Urteil des BPatG vom 03.08.2004

BPatG: stand der technik, umwandlung, wassermenge, fig, zustand, patentanspruch, zusammensetzung, kauf, unterbrechung, anschluss

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
11 W (pat) 56/04
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 103 27 383.2-24
- 2 -
- 3 -
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 29. März 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dipl.-Phys. Dr. W. Maier sowie der Richter v. Zglinitzki, Dipl.-Ing. Dr. Fritze und
Dipl.-Ing. Univ. Fetterroll
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderinnen wird der Beschluss der
Prüfungsstelle für Klasse C 21 D des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 3. August 2004 aufgehoben und das Patent
103 27 383 mit dem Patentanspruch 1 vom 23. März 2010, (ein-
gegangen am 25.3.10), den Patentansprüchen 2 und 3 vom
31. März 2004 (eingegangen am 2.4.04) sowie den Seiten 1 und 3
bis 9 der ursprünglichen Beschreibung sowie den Beschreibungs-
seiten 2 und 2a vom 15. März 2010 (eingegangen am 17.3.10)
und den ursprünglichen Zeichnungen (Figuren 1 bis 3)
erteilt.
G r ü n d e
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse C 21 D des Deutschen Patent- und Markenamts hat
durch Beschluss vom 3. August 2004 die am 18. Juni 2003 eingereichte Patent-
anmeldung 103 27 383.2 mit der Bezeichnung
aufgrund mangelnder Patentfähigkeit des Anmeldegegenstandes zurückgewiesen.
- 4 -
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss haben die Anmelderinnen Beschwerde
eingelegt.
Sie begründen ihre Beschwerde im Wesentlichen damit, dass die Gegenstände
der geltenden Ansprüche entgegen der Auffassung der Prüfungsstelle gegenüber
dem Stand der Technik patentfähig seien.
Sie beantragen sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
im Beschlusstenor angegebenen Unterlagen zu erteilen,
hilfsweise die Erteilung auf der Grundlage des Anspruchs 1 ge-
mäß Hilfsantrag vom 28. Januar 2008 zu beschließen.
Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
- 5 -
Der hierzu nebengeordnete Patentanspruch 2 lautet:
- jeder Kühlbalken besteht aus zwei Reihen an Wasserkühlröhrchen, die
so
angeordnet
sind,
dass
die
Bandoberseite (10')
und
die
- 6 -
Bandunterseite (10")
des
durchlaufenden
Warmbandes (10)
gleichmäßig mit einer bestimmten
Bezüglich des Wortlauts des auf den Anspruch 2 rückbezogenen Anspruchs 3 und
wegen des Wortlauts des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag wird auf die Akte verwie-
sen.
Im Verfahren sind folgende Entgegenhaltungen:
E1
EP 0 072 867 B1
E2
EP 0 969 112 A1
E3
EP 1 108 072 B1
E4
EP 0 747 495 B1.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
A.
Zu formalen Bedenken gegen die geltenden Unterlagen besteht kein Anlass.
Der Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 stützt sich in zulässiger Weise auf die
Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1. Der geltende Anspruch 2 geht auf den
ursprünglichen Anspruch 2 i. V. m. der ursprünglich offenbarten Beschreibung
Abs. 3 zurück. Gleiches gilt für den Anspruch 3, der sich auf den ursprünglichen
Anspruch 4 i. V. m. der ursprünglich offenbarten Beschreibungsstelle S. 8,
1. Absatz zurückführen lässt.
- 7 -
B.
1.
Anspruch 1
Bandtemperatur T
finish
von A
r3
- 100 K < T
finish
< A
r3
- 50 K zumindest formelmäßig
aus dem Stand der Technik nicht bekannt ist.
E2
mit einem Dualphasengefüge aus Ferrit und Martensit mit vergleichbarer Stahlzu-
sammensetzung bekannt, die dort empfohlene Endwalz-Bandtemperatur T
finish
von
A
r3
- 50 K bis A
r3
+ 120 K (Anspruch 9) liegt jedoch oberhalb der beanspruchten
Temperatur T
finish
E1
TF > 780 °C (vgl. Anspruch, Merkmal (ii)) ist nicht unmittelbar ersichtlich, ob sie in
E3
Bandtemperatur T
finish
.
2.
Das Verfahren nach Anspruch 1 ist offensichtlich gewerblich anwendbar
und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
Der Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Eisenhütten-
kunde mit besonderen Kenntnissen in der Herstellung von Warmband mit einem
Dualphasengefüge.
E1
kannte Verfahren am nächsten.
Bei diesem bekannten Verfahren zur Herstellung von Warmband mit einem Dual-
phasengefüge aus Ferrit und Martensit, dessen Stahlzusammensetzung zumin-
dest bezüglich des C-Si-Mn-Cr-Grundsystems vergleichbar der des beanspruch-
ten Verfahrens ist, wird zur Erlangung des Dualphasengefüges ebenso wie beim
beanspruchten Verfahren ab einer Endwalz-Bandtemperatur in zwei Stufen auf
eine Temperatur herunter gekühlt, mit der das Band anschließend gehaspelt wird
- 8 -
(vgl. Anspruch). Hierbei wird ausgehend von einer Endwalz-Bandtemperatur von
FT > 780 °C in einem ersten Schritt mit einer ersten Abkühlgeschwindigkeit
V
1
> 40 °C/s das Band auf eine Temperatur im Bereich von T
N
+ 40 °C bis
T
N
- 40 °C abgekühlt (der Wert für T
N
wird mittels einer Formel, welche die
chemische Zusammensetzung des Stahls berücksichtigt, ermittelt, vgl. Anspruch).
Anschließend wird die Temperatur des abgeschreckten Bandes für länger als
5 Sekunden
gehalten,
um
danach
das
Band
mit
einer
zweiten
Abkühlgeschwindigkeit V
2
> 50 °C/s auf eine Temperatur im Bereich von 550 °C
bis 200 °C abzuschrecken und es anschließend zu haspeln.
Somit findet sich bei diesem bekannten Verfahren schon kein Hinweis darauf, die
Endwalz-Bandtemperatur mit A
r3
in Korrelation zu bringen und diese Endwalztem-
peratur auf den Bereich T
finish
von A
r3
- 100 K < T
finish
< A
r3
- 50 K zu beschränken.
Auch ist hieraus insbesondere beim Abschrecken des Warmbandes in der ersten
Kühlstufe weder die Bedingung des Eintritts der Kühlkurve in das Ferritgebiet noch
die Nutzung der bei der Umwandlung des Austenits in Ferrit freigesetzten Um-
wandlungswärme zum isothermen Halten der erreichten Bandtemperatur T
const
. mit
einer Haltezeit 5 s bis zum Beginn der zweiten Kühlstufe bekannt.
Diese Merkmalsgesamtheit wird auch durch den weiteren Stand der Technik nicht
nahegelegt.
E2
Endwalz-Bandtemperatur an, die zur Definition die legierungsspezifische Tempe-
ratur A
r3
einbezieht, jene liegt aber mit T
finish
= A
r3
- 50 K bis A
r3
+ 120 K oberhalb
E2
dass die Unterschreitung von T
finish
= A
r3
- 50 K zu geringwertigeren Härtungs- und
Formbarkeitseigenschaften durch Bildung deformierter Ferrite führt, wird entgegen
der Begründung im angefochten Beschluss den Fachmann vielmehr davon ab-
halten, ein Unterschreiten dieser Temperatur in Erwägung zu ziehen, da dies dem
- 9 -
erfindungsgemäßen Ziel hoher mechanischer Festigkeit und hohem Umformver-
mögen entgegensteht. Somit vermag dieser Stand der Technik keinen Hinweis zu
liefern, der den Fachmann zur beanspruchten Endwalz-Bandtemperatur führen
könnte.
Auch der weitere Aspekt, der dem Zurückweisungsbeschluss zugrundelag, wo-
nach die Haltezeit zwischen den beiden Kühlstufen durch die Zusammenschau
E1
auf die gezielte Gefügesteuerung zu kurz.
Von Bedeutung für eine erfinderische Tätigkeit bei dem anmeldungsgemäßen
Verfahren ist nämlich zudem der Schritt, im Anschluss an die erste Kühlstufe - die
bis zum Eintritt der Kühlkurve in das Ferritgebiet durchgeführt wird - die durch
Umwandlung des Austenits in Ferrit freigesetzte Umwandlungswärme zum iso-
thermen Halten der erreichten Bandtemperatur T
const
., mit einer Haltezeit 5 s bis
zum Beginn der zweiten Kühlstufe zu nutzten, um so eine zumindest 70 %-ige
Umwandlung des Austenits in Ferrit zu erreichen. Ein derartiger Hinweis ist auch
unter Berücksichtigung der gestellten Aufgabe - ein Verfahren und eine Anlage
anzugeben, mit der bzw. in der die Herstellung von Warmband mit Dualphasen-
gefüge in einer konventionellen Gießwalzanlage mit den dort gegebenen örtlichen
und damit auch zeitlichen Beschränkungen durchführbar ist - dem gesamten
E1
E1
zweiten Kühlstufe eine Haltezeit vorgesehen (vgl. Anspruch), dabei ist zur Um-
wandlung des Austenits in Ferrit jedoch eine Haltezeit von mehr als 5 Sekunden
unbedingt erforderlich (vgl. Sp. 8, Z. 38-46) und die Temperatur ist während dieser
Haltezeit auch nicht konstant (vgl. Table 2a-2c und Fig. 1). Hiervon abzugehen
und ggf. schlechtere mechanische Ergebnisse nach den andersartigen Kühlver-
E2
chung der Kühlung nicht vorgesehen (vgl. Anspruch 12 und Fig. 12) - oder
- 10 -
E3
Kauf zu nehmen, widerspräche der gestellten Aufgabe.
E4
kein Verfahren zur Herstellung von Warmband mit einem Dualphasengefüge zum
Gegenstand hat.
Somit beruht das Verfahren nach Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit.
Anspruch 1 ist daher gewährbar.
C.
1.
Die Gießwalzanlage zur Herstellung von Warmband mit einem Dualphasen-
Anspruch 2
Druckschriften bekannt ist, dass jeder Kühlbalken aus zwei Reihen an Wasser-
kühlröhrchen besteht, die so angeordnet sind, dass die Bandoberseite und die
Bandunterseite des durchlaufenden Warmbandes gleichmäßig mit einer be-
stimmten Wassermenge beaufschlagt werden, wobei die Wassermengen für die
Bandoberseite und die Bandunterseite gegeneinander vertrimmbar sind.
2.
Die Gießwalzanlage nach Anspruch 2 ist offensichtlich gewerblich anwend-
bar und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
E3
lung von Warmband mit einem Dualphasengefüge beschrieben. Zu der Aus-
gestaltung der in dieser Gießwalzanlage vorhandenen Kühlstrecke ist jedoch nur
offenbart, dass sie aus zwei Kühlstrecken besteht, die wiederum aus mehreren mit
Abstand angeordneten Wasserkühlstufen aufgebaut sind, deren wirksame Länge
und Abstand voneinander veränderbar sind. Die Möglichkeit das Warmband von
E1
- 11 -
fenbarten Lehren in Betracht gezogen. Daher findet sich im genannten Stand der
Technik auch kein Hinweis, der den Fachmann hätte veranlassen können, die
Kühlgruppen mit Kühlbalken auszustatten, die aus zwei Reihen von Wasserkühl-
röhrchen bestehen, welche so angeordnet sind, dass die Bandoberseite und die
Bandunterseite des durchlaufenden Warmbandes gleichmäßig mit einer be-
stimmten Wassermenge beaufschlagt werden kann, und dabei noch die Wasser-
mengen für die Bandoberseite und die Bandunterseite gegeneinander vertrimmbar
auszuführen.
Somit beruht auch die Gießwalzanlage nach Anspruch 2 auf erfinderischer Tätig-
keit, weswegen dieser Anspruch ebenfalls gewährbar ist.
D.
Anspruch 3 betrifft eine zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltung der
Gießwalzanlage nach Anspruch 2; er ist daher ebenfalls gewährbar.
Somit ist dem Hauptantrag stattzugeben.
Dr. W. Maier
v. Zglinitzki
Dr. Fritze
Fetterroll
Bb