Urteil des BPatG vom 25.04.2007
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BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 83/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
25. April 2007
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 197 56 990
…
BPatG 154
08.05
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hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 25. April 2007 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der angefochtene
Beschluss aufgehoben und das Patent widerrufen.
G r ü n d e
I.
Die Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat nach Prü-
fung des Einspruchs das am 20. Dezember 1997 angemeldete Patent mit der Be-
zeichnung
„Doppelseitendruckmaschine“
mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 in vollem Umfang aufrechterhalten. Die
Patentabteilung hat die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des erteilten
Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik patentfähig sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Einsprechende mit ihrer Beschwerde.
Die Einsprechende meint, dem Gegenstand des Streitpatents mangele es an der
Patentfähigkeit gegenüber dem Stand der Technik. Sie verweist dazu u. a. auf die
Druckschriften:
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- DE 30 24 758 C2
- DE 32 03 879 A1.
Die Einsprechende stellt den Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu wi-
derrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 für patentfähig gegen-
über dem in Betracht gezogenen Stand der Technik.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
Diesem Patentanspruch schließen sich die rückbezogenen Patentansprüche 2
und 3 in der erteilten Fassung an.
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II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat Erfolg durch die Aufhebung des angefochte-
nen Beschlusses und den Widerruf des Patents.
1.
logien.
In der Beschreibung der Streitpatentschrift ist sinngemäß ausgeführt, dass das
Druckprinzip „Gummi/Gummi“ bei einzelnen Doppeldruckwerken für Bogen zwar
seit langem bekannt sei, jedoch bisher niemand erkannt habe, dass bei Aneinan-
derreihung mehrerer Druckwerke mit geringem Aufwand ein mehrfarbiger Schön-
und Widerdruck in einem Maschinendurchlauf hergestellt werden kann (Spalte 2,
Zeilen 17-22). Vielmehr seien bei einer bekannten Mehrfarbendruckmaschine
„klassische“ Offset-Druckwerke mit jeweils Form-, Gummi- und Gegendruckzylin-
der aneinandergereiht, was einen großen technischen Aufwand, hohen Platzbe-
darf und eine große Anzahl von Bogenübergaben nach sich ziehe (Spalte 1, Zei-
len 30-61).
Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische
Problem besteht daher darin,
Dieses Problem soll durch die Doppelseitendruckmaschine nach dem Patentan-
spruch 1 gelöst werden.
2.
es nicht. Denn das Streitpatent kann jedenfalls deswegen keinen Bestand haben,
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weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 für den zuständigen Fachmann aus
dem Stand der Technik naheliegend auffindbar war.
Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung
Maschinenbau an, der bei einem Druckmaschinen-Hersteller mit der Konstruktion
und Entwicklung von Druckmaschinen befasst ist und auf diesem Gebiet über
mehrjährige Berufserfahrung verfügt.
Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist der Patentanspruch 1 nachstehend in
Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben.
Aus der DE 30 24 758 C2 ist eine Bogen-Offsetdruckmaschine für Schön- und Wi-
derdruck bekannt, bei der
die Bogen 9 in einem einzi-
gen Durchlauf beidseitig be-
druckt werden (Spalte
1,
Zeilen 4-7). Es handelt sich
somit um eine Doppelsei-
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tendruckmaschine (Merkmal 1). Diese weist eine Bogenführungsstrecke auf, die
Zylinder (erster Gummituchzylinder 2) und Bogenführungstrommeln (Zuführtrom-
meln 3, 4) enthält (Merkmal 2). Da ferner das Druckwerk der vorbekannten Druck-
maschine in seinem Aufbau einem herkömmlichen Offsetdruckwerk entspricht und
keine Besonderheiten aufweist (Spalte 2, Zeilen 65-67), liest der Fachmann - auch
ohne ausdrückliche Erwähnung in der DE 30 24 758 C2 - die Existenz je eines
Farbwerkes für jeden der beiden Formzylinder (in der Figur die Zylinder oben links
und unten rechts) in selbstverständlicher Weise mit. Jedes dieser Farbwerke bildet
mit dem zugehörigen Formzylinder und dem korrespondierenden Gummizylin-
der 2, 11 eine Bildtransportstrecke. Die vorbekannte Doppelseitendruckmaschine
weist demnach zwei Bildtransportstrecken auf (Merkmal 3), die zusammen ein
Doppeldruckwerk bilden (Spalte 2, Zeilen 37, 38; Merkmal 4). Der erste Gummizy-
linder 2 des Doppeldruckwerks ist dabei als Bogenführungszylinder mit einem Bo-
genhaltesystem ausgebildet und steht mit dem zweiten Gummizylinder 11 in Wirk-
verbindung (Spalte 1, Zeilen 39-43; Spalte 2, Zeilen 45-51; Merkmale 6, 7). Der
Wortlaut in Merkmal 6 gemäß obenstehender Merkmalsgliederung „ein Gummizy-
linder eines Doppeldruckwerks …“ lässt nach Auffassung des Senats in Anbe-
tracht der übrigen Angaben in der Streitpatentschrift nur die Interpretation zu, dass
nur einer der beiden Gummizylinder je Doppeldruckwerk mit dem Bogenhaltesys-
tem versehen ist. Dieses entspricht der Intention der streitpatentgemäßen Weiter-
bildung zur Verringerung der Anzahl von Bogenübergaben (Streitpatentschrift
Spalte 1, Zeile 66, 67; Spalte 2, Zeilen 9-13) i. V. m. der Anwendung des Gum-
mi-Gummi-Prinzips bei zwischen den Druckwerken angeordneten Bogenführungs-
trommeln. Außerdem ist auch für das Ausführungsbeispiel nichts anderes offen-
bart (Streitpatentschrift Spalte 2, Zeilen 37-42).
Die Ausgestaltung des streitpatentgemäßen Doppelseitendruckwerks stimmt mit
der insoweit geschilderten vorbekannten Ausgestaltung überein. Die mit dem er-
teilten Patentanspruch 1 beanspruchte Druckmaschine ist deshalb in allen das
einzelne Doppeldruckwerk als solches betreffenden Merkmalen aus der
DE 30 24 758 C2 bekannt (Merkmale 1, 2-4, 6, 7).
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Als aus dieser Druckschrift nicht unmittelbar bekannt verbleibt somit lediglich die
Aneinanderreihung derartiger Druckwerke gleichen Aufbaus (Merkmal
5) zur
Durchführung der Vier-über-Vier-Technologie (beidseitiger Vierfarbdruck; Merk-
mal 1.1).
In jedem Druckereibetrieb besteht allerdings grundsätzlich das Bedürfnis, mehrfar-
bige Drucke erstellen zu können. Dieses Bedürfnis ist dem Fachmann schon
grundsätzlich bewusst und veranlasst ihn, Lösungen für den Mehrfarbendruck
- aus Kostengründen nach Möglichkeit mit den jeweils vorhandenen maschinellen
Einrichtungen - zu suchen. Gerade im Hinblick auf die ihm gestellte Aufgabe des
geringen Herstellungsaufwandes, geringen Platzbedarfs und der Verringerung der
Anzahl der Bogenübergaben (s. o.) ist im einschlägigen Fachgebiet ein Lösungs-
prinzip für den vierfarbigen Doppelseitendruck im Gummi-Gummi-Verfahren be-
reits vorgeschlagen (DE 32 03 879 A1 Seite 4, Zeile 20, bis Seite 5, Zeile 9). Ge-
mäß der DE 32 03 879 A1 werden einzelne Schöndruckwerke 51-54 und einzelne
Widerdruckbaueinheiten 55-58 zu
Gummi-Gummi-Doppeldruckwer-
ken für den Doppelseitendruck mit
beliebig vielen und speziell mit vier
Farben zusammengestellt (Sei-
te 9, Zeilen 7-17; Seite 10, Zei-
len 22-28; hier wiedergegebene
Figur 2). Hier offenbart sich dem
Fachmann die Aneinanderreihung baugleicher Einzeldruckwerke für nach dem
Gummi-Gummi-Prinzip arbeitende Maschinen als Prinzip der Lösung. Dieses Prin-
zip in Verbindung mit den maschinellen Einrichtungen gemäß der
DE 30 24 758 C2 und für diese Einrichtungen zur Anwendung zu bringen, verlangt
dem Fachmann eine erfinderische Tätigkeit nicht ab. Denn er erkennt ohne weite-
res, dass die Übertragung besagten Prinzips auf Druckwerke nach Art der
DE 30 24 758 C2 einfach realisierbar ist. Es braucht nämlich nur der zum Ausle-
gerstapel 13 führende jeweilige Kettenförderer an die erste Zuführtrommel 3 des
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jeweiligen Folgedruckwerks gleicher Bauart geführt zu werden. Es entsteht dabei
eine Doppelseitendruckmaschine für Vier-über-Vier-Technologien (Merkmal 1.1)
mit vier Doppeldruckwerken jeweils gleichen Aufbaus (Merkmal 5). Zusammen mit
den oben beschriebenen, dem Druckwerk nach der DE 30 24 758 C2 ohnehin
eigenen Merkmalen 1, 2-4 und 6, 7 ergibt sich dann eine Doppelseitendruckma-
schine mit allen im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen.
Eine erfinderische Tätigkeit des Fachmanns vermag der Senat bei dieser Sachla-
ge nicht zu sehen.
Patentanspruch 1 kann demnach keinen Bestand haben. Mit ihm fallen die Unter-
ansprüche 2 und 3.
gez.
Unterschriften