Urteil des BPatG vom 15.07.2008

BPatG (marke, kino, verwechslungsgefahr, film, kennzeichnungskraft, bestandteil, fernsehsendung, herausgabe, beschwerde, ausstrahlung)

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 13/08
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(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
29. Oktober 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
08.05
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betreffend die Marke 302 05 623
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 15.
Juli
2008 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Albrecht, Richter Schwarz und Richter Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 4. Februar 2002 angemeldete und am 12. März 2003 für die Dienst-
leistungen
"Werbung, nämlich bezüglich Film und Kino; Herausgabe von
Werbetexten; Bereitstellen von Film- und Kinoinformationen über
Internet, Mobilfunk, Fernsehen, Hörfunk; Informationen über
Unterhaltungsveranstaltungen, nämlich bezüglich Film und Kino;
Herausgabe von Druckereierzeugnissen"
eingetragene Wortmarke 302 05 623
heuteKino!
ist Widerspruch erhoben worden aus der seit dem 25. August 1983 als durchge-
setztes Zeichen eingetragenen Wortmarke 1052818
- 3 -
Heute
geschützt für die Dienstleistungen
"Produktion und Ausstrahlung einer Fernsehsendung".
Der Widerspruch wird auf alle Dienstleistungen der Widerspruchsmarke gestützt
und richtet sich gegen alle Dienstleistungen der angegriffenen Marke.
Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 12. Januar 2006 und vom 19. Juli 2007,
von denen der letztere im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender
Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von einer teilweisen engen
Dienstleistungsähnlichkeit und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke hielten die Marken wegen des Bestandteils "Kino" in der
angegriffenen Marke einen ausreichenden Abstand ein. Die jüngere Marke werde
nicht von dem von Haus aus kennzeichnungsschwachen Bestandteil "heute"
geprägt. Eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen
scheitere daran, dass die jüngere Marke einen geschlossenen Gesamtbegriff
bilde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie hält die Vergleichsmarken für verwechselbar. Die Widerspruchsmarke besitze
eine weit überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Widersprechende stützt
sich hierzu auf eine Umfrage aus dem Jahr 1982 und auf ihren Vortrag im Erinne-
rungsverfahren, wonach der Marktanteil der Widerspruchsmarke im Zeitpunkt der
Anmeldung der angegriffenen Marke bei knapp 23 % gelegen habe. Zur Zeichen-
ähnlichkeit vertritt die Widersprechende die Auffassung, zwischen den Marken
bestehe insbesondere eine mittelbare Verwechslungsgefahr bzw. eine Verwechs-
lungsgefahr im weiteren Sinne unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens.
Die Widersprechende sei Inhaberin diverser weiterer Heute-Marken, wie z. B.
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"heute Wetter", "Leute heute", "Heute Journal", in die sich die angegriffene Marke
nahtlos einreihe.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß),
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom
12. Januar 2006 und vom 19. Juli 2007 aufzuheben und die ange-
griffene Marke zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Marken für nicht verwechselbar. Die von Haus aus geringe Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke sei allenfalls durchschnittlich. Die Dienstleis-
tung der Widerspruchsmarke sei nur mit der Dienstleistung "Bereitstellen von Film-
und Kinoinformationen über Fernsehen", nicht aber mit den weiteren Dienstleistun-
gen der jüngeren Marke ähnlich. Schriftbildlich und klanglich unterschieden sich
die Marken durch den Bestandteil "Kino" in der jüngeren Marke ausreichend von-
einander. Als Serienzeichen komme der Bestandteil "Heute" nicht in Betracht, da
er sich in einer Zeitangabe erschöpfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1.)
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, weil die einander gegenüber-
stehenden Marken keiner Gefahr der Verwechslung nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9
Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unterliegen.
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Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europä-
ischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände
des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Iden-
tität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den
Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus sind die Kenn-
zeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall
zukommende Schutzumfang in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei besteht
eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH
GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) - Sabél Puma; GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40)
- Marca/Adidas; GRUR 2006, 237, 238 (18 f.) - PICASSO; BGH GRUR 2005, 513,
514 - MEY/Ella May; GRUR 2006, 859, 860 - Malteserkreuz; GRUR 2007, 321,
322 - COHIBA). Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr im
vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.
a)
Die Dienstleistungen der jüngeren Marke "Bereitstellen von Film- und Kino-
informationen über Internet, Mobilfunk, Fernsehen, Hörfunk; Informationen über
Unterhaltungsveranstaltungen, nämlich bezüglich Film und Kino" sind mit den
zugunsten der Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistungen "Produktion
und Ausstrahlung einer Fernsehsendung" durchschnittlich ähnlich, da Informati-
onsdienstleistungen auch Gegenstand einer Fernsehsendung sein können. Die
Dienstleistungen "Werbung, nämlich bezüglich Film und Kino; Herausgabe von
Werbetexten; Herausgabe von Druckereierzeugnissen" sind - wenn überhaupt -
nur entfernt ähnlich mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke (für Wer-
bung ebenso Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen,
14. Aufl., S. 370 unter Hinweis auf HABM 07, BK R 68/07-1).
b)
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält der Senat ebenso
wie die Markenstelle für durchschnittlich. Von Haus aus ist die Kennzeichnungs-
kraft der Marke deutlich geschwächt, da der Ausdruck "Heute" - wie die Marken-
stelle zutreffend ausgeführt hat - im Zusammenhang mit der Dienstleistung Pro-
duktion und Ausstrahlung in der Fernsehsendung lediglich auf die Tagesaktualität
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der Sendung hinweist und damit glatt beschreibend ist. Diese originäre Kenn-
zeichnungsschwäche ist durch die Bekanntheit der Widerspruchsmarke - die
Widersprechende strahlt unter der Widerspruchsmarke seit vielen Jahren mehr-
fach täglich ihre bekannte Hauptnachrichtensendung aus - kompensiert, so dass
der Widerspruchsmarke ein durchschnittlicher Schutzumfang zugrunde zu legen
ist.
c)
Bei dieser Ausgangslage erweisen sich die Abweichungen der einander
gegenüberstehenden Marken in jeder Beziehung als ausreichend, um eine Gefahr
von Verwechslungen mit der gebotenen Sicherheit ausschließen zu können.
Schriftbildlich werden die nur in der jüngeren Marke befindlichen Bestandteile
"Kino" und "!" nicht übersehen werden.
Auch der klangliche Markenabstand ist wegen des Bestandteils "Kino" ausrei-
chend. Bei mündlicher Wiedergabe wird man diesen Bestanteil nicht weglassen.
Von einer Vernachlässigung dieses Wortbestandteils bei der Benennung der
Marke kann nicht ausgegangen werden; der Verkehr hat hierfür - generell und im
vorliegenden Einzelfall - keine ernsthafte Veranlassung, ergeben die Wörter doch
im Zusammenhang die Aussage, dass es darum geht, was heute umgangssprach-
lich "im Kino läuft".
Eine Verwechslungsgefahr kann auch nicht aus einer Prägung der angegriffenen
Marke durch den gemeinsamen Bestandteil "heute" abgeleitet werden. Dagegen
spricht insbesondere der gesamtbegriffliche Charakter der angegriffenen Marke.
Auch durch die Zusammenschreibung von "heuteKino" wirkt die jüngere Marke
äußerlich wie ein Gesamtbegriff, woran die Großschreibung von "Kino" nichts
ändert. Die Bezeichnung "heuteKino" wird der Verkehr auch als Gesamtbegriff
verstehen, wenn sie ihm im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistun-
gen begegnet. Er wird davon ausgehen, dass die Dienstleistungen im Zusammen-
hang mit dem aktuellen Kinoangebot erbracht werden. Bezüglich der Dienstleis-
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tung "Bereitstellen von Film- und Kinoinformationen ..." wird er die Bezeichnung
"heute Kino" so verstehen, dass er Informationen über das aktuelle Kinoprogramm
abfragen kann.
Der Verneinung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr steht auch nicht die
Entscheidung des Bundespatentgerichts in dem Verfahren 32 W (pat) 29/05 ent-
gegen, in welcher der 32. Senat eine Verwechslungsgefahr zwischen der be-
schwerdegegenständlichen Widerspruchsmarke und einer Wort-/Bildmarke u. a.
mit den Wortbestandteilen "Deutschland heute" bejaht hatte. Zumindest darin,
dass das Wortelement "heute" in der angegriffenen Marke graphisch nicht beson-
ders ausgeprägt ist, besteht ein deutlicher Unterschied zu dem vom 32. Senat ent-
schiedenen Verfahren.
d)
Es besteht auch nicht die Gefahr des gedanklichen In-Verbindung-Bringens
der Vergleichsmarken. Dagegen spricht zum einen der gesamtbegriffliche Charak-
ter der jüngeren Marke. Als ein die Dienstleistungen der vorliegenden Art unmittel-
bar beschreibender und damit kennzeichnungsschwacher Bestandteil kommt
"Heute" auch nicht die Eignung zu, als Stamm einer Zeichenserie aufgefasst zu
werden.
2.)
Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG
besteht kein Anlass.
Dr. Albrecht
Schwarz
Kruppa
br/Fa