Auch durch die Entgegenhaltung E6 wird die patentgemäße Lösung der dem
Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe nicht nahe gelegt. Die E6 ist mit einer
Vorrichtung zum Nachweis von Staub befasst, bei der Luft mit einem Impaktor
angesaugt und in diesem über rotierende Zylinder geleitet wird, wobei sich in der
Luft enthaltene Staubpartikel auf einem klebrigen Film im Inneren der Zylinder
abscheiden (vgl. E6, Ansprüche 1 bis 3). Die aus den Zylindern entnommenen
Filme können anschließend mikroskopisch, durch Wägung und/oder durch Strah-
lungsmessungen analysiert werden (vgl. E6, Sp. 4, Z. 30 bis 64). Eine Bildaus-
wertungseinheit mit einer Objektisolierung zur Vereinzelung überlagerter Mikroor-
ganismen ist trotz der aktiven Probenahme auch bei dieser Vorrichtung nicht vor-
gesehen.
In der E8 wird ein rechnergestütztes Bildanalyseprogramm beschrieben, mit dem
auf einem Träger abgeschiedene und überlagerte Pollen optisch vereinzelt und
danach mikroskopisch analysiert werden können (vgl. E8, S. 17, Punkt 4.1 und
4.2.1, sowie S. 22, Punkt 5 und 5.1, erster Abs.). Dieser Entgegenhaltung ent-
nimmt der Fachmann zwar die technischen Maßnahmen, die für eine Isolierung
und Vereinzelung überlagerter Objekte in digitalen Bildern erforderlich sind. Aller-
dings wird eine solche Objektisolierung und -vereinzelung in der E8 nur im Zu-
sammenhang mit der Bestimmung von Pollen beschrieben, so dass eine Zusam-
menschau der Entgegenhaltung E8 mit der Druckschrift E1 oder E4 keine Anre-
gung dahingehend liefert, bei einer Anordnung für eine allgemeine automatische
lufthygienische Messung eine solche rechnergestützte Objektisolierung vorzuse-
hen. Denn der Fachmann wird gemäß den Angaben in der E1 bzw. E4 eine
Objektisolierung bei einer automatischen Luftmessung, bei der es nicht allein um
die Bestimmung von Pollen, sondern um die Bestimmung von Mikroorganismen,
biotischen und/oder abiotischen Partikeln geht, weder als vorteilhaft noch als erfor-
derlich erachten. Um zur patentgemäßen Anordnung nach Patentanspruch 1 zu
- 15 -
gelangen, müsste der Fachmann bei einer kombinierten Betrachtung von E8 und
E1 bzw. E8 und E4 zudem die in den Entgegenhaltungen E1 oder E4 verwendete
passive Probensammlung durch eine aktive Sammeltechnik ersetzen, wofür sich
im zitierten Stand der Technik jedoch keine Anregung findet.
Die übrigen Entgegenhaltungen E2, E3, sowie E9 bis E11 liegen weiter entfernt,
da diese nicht mit Vorrichtungen zur automatischen Bestimmung luftgetragener
Partikel befasst sind, sondern nur mit einzelnen Aspekten, die bei einer automati-
schen Luftmessungen von Bedeutung sein können. So sind den Entgegenhaltun-
gen E2 und E3 lediglich Angaben zu den für eine Segmentierung digitaler Bilder
erforderlichen Algorithmen entsprechend dem Schwellwertverfahren oder der
Wasserscheidentransformation zu entnehmen. Die E9 liefert einen Überblick über
die verschiedenen Möglichkeiten der Sammlung von Partikeln für deren lichtmi-
kroskopische Untersuchung und in der E10 wird ausgeführt, dass luftgetragene
Partikel auch mit Hilfe eines elektrischen Feldes differenziert werden können.
Gegenstand der E11 sind spezielle Kernporenfilter, die bei Staub- und Aerosol-
messungen verwendet werden und dabei für mikroskopische und mikrochemische
Analysen geeignet sind. Die Entgegenhaltung E7 ist nachveröffentlicht und hat
daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt zu bleiben.
Die Anordnung nach Patentanspruch 1 wird vom entgegengehaltenen Stand der
Technik demzufolge nicht nahegelegt.
6.
Nach alledem weist die Anordnung zur automatischen Bestimmung luftgetra-
gener Mikroorganismen, biotischer und/oder abiotischer Partikel nach Patentan-
spruch 1 gemäß Hauptantrag alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Dieser An-
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spruch ist daher rechtsbeständig. Mit ihm haben die Unteransprüche 2 bis 10, die
besondere Ausführungsformen der Anordnung nach Patentanspruch 1 betreffen,
Bestand.
Schröder
Harrer
Proksch-Ledig
Münzberg
Fa