Urteil des BPatG vom 15.01.2003

BPatG: star, verwechslungsgefahr, marke, verkehr, gesamteindruck, bestandteil, kennzeichnungskraft, originalität, eugh, werbung

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 19/02
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 396 05 263
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hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Albert sowie des Richters Kraft und der Richterin Eder
beschlossen:
G r ü n d e
I .
Gegen die Eintragung der Marke 396 05 263
"Black Star"
für die Waren
"Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alko-
holfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und an-
dere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische
Getränke (ausgenommen Biere)"
ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren
"Vins de Champagne et vins mousseux"
international registrierten Marke R 323 542
"WHITE STAR".
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Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die Ver-
gleichsmarken hielten auch dann einen ausreichenden Abstand zueinander ein,
wenn man in Anbetracht der teilweise bestehenden Warenidentität einen über-
durchschnittlich strengen Maßstab anlege. Wegen der vorangestellten Bestand-
teile "Black" und "WHITE" unterschieden sich die beiden Wortzeichen in ihrer Ge-
samtheit deutlich. Eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung des über-
einstimmenden Bestandteils "Star" sei zu verneinen, denn diesem komme in kei-
nem der beiden Zeichen eine prägende Bedeutung zu, weil es sich hierbei einer-
seits um einen in der Werbung üblichen und daher kennzeichnungsschwachen
Hinweis auf Spitzenprodukte handele und zum anderen der gesamtbegriffliche
Charakter von "Black Star" und "WHITE STAR" gegen eine Orientierung an nur
einem der Wortelemente spreche.
Ebenso wenig lägen auch hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß die Ver-
gleichszeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten.
Dem übereinstimmenden Wortelement "Star" komme nicht der erforderliche Hin-
weischarakter auf die Widersprechende zu, denn "Star" sei von Haus aus nur
schwach kennzeichnend. Die Widersprechende verfüge auch nicht über eine ent-
sprechend gebildete Markenserie. Der Umstand, daß in beiden Zeichen dem Wort
"Star" eine Farbangabe vorangestellt sei, dränge nicht den Gedanken auf, hier
Marken einer Serie ein- und desselben Unternehmens vor sich zu haben, denn
hierbei handele es sich nämlich um wenig charakteristische Merkmale, die vom
Verkehr (nur) als nicht ungewöhnliche Hinweise auf die farbige Ausstattung der
betreffenden Getränke verstanden würden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Angesichts der
zumindest teilweisen Identität der beiderseitigen Waren sowie einer normalen
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe die Gefahr, daß die jüngere
Marke "Black Star" mit der Widerspruchsmarke "WHITE STAR" gedanklich in Ver-
bindung gebracht werde. Die Widersprechende verweist insoweit auf Entschei-
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dungen des Bundespatentgerichts, in denen über die bisherige Rechtsprechung
zur mittelbaren Verwechslungsgefahr hinaus aufgrund der Ähnlichkeit in der Typi-
zität und damit im "Gesamtflair" (= atmosphärischer Gesamteindruck) eine Ver-
wechslungsgefahr bejaht worden sei (28 W (pat) 46/98 - VOGELGLÜCK/HUNDE-
GLÜCK; 26 W (pat) 54/98 -Mind-Power/BRAIN
POWER). Wenn man unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auf den Gesamteindruck der
Zeichen abstelle und beachte, wie die Marken im Zusammenhang mit den Waren
auf die angesprochenen Verbraucher wirkten, sei davon auszugehen, daß
zumindest ein relevanter Teil des angesprochenen Verkehrs aus der Erinnerung
heraus keinerlei Differenzierung zwischen den Begriffen "Black
Star" und
"WHITE STAR" vornehmen werde. Gerade für die beiderseitigen Waren seien
beide Begriffe nicht aussagekräftig, aber dennoch von der Grundidee her so
verwandt, daß sie ein gemeinsames "Flair" ausstrahlten, an dem sich der Verkehr
orientieren werde. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, daß ein
relevanter Teil des Verkehrs die jeweiligen Farben nicht mehr genau in Erinnerung
habe und so die betriebliche Herkunft verwechsle. Entgegen der Auffassung der
Markenstelle sei der gemeinsame Wortstamm "Star" auch geeignet, auf die
Widersprechende hinzuweisen.
Demgemäß beantragt die Widersprechende sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Sie regt an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.
Gegenüber der Markenstelle ist sie vor allem der Ansicht entgegengetreten, daß
der Bestandteil "Star" kollisionsbegründend wirke.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden erweist sich als unbegründet.
Zwischen den Marken "Black Star" und "WHITE STAR" besteht keine Verwechs-
lungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma). Dabei be-
steht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, ins-
besondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeich-
neten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke (EuGH
GRUR 1998, 922 - Canon).
Hiervon ausgehend ist aufgrund des Umstands, daß beide Marken für Produkte
der Klasse 33 bestimmt sind und mithin eine zumindest teilweise Identität der Wa-
ren vorliegt, für den Ausschluß einer Verwechslungsgefahr ein deutlicher Abstand
der Marken erforderlich, auch wenn Anhaltspunkte für eine gesteigerte Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht vorliegen und deshalb nur von ei-
nem normalen Schutzumfang auszugehen ist. Den wegen der teilweisen Waren-
identität erforderlichen deutlichen Abstand hält die angegriffene Marke gegenüber
der Widerspruchsmarke ein.
In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Marken "Black
Star" und
"WHITE STAR" klanglich, schriftbildlich und begrifflich deutlich voneinander. Ent-
gegen der Auffassung der Widersprechenden wird der Gesamteindruck beider
Marken auch nicht etwa durch den übereinstimmenden Bestandteil "Star" geprägt.
Einem einzelnen Markenbestandteil kann ausnahmsweise nur dann eine beson-
dere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zugebilligt werden,
wenn ihm in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt und er
deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, wäh-
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rend die weiteren Elemente der Marke nur eine eher untergeordnete Bedeutung
haben, weil sie aus der Sicht des Verkehrs in den Hintergrund treten und zum Ge-
samteindruck des Zeichens nichts beitragen (BGH MarkenR
2000, 20
- RAUSCH/ELFI RAUCH). Hierbei ist auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen,
daß der Verkehr Kennzeichnungen regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie
ihm entgegentreten, ohne eine analysierende oder zergliedernde Betrachtungs-
weise vorzunehmen (EuGH aaO - Sabèl/Puma). Dies gilt in besonderem Maße für
erkennbar einheitliche Gesamtbegriffe (BGH GRUR
1998, 932
- MEISTERBRAND), die vom Verkehr als solche wahrgenommen werden.
Die Wortbestandteile "Black", "Star" und "WHITE" wird der weit überwiegende Teil
des deutschen Verkehrs aufgrund des Umstands, daß es sich hierbei um Wörter
des englischen Grundwortschatzes handelt, verstehen, sie als Gesamtbegriffe
"schwarzer Star oder Stern" bzw "weißer Star oder Stern" erkennen und die Mar-
ken schon deshalb nur mit ihren eingetragenen Formen benennen.
Aber auch dann, wenn zugunsten der Widersprechenden davon ausgegangen
wird, daß ein rechtlich beachtlich weiterer Teil des deutschen Verkehrs beide Mar-
ken nicht als Gesamtbegriff wertet, kommt dem Wortbestandteil "Star" keine selb-
ständig kennzeichnende Stellung innerhalb der sich gegenüberstehenden Kenn-
zeichnungen zu, denn wie bereits die Markenstelle zutreffend ausführt, hat sich
dieser Bestandteil im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch und in der Werbung
zu einer Qualitätsangabe entwickelt (vgl BPatG Mitt 1997, 55 - PaperStar), so daß
er für sich allein keine Hinweiswirkung auf die Widersprechende auszuüben ver-
mag (vgl dazu Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl § 9 Rdn 213 f, 217).
Es besteht auch nicht die Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Ver-
bindung gebracht werden könnten. Gegen eine - mittelbare - Verwechslungsge-
fahr unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt spricht der Umstand, daß über eine
Benutzung weiterer Marken der Widersprechenden mit dem Bestandteil "Star", die
für den Verkehr die Zugehörigkeit der angegriffenen Marke zu einer Markenserie
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der Widersprechenden nahelegen könnten, nichts bekannt oder vorgetragen wor-
den ist. Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte vor, die für eine mittel-
bare begriffliche Verwechslungsgefahr (vgl dazu Althammer/Ströbele aaO, § 9
Rdn 224) oder etwa für eine "erweiterte komplexe mittelbare Verwechslungsge-
fahr" (vgl dazu 28 W (pat) 46/98 - VOGELGLÜCK/HUNDEGLÜCK, S 7 f) spre-
chen. Bei der Annahme dieser Art von Verwechslungen ist aufgrund ihres Aus-
nahmecharakters starke Zurückhaltung geboten. So sind vor allem Übereinstim-
mungen in beschreibenden oder sonst kennzeichnungsschwachen Aussagen
nicht geeignet, eine herkunftshinweisende Assoziation auszulösen. Außerdem
setzt eine mittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr voraus, daß sich die ge-
dankliche Verbindung aufdrängt. Hierfür liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte
vor. Selbst wenn mit dem 28. Senat davon ausgegangen wird, daß die bisherige
Annahme der "komplexen Ähnlichkeit" auf Fälle der "erweiterten komplexen mit-
telbaren Verwechslungsgefahr" auszudehnen ist, in denen eine Ähnlichkeit in der
Typizität und im "Gesamtflair" der Zeichen besteht, fehlt es im vorliegenden Fall an
einer ausreichenden Gemeinsamkeit der Marken in Typus und insbesondere Ori-
ginalität. Anders als zB in den Fällen BPatGE 36, 8 -
OKLAHOMA
SOUND/MISSISSIPPI SOUND oder 40, 26 – KIMBOY'S/KIMLADY sind die hier zu
beurteilenden Zeichen "Black Star" und "WHITE STAR", die zwar beide aus einer
Farbangabe und einer werbeüblichen Qualitätsangabe zusammengesetzt sind, zu
wenig originell, um ein "Gesamtflair" zu vermitteln, das möglicherweise für eine
erweiterte komplexe Verwechslungsgefahr sprechen könnte. Der angesprochene
Verkehr wird vielmehr anhand des Gesamteindrucks der Zeichen die erkennbaren
Unterschiede bemerken und die Waren deshalb in ihrer betrieblichen Herkunft
nicht verwechseln. Dafür spricht schließlich auch das aktuelle Verbraucherleitbild
des Europäischen Gerichtshofes (GRUR Int 99, 734 – Lloyd), wonach von dem
durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer auszu-
gehen ist.
Es kommt hinzu, daß das werbemäßig verbrauchte Wort "Star" allein nicht geeig-
net ist, den atmosphärischen Gesamteindruck dem Typ und der Originalität nach
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zum Tragen zu bringen, insbesondere, da auch die weiteren Wortbestandteile
"Black" bzw "WHITE" in keiner Weise phantasievoll oder originell sind, sondern
nur Farbangaben darstellen. Nach alledem kann hier nicht von einem überein-
stimmenden und gleichartigen Markentypus in Aufbau und Originalität ausgegan-
gen werden, der eine "assoziative" Verwechslungsgefahr begründen könnte.
Die von der Widersprechenden angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83
Abs 2 MarkenG) kam nicht in Betracht, weil mit dem vorliegenden Beschluß auf-
grund der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des
Bundesgerichtshofes über Tatfragen, nicht jedoch über neue Rechtsfragen von
grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war und eine Zulassung der Rechtsbe-
schwerde nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich ist.
Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 Satz 1 Mar-
kengesetz bestand kein Anlaß.
Albert Eder Kraft
Bb