Urteil des BPatG vom 16.10.2000

BPatG (zeichen, marke, unterscheidungskraft, gestaltung, bild, form, beschwerde, patent, winter, verwendung)

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 196/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 397 57 656.0
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 16.
Oktober
2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann sowie der Richterinnen Winter und Schwarz-Angele
BPatG 152
6.70
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der
Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 12. Mai 1999 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist folgende Darstellung in den
Farben weiß, schwarz, gelb und rot (von innen nach außen)
siehe Abb. 1 am Ende
als Kennzeichnung für die Waren
"Geld- oder geldwertmäßig betätigte Unterhaltungs- und
Spielautomaten sowie Teile dieser Waren".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die ange-
meldete Bildmarke sei ein bloßer Eye-Catcher und besitze als farbiger Zacken-
stern kein Mindestmaß an Eigentümlichkeit und Einprägsamkeit, das es dem Ver-
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kehr ermögliche, in ihr einen betrieblichen Herkunftshinweis zu sehen. Die Bild-
gestaltung halte sich im Rahmen dessen, was in der Werbegraphik geläufig und
allgegenwärtig sei.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, daß an die
Eintragungsfähigkeit von schutzsuchenden bildlichen Gestaltungen keine strengen
Maßstäbe angelegt werden dürften. Da die angemeldete Marke über allgemein
bekannte und benutzte graphische Gestaltungen hinausgehe, besitze sie die er-
forderliche Unterscheidungskraft.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem angemeldeten Zeichen kann
nicht von vorneherein jegliche Unterscheidungskraft gemäß §
8 Abs
2
Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Es ist auch nicht freihaltebedürftig (§ 8
Abs 2 Nr 2 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende
(konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke
erfaßten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen
aufgefaßt zu werden (stRspr, zB BGH MarkenR 2000,262 - Unter Uns). Dabei ist
ein großzügiger Maßstab anzulegen, so daß auch noch so geringe Un-
terscheidungskraft ausreicht. Nicht unterscheidungskräftig sind zB einfache geo-
metrische Figuren oder graphische Gestaltungselemente, die allgemein bekannt
sind und üblicherweise in bloß ornamentaler Form verwendet werden (Altham-
mer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 46 mRsprnachw). Liegt ein über diese
graphischen Grundelemente hinausreichender gestalterischer und zeichnerischer
Überschuß vor, so ist dies ausreichend, um der Marke ein Mindestmaß an Eigen-
tümlichkeit und Einprägsamkeit zu geben. Daß eine derartige Marke darüber hin-
aus als sogenannter "Eye-Catcher" wirkt, steht der Annahme der Unter-
scheidungskraft nicht entgegen (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rdn 41).
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Diese vorgenannten Voraussetzungen erfüllt die angemeldete Marke. Es handelt
sich dabei um eine Art Stern mit 22, teilweise nur angedeuteten Zacken mit einer
mehrfarbigen Umrahmung, die nach außen rot und nach innen schwarz abge-
grenzt ist. Die zwischen diesen Umrandungen liegende Fläche ist gelb und weist
eine Vielzahl von roten Pünktchen auf. Durch die innere Umrahmung erschließt
sich in der Mitte eine ebenfalls 22-zackige weiße, nicht runde, sondern eher ovale
oder elliptische Fläche. Eine weitere Besonderheit weist die Gestaltung insofern
auf, als die äußeren Zacken an drei Seiten entweder an der Spitze, oder schon in
deren Ansatz abgeschnitten sind, so daß sich diese Zacken nur noch ahnen las-
sen und es aussieht, als wäre ein Teil der Zacken des Sterns durch ein darüber
gestülptes Rechteck abgeschnitten worden. Einer derartigen, auch in ihrer farbli-
chen Wirkung individuellen Gestaltung kann eine aus dem Rahmen fallende Be-
sonderheit nicht von vorneherein abgesprochen werden. Das Zeichen kann somit
durchaus als hinreichend individuelles Logo wirken, dem die Fähigkeit, auf einen
Geschäftsbetrieb hinzuweisen, nicht generell abgesprochen werden kann.
Bei der Beurteilung der Eintragbarkeit hat der Senat nicht zu prüfen, und daher
außer Acht zu lassen, ob das angemeldete Zeichen bei einer Anbringung auf den
angemeldeten Waren stets kennzeichnend verwendet und vom Publikum so emp-
funden wird. Bei Unterhaltungs- und Spielautomaten wie sie derzeit in Spielhallen
oder Gastwirtschaften aufgestellt sind, ist zB das Publikum daran gewöhnt, daß
speziell die Frontseiten mit vielfältigen Verzierungen - auch Sternen - versehen
sind. Klarstellend ist deshalb darauf hinzuweisen, daß im Rahmen einer solchen
Gesamtaufmachung das Zeichen seine ohnehin schwache Kennzeich-
nungsfunktion nicht ausüben können wird und dabei auch nicht rechtserhaltend
benutzt werden wird, weil der kennzeichnende Charakter solcher schwacher Zei-
chen schon durch geringfügige Zutaten verändert wird (§ 26 Abs 3 MarkenG).
Bei einer Einbindung des Zeichens in ein solches Gesamtbild kann daher dem
Zeichen eine über die allgemein übliche ausschmückende Wirkung hinausge-
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hende Bedeutung nicht zukommen. Gleiches gilt, wenn der in der Mitte des Zei-
chens bleibende Freiraum mit Angaben irgendwelcher Art ausgefüllt wird. Es mag
deshalb für den Anmelder schwierig sein, bei der tatsächlichen Verwendung des
Zeichens eine Form zu finden, in der sie nicht nur als Ausschmückungselement
wirkt, so daß ihre rechtserhaltende Benutzung anerkannt werden kann. Allerdings
kann auch unter Berücksichtigung der Branchenübung nicht von vornherein dem
Zeichen Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Zwar ist dabei nicht allein
auf den theoretischen Fall abzustellen, daß die Marke ohne jegliche sonstige Zu-
taten verwendet wird und damit gleichsam notgedrungen kennzeichnend ist (vgl
Althammer/Ströbele, aaO, 6. Aufl, § 8 Rdn 18). Es darf aber auch nicht aus-
schließlich auf mehr oder weniger zufällig bekannt gewordene Ausgestaltungen
von Spielautomaten abgestellt und dabei unterstellt werden, das Zeichen werde
auch vom Anmelder nur so verwendet, wie bereits ähnliche Zeichen, insbesondere
farbige Sterne, auf Spielautomaten belegbar sind. Eine nicht unerhebliche Rolle
spielt in diesem Zusammenhang auch, daß das Warenverzeichnis so gefaßt ist,
daß sich das konkrete Erscheinungsbild darunter subsumierbarer Automaten nicht
festlegen läßt. Selbst wenn somit bei Automaten, wie sie derzeit häufig anzutreffen
sind, eine Gestaltung, bei der das Zeichen unterscheidungskräftig hervortritt, nicht
recht vorstellbar wäre, so kann daraus noch nicht abgeleitet werden, daß das Zei-
chen bei anderen Automaten auch keine betriebskennzeichnende Funktion ge-
winnen kann. Es bleibt die nicht nur theoretische Möglichkeit, daß das Zeichen die
abstrakt zuzubilligende Unterscheidungskraft auch bei der tatsächlichen Verwen-
dung nicht verliert.
Auch ein Freihaltebedürfnis ist nicht hinreichend sicher feststellbar. Zwar sind
Sterne sowohl in Wort wie auch als Bild sehr häufig im Zusammenhang mit den
verschiedensten Waren- speziell auch den hier beanspruchten - ein sehr beliebtes
Hervorhebungsmittel, etwa um auf eine herausragende Stellung hinzuweisen. Es
ist aber zu berücksichtigen, daß die Möglichkeiten, einen Stern bildhaft darzu-
stellen, sehr mannigfaltig sind. Dies beruht zum einen darauf, daß unter dem Bild
eines Sterns gemeinhin nicht ein Stern am Himmel, sondern ein Symbol für diesen
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gemeint wird und damit von Haus aus der Phantasie breiter Raum gewährt wird.
Mag insoweit das Grundmuster von Sternbildern noch hinreichend festgelegt sein,
so ist doch Sternabbildungen ein so breites Spektrum eingeräumt, daß den Mit-
bewerbern der Anmelderin ein breites Feld an Ausweichmöglichkeiten verbleibt,
vor allem wenn man mitberücksichtigt, daß die Anmeldung farbig mit 4 ver-
schiedenen Farben erfolgt ist, was ihr ein recht individuelles Erscheinungsbild ver-
schafft. Auch wenn die farbige Eintragung den Schutz der Marke nicht auf diese
speziellen Farben beschränkt, so ist doch die vierfarbige Ausgestaltung als solche
ein wesentliches Merkmal des Zeichens, das damit zugleich auch den Schutzum-
fang entsprechend reduziert und damit den Mitbewerbern einen ausreichend gro-
ßen Ausweichraum läßt. Der Schutzbereich der Marke bezieht sich selbstver-
ständlich nicht auf das Motiv eines Sterns und darf nicht dazu führen, daß den
Mitbewerbern die Möglichkeiten beschränkt werden, ebenfalls Sterne in Wort und
Bild zu verwenden. Das dem Zeichen zukommende Verbietungsrecht wird sich
somit im wesentlichen nur auf die konkrete Form und diesem nach dem Gesamt-
eindruck in den gestalterischen Besonderheiten deutlich nahekommende Formen
beziehen.
Dr. Buchetmann
Winter
Schwarz-Angele
Mü/Ja
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Abb. 1