Urteil des BPatG vom 03.04.2008
BPatG: stand der technik, stahl, patent, werkstoff, vorbenutzung, lieferung, zusammenarbeit, offenkundig, fahrzeugbau, zusammensetzung
BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
3. April 2008
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent DE 43 44 879
11 W (pat) 5/04
Verkündet am
…
- 2 -
…
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 3. April 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Phys. Dr.
W. Maier sowie der Richter Dipl.-Ing. Dr.
Henkel,
v. Zglinitzki und Dipl.-Ing. Dr. Fritze
beschlossen:
Auf die Beschwerden der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
11. September 2003 aufgehoben und das Patent DE 43 44 879
widerrufen.
G r ü n d e
I.
Das am 29. Dezember 1993 angemeldete und am 7. August 1997 veröffentlichte
Patent 43 44 879 betrifft einen „Verbundstahl für den Schutz von Fahrzeugen,
- 3 -
Verfahren zu dessen Herstellung sowie Verwendung als Fahrzeugverkleidungs-
teil“.
Gegen das Patent sind drei Einsprüche erhoben worden. Die Einsprechende I, die
nunmehr Patentinhaberin ist, hat ihren Einspruch am 14. Februar 2003 zurückge-
nommen. Durch Beschluss vom 11. September 2003 hat die Patentabteilung 24
des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent beschränkt aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Einsprechenden II und
III. Sie halten den Patentgegenstand für nicht patentfähig.
Die Einsprechende II macht offenkundige Vorbenutzung geltend, wozu sie bereits
im Einspruchsverfahren u. a. die Dokumente
(7):
Lieferschein der Fa. Krupp Stahl vom 14.10.1993
und
(16): Schreiben der Fa. Krupp Stahl AG an
Fa. H+S Fahrzeugbau GmbH & Co. vom 16. November 1992
und in der mündlichen Verhandlung die Dokumente
(21): ein Blatt „Teillieferung August 1993“ als Aufschreibungen über bis Oktober
1993 von Fa. Krupp Stahl an Fa. H+S gelieferte Versandlose, sowie
(22): zwei Blätter „Datei über Schmelzen/Blöcke von martensitaushärtenden
Stählen“ als eine Zusammenstellung der Ergebnisse von zwischen
April 1991 bis 9. September 1992 durchgeführten Schmelzen- und Stück-
analysen von martensitaushärtenden Stählen der Marken HFX 200 und
HFX 250
vorgelegt und Zeugenbeweis angeboten hat.
- 4 -
Hierbei stehen die Versandlose aus (21) über die Chargen-Nr. in Verbindung
mit (7) und über die Schmelzen-Nr. in Verbindung mit (22).
Die Einsprechende III hat ihr Vorbringen u. a. auf die Entgegenhaltungen
(1):
DE 29 21 854 C1 und
(2):
US 4 941 927
gestützt.
Die Einsprechende II beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das angegriffene
Patent zu widerrufen.
Von der Einsprechenden III, die ordnungsgemäß geladen wurde, aber zur mündli-
chen Verhandlung, wie von ihr angekündigt, nicht erschienen ist, liegt der Antrag
vor,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen,
hilfsweise den angefochtenen Beschluss abzuändern und das
Patent nach dem Hilfsantrag vom 15. Februar 1999 bezüglich der
Patentansprüche und dem Hilfsantrag vom 12. März 2002 bezüg-
lich der Beschreibung beschränkt aufrechtzuerhalten.
- 5 -
Der nach dem Beschluss der Patentabteilung beschränkt aufrechterhaltene An-
spruch 1 lautet:
„1. Verbundstahlblech für den Schutz von Fahrzeugen mit einer Trägerschicht
aus einem Stahl mit folgenden chemischen Bestandteilen in Gew.-%:
Mo
4,0-6,0
Ni
17,0-18,0
Cr
<0,08
Ti
0,5-0,8
Co
7,0-9,0
und einer durch Walzplattieren mit der Trägerschicht verbundenen Auflage-
schicht aus einem Stahl mit folgenden chemischen Bestandteilen in Gew.-%:
Mo
4,0-6,0
Ni
17,0-18,0
Cr
<0,05
Ti
1,7-1,8
Co
14,0-15,0,
wobei sowohl der Stahl der Trägerschicht als auch der Stahl der Auflage-
schicht zusätzlich folgende chemische Bestandteile in Gew.-%:
C
<0,02
Si
<0,06
Mn
<0,01
P
<0,01
S
<0,01
Cu
<0,02
und Fe mit herstellungsbedingten Verunreinigungen aufweist.“
Der nach dem Beschluss der Patentabteilung nebengeordnete Anspruch 5 lautet:
„5. Verfahren zur Herstellung eines Verbundstahlblechs nach einem der Ansprü-
che 1 bis 4 dadurch gekennzeichnet,
dass aus dem Stahl der Trägerschicht und dem Stahl der Auflageschicht se-
parate Blöcke hergestellt werden,
dass die Blöcke aufeinandergelegt werden, wobei die Kontaktflächen vorher
geebnet und gereinigt sind,
- 6 -
dass die Blöcke unter Vermeidung von Lufteinschlüssen gegeneinander ge-
drückt und miteinander randseitig verschweißt werden und
dass die Blöcke auf ca. 1300°C erhitzt sowie bei hohem Walzdruck zu einem
Blech ausgewalzt werden.“
Der nach dem Beschluss der Patentabteilung nebengeordnete Anspruch 6 lautet:
„6. Verwendung eines Verbundstahlblechs nach einem der Ansprüche 1 bis 4
oder hergestellt nach Anspruch 5 als Werkstoff zur Herstellung eines Fahr-
zeugverkleidungsteils.“
Der nach dem Hilfsantrag der Patentinhaberin geltende Anspruch 1 lautet:
„1. Verfahren zur Herstellung eines Verbundstahlblechs für den Schutz von Fahr-
zeugen, das eine Trägerschicht aus einem Stahl mit folgenden chemischen
Bestandteilen in Gew.-%:
Mo
4,0-6,0
Ni
17,0-18,0
Cr
<0,08
Ti
0,5-0,8
Co
7,0-9,0
und eine Auflageschicht aus einem Stahl mit folgenden chemischen Bestand-
teilen in Gew.-% besitzt:
Mo
4,0-6,0
Ni
17,0-18,0
Cr
<0,05
Ti
1,7-1,8
Co
14,5-15,0,
- 7 -
wobei sowohl der Stahl der Trägerschicht als auch der Stahl der Auflage-
schicht zusätzlich folgende chemische Bestandteile in Gew.-%
C
<0,02
Si
<0,06
Mn
<0,01
P
<0,01
S
<0,01
Cu
<0,02
und Fe mit herstellungsbedingten Verunreinigungen aufweist,
wobei aus dem Stahl der Trägerschicht und dem Stahl der Auflageschicht se-
parate Blöcke hergestellt werden,
wobei die Blöcke aufeinandergelegt werden und die Kontaktflächen vorher
geebnet und gereinigt sind,
wobei die Blöcke unter Vermeidung von Lufteinschlüssen gegeneinander ge-
drückt und miteinander randseitig verschweißt werden und
wobei die Blöcke auf ca. 1300°C erhitzt sowie bei hohem Walzdruck zu einem
Blech ausgewalzt werden.“
Der nach dem Hilfsantrag geltende nebengeordnete Anspruch 5 lautet:
„5. Verwendung eines nach einem der Ansprüche 1 bis 4 hergestellten Verbund-
stahlblechs als Werkstoff zur Herstellung eines Fahrzeugverkleidungsteils.“
Wegen des Wortlauts der jeweils geltenden Unteransprüche 2 bis 4 und weiterer
Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die Beschwerden sind zulässig und haben in der Sache Erfolg.
- 8 -
Bezüglich der Rügen der Einsprechenden II und III, das rechtliche Gehör sei nicht
gewährt worden, da entgegen den Anträgen im Einspruchsverfahren keine Anhö-
rung durchgeführt wurde, liegt kein Verfahrensfehler der Patentabteilung vor. Be-
weis wurde von der Einsprechenden II zwar angetreten durch Zeugenbenennung,
jedoch wurde nicht vorgetragen, welche Tatsachenbehauptungen die angebote-
nen Zeugen hätten bekunden sollen. Die Zeugen wurden vielmehr zu der von der
Einsprechenden II geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungshandlung,
lediglich „ergänzend“ angeboten, es mangelte jedoch schon an einem schlüssigen
Sachvortrag. Bei einem derart unzulänglichen Zeugenangebot hat die Patentab-
teilung die Sachdienlichkeit einer Anhörung zu Recht zu verneint. Zudem waren
den Beteiligten alle der Entscheidung zugrunde liegenden Umstände bekannt, und
sie hatten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Einsprüche waren zulässig.
Sowohl die beschränkt aufrechterhaltenen Patentansprüche als auch die Patent-
ansprüche des Hilfsantrags sind zulässig.
A.
Der Patentgegenstand bezieht sich auf ein Verbundstahlblech für den
Schutz von Fahrzeugen, ein Verfahren zu dessen Herstellung sowie dessen Ver-
wendung. Gemäß der nach der beschränkten Aufrechterhaltung geltenden Be-
DE 29 21 854 C1
gen von Fahrzeugen einen Verbundstahl zu verwenden, der aus einem relativ
weichen Stahl und einer Auflageschicht aus hochfestem Stahl besteht. Zudem ist
ein zweilagiger Verbundstahl von der Fa. Krupp Stahl AG unter der Bezeichnung
HFX 235
Bei dem aus dem Stand der Technik nach (1) bekannten Verbundblech sei dessen
beschränkte Einsetzbarkeit nachteilig, da es aus Stählen mit unterschiedlichen
Ausdehnungskoeffizienten bestehe (vgl. S. 1 Abs. 4). Das andere bekannte Ver-
bundblech HFX 235 werde durch Sprengplattierung hergestellt, wodurch sich häu-
- 9 -
fig eine unbefriedigende Verbindung zwischen den Stahllagen ergebe und verfah-
rensbedingt die Blechgröße eingeschränkt sei (vgl. geltende Patentbeschreibung,
S. 1, Abs. 5).
Die dem Gegenstand des angefochtenen Patents zugrunde gelegte Aufgabe ist,
ein Verbundstahlblech, das für den Schutz von Fahrzeugen in weitem Umfang
einsetzbar ist, sowie ein Verfahren zur Herstellung eines derartigen Verbundstahl-
bleches zu schaffen. Dabei soll das Verbundstahlblech wirtschaftlich herstellbar
sein und im ausgewalzten Zustand neben einer guten Schutzwirkung auch ein nur
geringes Flächengewicht aufweisen. Darüber hinaus soll ein Fahrzeugverklei-
dungsteil aus einem entsprechenden Verbundstahlblech vorgesehen werden. (vgl.
geltende Patentbeschreibung S. 1, Abs. 6).
Die Lösung des Problems soll in einem Verbundstahlblech bestehen, dessen Trä-
gerschicht und Auflageschicht die im Anspruch 1 angegebenen chemischen Zu-
sammensetzungen und Fertigungsmerkmale aufweist, sowie in einem Verfahren
zur Herstellung eines aus diesen Schichten bestehenden Verbundbleches und
dessen Verwendung als Werkstoff zur Herstellung eines Fahrzeugverkleidungs-
teils.
B.
Der Senat sieht die offenkundige Vorbenutzung eines zweilagigen Verbund-
stahlblechs mit Auflage- und Trägerschicht aus HFX 200 und HFX 250 gemäß (7),
(21) und (22) mit der Herstellerbezeichnung HFX 235 der Krupp Stahl AG als er-
wiesen an.
Die Echtheit der von der Einsprechenden II dazu vorgelegten Beweismittel steht
für den Senat außer Frage, zumal die Patentinhaberin die Authentizität der Doku-
mente und den mündlichen Vortrag zu deren Herkunft ausdrücklich nicht bestritten
hat. Von einer Einvernahme des dazu angebotenen Zeugen konnte daher abge-
sehen werden.
- 10 -
Dokument (7) ist die Ablichtung eines Lieferscheins der Fa. Krupp Stahl und be-
legt den Versand von Blechen aus warmgewalztem Edelstahlblech mit der Werk-
stoffbezeichnung „KRUPP HFX 235“ (siehe siebte Spalte von links in der Tabelle).
Empfänger der Lieferung war die Fa. H+S Fahrzeugbau GmbH & Co, Im Klei-
feld 23, 31275 Lehrte-Ahlten. Bestelldatum war der 20. 02.1992. Der Versand
erfolgte vom Versandbahnhof Werk Siegen am 14.10.1993. Aus Dokument (7)
ergeben sich somit ohne weiteres Namen der Vorbenutzer sowie Ort, Zeitpunkt,
Art und Gegenstand der Vorbenutzung.
Zur Überzeugung des Senats ist das zweilagige Verbundstahlblech HFX 235 ohne
Vorbehalt in den freien Handel gekommen, wodurch sich für beliebige Interes-
senten die Möglichkeit eröffnete, das Material zu erwerben, frei zu benutzen und
von dessen charakteristischen Merkmalen Kenntnis zu erlangen. Es bedarf keiner
Feststellung, dass von der gegebenen Möglichkeit auch Gebrauch gemacht wor-
den ist (siehe Schulte PatG, 7. Aufl., § 3 Rn. 63).
Die Lieferung an einen einschlägig erfahrenen Hersteller für Sicherheitsausstat-
tungen für Fahrzeuge lässt den Schluss zu, dass das Material außergewöhnliche
technische Anforderungen zu erfüllen hat. Ein derart spezieller Werkstoff stößt
nach der Lebenserfahrung gerade in entsprechenden Fachkreisen auf verstärktes
Interesse. Sowohl Mitarbeiter des Empfängers der Lieferung als auch deren Wett-
bewerber werden daher wohl stark daran interessiert gewesen sein, Detailwissen
darüber zu erlangen. Bei einem Werkstoff sind zwar dafür zeit- und arbeitsauf-
wendige Untersuchungen erforderlich, das steht jedoch der Zugänglichkeit der
Werkstoffdaten nicht entgegen. Für eine Geheimhaltungsverpflichtung gibt es kei-
nerlei Anhaltspunkte, so dass durchaus die Möglichkeit gegeben war, dass Kennt-
nisse an beliebige Dritte gelangen konnten.
Die Patentinhaberin hat ein zwischen der Fa. Krupp und der Fa.
H+S Fahrzeugbau bestehendes Vertrauensverhältnis geltend gemacht. Als Indiz
dafür wertet sie eine Passage in dem Dokument (16), in dem der Fa. H+S von der
- 11 -
Fa. Krupp „für die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit“ gedankt wird
(siehe erster Absatz), wobei die Basis für die Geschäftsbeziehungen „die stets
vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit“ war (s. zweiter Absatz).
Der Senat sieht darin jedoch keinen Hinweis darauf, dass eine Geheimhaltungs-
verpflichtung bezüglich technischer Einzelheiten des gelieferten Gegenstandes
vereinbart worden ist, denn obige Redewendung ist im allgemeinen Geschäfts-
verkehr gebräuchlich, um das bisher einander in die geschäftliche Beziehung ein-
gebrachte Vertrauen besonders hervorzuheben. Von einer vertrauen Zusam-
menarbeit, die im Sinne einer diskreten oder gar geheimen Zusammenarbeit ver-
standen werden könnte, ist in dem Schreiben nicht die Rede.
Weitere Gründe, aus welchen besonderen Umständen heraus Verschwiegenheit
über die Lieferung und die Merkmale der gelieferten Gegenstände erwartet wer-
den konnte, hat die Patentinhaberin nicht vorgebracht.
Außerdem hätten die Verbundstahlbleche auch im Kreis der Abnehmer der damit
ausgerüsteten Fahrzeuge ohne weiteres untersucht und analysiert werden kön-
nen.
Die Patentinhaberin hat die Bekanntheit des zweilagigen Verbundstahlblechs
HFX 235 der Krupp Stahl AG vor dem Anmeldetag des angefochtenen Patents im
Übrigen selbst eingeräumt, indem sie im Einspruchsverfahren dahingehende Er-
gänzungen zum Stand der Technik in der Patentbeschreibung vorgenommen hat
(S. 2, dritter Abs. der Beschreibung in der nach der Aufrechterhaltung geltenden
Fassung der Patentschrift).
C.
Das nach dem beschränkt aufrechterhaltenen Anspruch 1 ausgestaltete
Verbundstahlblech ist zweifellos gewerblich anwendbar und mag hinsichtlich sei-
ner Verbindungsart neu sein, es beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tä-
tigkeit.
- 12 -
Als Fachmann wird vom Senat ein Dipl.-Ing. zumindest (FH) des Hüttenwesens
oder der Werkstoffkunde gesehen, der über eingehende Erfahrung in der Ent-
wicklung von Stählen für die Blechherstellung und insbesondere in der Herstellung
und Verwendung von Sicherheits-Verbundblechen verfügt.
Der Gegenstand des angefochtenen Patents geht aus von dem gemäß den Aus-
führungen zum Stand der Technik in der Patentschrift von der Krupp Stahl AG
unter der Bezeichnung HFX 235 bekannten, offenkundig vorbenutzten zweilagigen
Verbundstahl zur Panzerung von Fahrzeugen.
Das zum Beweis der offenkundigen Vorbenutzung vorgelegte Dokument (7) lässt
sich mit Hilfe der Chargen-Nr. nunmehr zwanglos mit dem Dokument (21) und mit
Hilfe der Schmelzen-Nr. mit dem Dokument (22) in Beziehung setzen, aus denen
u. a. chemische Zusammensetzungen des Werkstoffs HFX 235 hinsichtlich der
Bleche mit der Bezeichnung HFX 200 und HFX 250 entnehmbar sind.
Unter der in der ersten Spalte von (7) angeführten Auftragsnummer 705487 für
den gelieferten Verbundstahl „Krupp HFX 235“ sind sowohl in der dritten Spalte
Stücknummern F88942, F88943, F88944, F88945 und F88946 sowie in Spalte 8
zugehörige Chargennummern 032793, 032993, 033093, 033193 und 036093 an-
gegeben.
Diese Stücknummern mit Chargennummern finden sich als Losnummern mit den
zugehörigen Chargennummern in Spalte 1 und 2 von (21) wieder. Zu diesen Los-
und Chargennummern sind u. a. in der 8. Spalte die Schmelzen-Nummern
024 074, 024 079, 024 073 und 024 075 für die harte Komponente und in der
12. Spalte die Schmelzen-Nummern 024 070, 024 062, 024 069 und 027 492 für
die weiche Komponente angeführt.
Die chemischen Zusammensetzungen der in Dokument
(21) aufgeführten
Schmelzen und der daraus gefertigten Bleche sind letztlich aus dem Doku-
ment (22) entnehmbar.
- 13 -
Hierbei weist die Schmelze Nr. 024073 mit (jeweils in Gew.-%) 4,70 Mo, 17,45 Ni,
1,83 Ti und 14,38 Co für die harte Komponente und
die Schmelze Nr. 024069 mit 5,07 Mo, 17,9 Ni, 0,57 Ti und 8,94 Co für die weiche
Komponente jeweils eine Zusammensetzung auf, die bis auf einen zu vernachläs-
sigenden Al-Gehalt in den patentgemäß beanspruchten Bereich fällt.
Die zur Schmelzen-Nr. 024073 gehörende Stamm-Schmelze Nr. 205893 der har-
ten Komponente weist 0,006 C, 0,01 P und 0,008 S und die zur Schmelzen-
Nr. 024069 gehörende Stamm-Schmelze Nr. 205883 der weichen Komponente
weist 0,006 C, 0,009 P und 0,009 S auf. Auch in dieser Hinsicht liegt, bis auf eine
zu vernachlässigende Abweichung 0,001 Gew.-% beim P-Gehalt der Schmelze für
die harte Komponente, vollständige Übereinstimmung vor.
Ein Unterschied zu dem bekannten Verbundstahlblech HFX 235 besteht darin,
dass gemäß dem aufrechterhaltenen Anspruch 1 bei dem patentgemäßen Mate-
rial die Auflageschicht mit der Trägerschicht ausdrücklich durch Walzplattieren
verbunden sein soll, wogegen das bekannte Verbundstahlblech mittels Spreng-
plattieren gefertigt ist.
Damit kann jedoch nach Überzeugung des Senats das Vorliegen einer erfinderi-
schen Tätigkeit nicht begründet werden.
Für die Herstellung metallurgisch plattierter Bleche kommen nämlich aus fach-
männischer Sicht lediglich drei Methoden in Betracht: Walzplattieren, Sprengplat-
tieren und Schweißplattieren. Deren Stärken und Schwächen sind wohlbekannt.
Druckschrift (2) offenbart zudem bereits, dass für die Herstellung von Verbund-
stahlblech aus gattungsgemäßen martensitaushärtenden Stahlsorten Walzplattie-
ren geeignet ist (siehe Sp. 2, Z. 25 bis 40). Somit lag es nahe, bei den patentge-
mäß zusammengesetzten Verbundstahlblechen die Trägerschicht mit der Auflage-
schicht durch Walzplattieren zu verbinden.
- 14 -
Der beschränkt aufrechterhaltene Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat daher kei-
nen Bestand.
Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die unmittelbar oder mittelbar rückbe-
zogenen Ansprüche 2 bis 4 nicht bestandsfähig. Eigenständig ein Patent begrün-
dende Merkmale haben sie nicht zum Inhalt; diese wurden daraus auch nicht
geltend gemacht.
Auch der nebengeordnete Anspruch 5 gemäß Hauptantrag, der ein Verfahren zur
Herstellung eines Verbundstahlblechs nach einem der Ansprüche 1 bis 4 betrifft,
beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Außer der vom offenkundig vorbenutzten Verbundstahlblech HFX 235 her bereits
bekannten Zusammensetzung betreffen die im Anspruch 5 angegebenen Merk-
male, wonach aus dem Stahl der Trägerschicht und dem Stahl der Auflageschicht
separate Blöcke hergestellt, die aufeinandergelegt werden, wobei die Kontaktflä-
chen vorher geebnet und gereinigt sind und wonach die Blöcke unter Vermeidung
von Lufteinschlüssen gegeneinander gedrückt und miteinander randseitig ver-
schweißt werden, zunächst sämtlich notwendige und übliche fachmännische
Maßnahmen des Walzplattierens.
Das des Weiteren vorgesehene Erhitzen der Blöcke auf ca. 1300°C dient offen-
kundig dem notwendig vorzunehmenden Homogenisieren der bis dahin noch im
Gusszustand vorliegenden Blöcke. Mit dem Begriff „ca.“ verbindet der Fachmann
dabei einen mehr oder weniger breiten Temperaturbereich um 1300°C herum.
Dieser liegt im Griffbereich des Fachmanns, denn Druckschrift (2) offenbart für die
Homogenisierung von Legierungsblöcken aus artgleichen martensitaushärtenden
Stählen bereits Temperaturen zwischen 2200°F und 2275°F, entsprechend
1204°C bzw. 1245°C (siehe Sp. 2, Z. 31). Der dort genannte obere Wert weicht
lediglich um weniger als 5 % von der im Anspruch angegebenen Temperatur ab.
Bei veränderten Gegebenheiten, z. B. anderer Gussblockgröße oder einer abge-
wandelten chemischen Zusammensetzung, wird ein die Lehre der Druckschrift (2)
- 15 -
systematisch nacharbeitender Fachmann, bereits das Erfordernis sehen, von den
in der Druckschrift (2) angegebenen Temperaturen ausgehend eine geringfügig
höhere Homogenisierungstemperatur zu wählen, womit er bereits in den im An-
spruch 5 benannten Temperaturbereich vordringt.
Letztlich ist beim Walzplattieren der Schritt des Auswalzens bei hohem Walzdruck
unabdingbar, weil sonst keine metallurgische Verbindung zwischen den Blechen
zustande käme. Daher kann auch in dieser Maßnahme des Anspruchs 5 kein
Merkmal gesehen werden, dass geeignet ist, das Vorliegen einer Erfindung zu
begründen.
Der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 6 gemäß Hauptantrag beruht
ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Das durch offenkundige Vorbenutzung bekannte Verbundstahlblech HFX 235
wurde ausweislich des Dokuments (7) an eine Fahrzeugbaufirma geliefert, die Si-
cherheitsfahrzeuge mit sogenannten Sonderschutzausstattungen, Panzerungen,
ausrüstet. Die patentgemäß vorgesehene Verwendung als Werkstoff zur Herstel-
lung eines Fahrzeugverkleidungsteils war demnach offensichtlich bereits bekannt.
Zudem gibt die Druckschrift (2) dem Fachmann ebenfalls bereits den Hinweis auf
eine solche Verwendung, da dort die Funktion von Verbundstahlblech der hier zu
Grunde gelegten Art bei ballistischer Beanspruchung beschrieben wird (siehe
Sp. 1, Z. 63 bis 68).
D.
Da das Verfahren gemäß dem nach dem Hilfsantrag geltenden Anspruch 1
lediglich die Merkmale der Ansprüche 1 und 5 nach Hauptantrag umfasst, sowie
der nach dem Hilfsantrag geltende Anspruch 5 - abgesehen von Änderungen, die
zur Anpassung an die vorangestellten Ansprüche vorgenommen wurden - dem
Anspruch 6 nach Hauptantrag entspricht und die Unteransprüche 2 bis 4 gegen-
über der Fassung nach Hauptantrag unverändert sind, beruhen die Gegenstände
des nach dem Hilfsantrag geltenden Patentbegehrens aus den oben bereits an-
geführten Gründen heraus ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 16 -
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Dr. W. Maier
Dr. Henkel
v. Zglinitzki
Dr. Fritze
Bb