Urteil des BPatG vom 23.02.2006

BPatG (wiedereinsetzung in den vorigen stand, wiedereinsetzung, frist, patg, ablauf des verfahrens, antrag, beschwerde, einzahlung, zahlung, sachlicher zusammenhang)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
19 W (pat) 30/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 39 04 481
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wegen Wiedereinsetzung
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
30. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
I. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Zah-
lung der Beschwerdegebühr wird abgelehnt.
II. Es wird festgestellt, dass die Beschwerde gegen den Be-
schluss der Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und
Markenamtes vom 23. Februar 2006 als nicht erhoben gilt.
III. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
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G r ü n d e
I.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2006 widerrief die Patentabteilung 52 des Deut-
schen Patent- und Markenamtes auf jeweiligen Einspruch der Beschwerdegegne-
rinnen das Patent 39 04 481 der Patentinhaberin, betreffend eine
„Optoelektronische Messeinrichtung“,
welches am 15. Februar 1989 angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der Pa-
tenterteilung erfolgte am 2. Juli 1998.
Der Widerrufsbeschluss wurde dem Bevollmächtigten der Patentinhaberin, der
diese im Einspruchsverfahren vertreten hatte, am 17. März 2006 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 18. April 2006, eingegangen beim Deutschen Patent- und
Markenamt (im Folgenden: DPMA) am gleichen Tage, legte die Patentinhaberin,
vertreten durch ihren nunmehrigen Bevollmächtigten, Beschwerde gegen den Be-
schluss vom 23. Februar 2006 ein und beantragte u. a. die Aufhebung des ange-
fochtenen Beschlusses, die Fortführung des Einspruchsverfahrens sowie die
Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Hilfsweise beantragte die Patentinhaberin
die Zurückverweisung der Sache an das DPMA durch das Bundespatentgericht.
Ausweislich der Zahlungsanzeige des DPMA vom 11. Mai 2006 wurde als Ein-
zahlungstag für die Entrichtung der Beschwerdegebühr in Höhe von 500.- EUR
der 2. Mai 2006 festgehalten.
Auf Anforderungen durch die Geschäftsstelle des 19. Senats des Bundespatent-
gerichts vom 11. Juli 2006 und 17. August 2006 hat der Bevollmächtigte der Pa-
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tentinhaberin mit Schriftsatz vom 23. August 2006, eingegangen beim Bundespa-
tentgericht am 24. August 2006, eine Ablichtung der ausgestellten Einzahlungs-
ermächtigung für die Beschwerdegebühr vom 2. Mai 2006 vorgelegt.
Mit Verfügung der Rechtspflegerin vom 14. September 2006, ausgeführt am
18. September 2006, dem Bevollmächtigten der Patentinhaberin zugegangen am
19. September 2006, wurde dieser darauf hingewiesen, dass die tarifmäßige Ge-
bühr für die Erhebung der Beschwerde nicht innerhalb der gesetzlichen Monats-
frist eingezahlt worden sei und deshalb die Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 Pat-
KostG als nicht eingelegt gelte.
Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2006, eingegangen beim Bundespatentgericht am
19. Oktober 2006, beantragte die Patentinhaberin darauf hin die
Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand wegen der nicht fristgerecht gezahlten Beschwerdegebühr
für die am 18. April 2006 eingelegte Beschwerde und hilfsweise die Entscheidung
zur Gewährung von Wiedereinsetzung von Amts wegen durch das DPMA.
Zur Begründung trägt die Patentinhaberin vor, die verspätete Zahlung der Be-
schwerdegebühr sei erst mit Zustellung des „Schriftsatzes“ des Bundespatentge-
richts vom 18. September 2006 festgestellt worden. Die zuvor von der Geschäft-
stelle des Bundespatentgerichts erfolgten Schreiben vom 11.
Juli
2006 und
17. August 2006 hätten beim Bevollmächtigten der Patentinhaberin lediglich den
Eindruck der Nachweisverpflichtung für den Umstand der Einzahlung bzw. des
Verlusts des Nachweisdokuments erweckt, aber keinen Anlass zu Nachforschun-
gen hinsichtlich des Hintergrunds der Einzahlung gegeben. Die versäumte Hand-
lung - Zahlung der Beschwerdegebühr - sei bereits vor Wegfall des Hindernisses -
die Erkennung der verspäteten Zahlung - erfolgt.
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Die Patentinhaberin sei an der rechtzeitigen Vornahme der gebotenen Handlung
verhindert gewesen, denn der Widerruf des Patents stelle, da ohne Zwischenbe-
scheid und ohne mündliche Verhandlung erfolgt, für die Patentinhaberin eine über-
raschende Entscheidung dar.
Der Widerrufsbeschluss sei dem jetzigen Bevollmächtigten der Patentinhaberin
von dem Bevollmächtigten, der die Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vor
dem Patentamt vertreten habe, erst am 5. April 2006 übermittelt worden. Bei der
Überwachung der Gebührenzahlungen sei es aus unerklärlichen Gründen zur
fehlerhaften Aufnahme dieses Datums als maßgeblich für die Fristberechung ge-
kommen. Da die mit der Überwachung der Gebührenzahlungen betraute Mitar-
beiterin als äußerst zuverlässig gelte und ein solch gravierender Fehler bisher
noch nicht vorgekommen sei, sei die Fehlterminierung nicht erkannt worden.
Die fehlerhafte Sachbehandlung sei auch nicht bei der Unterzeichnung des Zah-
lungsauftrags bemerkt worden, da die insoweit gegenüber dem DPMA ständig
verwendete Zahlungsart der Einzugsermächtigung - als korrekt geprüft abge-
zeichnet - vom zuständigen Vertreter unterschrieben worden sei.
Durch den Vertreterwechsel sei der verspätete Zahlungseingang daher begünstigt
worden.
Eine weitere Prüfung der Rechtzeitigkeit des Zahlungseingangs für die Beschwer-
degebühr habe danach nicht mehr stattgefunden.
Hilfsweise sei jedenfalls das DPMA von Amts wegen zur Gewährung von Wieder-
einsetzung zu verpflichten, da das Verfahren vor dem DPMA an groben Verfah-
rensfehlern gelitten habe, denn es sei ohne Erlass eines Zwischenbescheids und
ohne die beantragte mündliche Verhandlung entschieden worden. Es liege daher
ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz des rechtlichen
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Gehörs vor. Die Patentinhaberin sei hierdurch zur kurzfristigen Beschwerdeeinle-
gung genötigt worden.
Eine Glaubhaftmachung des von der Patentinhaberin vorgetragenen Sachverhalts
zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs ist nicht erfolgt.
Den Beschwerdegegnerinnen wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung vom
18. Oktober 2006 mit Verfügung vom 20. Oktober 2006, jeweils zugegangen am
23. Oktober 2006, übermittelt.
Sie haben sich zu dem Antrag nicht geäußert.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung
der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig, in der Sache bleibt
ihm der Erfolg jedoch versagt.
A
Der Antrag ist zulässig.
1. Es liegt ein einheitlicher Wiedereinsetzungsantrag vor.
Mit der Unterteilung der Antragstellung in Haupt- und Hilfsantrag begehrt die Pa-
teninhaberin primär die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die nicht frist-
gerecht gezahlte Beschwerdegebühr (Hauptantrag) und hilfsweise die Entschei-
dung zur Gewährung von Wiedereinsetzung in diese Frist von Amts wegen.
Der Senat versteht das im Hilfsantrag umschriebene Begehren als Anregung an
den Senat, in die Prüfung der Gewährung von Wiedereinsetzung von Amts wegen
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einzutreten, denn für eine Handlung, die nach der gesetzlichen Regelung durch
das Gericht von Amts wegen vorzunehmen ist, bedarf es keiner ausdrücklichen
Antragstellung (Schulte, PatG, Kommentar, 7. Auflage, § 123 Rd. 17).
Der Senat geht daher von einem einheitlichen Wiedereinsetzungsantrag für die
versäumte Frist aus.
2. Der Antrag ist statthaft
Gegen die Versäumung der Frist zur Einzahlung der Gebühr für die Beschwerde
nach § 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 PatKostG in
Verbindung mit der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG - GebVerzNr. 401 100 Nr. 1 ist
ein Antrag auf Wiedereinsetzung jedenfalls dann möglich, wenn das Patent wider-
rufen wurde (§ 123 Abs. 1 PatG).
Anders als in den Fällen, in denen das Patent auf einen Einspruch hin aufrecht er-
halten wird, steht der Patentinhaberin im umgekehrten Fall keine andere Möglich-
keit offen, ihr Begehren anderweitig durchzusetzen (BGH GRUR 1984, 337 -
Schlitzwand; Busse-Schuster, PatG, Kommentar, 6. Auflage, § 6 PatKostG
Rd. 11).
3. Die Frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG (2 Monate) ist eingehalten.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 18. Oktober 2006 ging am 19. Oktober 2006
bei Gericht ein.
Der Senat geht zu Gunsten der Patentinhaberin davon aus, dass die, an den Be-
vollmächtigen der Patentinhaberin gerichteten, gerichtlichen Schreiben vom
11. Juli 2006 und 17. August 2006 keinen Wegfall des Hindernisses im Sinne der
gesetzlichen Regelung darstellen.
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Zwar lag es aus Sicht des Senats schon bei Zugang dieser Schreiben nahe, die
Rechtzeitigkeit der Zahlung einer Prüfung zu unterziehen, da beide Mitteilungen
aber nicht eine allfällige Fristversäumnis zum Gegenstand haben, sieht der Senat
erst die Mitteilung vom 18.
September
2006, zugegangen am
19. September 2006, als begründend für den Wegfall des Hindernisses an.
Bezüglich dieser Mitteilung ist die Frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG jedoch er-
sichtlich gewahrt.
Durch die am 2. Mai 2006 erfolgte Zahlung der Beschwerdegebühr bedurfte es
auch keiner weiteren Nachholung mehr.
B
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Voraussetzungen zur Gewährung der Wiedereinsetzung nach § 123 Abs. 1
Satz 1 PatG sind nicht gegeben.
Die Patentinhaberin war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einzah-
lung der Beschwerdegebühr nach § 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, §§ 6 Abs. 1
Satz 1, 2 Abs. 1 PatKostG in Verbindung mit der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG -
GebVerzNr. 401 100 Nr. 1 einzuhalten.
1. Der Senat unterstellt den zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs
vorgetragenen Sachverhalt - soweit er nicht bereits aktenkundig ist - als wahr.
Gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz PatG sind die zur Begründung des An-
trags auf Wiedereinsetzung vorgetragenen Tatsachen entweder bei Antragstellung
oder im Laufe des Verfahrens glaubhaft zu machen.
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Da der Antragstellung keine Glaubhaftmachung beigefügt war, kam eine solche
nur im Laufe des Verfahrens in Betracht. Der Senat hat davon abgesehen, die
Patentinhaberin zur nachträglichen Glaubhaftmachung aufzufordern, da die zur
Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs vorgebrachten Umstände eine Ent-
scheidung zu Gunsten der Patentinhaberin nicht zu rechtfertigen vermögen
(s. u. 2.).
2. Die Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr ist durch die Patentinhaberin
zurechenbar schuldhaft versäumt worden.
Die Patentinhaberin hat die Fristversäumung nicht auf Grund einer eigenen
Handlung oder Unterlassung zu vertreten, sie muss sich im vorliegenden Fall je-
doch das Verschulden ihres Bevollmächtigten gemäß § 99 Abs. 1 PatG, § 85
Abs. 2 ZPO zurechen lassen (BGH GRUR 2000, 1010 - Schaltmechanismus).
Der Patentinhaberin ist zwar ein fehlerhaftes Verhalten des Hilfspersonals ihres
Bevollmächtigten grundsätzlich nicht zuzurechnen, jedoch setzt dies voraus, dass
der Bevollmächtigte entsprechende Maßnahmen in seiner Büroorganisation ge-
troffen hat, um eine fehlerhafte Sachbehandlung durch sein Personal so weit wie
möglich auszuschließen. Hierzu gehören insbesondere eine entsprechende Aus-
wahl, Unterweisung und Überwachung des Personals sowie die Übertragung ge-
eigneter Aufgaben an dieses (vgl. die Darstellung bei Schulte, a. a. O., § 123
Rd. 84 ff.). Andernfalls findet eine Zurechnung über ein Organisationsverschulden
des Bevollmächtigten statt.
Unter Zugrundelegung dieser Prämissen kann hier nicht von einem unverschul-
deten Fristversäumnis ausgegangen werden.
Nach dem als wahr unterstellten Sachvortrag im Wiedereinsetzungsantrag wurde
der Widerrufsbeschluss des DPMA vom 23. Februar 2006, welcher dem Bevoll-
mächtigten der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vor dem DPMA am
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17. März 2006 zuging, der Sozietät des gegenwärtigen Bevollmächtigten der Pa-
tentinhaberin vom ehemaligen Bevollmächtigten am 5. April 2006 übermittelt. Die
Frist für die Einlegung der Beschwerde und die Einzahlung der gebotenen Gebühr
war damit gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG noch bis
18. April 2006 offen.
Sodann lässt der Vortrag im Antrag offen, wer genau die als solche bezeichnete
„Einbuchung“ des maßgeblichen Termins (18. April 2006) in das computerge-
stützte Überwachungssystem vorgenommen hat oder hätte vornehmen sollen. Je-
denfalls sei hierbei fehlerhaft verfahren worden, da als Fristende nicht der
18. April 2006, sondern - als Folge der Übermittlung am 5. April 2006 - der
5. Mai 2005 vermerkt worden sei. Der Fehler sei auch von der sonst als zuverläs-
sig geltenden und mit der Fristüberwachung betrauten Mitarbeiterin nicht bemerkt
worden. Bei Unterzeichnung des Zahlungsauftrags sei der Fehler ebenfalls nicht
bemerkt worden, weil dieser - als korrekt geprüft und abgezeichnet - vorgelegt
worden sei.
Jegliche weitere Prüfung hinsichtlich der Fristwahrung wurde sodann unterlassen.
Der verspätete Zahlungsvorgang ist aus Sicht der Patentinhaberin somit Folge des
nicht zutreffenden Posteingangsstempels und des kurzfristigen Vertreterwechsels.
Dieser Auffassung vermag der Senat nicht näher zu treten.
Aus Sicht des Senats liegt vielmehr eine „Fehlerkette“ (Fehlbewertung und/oder
Fehleintragung des Fristendes, fehlende Prüfung der fehlerhaften Eintragung,
fehlende Abschlusskontrolle) vor, deren Ursache schon darin begründet ist, dass
die am 5. April 2006 erfolgte Beschlussübermittlung keiner sachgerechten Be-
handlung unterzogen wurde.
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Da es sich ersichtlich um kein gerichtliches Schreiben handelte, konnte - soweit
man dies überhaupt für zulässig erachtet - die Prüfung einer eventuellen Fristwah-
rung schon grundsätzlich nicht einer einfachen Kanzleikraft übertragen werden,
denn es bedurfte nicht nur der Bewertung des Übermittlungsgrunds, sondern auch
des Übermittlungsinhalts (BGH VersR 75, 854).
Wurde das vom ehemaligen Bevollmächtigten der Patentinhaberin übermittelte
Schreiben vom zuständigen Sachbearbeiter in der Sozietät bearbeitet, so wurde
die Frist falsch bewertet. Es liegt dann ein originäres Anwaltsverschulden vor.
Wurde die Fristberechnung zuständiger Weise von einer einfachen Kanzleikraft
vorgenommen, so überschreitet eine derartige Aufgabenzuweisung deren fachli-
che Kompetenz (BPatG, BlPMZ 86, 41). Gerade vor dem Hintergrund, dass ein
Vertreterwechsel im Raum stand, war es vordringlichste Aufgabe des zuständigen
Sachbearbeiters, zu prüfen, ob und wenn ja welche Fristen einzuhalten waren.
Selbst für den Fall, dass man von einer entsprechenden Kompetenz der Kanzlei-
kraft und der damit verbunden Zulässigkeit einer derartigen Aufgabenübertragung
an diese ausgehen wollte, musste dann jedenfalls durch Sicherstellung entspre-
chender Kontrollmaßnahmen gewährleistet sein, dass eine Überprüfung der zu-
treffenden Erfassung des Bedeutungsinhalts des übermittelten Schreibens durch
die Kanzleikraft, der eine derartige Aufgabe übertragen wurde, in irgendeiner Form
erfolgen konnte.
Im vorliegenden Fall ist schon nicht ersichtlich, wie in der Sozietät des Bevoll-
mächtigten der Patentinhaberin sichergestellt wurde, dass eine Frist überwacht
werden konnte (BGH NJW 93, 732). Die bloße Eingabe in einen Computer, durch
wen auch immer, vermag diese Sicherstellung nicht zu gewährleisten. Jegliche
Nachprüfung der Fristberechnung, der Fristwahrung und des Fristablaufs ist vor-
liegend unterblieben. Es ist daher weder dargelegt noch aus den Umständen er-
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sichtlich, wie die Fristenkontrolle in der Sozietät des Bevollmächtigten der Patent-
inhaberin generell und im konkreten Fall erfolgt ist bzw. hätte erfolgen sollen.
Die Fristversäumnis ist daher nicht Folge eines unzutreffenden Eingangsstempels
- der Eingang des Schreibens des ehemaligen Bevollmächtigten der Patentinha-
berin konnte naturgemäß nur für den 5. April 2006 bestätigt werden -, sondern
Folge des Umstandes, dass entweder der insoweit jedenfalls zuständige Sachbe-
arbeiter hinsichtlich der Fristberechnung eine Fehlbewertung vorgenommen hat,
eine beauftragte Kanzleikraft mit der Bewertung überfordert war (BGH
NJW 1991, 1179) oder eine beauftragte Kanzleikraft nicht hinreichend kontrolliert
wurde (Schulte, a. a. O., Rd. 87 mit Rechtsprechungsnachweisen). Damit liegt je-
denfalls ein Organisationsverschulden des Bevollmächtigten vor.
3. Der Anregung der Patentinhaberin, die Wiedereinsetzung von Amts wegen
auszusprechen, ist keine Folge zu leisten.
Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, welche weitergehenden Gründe gege-
ben sein sollen, die - neben dem Antrag auf Wiedereinsetzung - eine Wiederein-
setzung von Amts wegen rechtfertigen könnten.
Die Patentinhaberin stützt sich insoweit offenbar auf vermeintliche Verfahrensver-
stöße des DPMA. Die Überprüfung eines Verfahrensverstoßes ist ersichtlich dem
hierzu u. a. vorgesehenen Beschwerdeverfahren vorbehalten. Der Senat will in
diesem Zusammenhang nicht vollständig in Abrede stellen, dass ein Verfahrens-
verstoß im Einzelfall zur Folge haben kann, dass er zur Begründung eines Wie-
dereinsetzungsantrags dienen kann. Dies kann jedoch allenfalls dann der Fall
sein, wenn sich der gerügte Verfahrensverstoß derart auf den Ablauf des Verfah-
rens auswirkt, dass die Versäumung der Frist, für die Wiedereinsetzung begehrt
wird, wenigstens durch ihn mitverursacht wurde.
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Die Patentinhaberin rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs wegen des Fehlens
eines Zwischenbescheids und einer mündlichen Verhandlung. Sie hat diese ver-
meintlichen Verstöße in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 18. April 2006 hinrei-
chend gewürdigt und damit zu erkennen gegeben, dass sie durchaus in der Lage
war, innerhalb offener Beschwerdefrist die aus ihrer Sicht gegebenen Verfahrens-
verstöße einer eingehenden Würdigung zu unterziehen. Warum es bei der Prü-
fung der Beschwerdefrist allerdings nicht möglich gewesen sein soll, auch die
Prüfung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr vorzunehmen, lässt sich
weder dem Sachvortrag der Patentinhaberin noch den sonstigen Umständen ent-
nehmen.
Ein sachlicher Zusammenhang der gerügten Verfahrensverstöße mit der Versäu-
mung der Frist zur Einzahlung der Beschwerdegebühr ist daher nicht erkennbar.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist daher abzulehnen.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (BPatGE 41, 130,
134; Schulte, a. a. O, Rd. 153).
C
Die Feststellung, dass die Beschwerde mangels vollständiger Zahlung der Be-
schwerdegebühr als nicht erhoben gilt (§ 6 Abs. 2 PatKostG), bleibt grundsätzlich
der Entscheidung des Rechtspflegers vorbehalten (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 RpflG).
Zur Klarstellung und im Hinblick auf die unter III. des Tenors getroffene Entschei-
dung sieht sich der Senat jedoch veranlasst, selbst die entsprechende Feststel-
lung (Tenor Ziffer II.) auszusprechen (§§ 3 Nr. 3 d, 23 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung
mit § 6 RpflG).
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D
Die Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Tenor Ziffer III.)
beruht auf § 80 Abs. 3 und 4 PatG analog, §§ 6 Abs. 2, 10 Abs. 2 PatKostG.
Da die Beschwerde, wie unter C ausgeführt, im Wege der gesetzlichen Fiktion als
nicht vorgenommen gilt (Schulte, a. a. O., § 6 PatKostG Rd. 16 und 26) und ge-
mäß § 10 Abs. 2 PatKostG die Beschwerdegebühr damit nicht anfällt, hält der Se-
nat die Rückzahlung der bereits entrichtenden Beschwerdegebühr zwar nicht aus
Gründen eines vermeintlichen Verfahrensmangels, aber im Hinblick darauf, dass
über die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde keine Sachentscheidung
getroffen wurde und auch nicht mehr getroffen wird, für sachgerecht (Benkard-
Schäfers, PatG, Kommentar, 10. Auflage, § 80 Rd. 19, und Schulte a. a. O. § 10
PatKostG Rd. 31).
gez.
Unterschriften