Urteil des BPatG vom 14.06.2004
BPatG: unterscheidungskraft, beschreibende angabe, verkehr, anpreisung, bonus, funk, koffer, adresse, werbeslogan, papier
BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 201/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 304 02 681.6
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
7. Juni 2005 durch Richter Dr. van Raden als Vorsitzenden, Richter Schwarz und
Richterin Prietzel-Funk
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Marken-
stelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
14. Juni 2004 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
den angefochtenen Beschluss die Anmeldung der Wort-/Bildmarke
für die Waren
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in
Klasse 16 enthalten. Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Pho-
tographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren
oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreib-
maschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unter-
richtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus
Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten.
Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18
enthalten; Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme,
Sonnenschirme und Spazierstöcke.
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Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.
Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge;
Tapeten (ausgenommen aus textilem Material).
zurückgewiesen, weil dem angemeldeten Zeichen jede Unterscheidungskraft fehle
(§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Die angemeldete Marke stelle ohne weiteres erkenn-
bar einen Werbeslogan dar, der geeignet sei, den angesprochenen Verbrauchern
einen Kaufanreiz zu vermitteln, und für den überwiegenden Teil des Publikums nur
eine beschreibende Anpreisung einer besonders guten „Adresse“ darstelle, ohne
dass dies als Herkunftsangabe verstanden würde. Auch die grafische Gestaltung
vermöge keine Schutzfähigkeit zu begründen, weil diese sich in einer üblichen
Schreibschrift erschöpfe, an deren Verwendung der Verkehr gewöhnt sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt. Sie hält das von der
Markenstelle angeführte absolute Schutzhindernis nicht für gegeben. Sie ist der
Ansicht, die angemeldete Wortfolge „...da geh’ ich hin“ sei als beschreibende An-
gabe für eine wie auch immer geartete Eigenschaft der angemeldeten Waren nicht
geeignet. Sie weise weder einen konstitutionellen noch einen funktionalen noch
einen die Bestimmung der Waren betreffenden Anteil auf. Im Zusammenhang mit
den Waren sei die Wortfolge in ihrer Alleinstellung weder als Anpreisung noch als
Aufforderung zu verstehen. „...da geh’ ich hin“ sei vielmehr eine Feststellung, die
durch einen subtilen, suggestiven Gehalt wirke, ohne dass eine auch nur entfernte
Beziehung zu den betreffenden Waren oder ihrer Verwendung erkennbar sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn der Eintragung der angemeldeten
Marke in das Register steht kein absolutes Schutzhindernis im Sinne des § 8
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Abs. 2 MarkenG entgegen; insbesondere fehlt ihr nicht die erforderliche Unter-
scheidungskraft.
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG können Marken nicht eingetragen werden, de-
nen für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungs-
kraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die
einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterschei-
dungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines
Unternehmens gegenüber solcher anderer Unternehmen aufgefasst zu werden
(st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2004, 683, 684 - Farbige Arzneimittelkapsel, m.w.N.).
Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede
auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu
überwinden.
Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren oder
Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vordergrund
stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich
auch sonst nicht um ein Wort oder eine Wortkombination der deutschen oder einer
bekannten Fremdsprache handelt, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer ent-
sprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden werden. Enthalten dagegen die Wortbestand-
teile einer Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt, der für die in Frage
stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne weiteres und ohne Unklarheiten als
solcher erfasst wird, ist der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung als Marke
wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen, denn bei derartigen
beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsachlichen Anhalt dafür, dass der Ver-
kehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153
marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051-City-Service; Ströbele/Hacker, Markenge-
setz, 7. Aufl., § 8 Rn. 70 m.w.N.). Bei Angaben, die sich auf Umstände beziehen,
die die Ware oder Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, kann eine (ge-
ringe) Unterscheidungskraft nur verneint werden, wenn durch die Angabe ein en-
ger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen
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hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 1998, 465, 468 – BONUS; GRUR 2005, 417 -
Berlin Card), denn nur dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Verkehr ohne
weiteres und ohne Unklarheiten den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen
erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft
der angemeldeten Waren und Dienstleistungen sieht.
Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen aus-
zugehen, die als Werbeslogans verstanden werden, denn an die Unterschei-
dungskraft von Werbeslogans sind gegenüber anderen Wortmarken keine unter-
schiedlichen Anforderungen zu stellen. Vielmehr ist auch hier zu prüfen, ob die
Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ihr über
diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die an-
gemeldeten Waren zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb
bei Werbeslogans lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen oder
Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unterschei-
dungskräftig werden des weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein. Indizien
für die Eignung, die Waren eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu
unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz
einer Wortfolge sein; solche Umstände können eine Wortfolge zu einem eingängi-
gen und aussagekräftigen Werbeslogan machen. Auch die Mehrdeutigkeit und
Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage können einen Anhalt für eine hin-
reichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die
Eigenart im Rahmen der Bewertung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen
nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage
kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen
werden (vgl. BGH GRUR 2000, 321, 322 - Radio von hier; GRUR 2000, 323, 324 -
Partner with the Best; GRUR 2000, 720, 721; vgl. auch Fezer, Markenrecht,
3. Aufl., § 8 Rdn. 97a ff).
Im vorliegenden Fall sind die für eine Verneinung der Unterscheidungskraft nach
den genannten Maßstäben erforderlichen engen Bezüge zu den angemeldeten
Waren nicht ersichtlich. „...da geh’ ich hin“ ist, wie die Markenstelle zutreffend
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festgestellt hat, ohne weiteres verständlich als der Hinweis auf einen Ort, zu dem
nicht näher bezeichnete Personen hingehen, wobei die Aussage es nahe legt,
dass der betreffende Ort deshalb aufgesucht wird oder werden sollte, weil es sich
um eine besonders gute „Adresse“ handelt. Die durchaus kurze und prägnante
Aussage „...da geh’ ich hin“ wird dementsprechend, wie eine vom Senat ange-
stellte Internet-Recherche ergeben hat, vielfach von Anbietern der unterschied-
lichsten Waren und Dienstleistungen verwendet, um auf den Ort des Vertriebs der
Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen hinzuweisen und damit implizit
die angesprochenen Verkehrskreise aufzufordern, sich zum Zwecke des Erwerbs
der betreffenden Produkte an jenen Ort zu begeben. Im Hinblick auf die vorliegend
beanspruchten Waren wird der Slogan „...da geh’ ich hin“ indes völlig losgelöst
von irgendeinem Ort des Angebots oder Erwerbs verwendet. Es handelt sich im
Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Anmeldung ausnahmslos um Wa-
ren, die nicht einen Ort bezeichnen, zu dem man hingehen könnte. Auch soweit
Gegenstände und Artikel betroffen sind, die mit Reisen oder mit – zu betretenden
– Bodenbelägen zu tun haben, kann doch die angemeldete Wortfolge, die eindeu-
tig das Ziel einer Fortbewegung zum Inhalt hat, nicht als Angabe in Bezug auf
diese Produkte angesehen werden. Man geht nicht zu einem Koffer, zu einem Bo-
denbelag, sondern nimmt den Koffer mit oder bewegt sich auf dem Teppich, ohne
dass diese Gegenstände als Ziele verstanden werden könnten, zu denen zu ge-
hen es sich lohnte, was der angemeldete Slogan allenfalls nahe legt. Die ange-
meldete Wortfolge kann daher nicht als eine in irgendeiner Weise verständliche
Beschreibung des möglichen Inhalts, Zwecks oder Einsatzbereichs angesehen
werden. Folglich hat der Verkehr keine Veranlassung, in ihr eine im Vordergrund
stehende Sachaussage zu sehen, sondern wird mangels anderer Anhaltspunkte
von einer von den genannten Waren und Dienstleistungen losgelösten Kenn-
zeichnung ausgehen, die sich nicht in einer bloßen Anpreisung erschöpft (vgl.
BGH WRP 2001, 692, 694 - Test it; GRUR 2001, 1042, 1043 -REICH UND
SCHOEN).
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Da die angemeldete Marke sich allenfalls auf Umstände und Bedeutungsgehalte
beziehen lässt, die nicht hinreichend eng mit den angemeldeten Waren selbst in
Bezug stehen, kommt auch die Annahme eines Freihaltebedürfnisses im Sinne
von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht in Betracht (BGH GRUR 1998, 465, 467
- BONUS; GRUR 1998, 813, 814 - CHANGE; GRUR 2005, 417 - Berlin Card).
Schwarz
Prietzel-Funk
Dr. van Raden
Na