Urteil des BPatG vom 24.10.2000

BPatG (marke, beschwerde, eidesstattliche erklärung, inhaber, rechtsmittelbelehrung, verzicht, klasse, kopie, frist, wiedereinsetzung)

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 59/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
6.70
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betreffend die IR-Marke 397 57 030.9
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 24. Oktober 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Winkler sowie der Richter Dr. Albrecht und v. Zglinitzki
beschlossen:
1.
Der Widersprechenden wird Wiedereinsetzung in die
Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.
2.
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückge-
wiesen.
3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich
der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Be-
schwerdegegners hat die Beschwerdeführerin zu tra-
gen.
G r ü n d e :
I
Gegen die Eintragung der für „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus,
soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer;
Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre
und Sattlerwaren; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten;
Bett- und Tischdecken; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“
bestimmten Marke NAUTICA hat die Widersprechende aus ihren Marken
1 172 722 und 1 189 109 Widerspruch eingelegt.
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Die Widerspruchseinlegung teilte das Patentamt dem Inhaber der angegriffenen
Marke mit Schreiben vom 18. Juni 1998 mit.
Mit Beschluss vom 25. September 1998 hat die Markenstelle für Klasse 18 die
Löschung der angegriffenen Marke auf den Widerspruch aus der Marke
1 172 722 hin für „Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in
Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme,
Sonnenschirme; Sattlerwaren“ und auf den Widerspruch aus der Marke
1 189 109 hin für „Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten;
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ angeordnet. Im übrigen
hat sie die Widersprüche zurückgewiesen.
Hiergegen haben beide Beteiligte Erinnerung eingelegt.
Der Bevollmächtigte des Markeninhabers hat am 20. April 1999 ein vom
9. Juli 1998 datiertes Schreiben vorgelegt, in dem der Markeninhaber auf meh-
rere Schutzrechte (darunter auch 397 58 835.6 und 397 57 030.9/18) "im Um-
fang der hiergegen erhobenen Widersprüche" verzichtet hat. Der Beschluss
vom 5. September 1998 sei nach diesem Verzicht nicht nachvollziehbar.
Die Widersprechende beantragte hingegen, die angegriffene Marke auch für
Bett- und Tischwäsche zu löschen und die Erinnerung des Markeninhabers
zurückzuweisen.
Mit Beschluss vom 18. August 1999 hat das Patentamt den Beschluss vom
25. September 1998 aufgehoben, da er durch den Verzicht vom 9. Juli 1998
wirkungslos geworden sei. Bezüglich der Widersprüche hat es das Erin-
nungsverfahren ausgesetzt. Dieser Beschluss erging durch einen Beamten des
höheren Dienstes und enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, wonach Erinnerung
möglich sei.
Am 14. September 1999 legte die Widersprechende Erinnerung ein mit dem
Antrag,
dem Markeninhaber die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Am 22. September wurde in der Akte des Patentamts vermerkt, man habe den
Bevollmächtigten der Widersprechenden telephonisch mitgeteilt, dass die
Rechtsmittelbelehrung falsch sei. Der Beschluss werde nochmals zugestellt.
Die Rechtsmittelbelehrung „Beschwerde“ zum Beschluss vom 18. August 1999
wurde den Beteiligten am 28. September 1999 zugestellt.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 1999 - zugestellt am 17. Januar 2000 - hat
das Patentamt der Widersprechenden mitgeteilt, die Erinnerung sei nicht statt-
haft. Beschwerde sei nicht eingelegt.
Am 4. Februar 2000 hat die Widersprechende Wiedereinsetzung in die Be-
schwerdefrist beantragt, gleichzeitig Beschwerde hinsichtlich der Kosten einge-
legt und die Beschwerdegebühr durch Gebührenmarken bezahlt.
Zur Begründung trägt ihr Bevollmächtigter vor, er habe schon am
29. September 1999 Beschwerde eingelegt. Hierzu legte er eine Kopie des
Schriftsatzes mit Gebührenmarken vor. Den Originalschriftsatz, so macht er
weiter geltend, habe seine Poststelle „rausgeschickt". Der weitere Verbleib sei
ungeklärt. Erst durch den Amtsbescheid vom 20. Dezember 1999 habe er er-
fahren, dass die Beschwerde beim Patentamt nicht eingetroffen sei.
Zur Beschwerde trägt die Widersprechende vor, der Inhaber der angegriffenen
Marke habe zunächst ein aussichtsloses Verfahren betrieben, dies dann er-
kannt, aber einen inhaltlich unbestimmten Löschungsantrag gestellt - und letzt-
lich Erinnerung eingelegt. Es entspreche der Billigkeit, ihm die Kosten aufzu-
erlegen.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen und
- hilfsweise - auch die Beschwerde.
Er ist der Auffassung, die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag sei nicht einge-
halten. Der angeblich verloren gegangene Schriftsatz weise nicht auf die zweite
Rechtsmittelbelehrung hin. Unklar sei, wer die Kopie dieses Schriftsatzes
gefertigt habe. Die Kopie zeige keine Unterschrift. Es widerspreche zudem der
Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kanzleimitarbeiterinnen an dieses Schreiben
erinnern könnten. In den eidesstattlichen Versicherungen fehle der Hinweis auf
deren Bedeutung und die Folgen einer falschen Aussage.
Gegen eine Kostenauferlegung spreche, dass er sofort „kapituliert“ habe. Ver-
zögerungen beim Patentamt habe er nicht zu vertreten. In Abschrift legt er ein
Schreiben des Patentamts vom 25. September 1998, Az: 397 58 835.6, vor,
wonach die Verzichtserklärung nicht präzise sei, sowie sein Schreiben vom
13. Oktober 1998, mit dem er daraufhin auf das Schutzrecht 397 58 835.6 in
vollem Umfang verzichtete.
II
Die Erinnerung der Widersprechenden vom 14. September 1999 war rechtzeitig
und entsprach der Rechtsmittelbelehrung. Nach deren Berichtigung war die
„Erinnerung“ in eine Beschwerde umzudeuten. Allerdings hat die Widerspre-
chende die Beschwerdegebühr nicht rechtzeitig bezahlt. Die Frist hierfür ist am
28. Oktober 1999 abgelaufen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 91 Abs 2, 3 und 5 MarkenG
fristgerecht und zulässig. Erst mit Schreiben vom 20.
Dezember
1999
- zugestellt am 17. Januar 2000 - hat die Widersprechende erfahren, dass ihr
Schriftsatz vom 29. September 1999 nicht beim Patentamt eingegangen ist.
Dieser Schriftsatz wäre rechtzeitig gewesen, da die richtige Rechtsmittelbeleh-
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rung erst am Tag zuvor zugestellt worden war. Der Wiedereinsetzungsantrag
am 4. Februar 2000 war daher rechtzeitig (§ 91 Abs 2 MarkenG). Die ver-
säumte Handlung wurde innerhalb der Antragsfrist nachgeholt (§ 91 Abs 4
MarkenG). Auf den Antrag hin ist Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der
Beschwerdegebühr zu gewähren.
Der Senat sieht es als glaubhaft an, dass die Bevollmächtigten der Beschwer-
deführerin den Schriftsatz vom 29.
September
1999 mit Gebührenmarken
ausgefertigt, unterschrieben und rechtzeitig versendet haben. Die Kopie des
Schriftsatzes liegt vor; sie zeigt auch die Gebührenmarken. Dass das Kopieren
vor der Unterschrift erfolgt ist, spricht jedenfalls nicht gegen die behauptete
Unterschriftsleistung und den mit eidesstattlicher Versicherung vom
2. Februar 2000 glaubhaft gemachten Versand. Dass zunächst vorgetragen
wurde, erst das unterschriebene Schriftstück sei kopiert worden, erschüttert die
Glaubhaftigkeit nicht.
Daraus, dass der Schriftsatz keinen ausdrücklichen Hinweis auf die zweite
- nunmehr richtige - Rechtsmittelbelehrung enthält, kann weder geschlossen
werden, dass das Absenden unterblieben, noch dass das Schreiben erst nach-
träglich erstellt worden ist.
Auch wenn nicht erklärt wurde, wer die Kopie gezogen hat, sind die nach § 91
Abs 3 MarkenG erforderlichen Tatsachen rechtzeitig mitgeteilt worden.
Zwar entspricht es nicht der Lebenserfahrung, dass sich Kanzleimitarbeiterin-
nen an jedes Schreiben erinnern, aber die eidesstattliche Erklärung vom
2. Februar 2000 zeigt, dass alle Schreiben versendet wurden; dies schließt aus,
dass später eines aufgefunden wurde, das nicht mit den anderen verschickt
wurde.
Die somit zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Es besteht kein Anlass, einem Beteiligten die Kosten des Verfahrens vor dem
Patentamt gemäß § 63 MarkenG aufzuerlegen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat frühestens am 19. Juni 1998 von den
Widersprüchen erfahren und am 9. Juli auf das Schutzrecht verzichtet. Dies
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erfolgte für mehrere Marken. Daraus erklärt sich, dass der Verzicht nicht auch
zu der Akte der streitgegenständlichen Marke gelangt ist. Das liegt im Bereich
des Patentamts und kann nicht zu Lasten des Inhabers der angegriffenen
Marke gehen.
Auch dass noch eine Klärung über den Inhalt der Verzichtserklärung nötig war,
rechtfertigt keine Kostenauferlegung. Wie das Vorgehen des Patentamts in der
Parallelsache 397 58 835.6 zeigt, wäre eine kurzfristige Klärung bei richtiger
Sachbearbeitung möglich gewesen. Auch hätte die Widersprechende - wäre ihr
der Verzicht vom 9. Juli 1998 ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht worden -
ihr weiteres Vorgehen daran ausrichten und eine Klärung abwarten können.
Dass der Inhaber der angegriffenen Marke Erinnerung eingelegt hat, geschah
nicht, um das Widerspruchsverfahren fortzusetzen, sondern um einen aus sei-
ner Sicht unnötigen, weil nach seinem Verzicht ergangenen Beschluss aus der
Welt zu schaffen. Ein Interesse daran kann auch haben, wer seine Marke nicht
weiter verfolgt.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hätte selbst ohne Verzicht kein von vorn-
herein aussichtsloses Verfahren betrieben. Wie der Beschluss der Markenstelle
vom 25. September 1998 zeigt, hat diese Verwechslungsgefahr nicht bezüglich
aller Waren angenommen.
Im Verfahren über eine isolierte Kostenbeschwerde entspricht es der Billigkeit,
dem Obsiegenden die ihm entstandenen Kosten zu erstatten (§ 71 Abs 1 Sätze
1 und 2 MarkenG).
Winkler
v. Zglinitzki
Dr. Albrecht
Cl