Urteil des BPatG vom 03.02.2009

BPatG (stand der technik, holz, patentinhaber, muster, technik, stand, patent, lehre, gruppe, anmeldung)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 337/05
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
3. Februar 2009
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 100 31 030
- 2 -
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2009 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Schröder sowie des Richters Harrer und der
Richterinnen Dr. Schuster und Dr. Münzberg
beschlossen:
Das Patent 100 31 030 wird widerrufen.
G r ü n d e
I
Die Erteilung des Patents 100 31 030 mit der Bezeichnung
„Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen flächiger Bauteile mit
vorbestimmtem Oberflächenaussehen und flächiges Bauteil, ins-
besondere Frontplatte eines Küchenelements“
ist am 4. August 2005 veröffentlicht worden.
Gegen dieses Patent ist am 4. November 2005 Einspruch erhoben worden. Der
Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatents sei
u. a. gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen
D1
DE 195 32 724 A1
D6
DE 34 31 484 A1
- 3 -
D9
DE 195 13 735 A1 und
D10
Prekwinkel F., „Rechnergeführte Produktionssysteme für die Holzindustrie“
in Holz als Roh- und Werkstoff, 49 (1991) 457 - 464, Springer Verlag 1991
belegten Stand der Technik nicht patentfähig.
Der Patentinhaber verfolgt sein Patentbegehren auf der Grundlage der Patentan-
sprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 vom 27. Ja-
nuar 2009 und ferner mit den Hilfsanträgen 4 bis 15, übergeben in der mündlichen
Verhandlung am 3. Februar 2009, weiter.
Die Patentansprüche 1, 5 und 6 gemäß Hauptantrag lauten:
„1. Verfahren zum Herstellen flächiger Bauteile mit vorbestimmtem Ober-
flächenaussehen, insbesondere von Frontplatten von Küchenelementen,
wobei flächige Bauteile mit einer aus Holz bestehenden Oberfläche mittels
eines hinsichtlich des sich ergebenden Aussehens programmierbaren Tin-
tenstrahldruckverfahren zur Ausbildung eines vorbestimmten Musters
dadurch gekennzeichnet
hende Oberfläche mit einem Muster bedruckt wird, dessen Aussehen
einer vorbestimmten Holzart mit einer vorbestimmten Einfärbung ent-
spricht.
5.
Flächiges Bauteil, insbesondere Frontplatte eines Küchenelements,
hergestellt nach einem der Ansprüche 1 bis 4, deren aus Holz bestehende
dadurch gekennzeichnet
dass das Muster der Maserung einer vorbestimmten Holzart mit einer vor-
bestimmten Einfärbung entspricht.
- 4 -
6.
Vorrichtung zum Herstellen von Gruppen flächiger Bauteile mit vorbe-
stimmtem Oberflächenaussehen, insbesondere von Frontplatten für eine
aus Elementen bestehende Küche, enthaltend
einen Bestelleingang (100), in dem ein einer bestellten Gruppe flächiger
Bauteile entsprechender Datensatz zusammengestellt wird,
eine Konfektionierungseinrichtung (102, 104, 108), in der die Gruppe flä-
chiger Bauteile entsprechend den im Datensatz enthaltenen Anzahlen und
Größen hergestellt wird, und
eine Oberflächenbearbeitungseinrichtung (110, 112), in der die Oberflä-
chen der konfektionierten Gruppe von Bauteilen das vorbestimmte Ausse-
hen erhalten, wobei die Oberflächenbearbeitungseinrichtung enthält:
eine Unterlage (12) zur Aufnahme der flächigen Bauteile (2),
eine der Oberfläche der flächigen Bauteile gegenüberliegend angeordnete
Druckeinrichtung (28) mit Farbdüsen zum Abspritzen unterschiedlich
gefärbter Tinten,
eine Fördereinrichtung (8) zum Erzeugen einer Relativbewegung zwi-
schen den Farbdüsen und den flächigen Bauteilen,
eine Sensoreinrichtung (30, 32, 34) zum Erfassen von Positionen der
Oberfläche der flächigen Bauteile, und
ein elektronisches Steuergerät (36, 38, 40) zum Steuern des Betriebs der
Fördereinrichtung (8) und der Druckeinrichtung (28), die auf der Oberflä-
che der flächigen Bauteile (2) eine Maserung einer vorbestimmten Holzart
mit einer vorbestimmten Einfärbung druckt.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von dem des
Hauptantrags dadurch, dass am Ende noch das Merkmal „wobei das Volumen der
auf die Holzoberfläche gelangenden Flüssigkeitströpfchen derart auf die Saugfä-
higkeit der Holzoberfläche abgestimmt ist, dass benachbarte Flüssigkeitströpfchen
ineinander laufen“ angefügt ist.
- 5 -
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des
Hauptantrags dadurch, dass sein Kennzeichen wie folgt lautet: „die aus Holz
bestehende Oberfläche mit einem Muster bedruckt wird, dessen Aussehen einer
vorbestimmten, von der Holzart, aus der die Oberfläche besteht, verschiedenen
Holzart mit einer vorbestimmten Einfärbung entspricht.“
In den Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 3 sind im Unterschied zum Anspruch 1
des Hauptantrags die beiden zusätzlichen Merkmale der Hilfsanträge 1 und 2 auf-
genommen. Die Ansprüche 5 und 6 der Hilfsanträge 1 bis 3 stimmen jeweils mit
den Ansprüchen 5 und 6 des Hauptantrags überein.
Die Hilfsanträge 13, 14 und 15 umfassen jeweils einen einzigen Anspruch, der
sich auf eine Vorrichtung zum Herstellen von Gruppen flächiger Bauteile bezieht.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 ist mit dem Vorrichtungsanspruch 6 des
Hauptantrags identisch.
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 ist die Konfektionierungseinrichtung wie folgt
beschrieben:
„eine Konfektionierungseinrichtung (102, 104, 108), in der die Gruppe flä-
chiger Bauteile mit einer aus Holz bestehenden Oberfläche entsprechend
den im Datensatz enthaltenen Anzahlen und Größen hergestellt wird,“
Im Vorrichtungsanspruch 1 nach Hilfsantrag 15 ist neben vorstehend genannter
Ergänzung noch das im letzten Merkmal genannte elektronische Steuergerät
näher beschrieben, so dass dieses letzte Merkmal lautet:
„ein elektronisches Steuergerät (36, 38, 40) zum Steuern des Betriebs der
Fördereinrichtung (8) und der Druckeinrichtung (28), die auf der Oberflä-
che der flächigen Bauteile (2) eine Maserung einer vorbestimmten, von
der Holzart, aus der die Oberfläche der Bauteile besteht, verschiedenen
Holzart mit einer vorbestimmten Einfärbung druckt.“
- 6 -
Der auf ein flächiges Bauteil gerichtete Anspruch 5 stimmt in den Hilfsanträgen 1,
4 bis 8 mit dem Anspruch 5 des Hauptantrags überein. Das Kennzeichen des
Anspruchs 5 nach den Hilfsanträgen 2, 3 und 9 bis 12 lautet:
„dass das Muster der Maserung einer vorbestimmten, von der Holzart, aus
der die Oberfläche besteht, verschiedenen Holzart mit einer vorbestimm-
ten Einfärbung entspricht.“
Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 4 und 5 entsprechen dem Anspruch 1 des
Hauptantrags; der Vorrichtungsanspruch 6 gemäß Hilfsantrag 4 ist mit dem Vor-
richtungsanspruch gemäß Hilfsantrag 14 identisch. Der Vorrichtungsanspruch 6
nach Hilfsantrag 5 ist der Vorrichtungsanspruch gemäß Hilfsantrag 15.
Hilfsantrag 6 stimmt zur Gänze mit dem Hilfsantrag 1 überein.
In Hilfsantrag 7 sind der Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 1 und der Vorrich-
tungsanspruch gemäß Hilfsantrag 14 enthalten.
Gemäß Hilfsantrag 8 sind der Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 1 und der
Vorrichtungsanspruch gemäß Hilfsantrag 15 nebengeordnet.
Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 9 entspricht dem Anspruch 1 des Hilfsan-
trags 2, der nebengeordnete Vorrichtungsanspruch 6 entspricht dem Vorrichtungs-
anspruch gemäß Hilfsantrag 14.
In Hilfsantrag 10 sind der Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 2 und der Vor-
richtungsanspruch gemäß Hilfsantrag 15 enthalten.
Gemäß Hilfsantrag 11 sind der Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 3 und der
Vorrichtungsanspruch gemäß Hilfsantrag 14 nebengeordnet.
- 7 -
Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 12 entspricht dem Anspruch 1 des Hilfsan-
trags 3, der nebengeordnete Vorrichtungsanspruch 6 entspricht dem Vorrichtungs-
anspruch gemäß Hilfsantrag 15.
Wegen des Wortlauts der jeweils rückbezogenen Verfahrensansprüche 2 bis 4
nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 12 wird auf den Inhalt der
Akten verwiesen.
Die Einsprechende ist der Auffassung, die Lehre des Streitpatents bestehe darin,
eine Holzmaserung mittels eines Tintenstrahldruckers auf eine Holzoberfläche
minderer Qualität zu drucken, um optisch gefällige Muster zu erzeugen. Diese
Lehre sei durch den Stand der Technik aber bereits neuheitsschädlich vorwegge-
nommen. Selbst wenn bei der Durchführung des Verfahrens auf Grund der Saug-
fähigkeit der zu bedruckenden Holzoberfläche besondere Probleme auftauchten,
habe der Fachmann diese sowohl unter Rückgriff auf sein allgemeines Fachwis-
sen als auch auf Grund weiterer Hinweise aus dem Stand der Technik lösen kön-
nen, so dass es dem beanspruchten Verfahren auch an erfinderischer Tätigkeit
mangele. Auch gebe das Streitpatent selbst keine konkreten technischen Merk-
male an, wie dem Problem des unterschiedlichen Fließverhaltens der Druckfarbe
auf der Holzoberfläche begegnet werden solle. Im Übrigen beruhe die bean-
spruchte Vorrichtung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Der Patentinhaber beantragt,
gemäß Hauptantrag, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten
mit den Patentansprüchen 1 bis 6 gemäß Hauptantrag vom
27. Januar 2009,
- 8 -
hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 1
vom 27. Januar 2009,
weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 6 gemäß Hilfsan-
trag 2 vom 27. Januar 2009,
weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 6 gemäß Hilfsan-
trag 3 vom 27. Januar 2009,
und im Übrigen jeweils mit den Unterlagen der DE 100 31 030 B4
nach Ersatz der Seite 3 durch die Seite 3 gemäß Haupt- und Hilfs-
antrag vom 27. Januar 2009,
weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen gemäß einem der
Hilfsanträge 4 bis 15, alle überreicht in der mündlichen Verhand-
lung vom 3. Februar 2009, im Übrigen wie Hauptantrag.
Der Patentinhaber regt außerdem die Zulassung der Rechtsbe-
schwerde an.
Er macht geltend, am Anmeldetag des Streitpatents sei in der Fachwelt kein Ver-
fahren zum Anbringen einer Holzmaserung auf einer Holzoberfläche mittels eines
Tintenstrahldruckers üblich gewesen; vielmehr seien Verfahren wie Beizen der
Oberflächen, Furnieren von Grundkörpern, der Ersatz einer Maserung durch eine
andere Maserung mittels Prägewalze, digitale Verfahren, bei denen ein Press-
spankörper mit bedruckter (Holzmuster-)Folie beschichtet werde, Bedrucken von
endlosen Kunststoffprofilen mit einer Holzmaserung oder das Bedrucken von Fur-
nieren von allenfalls begrenzter Länge verwendet worden. Insbesondere habe sich
beim Dekorieren von Holzspielwaren mittels Tintenstrahldruck gezeigt, dass Holz
auf Grund seiner unterschiedlichen Struktur in Längs- und Querrichtung keine iso-
trope Verteilung der Farbe gestatte, so dass gewissermaßen ein Vorurteil hinsicht-
lich des Anbringens einer Holzmaserung auf einer Holzoberfläche bestanden
habe, eine Holzoberfläche mithin für die Bedruckung mittels eines Tintenstrahldru-
ckers als ungeeignet anzusehen gewesen sei. Das allgemeine Fachwissen habe
zur Lösung des Problems insofern auch nichts beitragen können, als bei der
- 9 -
Abstimmung von Aufzeichnungsträger, üblicherweise Papier, und Druckfarbe stets
von einer isotropen Verteilung der Farbe ausgegangen werde, was vorliegend
jedoch nicht zutreffe. Keine der zahlreichen Entgegenhaltungen könne daher das
Verfahren und die Vorrichtung nach dem Streitpatent nahe legen, mit dem ersicht-
lich große Vorteile verbunden seien. Nicht zuletzt belege der wirtschaftliche Erfolg
des patentgemäßen Verfahrens nebst weiteren Beweisanzeichen, wie etwa die
Zahl der Nachanmeldungen und die Bewerbung der danach hergestellten Bau-
teile, angebracht z. B. in einer ansprechenden Küchenzeile, dessen erfinderische
Leistung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II
1.
Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen.
Er ist zulässig und hat auch Erfolg.
2.
Bezüglich der Zulässigkeit der geltenden Ansprüche nach Hauptantrag und
nach den Hilfsanträgen 1 bis 15 bestehen keine Bedenken.
Soweit die Einsprechende die Ansicht vertritt, es handle sich bei dem bean-
spruchten Verfahren um eine ästhetische Formschöpfung, die dem Patentschutz
nicht zugänglich sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn der mit der Lehre des
Streitpatents auf ästhetischem Gebiet erzielte Effekt, hier ein Druckmuster, berührt
die Patentfähigkeit deshalb nicht, weil er mit technischen Mitteln erreicht wird.
Weitere Ausführungen hinsichtlich der Zulässigkeit der Ansprüche erübrigen sich,
da das Patent aus anderen Gründen scheitert.
- 10 -
3.
Das Verfahren nach den Ansprüchen 1 des Hauptantrags und der Hilfsan-
träge 4 und 5 ist nicht mehr neu.
Aus der Entgegenhaltung D1 ist eine Mehrfarbendruckvorrichtung bekannt, bei
deren bestimmungsgemäßer Betriebsweise nach dem beanspruchten Verfahren
gearbeitet wird. Es werden flächige Bauteile mit einem vorbestimmtem Oberflä-
chenaussehen bedruckt (Sp. 2, Z. 44 bis 47 i. V. m. Sp. 3, Z. 63 bis Sp. 4, Z. 1).
Beispielhaft angegebene Muster sind Holzmaserungen oder Marmoreffekte (Sp. 2,
Z. 41 bis 43 i. V. m. Sp. 5, Z. 55 bis 58). Die flächigen Bauteile können eine aus
Holz bestehende Oberfläche aufweisen (Sp. 2 insb. Z. 45 „Holzplatten“ und Sp. 3,
Z. 26 bis 29). Das Aussehen des Druckmusters, Druckbild, Druckfarbe, Größe und
Ort des Druckes kann in einem PC gespeichert sein, d. h. ein programmierbares
Druckverfahren, insbesondere ein Tintenstrahldruckverfahren, wird eingesetzt (An-
sprüche 2, 3, 19 und 21 i. V. m. Sp. 3, Z. 51 bis 62). Die Druckvorrichtung ermög-
licht, die verschiedensten Gegenstände mit beliebigen Motiven zu bedrucken
(Sp. 1, Z. 40 bis 46 und Sp. 2, Z. 26 bis 36; Sp. 3, Z. 63 bis Sp. 4, Z. 1).
Soweit der Patentinhaber hierzu eingewandt hat, die Entgegenhaltung D1 offen-
bare lediglich das Bedrucken von Kunststoffprofilen mit Holzmaserungen, sehe
aber nicht vor, ein Muster einer vorbestimmten Holzart mit einer vorbestimmten
Einfärbung auf eine Holzoberfläche aufzudrucken, kann ihm nicht gefolgt werden.
Zum einen nennt die Entgegenhaltung D1 das Bedrucken von Kunststoffprofilen
lediglich beispielhaft (Sp. 2, Z. 41 bis 43). Das Beispiel beschränkt die breiter
beschriebene Erfindung ausdrücklich nicht (Sp. 4, Z. 12 bis 17). Offenbart ist viel-
mehr alles das, was in der Gesamtheit der Entgegenhaltung niedergelegt ist. Auch
kann der Inhalt einer Vorveröffentlichung nicht auf eine beispielhafte Angabe redu-
ziert werden, um damit die Neuheit der Lehre des Streitpatents begründen zu kön-
nen (Schulte PatG 8. Aufl., § 3 Rn. 94, 95 u. 118).
Der Senat sieht dieses Verständnis der Entgegenhaltung D1 auch nicht als willkür-
liche Kombination von zusammenhanglos offenbarten Merkmalen an, die nach
- 11 -
Ansicht des Patentinhabers als Ganzes der Entgegenhaltung D1 so nicht zu ent-
nehmen sei, und die zudem, wie der Patentinhaber geltend macht, auf eine Vor-
richtung und nicht auf ein Verfahren gerichtet sei. Bei der Beurteilung einer Vor-
veröffentlichung auf Neuheitsschädlichkeit und bei Prüfung, ob auf einen in einer
Patentanmeldung enthaltenen Lösungsgedanken ein Schutzanspruch gerichtet
werden kann, ist von einem einheitlichen Offenbarungsbegriff auszugehen. Unter
der Offenbarung eines Erfindungsgedankens wird dabei eine Beschreibung ver-
standen, die so beschaffen ist, dass sie die Benutzung der Erfindung durch andere
Sachverständige ermöglicht (BGH, GRUR 1981, 812 - Etikettiermaschine). Dass
ein Sachverständiger bei der bestimmungsgemäßen Betriebsweise der in der Ent-
gegenhaltung D1 beschriebenen Vorrichtung die im Anspruch 1 des Hauptantrags
und der Hilfsanträge 4 und 5 vorgesehenen Herstellungsmaßnahmen ausführt, hat
der Senat insofern bereits als gegeben angesehen, als dass insbesondere das
Bedrucken von unbehandelten Holzplatten, d. h. von flächigen Bauteilen, durch
ein Tintenstrahldruckverfahren unter Einsatz der beschriebenen Mehrfarbendruck-
vorrichtung vorgesehen ist, wobei als einzig konkrete Musterangaben in D1 Holz-
maserungen und Marmoreffekte angegeben sind (Sp. 1, Z. 40 bis 58; Sp. 2, Z. 32
bis 47 und Sp. 4, Z. 2 bis 7). Demgemäß wäre auch eine Beschränkung des
Gegenstandes der Entgegenhaltung D1 auf ein Verfahren zum Herstellen flächiger
Bauteile mit vorbestimmtem Oberflächenaussehen, wobei die flächigen Bauteile
mit einer aus Holz bestehenden Oberfläche mittels eines programmierbaren Tin-
tenstrahldruckverfahrens mit einem vorbestimmten Muster abweichend von der
Holzart, aus der die Oberfläche besteht, bedruckt werden, ohne Weiteres zulässig.
Unabhängig davon ist die Verschiedenheit der Patentkategorie für die Frage der
Identität ohne Belang, entscheidend ist, was in beiden Patenten als erfindungswe-
sentlich offenbart ist (BGH Liedl, 1959/60, 22 - Schieblehre).
Keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung gibt auch der weitere Einwand des
Patentinhabers, wonach am Anmeldetag des Streitpatents der Druck von Holz-
mustern auf Holzoberflächen nicht üblich gewesen sei, sondern allenfalls Verfah-
ren wie Beizen, Furnieren, Bearbeiten mittels Prägewalzen oder Beschichtungs-
- 12 -
verfahren mittels bedrucktem Papier angewendet worden seien. Die Druck-
schrift D1 beschreibt nämlich bereits explizit, wie eine Anpassung des Farbauf-
trags vorgenommen werden kann, wenn die zu bedruckende Fläche eine unbe-
handelte Holzoberfläche ist, so dass das unmittelbare Bedrucken einer Holzober-
fläche als vorbeschrieben anzusehen ist, selbst wenn dies wie behauptet nicht
üblich gewesen sein sollte (Sp. 3, Z. 16 bis 29). Zur Substantiierung dieser
Behauptung hat der Patentinhaber jedoch keine ein Vorurteil bestätigenden Ent-
gegenhaltungen aus der Zeit zwischen der Offenlegung der Entgegenhaltung D1
und dem Anmeldetag des Streitpatents vorgelegt.
Das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 4 und 5 ist
mithin nicht mehr neu.
Auch dem Verfahren nach den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 2, 9 und 10 ist keine
Neuheit zuzuerkennen.
Das Kennzeichen des Anspruchs 1 dieser Anträge lautet im Unterschied zu dem
des Hauptantrags so, dass „die aus Holz bestehende Oberfläche mit einem Mus-
ter bedruckt wird, dessen Aussehen einer vorbestimmten, von der Holzart, aus der
die Oberfläche besteht, verschiedenen Holzart mit einer vorbestimmten Einfär-
bung entspricht.“ Nach der Lehre der Druckschrift D1 bestehen keinerlei Ein-
schränkungen hinsichtlich der Motive, die auf die verschiedensten Oberflächen
gedruckt werden können (Sp. 3, Z. 63 bis Sp. 4, Z. 7). Hierzu zählt nach Überzeu-
gung des Senats auch das Anbringen einer Holzmaserung einer anderen Holzart
mit einer vorbestimmten Einfärbung als der Holzart, aus der die zu bedruckende
Oberfläche besteht (Sp. 2, Z. 32 bis 47; Sp. 3, Z. 16 bis 27 i. V. m. Sp. 3, Z. 63 bis
Sp. 4, Z. 1).
4.
Das Verfahren nach den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 1, 7 und 8 beruht
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 13 -
Der Anspruch 1 dieser Hilfsanträge unterscheidet sich von dem des vorstehend
erläuterten Hauptantrags durch das weitere Merkmal, nämlich dass „das Volumen
der auf die Holzoberfläche gelangenden Flüssigkeitströpfchen derart auf die Saug-
fähigkeit der Holzoberfläche abgestimmt ist, dass benachbarte Flüssigkeitströpf-
chen ineinander laufen“. Dieser Unterschied vermag ausgehend vom erörterten,
nächst liegenden Stand der Technik D1 die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens
nicht zu begründen.
Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zu Grunde, die Kosten bei der Produktion flä-
chiger Bauteile, deren Oberfläche das Aussehen einer vorbestimmten Holzart mit
einer vorbestimmten Einfärbung hat, zu senken (Abs. 0009 der Streitpatentschrift).
Da die Entgegenhaltung D1 die gestellte Aufgabe bereits löst (Sp. 4, Z. 4 bis 7),
wird der Fachmann nach der daraus bekannten Verfahrensweise vorgehen. Als
Ingenieur mit Erfahrung in der Anwendungsanpassung bekannter Drucktechniken
stellt er dabei zwangsläufig fest, dass er beim Bedrucken so unterschiedlicher
Oberflächen, wie Textilien, Glas, Kunststoff oder Holz, zum Erreichen eines
optisch gefälligen Musters eine Anpassung der Druckbedingungen an den zu
bedruckenden Untergrund vornehmen muss (Sp. 3, Z. 16 bis 29). Wie die Korrek-
tur des Farbauftrags im Einzelnen erfolgt, lässt die Entgegenhaltung D1 indessen
offen. Eine Anregung, welche Kriterien zu beachten sind, erhält der Fachmann
aber aus der zum Stand der Technik zählenden Entgegenhaltung D6, deren Lehre
sich mit dem Steuern eines Tintenstrahldruckers in Abhängigkeit von der Saugfä-
higkeit des Aufzeichnungsträgers auseinandersetzt, um eine optimale Druck-
dichte, bzw. das Ineinanderlaufen benachbarter Flüssigkeitströpfchen, zu errei-
chen (S. 6, Abs. 1 und 3). Er kann daraus insbesondere den Hinweis entnehmen,
das Volumen der auf die Oberfläche des Aufzeichnungsträgers, dort Papier oder
Overheadfolie, gelangenden Flüssigkeitströpfchen zu variieren (S. 9, vorl. Abs.
und Fig. 3 bis 5 sowie S. 15, letzt. Abs.). Eines erfinderischen Zutuns bedurfte es
daher zur Anpassung des Volumens der Flüssigkeitströpfchen auf die Saugfähig-
keit einer Holzoberfläche nicht.
- 14 -
Auch der Einwand des Patentinhabers hierzu, wonach aus den in der Verhandlung
vorgelegten Mustern zweifelsfrei ersichtlich werde, dass es auf Grund der Struktur
des Holzes in seiner Längs- und Querrichtung zu einer anisotropen Ausbreitung
der Druckfarbe komme und diese für das Entstehen des Druckbilds entscheidende
Eigenschaft daher besondere Maßnahmen bei der Durchführung des Verfahrens
erforderlich gemacht hätten, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn
zum Einen gibt der Anspruch 1, wie die Einsprechende zutreffend ausgeführt hat,
keine technischen Merkmale an, durch die das Fließverhalten beeinflusst wird;
zum Anderen sind dem Streitpatent keine Hinweise auf die anisotrope Ausbreitung
der Flüssigkeitströpfchen zu entnehmen (vgl. Streitpatentschrift Fig. 7 i. V. m.
Abs. 0055).
Auch das Verfahren nach den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 3, 11 und 12 beruht
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In die Ansprüche 1 dieser Hilfsanträge sind die zuvor abgehandelten, über den
Umfang des Anspruches 1 des Hauptantrags hinausgehenden Merkmale der Hilfs-
anträge 1 und 2 aufgenommen; für die Hilfsanträge 3, 11 und 12 gelten daher die
vorstehenden Ausführungen in gleicher Weise.
Soweit der Patentinhaber schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung aus-
führlich auf zahlreiche Beweisanzeichen für eine erfinderische Tätigkeit des bean-
spruchten Verfahrens und der Vorrichtung eingegangen ist, können auch diese zu
keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen; das beanspruchte Verfahren ist
durch den Stand der Technik D1 neuheitsschädlich vorweggenommen bzw. durch
die Zusammenschau der Druckschriften D1 und D6 nahegelegt. Die geltend
gemachten Hilfserwägungen können aber die erfinderische Tätigkeit nicht erset-
zen.
Die Ansprüche 1 nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 2 bis 12 betref-
fend das Verfahren zum Herstellen flächiger Bauteile haben somit keinen Bestand.
- 15 -
5.
Für das Bauteil nach Anspruch 5 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1
bis 12 gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß; der Anspruch erweist
sich daher ebenfalls nicht als bestandsfähig.
6.
Die Neuheit der Vorrichtung nach den Ansprüchen 6 des Hauptantrags und
der Hilfsanträge 1 bis 12 als auch nach den jeweils einzigen Ansprüchen der Hilfs-
anträge 13 bis 15 kann dahinstehen, die Vorrichtung beruht nämlich nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit.
Den nächst liegenden Stand der Technik offenbart die Druckschrift (1). Die
beschriebene Mehrfarbendruckvorrichtung weist folgende Merkmale auf:
-
Vorrichtung, die dem Herstellen von Gruppen flächiger Bauteile mit vorbe-
stimmtem Oberflächenaussehen dient, die im Durchlaufverfahren bedruckt
werden können, an (Sp. 2, Z. 18 bis 31 i. V. m. Z. 44 bis 47);
-
mit einer Oberflächenbearbeitungseinrichtung mit
einer Unterlage zur Aufnahme der flächigen Bauteile (Fig. 3 i. V. m.
Sp. 5, Z. 13 bis 19);
einer der Oberfläche der flächigen Bauteile gegenüber angeordneten
Druckeinrichtung mit Farbdüsen zum Abspritzen unterschiedlich gefärb-
ter Tinten (Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 bis 5);
einer Fördereinrichtung zum Erzeugen einer Relativbewegung zwi-
schen den Farbdüsen und den flächigen Bauteilen (Ansprüche 4 bis 9);
einer Sensoreinrichtung zum Erfassen von Positionen der Oberfläche
der flächigen Bauteile (Ansprüche 12 bis 15) und
mit einem elektronischen Steuergerät zum Steuern des Betriebs der
Fördereinrichtung und der Druckeinrichtung, die auf der Oberfläche der
flächigen Bauteile eine Maserung einer vorbestimmten Holzart mit einer
vorbestimmten Einfärbung druckt (Ansprüche 10, 11, 19, 20 i. V. m.
Sp. 2, Z. 32 bis 47 und 64 bis Sp. 3, Z. 4, Z. 16 bis 29 und 51 bis 54).
- 16 -
Die bekannte Vorrichtung verfügt damit im Unterschied zu der des Streitpatents
nicht über einen Bestelleingang, in dem ein einer bestellten Gruppe flächiger Bau-
teile entsprechender Datensatz zusammengestellt wird. Dieser Unterschied ver-
mag die erfinderische Tätigkeit jedoch nicht zu begründen.
Ausgehend von D1 wird der Fachmann, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Kosten
bei der Produktion flächiger Bauteile, deren Oberfläche das Aussehen einer vorbe-
stimmten Holzart mit einer vorbestimmten Einfärbung hat, zu senken, den Stand
der Technik (D10) nämlich nicht außer Betracht lassen. Demgemäß tragen rech-
nergestützte Produktionssysteme zur Kostensenkung bei (S. 457, li. Sp., Abs. 1,
letzt. Satz; S. 458, li. Sp. vorl. Abs. und re. Sp. letzt. Abs.). Es kann ein dem Kun-
denwunsch entsprechender Datensatz für die Bauteile zusammengestellt werden,
der an die Fertigungsleitstelle zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet wird (S. 459,
li. Sp., Brückenabs. bis re. Sp. Abs. 3 i. V. m. S. 462, li. Sp. letzt. Abs. bis re. Sp.
Abs. 2). Damit ist ein Bestelleingang jedoch bereits bekannt und seine Kopplung
mit einer weiterverarbeitenden Druckeinrichtung mit dem Ziel der Kostensenkung
naheliegend.
Die Vorrichtung nach Anspruch 6 des Hauptantrags, den Hilfsanträgen 1 bis 3 und
gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 beruht somit nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit, die Ansprüche haben daher keinen Bestand.
Die Vorrichtung nach den Ansprüchen 6 der Hilfsanträge 4, 7, 9, 11 und nach
Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 unterscheidet sich von der vorstehend abgehan-
delten Vorrichtung dadurch, dass in der Konfektionierungseinrichtung, in der die
Gruppe flächiger Bauteile entsprechend den im Datensatz enthaltenen Anzahlen
und Größen hergestellt wird, Bauteile „mit einer aus Holz bestehenden Oberflä-
che“ zusammengestellt werden. Dieser Unterschied kann die erfinderische Tätig-
keit der beanspruchten Vorrichtung schon deshalb nicht begründen, weil auch die
Vorrichtung gemäß D1 zum Bedrucken von Bauteilen mit einer aus Holz beste-
henden Oberfläche vorgesehen ist (Sp. 2, Z. 44 bis 47 und Sp. 3, Z. 16 bis 29).
- 17 -
Auch die Vorrichtung nach den Ansprüchen 6 der Hilfsanträge 5, 8, 10, 12 und
nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 15 ist nicht das Ergebnis einer erfinderischen
Tätigkeit. Sie unterscheidet sich von der zuletzt genannten Variante der bean-
spruchten Vorrichtung weiter dadurch, dass die aufzudruckende Maserung einer
vorbestimmten, „von der Holzart, aus der die Oberfläche der Bauteile besteht, ver-
schiedenen“ Holzart besteht. Wie vorstehend ausgeführt, ist das Aufdrucken einer
Holzmaserung auf eine unbehandelte Holzplatte, deren Maserung von der des
gedruckten Motivs verschieden ist, in der Entgegenhaltung D1 vorbeschrieben, so
dass auch diese Ausgestaltung der Vorrichtung nicht das Ergebnis einer erfinderi-
schen Tätigkeit ist.
Ein Eingehen auf den Hilfsantrag 6 erübrigt sich, nachdem er mit dem Hilfsan-
trag 1 identisch ist.
Die jeweils abhängigen Ansprüche 2 bis 4 nach Hauptantrag und den Hilfsanträ-
gen 1 bis 12 beschreiben weitere Ausführungsformen der Verfahren nach den
jeweiligen Ansprüchen 1; ein eigener erfinderischer Überschuss ist seitens des
Senats nicht erkennbar und auch vom Patentinhaber nicht geltend gemacht wor-
den. Sie teilen daher das Schicksal der jeweiligen Verfahrensansprüche 1.
7.
Da sich die vorliegende Entscheidung im Rahmen allgemein anerkannter
Rechtsgrundsätze hält, bestand keine Veranlassung entsprechend der vom
Patentinhaber gegebenen Anregung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 100
Abs. 1 und 2 PatG).
Wie den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, war für die am 5. August 2008
vom Patentinhaber überreichte Frage
„Können in einer älteren Anmeldung zusammenhanglose offen-
barte Merkmale Neuheit (oder Erfindungshöhe) einer jüngeren
Anmeldung zerstören, wenn sich für die der jüngeren Anmeldung
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zugrundeliegenden Aufgabe keine Hinweise aus der älteren
Anmeldung ergeben und die der jüngeren Anmeldung zugrunde-
liegende Aufgabe ein langjähriges Bedürfnis erfüllt, das bisher
nicht gelöst wurde?“
entscheidend, wie der Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung D1 zu werten ist,
was Tatfrage im Einzelfall ist.
Die Würdigung des die Grundlage der Entscheidung bildenden Sachverhalts stellt
keine Rechtsfrage dar.
Schröder
Harrer
Schuster
Münzberg
Fa