Urteil des BPatG vom 06.10.2004
BPatG: marke, kennzeichnungskraft, patent, gesamteindruck, versicherung, verwechslungsgefahr, verkehr, wiedergabe, schriftzeichen, aufmerksamkeit
BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 11/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. Oktober 2004
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
- 2 -
…
betreffend die IR-Marke 714 847
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin
Winkler, Richter Viereck und Richter Sekretaruk
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden zu 1 werden die
Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom
10. Oktober 2001 und vom 10. Oktober 2002 insoweit aufge-
hoben, als der Widerspruch hinsichtlich der Waren „vête-
ments“ zurückgewiesen wurde.
Insoweit wird der IR-Marke 714 847 wegen des Wider-
spruchs aus der Marke 1 175 110 der Schutz für die Bundes-
republik Deutschland verweigert.
2.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden zu 2 werden die
Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom
10. Oktober 2001 und vom 10. Oktober 2002 insoweit aufge-
hoben, als der Widerspruch hinsichtlich der Waren „eaux
minérales et gazeuses et autres boissons non alcooliques“
zurückgewiesen wurde.
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Insoweit wird der IR-Marke 714 847 wegen des Wider-
spruchs aus der Marke 398 18 213 der Schutz für die Bun-
desrepublik Deutschland verweigert.
3.
Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die nach dem Madrider Markenabkommen (MMA) für eine Vielzahl von Waren
und Dienstleistungen, u. a. für
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Vêtements, chaussures, chapellerie, ceintures de cuir.
32 Bières ; eaux minérales et gazeuses et autres boissons non
alcooliques ; boissons de fruits et jus de fruits; sirops et
autres préparations pour faire des boissons
registrierte Marke IR 714 847 (Ursprungsland Schweiz mit Priorität vom 19. No-
vember 1998)
siehe Abb. 1 am Ende
begehrt Schutz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
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Gegen die Schutzerstreckung haben Widerspruch erhoben die Inhaberinnen von
zwei prioritätsälteren deutschen Marken, nämlich
1.
der am 18. Juli 1990 angemeldeten und am 17. April 1991 eingetragenen
Marke 1 175 110
siehe Abb. 2 am Ende
die für
textile Bekleidungsstücke und textile Accessoires, nämlich
Stirnbänder, Gürtel, Mützen, Schuhe, Strümpfe, Schals, Hüte
und Embleme
Schutz genießt und
2.
der am 31. März 1998 angemeldeten und am 5. Juni 1998 für
Mineralwässer
eingetragenen Marke 398 18 213
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siehe Abb. 3 am Ende
(farbig).
Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke
zu 1 erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat über
beide Widersprüche gemeinsam entschieden und diese mit Beschlüssen vom
10. Oktober 2001 und vom 10. Oktober 2002, von denen der zuletzt genannte
durch einen Beamten des höheren Dienstes ergangen ist, zurückgewiesen.
Bezüglich der Widerspruchsmarke 1 175 110 sei vom Gesamteindruck her keine
verwechslungsbegründende Markenähnlichkeit mit der IR-Marke vorhanden. Auf
dem Bekleidungssektor bestehe ein hohes Markenbewusstsein der Verbraucher,
was eine entsprechend gesteigerte Aufmerksamkeit nach sich ziehe. Da es sich in
beiden Fällen um Eigennamen oder erfundene Namen handele, werde sich die
Kundschaft beide Marken auch wie solche einprägen. Selbst bei isolierter Gegen-
überstellung der Wörter MASANI’s und Mallani bestehe keine Verwechslungsge-
fahr. Die Unterschiede in den Konsonanten „ll“ und „s“ bewirkten einen deutlichen
klanglichen Unterschied. In der IR-Marke sei der Konsonant „s“ deutlich hörbar,
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weil er zum einen die zweite, betonte Wortsilbe anführe und zum anderen keine
Anzeichen für eine stimmhafte, also weniger im Klangbild auffallende Aussprache
ersichtlich seien. Zudem werde zumindest ein Teil des Verkehrs auch den End-
buchstaben „s“ mit aussprechen.
Die Widerspruchsmarke 398 118 213 weise ebenfalls im Gesamteindruck keine
Gemeinsamkeiten mit der IR-Marke auf. Der erste Wortbestandteil der Wider-
spruchsmarke werde als „Elwo“ gelesen. Die Marke werde nicht allein durch den
weiteren Wortbestandteil „masafi“ geprägt. Aber selbst bei isolierter Gegenüber-
stellung unterscheide sich dieses Wort ausreichend von MASANI’s.
Gegen diese Entscheidung haben beide Widersprechenden Beschwerde ein-
gelegt.
Die Widersprechende 1 richtet ihren Widerspruch nur noch gegen die Waren der
Klasse 25 und die Widersprechende 2 richtet ihren Widerspruch nur noch gegen
die Waren der Klasse 32.
Die Widersprechende 1 stellt den Antrag,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts
- Markenstelle für Klasse 30 – vom 10. Oktober 2001 und vom
10. Oktober 2002 aufzuheben und die angegriffene Marke im
Umfang des Widerspruchs zu löschen.
Sie ist der Ansicht, es müsse maßgeblich auf die Wortbestandteile der Vergleichs-
marken abgestellt werden, nicht aber auf deren grafische Gestaltung. Als prägen-
de Bestandteile stünden sich letztlich die Wörter Mallani und MASANI’s gegen-
über. Die Konsonanten der jeweiligen Mittel- und Endsilben seien wenig einpräg-
sam. Im Markenwort MASANI’s werde das mittlere s stimmhaft gesprochen; das
Endungs-s werde vom Verkehr als Plural- oder Genitivform aufgefasst und vermö-
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ge keine maßgeblichen Unterschiede zur Widerspruchsmarke zu begründen. Zu-
dem lägen auch begriffliche bzw. assoziative Ähnlichkeiten nahe, weil deutsche
Verbraucher die eher als ungewöhnlich empfundenen Nachnamen dem italieni-
schen Sprachraum zuordnen würden.
Die Widersprechende 2 beantragt,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts
- Markenstelle für Klasse 30 IR – vom 10. Oktober 2001 und vom
10. Oktober 2002 aufzuheben und die angegriffene Marke im
Umfang des Widerspruchs zu löschen.
Innerhalb der Widerspruchsmarke werde der Verkehr allein dem Wortbestandteil
masafi den Herkunftshinweis entnehmen. Der Bildbestandteil (eine stilisierte
Wüstenlandschaft) trete zurück. Gleiches gelte für die arabischen Lettern oder
Schriftzeichen im oberen Drittel der Marke, deren Bedeutung sich den angespro-
chenen inländischen Verkehrskreisen nicht erschließe. Diese würden als aus-
schmückendes Beiwerk angesehen werden. Dem Genetiv-s der jüngeren Marke
sei keinerlei Bedeutung beizumessen. Mithin seien die Vergleichswörter sowohl
schriftbildlich wie klanglich einander sehr ähnlich.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle für zutreffend. Die Wider-
spruchsmarke 398 18 213 werde durch den arabischen Schriftzug in gleicher Wei-
se geprägt, wie durch das Wort masafi. Letzteres unterscheide sich zu dem klang-
lich vom Markenwort MASANI’s der IR-Marke in der letzten Silbe hinreichend
deutlich.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende 1 Unterlagen zur Glaub-
haftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung ihrer Marke vorgelegt (eidesstatt-
liche Versicherung eines Geschäftsführers; Kopien von Prospekten, Etiketten, Auf-
tragsblöcken, Briefumschlägen). Die Markeninhaberin hat daraufhin die Einrede
der mangelnden Benutzung hinsichtlich der Waren „textile Bekleidungsstücke“
nicht mehr aufrecht erhalten.
II.
Die Beschwerden beider Widersprechenden sind zulässig und teilweise begrün-
det, weil die Widerspruchsmarken hinsichtlich der in der Beschlussformel genann-
ten Waren jeweils der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr mit der angegriffe-
nen IR-Marke nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 107, § 114 MarkenG un-
terliegen. Nach diesen Bestimmungen ist einer IR-Marke der Schutz in der Bun-
desrepublik Deutschland im Falle eines Widerspruchs zu verweigern, wenn und
soweit wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs
und der Ähnlichkeit der durch die jeweiligen Marken erfassten Waren für das
Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass
die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurtei-
lung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Ein-
zelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Be-
tracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der
Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungs-
kraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren
durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte
Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt
(st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 – IMS).
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1. Widerspruch aus der Marke 1 175 110
a) „Vêtements“ sind mit „textilen Bekleidungsstücken“, für welche eine Benutzung
der Widerspruchsmarke nunmehr außer Streit steht, identisch. Die sonstigen für
die IR-Marke in Klasse 25 registrierten Erzeugnisse („chaussures, chapellerie,
ceintures de cuir“) finden zwar an sich im Verzeichnis der Widerspruchsmarke
Entsprechungen („Schuhe, Mützen, Hüte, Gürtel“), wobei es sich allerdings nur um
Unterfälle der „textilen Accessoires“ handeln dürfte. Insoweit hat die Widerspre-
chende 1 aber eine rechtserhaltende Benutzung nicht ausreichend glaubhaft ge-
macht. Zwar können ihre erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Benut-
zungsunterlagen nicht als verspätet eingereicht unberücksichtigt bleiben, weil ihre
Behauptung, der Schriftsatz mit der Nichtbenutzungseinrede sei ihr im patentamtli-
chen Verfahren nicht übermittelt worden, offensichtlich zutrifft. Die eidesstattliche
Versicherung enthält aber keine näheren Angaben zu textilen Accessoires, insbe-
sondere keine aufgeschlüsselten Umsatzzahlen, und auch die als ergänzende
Glaubhaftmachungsmittel im Zusammenhang mit der eidesstattlichen Versiche-
rung zu wertenden Unterlagen, lassen eine Benutzung der Marke insoweit nicht
erkennen. Mithin ist auf seiten der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 Satz 3
MarkenG nur von textilen Bekleidungsstücken auszugehen, die zu Ledergürteln
und zu – meist aus Leder bestehenden – Schuhen ebenso wie zu Kopfbedeckun-
gen noch einen beachtlichen Abstand einhalten.
b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, welche allein durch das grö-
ßenmäßig hervortretende und typografisch gestaltete Wort Mallani geprägt wird,
liegt bereits von Hause aus im durchschnittlichen Bereich. Durch die nunmehr un-
streitige, vom Umfang her beträchtliche Benutzung für textile Bekleidungsstücke
kommt ihr insoweit sogar ein gesteigerter Schutzumfang zu.
c) Im schriftbildlichen Gesamteindruck sind sich beide Wort-Bild-Marken nicht in
einer verwechslungsbegründenden Weise ähnlich.
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Anders verhält es sich aber bei einem phonetischen Vergleich der jeweils prägen-
den Kennwörter MASANI’s und Mallani. Diese stimmen im Wortaufbau, in der Sil-
benzahl, der Vokalfolge und der Betonung auf der mittleren Silbe vollständig über-
ein. Die Abweichungen in den Konsonanten der Wortmitte (s im Verhältnis zu Il)
werden nicht stets deutlich vernehmbar sein, zumal – entgegen der Auffassung
der Markenstelle – eine scharfe (stimmlose) Artikulation des s-Lauts keineswegs
nahe liegt. Das im Schriftbild abgetrennte und verkleinerte Endungs-s im Marken-
wort der IR-Marke wird teilweise nur als Genetiv- oder Pluralform gewertet und bei
der Benennung nicht stets mitverwendet werden. Selbst bei angemessener Be-
rücksichtigung des Umstands, dass Bekleidungsstücke meist nicht mit geringer
Aufmerksamkeit erworben werden – wobei diese aber je nach Art und Wert unter-
schiedlich groß sein kann und sich nicht in allen Fällen auch auf die Marken er-
streckt –, können Fälle einer weitgehenden klanglichen Annäherung, die Ver-
wechslungen nach sich ziehen, nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlos-
sen werden.
d) Die Gesamtabwägung von Warenidentität (bezüglich Bekleidungsstücken), er-
höhter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und (noch) vorhandener pho-
netischer Ähnlichkeit der maßgeblichen Markenwörter ergibt, dass der IR-Marke
für „vêtements“ die nachgesuchte Schutzerstreckung zu verweigern ist, hinsicht-
lich der sonstigen Erzeugnisse in Klasse 25 es aber bei der den Widerspruch zu-
rückweisenden Entscheidung der Markenstelle verbleibt.
2. Widerspruch aus der Marke 398 18 213
a) Da sich der Widerspruch - wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt – nur
gegen die Waren in Klasse 32 richtet, ist die IR-Marke hinsichtlich anderer Geträn-
ke (bzw. der Ausgangsstoffe zu deren Herstellung) nicht angegriffen.
Mineralwässer sind mit „eaux minérales“ identisch und mit „eaux gazeuses et
autres boissons non alcooliques“ hochgradig ähnlich. Zu Bier liegt vor allem we-
gen des Alkoholgehalts, zu Fruchtgetränken und Fruchtsäften im Hinblick auf Far-
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be, Konsistenz und Geschmack ein erheblicher Warenabstand vor. Sirupe und an-
dere Präparate für die Zubereitung von Getränken können zwar (auch) mit Mine-
ralwasser gemischt werden und sind somit im Verhältnis zu diesen einander er-
gänzende Waren, befinden sich aber auf einer anderen Fertigungsstufe, so dass
von daher ein beträchtlicher warenmäßiger Abstand besteht.
b)
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist in ihrer Gesamtheit
durchschnittlich. Diese Beurteilung gilt gerade wegen des in ihr enthaltenen, von
deutschen Verbrauchern als Fantasiebegriff gewerteten Wortes masafi.
c) Die sich gegenüberstehenden Wort-Bild-Marken sind im schriftbildlichen Ge-
samteindruck einander nicht ähnlich.
Eine andere Beurteilung ist aber bei phonetischer Wiedergabe der Marken gebo-
ten. Was die Prägung der IR-Marke durch das Wort MASANI’s und dessen Klang-
bild anbetrifft, wird auf die Ausführungen unter 1. b), c) verwiesen. Innerhalb der
Widerspruchsmarken bietet sich nur das unten stehende Wort masafi zur Benen-
nung an, weil nur dieses in lateinischer Schrift gehalten ist. Die Aufnahme und
Wiedergabe des oben stehenden Elements ist dagegen für das inländische Publi-
kum, soweit es nicht ausnahmsweise über Arabischkenntnisse verfügt, wovon
aber regelmäßig nicht ausgegangen werden kann – nicht möglich. Entgegen der
Auffassung des Erstprüfers wird dieses Gebilde, sofern ihm überhaupt Schriftzei-
chen entnommen werden, nicht als „Elwo“ gelesen, weil nämlich kein dem lateini-
schen Buchstaben E auch nur entfernt ähnliches Symbol vorhanden ist. Es liegt
auch nicht nahe, dieses Zeichen mit dem Lautwert der Buchstaben l w o zu be-
nennen, da diese als einzelne Lettern nicht deutlich erkennbar sind. Die somit sich
gegenüberstehenden Fantasiewörter bzw. Namen MASANI’s und masafi kommen
sich, vor allem auch wegen der völligen Übereinstimmung in den ersten beiden
Silben, klanglich sehr nahe.
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d) Bei einer Gesamtabwägung der maßgeblichen Faktoren muss daher eine Ver-
wechslungsgefahr im Bereich identischer und hochgradig ähnlicher Getränke in
Klasse 32 angenommen, bei nur entfernt ähnlichen Produkten aber verneint wer-
den, so dass der angefochtene Beschluss nach Maßgabe des Tenors teilweise
aufzuheben und teilweise zu bestätigen ist.
3.
Gründe für eine Auferlegung von Verfahrenskosten (gem. §
71 Abs.
1
MarkenG) sind nicht ersichtlich.
Winkler
Richter Sekretaruk ist we-
gen Abordnung an das
LG München an der Un-
terschrift gehindert.
Winkler
Viereck
Ko
Abb. 1
Abb. 2
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Abb. 3