Urteil des BPatG vom 22.11.2001

BPatG (bezeichnung, chip, beschreibende angabe, unrichtige angabe, bezug, form, eintragung, unterscheidungskraft, beschwerde, angabe)

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 199/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 78 741.3
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 22. November 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Kliems sowie der Richter Brandt und Engels
beschlossen:
Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 21. März 2001 wird aufgehoben.
BPatG 152
10.99
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G r ü n d e
I.
Die Anmelderin hat am 25. Oktober 2000 die Bezeichnung
CHIP
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet. Im Verfahren vor dem DPMA
hat die Anmelderin die Beschränkung des Warenverzeichnisses auf die Waren "In-
sektizide, Desinfektionsmittel" erklärt. Im Beschwerdeverfahren hat sie schließlich
auf Hinweis des Senats das Verzeichnis der Waren weitergehend durch Aufnah-
me eines Ausnahmevermerks auf die Fassung "Insektizide, Desinfektionsmittel,
ausgenommen in der Anwendungsform als Chip" beschränkt.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die An-
meldung - ausgehend von dem Warenverzeichnis "Insektizide, Desinfektionsmit-
tel" - nach Beanstandung wegen bestehender Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2
Nr 1 und Nr 2 MarkenG zurückgewiesen. Wie den der Anmelderin bekannt gege-
benen Nachweisen zu entnehmen sei, würden auf dem Markt auch insektizid und
desinfizierend wirkende Mittel in Form von dünnen Plättchen oder kleinen Tafeln
angeboten und als "chips" bezeichnet. Demnach handele es sich bei dem auch im
Zusammenhang mit anderen Waren - zB Kartoffelchips, Halbleiterchips oder
Spielchips usw - geläufigen Kurzwort "chip" auch in Bezug auf Insektizide und
Desinfektionsmittel um eine Angabe, die zur Bezeichnung der Form und des Aus-
sehens der beanspruchten Waren dienen könne und deshalb im Interesse der Mit-
bewerber von der Eintragung ausgeschlossen sei. Unter diesen Umständen fehle
der angemeldeten Bezeichnung auch die erforderliche Unterscheidungskraft im
Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, da sie nicht als Herkunftsangabe oder indivi-
dualisierendes Unterscheidungsmittel, sondern als beschreibender Sachhinweis
angesehen werde.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Der angegriffene Beschluß sei rechtsfehlerhaft, da die Bezeichnung "CHIP" in Be-
zug auf die beanspruchten Waren auch nicht im weitesten Sinne eine beschrei-
bende Angabe darstelle und deshalb weder ein Freihaltebedürfnis an der ange-
meldeten Bezeichnung bestehe noch dieser jegliche Unterscheidungskraft abge-
sprochen werden könne. Im übrigen bleibe nach § 23 Nr 2 MarkenG ein beschrei-
bender Gebrauch möglich, selbst wenn es zutreffe, daß insektizid oder desinfizie-
rend wirkende Mittel im Einzellfall auch als dünne Plättchen oder kleine Tafeln an-
geboten würden. Jedenfalls bestünden durch die weitere Beschränkung des Wa-
renverzeichnisses, wonach die Anwendungsform als Chip ausgeschlossen sei,
keine Eintragungshindernisse mehr.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Mar-
kenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der Bezeichnung "CHIP" für
die angemeldeten Waren nach dem zuletzt im Beschwerdeverfahren geänderten
Verzeichnis keine Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 Mar-
kenG mehr entgegen.
Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, daß den hier angesprochenen all-
gemeinen Verkehrskreisen die angemeldete englischsprachige Bezeichnung
"CHIP" als Sachbezeichnung für "Plättchen" oder "kleine Scheibe" bzw als Kurz-
form für Komposita wie zB "Kartoffelchip, Halbleiterchip" usw im Zusammenhang
mit den unterschiedlichsten Waren geläufig ist und deshalb auch in Bezug auf die
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beanspruchten Waren "Insektizide, Desinfektionsmittel" ausschließlich als Sach-
hinweis und nicht als individualisierender betrieblicher Herkunftshinweis verstan-
den wird, wenn diese Waren eine der Bezeichnung entsprechende Form aufwei-
sen. Daß dies der Fall ist, hat die Markenstelle durch eine Internet-Recherche be-
legt. Die insoweit festgestellten Tatsachen hat die Anmelderin auch nicht in Abre-
de gestellt. Danach weist die angemeldete Bezeichnung für derartige Abgabefor-
men keine Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG auf. Der
Senat teilt auch die weiteren Ausführungen der Markenstelle, die anknüpfend an
die getroffenen tatsächlichen Feststellungen und das (damals) für die Beurteilung
maßgebliche Warenverzeichnis zutreffend darauf abgestellt haben, daß der Ein-
tragung wegen der möglichen Verwendung des Wortes "CHIP" als Sachbezeich-
nung auch das weitere Schutzhindernis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen-
stehe.
Nachdem die Anmelderin im Beschwerdeverfahren das Warenverzeichnis "Insekti-
zide, Desinfektionsmittel" weitergehend durch Aufnahme des für sämtliche Waren
geltenden Ausschlußvermerks "ausgenommen in der Anwendungsform als Chip"
beschränkt hat, können jedoch auch unter Berücksichtigung eines Verkehrsver-
ständnisses, dem das englischsprachige Wort "CHIP" als Sachbezeichnung für ei-
ne bestimme Warenform ("Plättchen" oder "Tafel") geläufig ist, keine konkreten
Anhaltspunkte für bestehende absolute Schutzhindernisse festgestellt werden.
Denn jedenfalls in Bezug auf die danach verbliebenen Waren und ihre mögliche
Form stellt die Bezeichnung "CHIP" weder eine - insbesondere glatt - beschrei-
bende, freihaltebedürftige Sachangabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG dar
noch steht eine sonstige sachbezogene Information im Vordergrund. Das
Wort "Chip" weist vielmehr aufgrund des in das Warenverzeichnis aufgenomme-
nen Ausnahmevermerks und der hierdurch für sämtliche angemeldeten Waren
ausgeschlossenen Chip-Form überhaupt keinen beschreibenden Bezug mehr zu
diesen Waren auf. Auch handelt es sich nicht um eine sonstige gebräuchliche Be-
zeichnung, die stets nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungs-
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kennzeichen verstanden wird, so daß auch keine Gründe ersichtlich sind, der an-
gemeldeten Bezeichnung jegliche Unterscheidungskraft Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1
MarkenG abzusprechen (vgl zur st. Rspr.: BGH MarkenR 2001, 363, 364 - REICH
UND SCHOEN; BGH MarkenR 2001, 209, 210 – Test it).
Die angemeldete Bezeichnung weist danach die konkrete Eignung auf, vom Ver-
kehr als Unterscheidungsmittel für die nunmehr noch der Anmeldung zugrundelie-
genden Waren gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden,
zumal es zur Begründung von Unterscheidungskraft auch keines weiteren Phanta-
sieüberschusses, sonstiger besonderer Auffälligkeiten oder Besonderheiten der
Markenbildung bedarf (vgl auch zu Art
7 Abs
1 Buchst
c GMV EuG Mar-
kenR 2001, 181, 184 Ziff 39 und Ziff 40 – EASYBANK) und bei der Beurteilung der
absoluten Schutzhindernisse grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen
ist.
Auch besteht nach Auffassung des Senats kein Grund, der angemeldeten Be-
zeichnung die Eintragung im Hinblick auf das absolute Schutzhindernis nach § 8
Abs 2 Nr 4 MarkenG wegen Täuschungsgefahr deshalb zu versagen, weil sich die
angegriffene Marke für die nunmehr noch beanspruchten Waren in jedem denkba-
ren Fall als eine unrichtige Angabe mit wettbewerbsrechtlicher Relevanz erweisen
könnte (vgl zu dieser Voraussetzung im einzelnen Althammer/Ströbele MarkenG,
6. Aufl § 8 Rdn 230 und Rdn 233). Denn der Verkehr wird außerhalb der ausge-
schlossenen Anwendungsform der angemeldeten Bezeichnung überhaupt keinen
sachbezogenen Aussagegehalt zuordnen und unterliegt deshalb bereits keiner Ir-
reführung (vgl hierzu auch Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl § 8 Rdn 235).
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Auf die Beschwerde der Anmelderin war deshalb der angefochtene Beschluß auf-
zuheben.
Kliems Brandt Engels