Urteil des BPatG vom 14.02.2008

BPatG (bundesrepublik deutschland, aufnehmen, fachmann, körper, abstand, druckschrift, höhe, aufnahme, 1995, patent)

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
(Aktenzeichen)
2 Ni 1/06 (EU)
URTEIL
Verkündet am
14. Februar 2008
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent 0 676 763
(DE 695 01 477)
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 14. Februar 2008 unter Mitwirkung der Vorsitzen-
den Richterin Sredl sowie der Richter Gutermuth, Dipl.-Ing. Prasch,
Dipl.-Ing. Baumgardt sowie der Richterin Dipl.-Ing. Wickborn
für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent 0 676 763 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig er-
klärt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesre-
publik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 676 763 (Streitpatent), das
am 4. Juli 1995 unter Inanspruchnahme der Prioritäten aus der italienischen Pa-
tentanmeldung MI941490 vom 15. Juli 1994 und der italienischen Gebrauchsmus-
teranmeldung MI950025 U vom 19. Januar 1995 angemeldet und am 11. Okto-
ber 1995 offengelegt worden ist.
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Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deut-
schen Patent- und Markenamt unter der Nummer 695 01 477 geführt wird, betrifft
einen „Container for a plurality of discs, particularly compact discs“.
Es umfasst 10 Patentansprüche, wobei Patentanspruch 1 nach der deutschen
Übersetzung in der Streitpatentschrift folgenden Inhalt hat:
„Behälter für eine Vielzahl von Platten, insbesondere CD’s, umfas-
send einen tablettartigen Körper (10, 110), der Sitze zum Aufneh-
men von wenigstens zwei Platten bildet, wobei der tablettartige
Körper (10, 110) wenigstens einen ersten Bereich (20) zum Auf-
nehmen von wenigstens einer ersten Platte (21, 121, 122) und we-
nigstens einen zweiten Bereich (30) zum Aufnehmen von wenigs-
tens einer zweiten Platte (31, 131, 132) aufweist, der auf einem
höheren Niveau als der erste Bereich (20) liegt, wobei die Plat-
ten (21, 31, 121, 131, 122, 132) axial in den Sitzen gehalten sind,
so dass jede der Platten (21, 31, 121, 131, 122, 132) individuell er-
fasst und axial abgenommen werden kann, um von den Sitzen
entfernt zu werden, in denen sie gehalten sind,
dadurch gekennzeichnet;
dass die wenigstens eine zweite Platte (31, 131, 132) in dem
zweiten Bereich (30) derart angeordnet ist, dass sie davon unter
Abstand liegt und die wenigstens eine erste Platte (21, 121, 122)
in einer axial versetzten Weise teilweise überlappt“.
Wegen der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift
verwiesen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streit-
patents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten
Fassung hinaus, da dort nur ein zentrales Halteelement (23, 123) offenbart wor-
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den sei, während die Beklagte dieses Merkmal so interpretiere, dass beliebige
Halterungselemente vom Schutzumfang des Streitpatents umfasst seien.
Weiterhin macht sie mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpa-
tents geltend, und zwar sowohl fehlende Neuheit gegenüber der japanischen Ge-
brauchsmusterschrift JP 63-7692 (Anlage MBP 19) als auch gegenüber der von
ihr vorgetragenen offenkundigen Vorbenutzung durch den sogenannten „Sauer-
wald“ - Behälter (Anlagen MBP 12 bis 14 - Sauerwald I - und MBP 9 bis 10 - Sau-
erwald II -).
Jedenfalls fehle es dem Patentgegenstand an erfinderischer Tätigkeit.
Zur Stützung ihres Vorbringens bezieht sie sich auf folgende Unterlagen:
MBP1
EP 0 676 763 (Streitpatent)
MBP2
Übersetzung des Streitpatents DE 695 01 477 T2
MBP3 WO
92/15505
MBP4
Mitteilung des EPA vom 18. Oktober 1996
MBP5
DE 86 25 285 U1
MBP6
DE 87 02 353 U1
MBP7
US 5 322 162
MBP8
Merkmalsanalyse des Anspruchs 1 des Streitpatents
MBP9 Behälter
(Sauerwald
II, hergestellt ab 2000)
MBP10
Fotografien des Behälters (Sauerwald II, hergestellt ab 2000)
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MBP11
Eingabe an das EPA vom 21. Januar 1997
MBP12
Auszug aus der Artikelbeschreibung und Lieferhistorie der
Firma Jos. Sauerwald Söhne GmbH & Co KG
MBP13
Konstruktionszeichnungen (Sauerwald I)
MBP14
Rechnungsnummer 149/90 vom 25. August 1990 der Firma
Werkzeugbau Gördes (für Sauerwald I)
MBP15
Urteil des High Court of Justice vom 20. Juni 2006
MBP16 Beglaubigte
Übersetzung dieses Urteils
MBP17
Double Push Tray
MBP18
Auszug aus Pons Großwörterbuch Englisch-Deutsch „disc“
MBP19 JP
63-7692
MBP20
Anmeldung des Streitpatents vom 4. Juli 1995
MBP21
Urteil des TGI Rennes vom 12. Februar 2007
MBP21a deutsche Übersetzung dieses Urteils
MBP22
Urteil des UK Court of Appeal vom 22. Juni 2007
MBP22a deutsche Übersetzung dieses Urteils
MBP23
Kopie eines Handelsregisterauszugs aus dem belgischen Han-
delsregister zur Firma der Klägerin
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Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 676 763 mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das
Streitpatent für bestandsfähig.
Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit einem Patentanspruch 1 in folgender
Fassung:
„Behälter für zwei CD’s, umfassend einen tablettartigen Kör-
per (10), der Sitze zum Aufnehmen der beiden CD’s bildet, wobei
der tablettartige Körper (10) einen ersten Bereich (20) zum Auf-
nehmen einer ersten CD (21) und einen zweiten Bereich (30) zum
Aufnehmen einer zweiten CD (31) aufweist, der auf einem höhe-
ren Niveau als der erste Bereich (20) liegt, wobei die CD’s (21, 31)
axial in den Sitzen gehalten sind, so dass jede der CD’s (21, 31)
individuell erfasst und axial abgenommen werden kann, um von
den Sitzen entfernt zu werden, in denen sie gehalten sind, wobei
die zweite CD (31) in dem zweiten Bereich (30) derart angeordnet
ist, dass sie davon unter Abstand liegt und die erste CD (21) in ei-
ner axial versetzten Weise teilweise überlappt“.
Hieran schließen sich in der hilfsweise verteidigten Fassung als Patentansprü-
che 2 bis 6 die rückbezogenen, ursprünglich in der Streitpatentschrift mit Nr. 2, 3,
4, 9, und 10 bezeichneten rückbezogenen Ansprüche an.
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Auf eine eigenständige erfinderische Qualität der in den Unteransprüchen definier-
ten Gegenstände hat sich die Beklagte nicht berufen. Den Einwand nicht ausrei-
chender Bestimmtheit der Klagepartei hat sie nicht aufrechterhalten.
Die Klägerin hat den Antrag auf Nichtigerklärung auch im Hinblick auf die hilfs-
weise beschränkten Anspruchfassungen aufrechterhalten.
Entscheidungsgründe
Die Nichtigkeitsklage, mit der die in Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138
Abs. 1 lit a und c EPÜ i. V. m. Art. 54 Abs. 1, 2 und Art. 56 EPÜ vorgesehenen
Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung gegenüber der ursprünglichen
Anmeldeunterlagen (oben lit c) und der mangelnden Patentfähigkeit (oben lit a)
geltend gemacht werden, ist zulässig und begründet. Die Frage, ob gegenüber
den ursprünglich eingereichten Unterlagen eine unzulässige Erweiterung vorliegt,
kann dahinstehen, da jedenfalls der Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit
sowohl hinsichtlich der erteilten Fassung als auch hinsichtlich der hilfsweise be-
schränkt verteidigten Fassung gegeben ist.
I.
1. In der Beschreibungseinleitung des Streitpatents wird ausgeführt, dass Behäl-
ter für eine Vielzahl von CD's im allgemeinen aus einem tablettartigen Körper be-
stünden, der Seite an Seite liegende Ausnehmungen oder Sitze zur Aufnahme der
CD's aufweise. Diese Anordnung bewirke, dass die Abmessungen des Behälters
im Verhältnis 2 zu 1 stünden, so dass der Behälter Außenabmessungen annehme,
die vom ästhetischen Standpunkt aus kaum effektiv und oft unbefriedigend seien,
da es nicht möglich sei, den Behälter in den Bereichen unterzubringen, in denen
er gespeichert werden solle.
Als dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe wird folglich die Bereitstellung
eines Behälters für zwei oder mehrere Platten genannt, der es ermöglicht, die
Platten einzeln zu entnehmen und bei dem die äußeren Abmessungen reduziert
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sind, so dass es leichter ist, den Behälter in den Bereichen unterzubringen, in de-
nen er aufbewahrt werden soll. Daneben soll der Behälter ästhetisch gefällig sein,
größte Sicherheit in Bezug auf Zuverlässigkeit und Gebrauchssicherheit bieten,
aus gewöhnlich im Handel erhältlichen Materialien fertigbar und ökonomisch kon-
kurrenzfähig sein (vgl. S. 1 u. S. 2, 1. Abs der Übersetzung des Streitpatents, vgl.
Anl. MPB2).
2. Zur Lösung dieser Aufgabenstellung schlägt der Anspruch 1 des Streitpatents
in der geltenden Fassung (Hauptantrag) folgende Gestaltung vor (Gliederung ent-
sprechend Merkmalsanalyse der Anlage MBP8 der Klägerin):
1) Behälter für eine Vielzahl von Platten, insbesondere CD’s,
2) umfassend einen tablettartigen Körper , der
3) Sitze zum Aufnehmen von wenigstens zwei Platten bildet, wo-
bei der tablettartige Körper
3a) wenigstens einen ersten Bereich zum Aufnehmen von
wenigstens einer ersten Platte und
3b) wenigstens einen zweiten Bereich zum Aufnehmen von
wenigstens einer zweiten Platte aufweist,
3c) der auf einem höheren Niveau als der erste Bereich liegt,
wobei
4) die Platten axial in den Sitzen gehalten sind, so dass
4a) jede der Platten individuell erfasst und
4b) axial abgenommen werden kann, um von den Sitzen ent-
fernt zu werden, in denen sie gehalten sind,
dadurch gekennzeichnet,
5) dass die wenigstens eine zweite Platte in dem zweiten Bereich
derart angeordnet ist, dass sie
5a) davon unter Abstand liegt und
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5b) die wenigstens eine erste Platte in einer axial versetzten
Weise teilweise überlappt.
Der mit der Ausgestaltung solcher Behälter befasste Fachmann, ein Techniker
oder Designer mit praktischer Erfahrung auf dem Gebiet von Produktverpackun-
gen, entnimmt Anspruch 1, dass der Behälter einen tablettartigen, dh einen fla-
chen, z. B. rechteckigen Körper aufweisen soll, in dem zwei Bereiche zum Auf-
nehmen von jeweils mindestens einer Platte (i. S. v. plattenförmigem Aufzeich-
nungsträger) gebildet sind. Die Bereiche liegen, bezogen auf den Boden des Kör-
pers, in unterschiedlicher Höhe (vgl. Merkmal 3c).
Die Platten sollen derart axial in den Sitzen gehalten sein, dass sie individuell er-
fasst und in axialer Richtung abgenommen werden können (Merkmal 4). Durch
diese Formulierung des Merkmals 4 wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht für
eine bestimmte Ausführungsform der Plattenhalterung, bspw eine Rosette Schutz
beansprucht werden soll, sondern alle Plattenhalterungen umfasst sein sollen, die
der funktionellen Umschreibung von Merkmal 4 genügen, also bspw. auch axiale
Halterungen an der Peripherie der Platte, sofern die individuelle Erfassbarkeit und
Abnehmbarkeit in axialer Richtung gewährleistet ist. Eine Auslegung dieses
Merkmals unter den Wortlaut des Anspruchs, etwa im Sinne des in Figur 2 des
Streitpatents gezeigten zentralen Kopplungselements 23, ist nicht zulässig (vgl.
BGH GRUR 2007, 309 „Schussfädentransport“). Dabei kann dahinstehen, ob die-
ses Merkmal durch die ursprünglichen Unterlagen gedeckt ist, da jedenfalls der
Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit vorliegt.
In Merkmal 5 wird eine genauere Definition der Anordnung des Bereichs vorge-
nommen, in dem die zweite Platte (fallweise auch die Mehrzahl davon) in Bezug
auf die erste Platte liegen soll. Die zweite Platte soll von der ersten in Abstand lie-
gen und die erste Platte in einer axial versetzten Weise überlappen. Die Merk-
male 5a und b definieren den axialen Abstand der beiden Platten zueinander. Die-
ser soll so sein, dass die ersten und zweiten Platten unter Abstand, dh nicht exakt
übereinander liegen, sich andererseits aber teilweise überlappen. Diese Formulie-
rung umfasst alle Lagen, in denen zwischen den Achsen der (höhenversetzt an-
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geordneten) Platten gerade noch ein Abstand besteht, bis zu einem Abstand, in
dem sich die Platten gerade noch überlappen.
Durch eine solche überlappte Anordnung der Platten bzw der Sitze zum Aufneh-
men der Platten ist es objektiv möglich, die "Breite" des tablettartigen Körpers ge-
genüber einem Behälter zu reduzieren, bei dem die Sitze für die erste und zweite
Platte auf gleicher Höhe nebeneinander liegen. Dadurch kann der Behälter aufga-
bengemäß leichter in Bereichen untergebracht werden, in denen er aufbewahrt
werden soll, bspw. einem Bücherregal, wie von der Beklagten ausgeführt. Der Hö-
henversatz zwischen den beiden Sitzen erfordert zwar eine größere Höhe des
tablettartigen Körpers, es erscheint aber glaubhaft, dass sich insgesamt ein Be-
hälter ergibt, der ästhetisch gefälliger ist.
3. Der Behälter gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist dem Fach-
mann durch die folgenden Druckschriften nahe gelegt:
DE 87 02 353 U1 (MBP 6)
JP 63-7692 U1 (MPB 19) mit deutscher Übersetzung
Aus der Gebrauchsmusterschrift DE 87 02 353 U1 (MBP6) ist ein Behälter (Auf-
bewahrungshülle) für Platten, z. B. CD's mit einer Zentralöffnung bekannt, der ei-
nen tablettartigen Körper (tablettförmiges Teil 24) mit zwei Sitzen (Vertiefun-
gen 26) zum Aufnehmen von zwei Platten aufweist. Bei dem bekannten Behälter
werden die Platten axial in den Sitzen gehalten (von Laschen 34), wobei jede der
Platten individuell erfasst (durch Fingerhöhlungen 28) und offensichtlich in axialer
Richtung abgenommen werden kann (vgl. S. 5, Zeile 11 - 33 mit Figur 1). Bei die-
sem Behälter liegen die Sitze für die Platten auf gleicher Höhe nebeneinander und
überlappen sich nicht. Dieser bekannte Behälter unterscheidet sich von dem nach
Anspruch 1 des Streitpatents hinsichtlich der Lage der Sitze, wie sie in den Merk-
malen 3c, 5a und 5b des Anspruchs 1 zum Ausdruck kommt.
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Ausgehend von dem Wunsch, einen Behälter für zwei oder mehr Platten schaffen
zu wollen, bei dem die äußeren Abmessungen reduziert sind, gibt die
Gebrauchsmusterschrift JP 63-7692 U1 (MPB19) dem Fachmann die Anregung,
den aus MBP6 bekannten Behälter in Hinsicht auf die genannten Merkmale abzu-
wandeln.
Diese Druckschrift zeigt einen Behälter für eine Vielzahl von Platten (floppy discs),
der ebenfalls einen tablettartigen Körper (case 1) mit Sitzen (storage sections 1a)
aufweist. In Hinsicht auf die gewünschte Reduzierung zeigt diese Druckschrift dem
Fachmann, dass eine solche Reduzierung erreicht werden kann, indem die Platten
nicht nebeneinander, sondern in Übereinstimmung zu den Merkmalen 5a und 5b
unter axialem Abstand und teilweise überlappt (overlapped partly) angeordnet
werden (vgl. Anspruch 1, S. 5, letzter Abs. der Übersetzung mit Fig. 1 und 3 der
MBP19).
Dabei erkennt der Fachmann, dass sich die gewünschte Reduzierung der äußeren
Abmessungen des Behälters auch schon dann ergibt, wenn nur zwei Platten bzw.
deren Sitze axial überlappt werden und dass die Reduzierung unabhängig davon
eintritt, ob die Sitze bzw. Achsen der Platten geneigt sind, wie MBP19 zeigt, oder
unter entsprechendem Höhenversatz senkrecht auf der Tablettebene stehen, wie
Merkmal 3c besagt. Dabei konnte der Fachmann absehen, dass eine solche
Gestaltung die geforderte individuelle Erfassbarkeit und Abnehmbarkeit in axialer
Richtung der Platten gemäß den Merkmalen 5a und 5b nicht beeinträchtigte.
Es bedurfte daher keiner erfinderischen Leistung, um aus der Zusammenschau
der Behälter nach MBP6 und MBP19 zu dem Behälter nach Anspruch 1 des
Streitpatents zu kommen.
Die Beklagte wendet hiergegen ein, dass der Fachmann die Ausführungen in
MBP19 außer Betracht gelassen hätte, weil diese keinen Behälter für starre Plat-
ten bspw. CD’s zeige, sondern einen für "floppy disks", d. h. flexible Scheiben.
Diese seien in Hüllen angeordnet und wiesen regelmäßig kein Mittelloch auf.
Starre Platten hingegen seien kratzempfindlich und bedürften der Fixierung in dem
Behälter durch das Mittelloch, um gegen Beschädigungen gesichert zu sein.
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Dieses Argument geht insofern fehl, als es nicht auf die MBP6 zutrifft. Diese
Druckschrift zeigt die von der Beklagten für starre Platten(CD's) geforderte kon-
struktive Ausgestaltung der einzelnen Sitze mit Laschen 34, in denen die Platten
über ihre Mittelöffnung reibschlüssig gehalten sind (vgl. S. 5, Z 30 - 35 der MBP6).
Die Ausführungen in der MBP19 hingegen zeigen dem Fachmann nur, wie sich
die Abmessungen eines Behälters für plattenförmige Gegenstände reduzieren las-
sen, unabhängig davon, ob es sich um starre oder flexible Platten mit oder ohne
Hülle und mit oder ohne Mittelloch handelt, nämlich durch teilweise Überlappung.
Der Behälter gemäß dem Anspruch 1 nach Hauptantrag ist daher nicht patentfä-
hig.
II.
1. Der Anspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung des Streitpatents unter-
scheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass er auf einen
Behälter für zwei CD's (Compact disks) gerichtet ist und nicht mehr auf die Auf-
nahme einer Vielzahl von Platten. Die Beklagte führt hierzu aus, dass der An-
spruch 1 in dieser Fassung auf den wesentlichen Kern des Patents konkretisiert
sei.
2. Der Behälter nach dem Anspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung ist
dem Fachmann ebenfalls durch die Ausführungen in den entgegengehaltenen
Druckschriften MBP6 in Verbindung mit MBP19 nahe gelegt.
MBP6 zeigt in Figur 1 einen Behälter, der zwei kreisförmige Vertiefungen 26 auf-
weist, die jeweils für die Aufnahme einer CD ausgebildet sind (vgl. S. 5 Z. 16 - 19
i. V. m. Fig. 1). Insofern beschreibt diese Druckschrift (u. a.) einen Behälter für ex-
akt zwei CD's, der sich nur dahingehend von dem Behälter nach dem hilfsweise
verteidigten Anspruch 1 unterscheidet, dass die Lage der beiden Sitze zur Auf-
nahme der CD's auf gleichem Niveau liegt und sich die Sitze nicht teilweise über-
lappen.
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Wie zum Hauptantrag erläutert, sind die im Patentanspruch 1 in Hinsicht auf eine
Reduzierung der Abmessungen aufgezeigten Maßnahmen, die letztlich in einer
teilweisen Überlappung der Sitze bzw. der Platten bestehen, dem Fachmann aus
MBP19 nahe gelegt. Diese Druckschrift zeigt zwar einen Behälter für die Auf-
nahme einer Vielzahl von flexiblen Platten. Der Fachmann konnte aber aus
MPB19 ohne weiteres erkennen, dass sich die gewünschte Reduzierung der äu-
ßeren Abmessungen bereits bei der Überlappung von zwei Sitzen bzw. Platten er-
gab. Deshalb beruht der Anspruch 1 auch in der hilfsweise verteidigten Fassung
nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte gemäß §§ 84 Abs. 2 PatG, 91
Abs. 1 ZPO zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1
PatG, 709 ZPO.
Sredl Gutermuth
Prasch
Baumgardt
Wickborn
Pr