Urteil des BPatG vom 27.02.2008

BPatG (beschreibende angabe, bezeichnung, unterscheidungskraft, marke, anmeldung, eintragung, sportunterricht, sport, verbindung, beschwerde)

BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 54/06
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
27. Februar 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 304 53 925.2
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter
Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Viereck und
der Richterin Dr. Kober-Dehm auf die mündliche Verhandlung vom 27. Febru-
ar 2008
BPatG 154
08.05
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 17. September 2004 angemeldete Wortmarke
Nindokai
ist für folgende Waren und Dienstleistungen bestimmt:
„Druckerzeugnisse, insbesondere Bücher und Broschüren über
Sport und Kampfkunst; Verbreitung von Informationen über Sport
und Kampfkunst in elektronischer Form; Sportunterricht, insbe-
sondere Gruppen- und Einzelunterricht in Kampfkunst“.
Seitens der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts ist
die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung, der Belege aus dem Inter-
net zur Verwendung der Bezeichnung „Nindokai“ beigefügt waren, mit Beschluss
einer Beamtin des höheren Dienstes vom 8. März 2006 wegen fehlender Unter-
scheidungskraft zurückgewiesen worden. „Nindokai“ sei die Bezeichnung eines
Nahkampfsystems. In interessierten und informierten Verkehrskreisen, die sich mit
Kampfkunst befassten, liege in Verbindung mit den beanspruchten Waren und
Dienstleistungen ein sachbezogenes Verständnis nahe. Selbst wenn der Anmel-
der die betreffende Kampf- und Selbstverteidigungskunst unter der angemeldeten
Bezeichnung in Deutschland eingeführt habe, sei diese mittlerweile zu einem
Fachbegriff auf dem betreffenden Gebiet geworden. Der Verkehr werde nicht da-
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von ausgehen, dass es nur einen Anbieter z. B. von Unterricht in einer so be-
zeichneten Kampfkunst gebe. Der Beschluss wurde zusammen mit weiteren Inter-
net-Seiten übersandt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders.
Seiner Ansicht nach fehlt der angemeldeten Bezeichnung nicht jegliche Unter-
scheidungskraft. Die Internet-Belege wiesen auf ihn, den Anmelder, und seine
Kurse bzw. seine Vereinstätigkeit hin. Die Eintragungen im Internetlexikon Wikipe-
dia seien von ihm selbst verfasst. Nur er lehre „dieses System“. Das Wort „Nindo-
kai“ und seine Übersetzung aus dem Japanischen (= Schule des Weges des aus-
dauernden Herzens) weise keinen beschreibenden Inhalt auf.
In einem weiteren Schriftsatz weist der Anmelder (nochmals) darauf hin, dass an-
dere, seiner Ansicht nach vergleichbare Marken aus dem Bereich Kampfkunst zur
Eintragung gelangt sind. Er bezieht sich in diesem Zusammenhang zudem auf den
Beschluss des 29.
Senats des Bundespatentgerichts vom 18. Oktober 2006
(GRUR 2007, 329 - Schwabenpost).
An der mündlichen Verhandlung, zu der auf den hilfsweise gestellten Antrag des
Anmelders geladen worden war, hat dieser nicht teilgenommen.
Der Anmelder hat schriftsätzlich beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
8. März 2006 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutra-
gen.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten
Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders bleibt in der Sache ohne Erfolg. Einer
Registrierung der angemeldeten Bezeichnung als Marke stehen die Schutzhinder-
nisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen.
Wenngleich im Mittelpunkt des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle die
fehlende Unterscheidungskraft der angemeldeten Bezeichnung (gemäß § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG) steht, erfolgte die Zurückweisung der Anmeldung ausdrücklich
aus den Gründen des vorangegangenen, mit Belegen zur Wortbedeutung und zur
tatsächlichen Verwendung versehenen Beanstandungsbescheids, der auch auf
den die Waren und Dienstleistungen beschreibenden Charakter und somit die
Freihaltebedürftigkeit des Begriffs „Nindokai“ abgestellt hatte; mithin ist der Senat
nicht gehindert, dieses Eintragungshindernis vorrangig zu berücksichtigen. Nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung u. a. der
Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung und sonstiger Merkmale der bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen dienen können, von einer Eintragung als
Marke ausgeschlossen. Derartige unmittelbar beschreibende Angaben unterliegen
vor allem im Hinblick auf die Bedürfnisse des Wettbewerbs dem Allgemeinin-
teresse an der Freihaltung von Monopolrechten (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG,
8. Aufl., § 8 Rdn. 176).
Für die Dienstleistung „Sportunterricht, insbesondere Gruppen- und Einzelunter-
richt in Kampfkunst“ stellt das aus dem Japanischen stammende Wort „Nindokai“
eine unmittelbar beschreibende Angabe dar, weil dieser Begriff - wie die von der
Markenstelle ermittelten Belegstellen eindeutig zeigen - die Bezeichnung eines
Nahkampfsystems zur Selbstverteidigung darstellt. Der Anmelder kann und will
das nicht in Abrede stellen. Er bestätigt dies vielmehr selbst, wenn er im Rahmen
seiner Beschwerdebegründung mehrfach vom „System Nindokai“ spricht. Zumin-
dest in Fachkreisen ist bekannt, welche Art von Selbstverteidigungstechnik „Nin-
dokai“ bezeichnet und wodurch sich diese von anderen unterscheidet. Ob die
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- ungebräuchliche - deutsche Übersetzung ebenfalls Bekanntheit genießt, kann
dahingestellt bleiben; hierauf kommt es bei fremdsprachigen Bezeichnungen, wel-
che - wie hier - im Inland bereits beschreibend verwendet werden, ohnehin nicht
an (vgl. BPatG GRUR 2005, 275, 276 li. Sp. - JIN SHIN JYUTSU).
Als bereits etablierter Gattungsbegriff - nach den von der Markenstelle herange-
zogenen lexikalischen Belegstellen aus „wikipedia“ und „netzwelt“ gibt es dieses
Selbstverteidigungssystem schon seit 1990 - ist die angemeldete Marke in eine
Reihe zu stellen mit den Bezeichnungen sonstiger bekannter Selbstverteidi-
gungstechniken bzw. Kampfsportarten (wie z. B. Judo, Jiu-Jitsu, Karate, Ajukate,
Teakwon-Do; vgl. Senatsbeschluss 32 W (pat) 52/03 - ATK) und unterliegt ebenso
wie diese einem Freihaltungsbedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Das Argument des Anmelders, er selbst habe das betreffende Nahkampfsystem
entwickelt und mit dem Phantasienamen „Nindokai“ versehen, die Ausbildungs-
stätten in Frankfurt am Main und Umgebung, welche dieses ausschließlich lehrten,
stünden mit ihm in Verbindung, erweist sich - bezogen auf die für die Beurteilung
der Eintragbarkeit im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG maßgeblichen Zeit-
punkte der Anmeldung und der (abschließenden) Entscheidung über die Schutz-
fähigkeit (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O. § 8 Rdn. 12) - als unbehelflich. Etwaige
Urheber- oder Namensrechte an einer Kennzeichnung, die - wie hier - auf Grund
langjähriger tatsächlicher Verwendung als beschreibende Angabe allgemeine Be-
kanntheit in Fachkreisen erlangt hat, stehen dem Allgemeininteresse an der Frei-
haltung von Monopolrechten eines Einzelnen - mithin auch des Urhebers und
Hauptverwenders - nicht entgegen (und begründen auch nicht notwendigerweise
ein Mindestmaß an markenrechtlicher Unterscheidungskraft; vgl. BPatGE 33, 12
- IRONMAN TRIATHLON; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 73, 262).
Anders wäre der Fall möglicherweise dann zu beurteilen, wenn der Anmeldezeit-
punkt erst kurze Zeit zurückläge und der betreffende Kampfstil sowie seine Be-
zeichnung noch keine allgemeine Bekanntheit erlangt hätte (Senatsbeschluss
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32 W (pat) 21/04 - Yi Quan Dao). Im vorliegenden Fall war aber die Bezeichnung
„Nindokai“ bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung seit 14 Jahren in Gebrauch (in-
zwischen sind es 18 Jahre) und ist, wie die Veröffentlichungen zeigen - selbst
wenn diese, was allerdings in keiner Weise offenkundig ist, teilweise vom Anmel-
der selbst stammen sollten -, so wie die anderer Kampfsportarten und Selbstver-
teidungssysteme auch, dem interessierten Publikum als Fachbezeichnung be-
kannt. Dem Anmelder ist vorzuhalten, dass er - unterstellt, seine Behauptung, er
selbst habe im Jahre 1990 das von ihm so bezeichnete Selbstverteidigungssystem
entwickelt und in der Folgezeit (exklusiv) gelehrt, wäre zutreffend - die Anmeldung
viel zu spät getätigt hat.
Im Ergebnis ist der Markenstelle auch insoweit zu folgen, als diese der angemel-
deten Bezeichnung - für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen -
jegliche betriebskennzeichnende Hinweiskraft (gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG)
abgesprochen hat. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofs fehlt einer Wortmarke, die Merkmale von Waren und Dienstleistungen - also
auch Art, Beschaffenheit und Bestimmung - beschreibt, aus diesem Grunde
zwangsläufig die Unterscheidungskraft in Bezug auf die betreffenden Produkte
und Dienstleistungsangebote (vgl. EuGH 2004, 674 Nr. 86 - Postkantoor). Auch
insoweit ist der Hinweis des Anmelders, nur er selbst (bzw. Ausbildungsstätten, an
denen er beteiligt sei) böten einen so bezeichneten Sportunterricht in Selbstvertei-
digungskunst an, unergiebig, weil die Beurteilung der Unterscheidungskraft grund-
sätzlich unabhängig von der Person des Anmelders (und dessen etwaiger fakti-
scher Monopolstellung) zu erfolgen hat (vgl. BGH GRUR 2006, 503 - Casino Bre-
men). Die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt der angemeldeten Marke nicht
nur für die Dienstleistung „Sportunterricht, insbesondere Gruppen- und Einzelun-
terricht in Kampfkunst“, sondern auch für „Druckerzeugnisse, insbesondere Bü-
cher und Broschüren über Sport und Kampfkunst“ sowie die Dienstleistung
„Verbreitung von Informationen über Sport und Kampfkunst in elektronischer
Form“. Diese Informationsmedien bzw. Informationsdienstleistungen stehen in en-
ger Verbindung mit den sportlichen Unterrichtsdienstleistungen, so dass auch in-
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soweit ein unmittelbar waren- und dienstleistungsbezogenes Verständnis in den
angesprochenen Interessentenkreisen nahe liegt.
Aus der Eintragung und Schutzgewährung für andere (deutsche, ausländische
und europäische) Marken, welche der angemeldeten Bezeichnung nahe kommen,
vermag der Anmelder keinen Anspruch auf Registrierung im vorliegenden Fall ab-
zuleiten. Voreintragungen - selbst identischer Marken - führen weder für sich, noch
in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung
derjeniger Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Denn die Ent-
scheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern
eine Rechtsfrage dar (vgl. z. B. BGH BlPMZ 1998, 248 - Today; BPatGE 32, 5
- CREATION GROSS; BPatG GRUR 2007, 333 - Papaya; BPatG BlPMZ 2007,
236 - CASHFLOW; EuGH GRUR 2004, 428, Nr. 63 - Henkel; GRUR 2004, 674,
Nr. 43, 44 - Postkantoor). Der teilweise abweichenden Ansicht des 29. Senats des
Bundespatentgerichts in der vom Anmelder angeführten Entscheidung (GRUR
2007, 329 - Schwabenpost) vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Aus
welchen Gründen die vom Anmelder genannten Wortmarken zur Eintragung ge-
langt sind, ist für die Beurteilung der Schutzfähigkeit im vorliegenden Fall ohne
Belang.
Nach allem war der Beschwerde des Anmelders der Erfolg zu versagen.
Prof. Dr. Hacker
Dr. Kober-Dehm
Viereck
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