Urteil des BPatG vom 20.07.2005
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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 82/04
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(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
21. November 2005
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 50 200.9
hat der 28. Senat (Markenbeschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel, der Richterin Schwarz-Angele und des Richters Paetzold
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss
der Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 20. November 2003 aufgehoben, soweit der Wider-
spruch für die Dienstleistungen „Leasing, Vermietung von Kraft-
fahrzeugen“ zurückgewiesen worden ist.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 162 518 wird die Lö-
schung der angegriffenen Marke 302 50 200 hinsichtlich dieser
Dienstleistungen angeordnet.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 36 und 39
„Kühlfahrzeuge; Leasing; Vermietung von Kraftfahrzeugen“
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ist seit dem 17. Februar 2003 die Wortmarke
www.frigo.car.de
Widerspruch eingelegt hat die Inhaberin der nachfolgend wiedergegebenen prio-
ritätsälteren Wort-/Bildmarke 1 162 518
die seit dem 13. August 1980 ua für „Transport von Waren, insbesondere von
Tiefkühlkost, mit Kraftfahrzeugen; Lagerung von Waren, insbesondere von Tief-
kühlkost“ eingetragen ist.
Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, worauf
die Widersprechende Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung für „Tief-
kühl-Transporte“ zu den Akten gereicht hat.
Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zwar könnten sich
ähnliche Waren und Dienstleistungen gegenüberstehen, doch hielten die Marken
im Gesamteindruck in jeder Hinsicht einen ausreichenden Abstand zueinander
ein, zumal der Widerspruchsmarke nur ein geringer Schutzumfang zukomme, da
sowohl die Bestandteile „frigo“ wie „star“ angesichts ihrer Beliebtheit in Drittzei-
chen nur als kennzeichnungsschwach eingestuft werden könnten.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die
angesichts der Branchengepflogenheiten von einer hochgradigen Ähnlichkeit zwi-
schen Tiefkühltransporten und Transportfahrzeugen bzw den damit im Kontext
stehenden Dienstleistungen ausgeht, zumal es sich hierbei um dieselben Ver-
kehrskreise und dieselbe Zweckbestimmung handele, so dass angesichts quasi
identischer Zeichen eine Verwechslungsgefahr auf der Hand liege. Von einer
Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke könne keine Rede sein, die
entgegengehaltene Drittzeichenlage sei nicht liquide.
Die Widersprechende beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet nicht länger die Benutzung der Widerspruchsmarke, ist aber der Auf-
fassung, dass es bereits an einer relevanten Ähnlichkeit der sich gegenüberste-
henden Waren und Dienstleistungen fehle, ganz abgesehen davon, dass die Mar-
ken in ihrer Gesamtheit einen ausreichenden Abstand zueinander aufwiesen.
II.
Die nach § 165 Abs 4 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist
teilweise begründet, da die angegriffene Marke mit der Widerspruchsmarke im
Umfang der versagten Dienstleistungen verwechselbar ähnlich im Sinne von § 9
Abs 1 Nr 2 MarkenG ist.
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Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt unter Berücksichtigung aller Um-
stände des Einzelfalles, wobei von einer Wechselbeziehung zwischen den in Be-
tracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der
Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke auszugehen ist.
Da Benutzungsfragen nicht mehr aufgeworfen sind, ist hinsichtlich der streitigen
Waren und Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen, wobei nach Auf-
fassung des Senates allerdings nur teilweise von einer Ähnlichkeit im Rechtssinne
ausgegangen werden kann. Dabei ist folgendes zu beachten: Bei dem Begriff der
Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen handelt es sich um einen
Rechtsbegriff, der nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH und BGH unter
Heranziehung des Inhalts des 10. Erwägungsgrunds zur Markenrechtsrichtlinie
und der hierin genannten Gewährleistung der Herkunftsfunktion der Marke im
Sinne einer umfassenderen „betrieblichen Zuordnung“ zu sehen ist. Diese wird
nicht mehr allein durch die Vorstellung (vermeintlich) gleicher örtlicher Herstel-
lungsstätten bestimmt, wenngleich eine solche Feststellung natürlich nach wie vor
große Bedeutung hat. Die Erwartung des Verkehrs muss aber von der
Verantwortlichkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen
Unternehmens für die Qualität der Waren oder Dienstleistungen
getragen sein
,
wobei sich bestimmte Beurteilungskriterien herausgebildet haben, die von
objektiven Umständen wie zB die stoffliche Beschaffenheit, die regelmäßige
Vertriebs- und Erbringungsart, der Verwendungszweck, die wirtschaftliche
Bedeutung oder die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander
ergänzende Produkte und Leistungen bis hin zur Berücksichtigung der subjektiven
Erwartung des angesprochenen Verkehrs von einer einheitlichen
Ursprungsgarantie und Verantwortlichkeit desselben Unternehmens für die
Qualität der Waren reichen. Hierbei kommt auch grundsätzlich eine Ähnlichkeit
zwischen Waren und Dienstleistungen in Betracht, wobei im Rahmen der
Erwartungen des Verkehrs insbesondere auch die Frage subjektiver Fehlvorstel-
lungen einzubeziehen sind.
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Vorliegend ergibt sich damit folgendes Bild:
a) „Kühlfahrzeuge“
stehen
im Verhältnis zum „Transport von Waren“ auch
dann nicht mehr in einem Ähnlichkeitsverhältnis, wenn man Tiefkühltransporte mit
einbezieht und der Transporteur mithin seine Leistungen mit den Waren der ange-
griffenen Marke erbringt (s Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und
Dienstleistungen, 13. Aufl 2005, S 89, 165, 371). Hersteller von Fahrzeugen sind
regelmäßig nur an einem Vertrieb ihrer Waren interessiert, was ggfls auch im
Rahmen besonderer Überlassungsstrukturen erfolgt wie Leasing, Miete oder dgl.
Der Senat konnte indes keine Feststellungen treffen, dass Fahrzeughersteller über
die Vermarktung hinaus üblicherweise auch Dienstleistungen unter Verwendung
ihrer Fahrzeuge im praktischen Einsatz erbringen. Auch die Beteiligten haben
hierzu nichts vorgetragen. Damit fehlt es aber für den Verkehr an regelmäßigen
Berührungspunkten zwischen den Waren und Dienstleistungen, auch wenn die
Waren letztlich im Rahmen der Dienstleistung verwendet werden. Der Verkehr hat
mangels entsprechender Branchenübung jedoch keinerlei Veranlassung, diese
Bereiche demselben unternehmerischen Verantwortungsbereich zuzuordnen, was
markenregisterrechtlich dazu führt, dass die gegenüberstehenden Waren und
Dienstleistungen nicht mehr in einem Ähnlichkeitsverhältnis stehen und damit eine
Verwechslungsgefahr unabhängig von der Ähnlichkeit der Marken bereits ausge-
schlossen ist.
b)
Die Dienstleistungen „Leasing“ bzw „Vermietung von Kraftfahrzeugen“ sind
vom Oberbegriff her genau wie der „Transport von Waren mit Kraftfahrzeugen“ in
keiner Weise auf Spezialfahrzeuge beschränkt, sondern umfassen das gesamte
Dienstleistungsspektrum dieser Branchen. Nach den Bezeichnungsgewohnheiten
in diesem Bereich ist der Verkehr aber gewohnt, dass sich ihm die Fahrzeuge der
Leasing- oder Vermietungsunternehmen in gleicher kennzeichenmäßiger Aufma-
chung darbieten wie diejenigen der Transportunternehmen, so dass sich bei ihm
- da die Dienstleistungen in dieser Weise nach außen auftreten und dadurch die
Verkehrsauffassung prägen – bei der Begegnung mit gleichen Kennzeichnungen
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zwangsläufig der Eindruck aufdrängen muss, es mit Fahrzeugen desselben
Dienstleisters zu tun zu haben, was auch sachlich durchaus nahe liegt, da zB
Transporteure bei Vorliegen von Überkapazitäten ihre Fahrzeuge Dritten entgelt-
lich im Rahmen von Miete oder (Gebraucht-)Leasing überlassen können. Glei-
chermaßen wird selbst der hier vorrangig beteiligte gewerbliche Verkehr ange-
sichts der fortschreitenden Konzentration wirtschaftlicher Leistungen unter dem
Schlagwort „alles aus einer Hand“ nicht ausschließen können, dass Geschäfte wie
Leasing und Vermietung von Kraftfahrzeugen unter derselben unternehmerischen
Verantwortung wie der Warentransport erbracht werden, was für die Annahme
einer – wenn auch eher entfernteren – Ähnlichkeit im Rechtssinne ausreicht.
Angesichts dieser eher kollisionshemmenden Merkmale sind an den Abstand der
Marken zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr eher geringe Anforderungen
zu stellen, denen die angegriffene Marke nicht mehr gerecht wird.
Zwar werden die Marken in ihrer Gesamtheit wegen der deutlich unterschiedlichen
grafischen Gestaltung und Länge der Zeichen nicht miteinander verwechselt wer-
den und genau so wenig kann eine Verwechslungsgefahr allein schon aus dem
Umstand abgeleitet werden, dass ein Teil der Widerspruchsmarke identisch in der
angegriffenen Marke enthalten ist, so dass die Gefahr von Verwechslungen, wie
auch die Beteiligten richtig erkannt haben, nur dann in Betracht kommt, wenn die
Bestandteil „frigo-car“ bzw „Frigostar“ isoliert kollisionsbegründend herangezogen
werden können.
Grundsätzlich wird einer Marke durch ihre Eintragung Schutz nur in der eingetra-
genen Form gewährt, da im Eintragungsverfahren nur die Schutzfähigkeit der an-
gemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit geprüft wird. Daraus folgt jedoch nicht,
dass bei der Prüfung der Gefahr von Verwechslungen zwischen einer jüngeren
Marke und einer älteren Widerspruchsmarke ausnahmslos von der jeweiligen Mar-
ke in ihrer Gesamtheit auszugehen ist. Maßgebend ist vielmehr jeweils der Ge-
samteindruck der betreffenden Marke, der in Ausnahmefällen vorrangig auch
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durch einen von mehreren Bestandteilen bestimmt werden kann. Kollisionsbegrün-
dend ist ein solcher Bestandteil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
dann, wenn er den Gesamteindruck der Marke dergestalt prägt, dass neben ihm
ein weiterer oder mehrere andere Bestandteile in den Hintergrund treten. Das ist
vor allem bei Wort-Bild-Kombinationen häufig der Fall, da sich der Verkehr erfah-
rungsgemäß an den Wortteilen orientiert, zumal wenn diese selbständig kenn-
zeichnungskräftig sind, wovon bei der Widerspruchsmarke hinsichtlich des Wortes
„Frigostar“ trotz aller Vorbehalte gegenüber dem Kürzel „frigo“ als Hinweis auf
Kälte, Kühlen usw (Frigotechnik, camion frigo, frigo truck oder dgl) und der Qua-
litätsanpreisung „star” auszugehen ist. Ähnliches gilt für die angegriffene Marke,
die sich in ihrer Gesamtheit als – im Grunde dem Markenschutz nicht zugängli-
che - Internet-Adresse darstellt und, wenn überhaupt, eine markenrechtliche Prä-
gung nur durch die Kombination „frigo-car“ erlangen kann bzw vom Verkehr man-
gels anderer Anhaltspunkte in dieser Verkürzung erkannt und wiedergegeben
wird. Bei einer solchen Betrachtungsweise stehen sich dann aber nahezu identi-
sche Zeichenwörter gegenüber, was zwangsläufig zur Annahme einer zumindest
klanglichen Verwechslungsgefahr führen muss. Auch wenn die Wörter „car“ und
„star“ mit deutlichen Begriffsinhalten belegt sind, ist selbst der beteiligte Fachver-
kehr nicht gegen Verhören gefeit, was markenregisterrechtlich erheblich ist, so-
lange man auf dem von den Waren und Dienstleistungen beanspruchten Gebiet
die mündliche Benennung der Marken nicht völlig ausschließen kann, wozu von
den Beteiligten aber nichts vorgetragen worden ist.
Im Rahmen der bestehenden markenrechtlichen Ähnlichkeit kann damit eine Ver-
wechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden, so dass die Beschwerde der
Widersprechenden insoweit Erfolg haben musste.
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Zu einer Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung, § 71 MarkenG.
Stoppel Schwarz-Angele
Paetzold
WA