Urteil des BPatG vom 09.12.2008

BPatG (unterscheidungskraft, beschreibende angabe, marke, verkehr, bezeichnung, klasse, museum, begriff, sprache, unternehmen)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 64/07
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 305 54 804.2
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 9. Dezember 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Bender und der Richter Knoll und Kätker
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beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 12. Februar 2007 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Die Anmeldung der Wortmarke
CAROSSEUM
unter anderem für
Klasse 12: Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande;
Klasse 37: Wartung und Reparatur von technischen Vorrichtun-
gen;
Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und
kulturelle Aktivitäten
(gemäß dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis in der Fas-
sung des Schriftsatzes vom 6. Februar 2006)
ist mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 12. Februar 2007 durch ein Mitglied des Patentamts nach § 37
Abs. 1 und 5 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unter-
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scheidungskraft teilweise zurückgewiesen worden, nämlich für die oben wörtlich
aufgeführten Waren und Dienstleistungen. Unter Verweis auf ihren Beanstan-
dungbescheid vom 2. Februar 2006 führt die Markenstelle zur Begründung aus,
dass die Wortzusammensetzung "CAROSSEUM" vom Verkehr dahingehend ver-
standen werde, dass es sich um Waren und Dienstleistungen handele, die sich auf
einen Ausstellungsort für Karossen, also Fahrzeuge bezögen. Trotz fehlender le-
xikalischer Nachweisbarkeit fehle der angemeldeten Wortneubildung die Unter-
scheidungskraft, da sie ohne weiteres verständlich sei. Begriffe wie "Karosse" und
"Karosserie" seien im Inland bekannt, wobei das Markenwort "CAROSSEUM"
analog zu "Museum", "Mausoleum" oder "Colosseum" gebildet sei. In all diesen
Einrichtungen werde etwas zur Schau gestellt. Auch seien ähnlich gebildete Be-
griffe gebräuchlich, wie das in der Presseberichterstattung belegbare digitale Mu-
seumsführungssystem des Wieland-Museums in Oßmannstedt "Osmantinum".
Somit sei das angemeldete Markenwort ohne weiteres für die angesprochenen
Verkehrskreise verständlich und werde in seinem Sinngehalt als Ausstellung von
Fahrzeugen in einer Sammlung unmittelbar erfasst. Dementsprechend würden die
Dienstleistungen mit der Anmeldemarke dahingehend beschrieben, dass sie
Ausstellungen ermöglichten, indem etwa alte Karossen instand gesetzt würden
oder der Inhalt der Ausstellung im Sinne von Erziehung und Ausbildung erläutert
werde. Sportliche Aktivitäten könnten z. B. Rallyes mit den Exponaten sein. Alle
zurückgewiesen Waren und Dienstleistungen könnten dazu dienen, Fahrzeuge als
Exponate in einem Carosseum bereit zu stellen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß be-
antragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Zur Begründung trägt er vor, dass der Ausdruck "CAROSSEUM" eine lexikalisch
nicht nachweisbare Wortneuschöpfung darstelle, die weder ein gebräuchlicher
Ausdruck sei noch eine im Vordergrund stehende (beschreibende) Bedeutung
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aufweise, was er anhand der etymologischen Entwicklung der Begriffe "Karosse",
"Lyzeum", "Kolosseum", "Mausoleum" und "Museum" ausführt. Der Verkehr fasse
den Begriff als einheitlich auf, zergliedere ihn nicht und nehme einen ganzheitli-
chen fremdsprachigen Begriff an. Der angemeldete Begriff beschreibe Fahrzeuge
oder Apparate zur Beförderung auf dem Lande ebenso wenig wie Dienstleistun-
gen. Im Übrigen sei der Begriff ausreichend phantasievoll, selbst wenn der Ver-
kehr darin die Bezeichnung eines Automobilmuseums erkennen sollte. Zudem
seien die Dienstleistungen "Wartung und Reparatur von technischen Vorrichtun-
gen" für Museen unüblich. Auch für kulturelle Aktivitäten besitze die Anmelde-
marke ausreichend Unterscheidungskraft. Darüber hinaus bestehe kein Freihalte-
bedürfnis für die Allgemeinheit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke
für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute
Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung
der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.
So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die
die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung aus-
geschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Be-
zeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Her-
kunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistun-
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gen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen
dienen können.
Das angemeldete Markenwort "CAROSSEUM" hat sich weder als beschreibendes
noch überhaupt als existierendes Wort belegen lassen. Bei der Eingabe dieses
Worts als Suchbegriff ließen sich mit der Suchmaschine … zwar 34 Treffer
erzielen, dabei wird "carosseum" jedoch fast immer nur von Domaindiensten oder
in sonstigen entsprechenden Übersichten als Teil einer Internetdomain aufgeführt.
Nur zwei Treffer führten zu einem "richtigen" Internetauftritt, allerdings dem eines
luftfahrtorientierten Serviceunternehmens, an dem der Anmelder beteiligt ist, wo-
bei das Markenwort wiederum nur als Teil (Sub-Level-Domain) der Internet-
adresse auftauchte (vgl. www.carosseum.de/unternehmen.php). Damit kann ein
gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis ausgeschlossen werden.
Gleiches gilt für ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis. Gegen eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit, dass sich das Wort "Carosseum" in absehbarer Zukunft als
Sachbegriff für irgendwelche Ausstellungseinrichtungen und -veranstaltungen,
insbesondere solche für Fahrzeuge, Karossen o. Ä., etablieren kann, spricht zu-
nächst, dass sich hierfür längst andere Begriffe eingebürgert haben (z. B. "Fahr-
zeugausstellung", "Showroom", "Fahrzeugmuseum", "Kutschenmuseum", "Karos-
serieausstellung", "car exhibition" usw.). Angesichts der bei technischen Gegen-
ständen eher zur Bildung von Anglizismen tendierenden Sprachentwicklung liegt
es auch außerhalb der Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Fachbezeichnungen in
diesem Bereich aus Wortzusammenziehungen mit altsprachlichen Wörtern der
Bildungssprache wie "Lyzeum, Kolosseum, Mausoleum" entwickeln. Eine Über-
prüfung anhand rückläufiger Wörterbücher (Mater, Rückläufiges Wörterbuch der
deutschen Gegenwartsprache, 4. Aufl.; Muthmann, Rückläufiges deutsches Wör-
terbuch, 3. Aufl.) hat vielmehr ergeben, dass es außer den Begriffen "Tedeum",
"Linoleum", "Petroleum", "Mausoleum", "Museum", "Gynäzeum", "Andrözeum",
"Lyzeum", "Ileum", "Oleum" sowie den Bezeichnungen besonderer Arten von Mu-
seen (z. B. "Heimatmuseum", "Feilichtmuseum" usw.) überhaupt keine Wörter der
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deutschen Sprache gibt, die wie die Anmeldemarke enden. Demnach hat eine
Wortzusammenziehung, wie sie hier vorliegt, hat offenbar nie, auch nicht in einem
anderen Bereich als dem der Fahrzeuge oder Karosserien, Eingang in die deut-
sche Sprache gefunden. Daher ist mangels entsprechender tatsächlicher Anhalts-
punkte auch ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis zu verneinen.
Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke auch die erforderliche
Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Entsprechend der Haupt-
funktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität
der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantie-
ren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke in-
newohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als
von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjeni-
gen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35
- Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungs-
kraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen,
zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei
auf den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl.
EuGH GRUR 2004, 943 Nr. 24 - SAT.2). Kann einer Wortmarke ein für die fragli-
chen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Be-
griffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches
Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Ver-
kehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur
als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich
daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt
(vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).
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Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderun-
gen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Dies gilt auch, wenn man mit der
Markenstelle davon ausgeht, dass es sich bei der Anmeldemarke erkennbar um
eine Wortzusammenziehung aus den Begriffen "Karosse" (trotz der Schreibweise
mit "C") und "Museum", "Mausoleum" oder "Colosseum" handelt. Zwar dürfte der
normal informierte und interessierte Verkehrsteilnehmer häufig die hinter der
Wortzusammenziehung stehenden Ausgangsbegriffe erkennen oder wenigstens
vermuten und dementsprechend ohne weiteres auf die gemeinte Bedeutung
schließen. Dann muss er aber auch erkennen, dass es sich hier gerade nicht um
eine platte sachliche Begriffskombination wie "Fahrzeugmuseum" handelt, die der
sprachüblichen Bildung spezifizierter Fachbegriffe entspricht. Vielmehr wird er die
den Sprachregeln widersprechende Art der Wortbildung durch verkürzende Zu-
sammenziehung von zwei Einzelworten unter Weglassung des Anfangs des
zweiten Teilworts erkennen und daher von Haus aus auf eine sprechende Marke
schließen. Dementsprechend weist z. B. die vergleichbare Wortzusammenziehung
"Bionade" ("Bio" und "Limonade") von Haus aus ebenfalls eine Eignung zur be-
trieblichen Herkunftsunterscheidung auf und konnte sich auch als Produktkenn-
zeichnung etablieren. Auch die von der Markenstelle als Beleg genannte Bezeich-
nung "Osmantinum" ist nach dem Inhalt des zum Beleg angeführten Presseaus-
zugs keine sachlich beschreibende Angabe für digitale Museumsführungssysteme
(verschiedener Hersteller), sondern der von der Bauhaus Universität Weimar aus-
gewählte Name für das von ihr entwickelte Produkt, also eine Produktkennzeich-
nung. Als zusätzliches fantasievolles Element kommt vorliegend die für den tech-
nischen Bereich eher ungewöhnliche Kombination mit einem altsprachlichen Wort
hinzu.
Zwar kann nicht jeder derartig gebildeten Wortzusammenziehung die Eignung zur
betrieblichen Herkunftsunterscheidung zugebilligt werden. So sind etwa die engli-
schen Kunstwörter "Pixel" (zusammengesetzt aus "picture" und "element"), "Phis-
hing" ("password" und "fishing") oder "blaxploitation" ("black" und "exploitation") zu
beschreibenden Sachbezeichnungen geworden, weil sie vom Verkehr entspre-
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chend aufgegriffen worden sind und sich zu solchen Bezeichnungen entwickelt
haben. Diese Entwicklung ist bei dem angemeldeten Wort aber gerade nicht fest-
stellbar; sie ist - worauf es bei der Frage der Unterscheidungskraft allerdings auch
nicht ankäme - noch nicht einmal wahrscheinlich (s. o.). Der angemeldeten Marke
kann daher nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden, so dass
der angefochtene Beschluss aufzuheben war.
Bender
Knoll
Kätker
Cl