Urteil des BPatG vom 21.10.2010
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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
17 W (pat) 107/06
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
21. Oktober 2010
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 102 23 926.6-53
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, der Richterin Susanne Werner sowie des
Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und der Richterin Dipl.-Ing. Wickborn
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Patentanmeldung wurde am 29. Mai 2002 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingereicht unter der Bezeichnung:
„Verfahren, Computersystem und Computerprogrammprodukt zum Übertragen
eines Druckauftrages von einem Host Computer an einen Druckserver“.
Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen
Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 3. April 2006 mit der Begründung
zurückgewiesen, dass der jeweilige Gegenstand des Hauptanspruchs nach Haupt-
antrag und nach 1. und 2. Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhe.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie trägt
vor, dass das beanspruchte Verfahren auch aus einer Zusammenschau der bei-
den im Zurückweisungsbeschluss zitierten Druckschriften nicht herleitbar sei. Die
übrigen im Verfahren genannten Druckschriften reichten ebenfalls nicht aus: Die
D2
und könne allein dem beanspruchten Verfahren nicht entgegenstehen, denn das
Zusammenbinden sämtlicher benötigter Ressourcen und das automatische Ver-
senden eines vollständigen Druckauftrags gehe daraus nicht hervor und sei in die-
sem Umfeld für den beteiligten Fachmann weder zwangsläufig noch naheliegend.
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D4
irrelevant, da die dortige Zusammenstellung sich jeweils nur auf eine einzelne
Druck-Seite beziehe; die verwendeten Begriffe würden zwar ähnlich klingen, hät-
ten aber im vollständigen Druckprozess eine ganz andere Bedeutung.
Die Anmelderin stellt den Antrag,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 3. April 2006 aufzuheben und
das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu ertei-
len:
Patentansprüche 1 bis 12
hilfsweise Patentansprüche 1 bis 11
weiter hilfsweise Patentansprüche 1 bis 10
alle vorgenannten Patentansprüche aus der mündlichen Ver-
handlung,
für alle Anträge Beschreibung und Zeichnungen 1 bis 5 gemäß
Offenlegungsschrift.
Hauptantrag
möglichen Gliederung versehen:
1.
Verfahren zum Übertragen eines Druckauftrages, der
Druckdaten zu mehreren Seiten umfasst, von einem Host
Computer (4) zu einem Druckserver (8), wobei
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(a1)
Daten im Format Advanced Function Presentation (AFP)
des Druckauftrags gespeichert sind
(a2)
cendaten gespeichert sind, die zur Verwendung in mehre-
ren Druckaufträgen geeignet sind,
(b1)
sourcendaten automatisch einem Parsing-Vorgang unterzo-
gen werden, in dem die Daten hinsichtlich ihrer normge-
rechten Aufbereitung und Kompatibilität überprüft
(b2)
nau einer vorbestimmten Norm entsprechen
(b3)
und
(c1) –
variablen Daten und alle Ressourcendaten enthält,
(c2)
sourcen an den Druckserver (8) übertragen wird.“
Hinsichtlich seiner Neben- und Unteransprüche wird auf die Akte verwiesen.
Hilfsantrag 1
(b3)
(d)
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(d)
– die variablen Daten und die Ressourcendaten kompri-
miert werden, bevor sie vom Host Computer (4) an den
Druckserver (8) übertragen werden.“
Hinsichtlich seiner Neben- und Unteransprüche wird ebenfalls auf die Akte verwie-
sen.
Hilfsantrag 2
spruch 1 nach Hilfsantrag 1 überein, jedoch ist das „und“ vom Ende des Merk-
(c2)
(e)
(e)
– die variablen Daten und die Ressourcendaten mit einem
Parsing-Computerprogramm (23) konvertiert, indiziert und
sortiert werden.“
Auch seine Neben- und Unteransprüche sind der Akte zu entnehmen.
Aufgabe
gen, die variable Daten und Ressourcendaten umfassen, von einem Host-Com-
puter an einen Druckserver zur Verarbeitung von Druckaufträgen, zu vereinfachen
(siehe Offenlegungsschrift Absatz [0016]).
II.
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingelegt und ist auch sonst zuläs-
sig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn das Verfahren gemäß Patentanspruch 1
beruht weder in der Fassung nach Hauptantrag noch nach Hilfsantrag 1 oder Hilfs-
antrag 2 auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).
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1.
Die vorliegende Patentanmeldung betrifft Druckaufträge für Hochleistungs-
drucksysteme, wie sie z. B. in Großrechenzentren zu finden sind. Die Druckauf-
träge werden von einem Zentralrechner (Main Frame) generiert und dann an
i. d. R. mehrere und unterschiedliche Hochleistungsdrucker ausgegeben. Dabei
kann die Aufbereitung der Druck-Daten-Ströme in einem zwischengeschalteten
Druck-Server-Rechner erfolgen (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0001] - [0003]).
Gewöhnlich enthält ein einzelner Druckauftrag individuelle Druckdaten, die auf ein
bestimmtes Formular oder eine Vorlage gedruckt werden sollen, wobei das For-
mular bzw. die Vorlage ebenfalls als Datei vorgehalten und von einem der betei-
ligten Rechner mit den individuellen Druckdaten kombiniert wird; der Druckauftrag
selbst enthält dabei nur einen Verweis auf die benötigte Datei. Die Vorlagen wie
Rechnungsformulare, Hintergründe, Wasserzeichen, Seitenformatierungen usw.
werden in der Anmeldung als „Ressourcendaten“ bezeichnet (siehe Offenlegungs-
schrift Absatz [0010]). Grundsätzlich kann durch eine Änderung der Ressourcen-
daten etwa das Firmenlogo, die Absenderadresse o. ä. für alle Druckaufträge
geändert werden, ohne dabei die eigentlichen, individuelle Druckdaten zu berüh-
ren.
Ein gewisser Nachteil besteht jedoch darin, dass durch die Verwendung solcher
Vorlagen o. ä. das Erstellen des Druckbildes vom Zugriff auf die Ressourcendaten
abhängig ist. Insbesondere die identische Wiederholbarkeit eines Ausdrucks ist
nicht gewährleistet, da die Ressourcendaten zwischenzeitlich geändert worden
sein könnten. Besonders äußert sich dieses Problem beim Zwischenschalten
eines Druckservers (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0009], [0015]), der zwar die
Verwaltung und Ausgabe der Druckaufträge über seine Druckertreiber-Programme
kostengünstiger als der Zentralrechner durchführen kann (Offenlegungsschrift
Absatz [0011]), bei dem aber nicht ohne weiteres sichergestellt ist, dass er immer
die richtigen Ressourcendaten zur Verfügung hat. Wie die Anmelderin vorträgt, tritt
das Problem ebenfalls auf, wenn die Erstellung der Ausdrucke „outgesourct“ wird:
Dann versendet der Auftraggeber seinen Druckauftrag an ein technisch und räum-
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lich getrenntes Druckzentrum, in welchem die individuellen Druckdaten mit Res-
sourcendaten kombiniert werden müssen, ohne dass es zu Vertauschungen und
Fehldrucken kommen darf.
Zur Lösung dieses Problems schlägt die Anmeldung i. w. vor, den Druckauftrag
als eine einzige Druckdatei, die alle variablen Daten und alle Ressourcendaten
enthält, automatisch als vollständigen Druckauftrag mit inline-Ressourcen an den
Druckserver zu übertragen.
Gemäß Hilfsantrag 1 sollen, um die durch die Ressourcendaten vergrößerte
Datenmenge zu kompensieren, die Daten des Druckauftrags komprimiert werden.
Wenn ein großer Druckauftrag in einem separaten Druckzentrum ausgeführt wird,
könnte die durch den Druckauftrag zunächst fest vorgegebene Reihenfolge der
Ausdrucke (z. B. Rechnungen) von Nachteil sein - u. U. wäre eine Sortierung
(z. B. nach Postleitzahlen) sinnvoll. Um solches zu ermöglichen, wird gemäß Hilfs-
antrag 2 noch vorgeschlagen, die variablen Daten und die Ressourcendaten mit
einem Parsing-Computerprogramm konvertieren, indizieren und sortieren zu las-
sen.
Fachmann
trägen von einem Host-Rechner an einen Druckserver zu vereinfachen, ist hier ein
Elektrotechnik-Ingenieur mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Berufser-
fahrung in einem Großrechenzentrum oder in der Programmierung von großen
Drucksystemen anzusehen.
2.
Das „Verfahren zum Übertragen eines Druckauftrages … von einem Host
Computer zu einem Druckserver“ gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und
nach den Hilfsanträgen ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus
dem Stand der Technik.
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Von besonderer Bedeutung hierfür sind die von der Prüfungsstelle herangezogene
Druckschrift
D2
DE 100 17 785 A1
und die vom Senat nachträglich ermittelte, mit der Ladung übersandte
D4
US 6 078 403 A.
2.1
Haupt
In Übereinstimmung mit dem Vortrag der Anmelderin wird als nächstliegender
D2
Anmelderin und weist daher einige Gemeinsamkeiten mit der vorliegenden Anmel-
dung auf (insbesondere Figur 1, Figur 3). Inhaltlich entspricht sie weitgehend der
in der Anmeldung bereits zitierten WO 01 / 77 807 A2 (siehe Offenlegungsschrift
Absatz [0006]).
Sie beschreibt ein Verfahren zur Verarbeitung eines Druckdatenstroms, der an
einen Drucker (Figur 1: 1, 2, 3, 4) ausgegeben wird. Dies kann auch über einen
Druckserver (Figur 1 Baugruppe 8) erfolgen. Die Druckaufträge umfassen Druck-
D2
D2
Patentanspruchs 1. Es existieren zusätzliche, externe Ressourcen-Daten (54 in
Figur 4; Resource Library in Figur 3), die einmal abgerufen und dann für mehrere
Druckaufträge eingesetzt werden (Absatz [0054]); Ressourcendaten und Druck-
daten im AFP-Format werden überprüft, d. h. einem Parsing-Vorgang unterzogen,
und ggf. auf ein einheitliches Datenformat normalisiert (Absatz [0018], [0041] -
(a1)
Anmeldung werden am Ende eine Indexdatei, eine Ressourcen-Datei und eine
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Datei mit den variablen Daten als kompletter Druckdatenstrom ausgegeben (Ab-
satz [0045]).
D2
inline-Ressourcen, also bestimmte Ressourcendaten direkt eingebunden, anstelle
von externen Ressourcen enthalten kann (siehe z. B. Absatz [0018], [0047] /
Figur 4 Bezugszeichen 53). Die Anmelderin trägt dazu vor, dass es sich dabei nur
um sehr kleine Datenstücke handeln würde. Dennoch ist die der Anmeldung
zugrundeliegende Idee hier bereits im Detail vorweggenommen. Der Anmelderin
D2
benötigter Daten zu einer einzigen Druckdatei beschreibt. Wenn der hier zustän-
dige Fachmann aber vor das Problem gestellt wird, dass - insbesondere im Zuge
eines „Outsourcing“-Prozesses, bei dem der Ausdruck eines Druckauftrags räum-
lich und technisch getrennt von der Auftragserstellung erfolgen soll - der Zugriff
auf die richtigen externen Ressourcendaten jederzeit, auch nachträglich noch
sichergestellt sein muss, dann wird er ganz zwangsläufig auf die im Detail bereits
vorbekannte Idee (s. o.) zurückgreifen und nicht nur einen kleinen Teil, sondern
alle Ressourcendaten als inline-Ressourcen mit den variablen Daten zusammen-
führen und eine einzige Druckdatei daraus erzeugen. Damit sind die Merk-
(b3)
dazu nicht erforderlich.
D4
„merged document 52“ zusammengesetzt aus Vorlagendaten (Figur 2: 44, 46) und
variablen Daten (48) zu einem einzigen, kompletten Druckauftrag beschreibt, der
vom Computersystem zum Drucker geschickt wird (Spalte 4 Zeile 1 - 27), und
zwar über ein Netzwerk 28, das weitere Computersysteme enthält, die als Dru-
cker-Server dienen können (Spalte 3 Zeile 24 - 34). Hier ist also ebenfalls die Idee
vorweggenommen, eine einzige Druckdatei zu erzeugen, die alle benötigten Daten
enthält.
- 10 -
D4
D4
Behandlung von „Dokumenten“ („merged document 52“ u. a.), die beispielsweise
gemäß Spalte 1 Zeile 33/34 ausdrücklich aus mehreren Seiten bestehen können.
D4
klingen würden, aber im vollständigen Druckprozess eine ganz andere Bedeutung
D4
aus den unterschiedlichen Druckdatenquellen vor der Ausgabe an den Drucker
eine einzige Datei zu erzeugen (Spalte 4 Zeile 8 - 11), und belegt damit insoweit
das Fachwissen des Durchschnittsfachmanns.
Die Maßnahmen gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrag sind sonach als für
den Fachmann naheliegend zu bewerten, der Anspruch ist daher nicht gewährbar.
2.2
Hilfsantrag 1
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des
Hauptantrags i. w. durch das zusätzliche Merkmal:
(d)
(dass) die variablen Daten und die Ressourcendaten kom-
primiert werden, bevor sie vom Host Computer (4) an den
Druckserver (8) übertragen werden.“
Nach der Argumentation der Anmelderin werde hierbei im Host Computer und
später im Druckserver ein höherer Aufwand (Komprimierung / Dekomprimierung)
betrieben, was aber den Vorteil einer geringeren Menge an zu übertragenden bzw.
für Archivierungszwecke zu speichernden Daten aufweise.
Dieses zusätzliche Merkmal trägt jedoch ersichtlich nichts zur Lösung des Pro-
blems bei, die Übertragung von Druckaufträgen, die variable Daten und Ressour-
- 11 -
cendaten umfassen, von einem Host-Computer an einen Druckserver zu „verein-
fachen“. Vielmehr betrifft es das Problem, dass sich durch das Einbinden aller
benötigten Ressourcen die einzige Druckauftrags-Datei merklich vergrößert. Dass
sich einer solchen Vergrößerung durch eine Datenkomprimierung entgegenwirken
lässt, war dem Fachmann aber seit den Anfängen der Datenfernübertragung ver-
traut.
Hier wird demnach ein anderes Teil-Problem durch eine an sich bekannte Maß-
nahme mit vorhersehbarem Erfolg gelöst. Dass irgendein kombinatorischer Effekt
auftreten würde, ist nicht erkennbar und wurde auch nicht vorgetragen. Eine
Aggregation an sich bekannter Maßnahmen kann aber nicht als erfinderische
Tätigkeit anerkannt werden.
Im Übrigen ist das Abwägen von an sich bekannten Vor- und Nachteilen (gerin-
gere Datenmenge vs. höherer Rechenaufwand) eine typische fachmännische
Maßnahme, mit der allein das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht begründet
werden kann (vgl. BGH GRUR 2006, 930 „Mikrotom“; GRUR 1996, 857 „Rauch-
gasklappe“).
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 kann daher nicht günstiger als der Patentan-
spruch 1 des Hauptantrags beurteilt werden.
2.3
Hilfsantrag 2
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des
Hilfsantrags 1 i. w. durch das zusätzliche Merkmal:
(e)
(dass) die variablen Daten und die Ressourcendaten mit
einem Parsing-Computerprogramm (23) konvertiert, indi-
ziert und sortiert werden.“
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D2
schrieben, siehe dazu die Würdigung in der Anmeldung (Offenlegungsschrift
Absatz [0006]: „…die normalisierten Daten je nach Bedarf sortiert und indiziert
D2
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 kann daher nicht anders als der Patent-
anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 bewertet werden.
III.
Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 fallen auch die Unter- und Nebenansprüche,
da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH in GRUR
1997, 120 „Elektrisches Speicherheizgerät“). Damit war die Beschwerde der
Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle zurückzuweisen.
Dr. Fritsch
Werner
Baumgardt
Wickborn
Fa