Urteil des BPatG vom 23.10.2000
BPatG (bundesrepublik deutschland, marke, beschränkung, beschwerde, base, wiedereinsetzung, 1995, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, deutschland)
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 274/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
23. Oktober 2000
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die IR-Marke 628 879
BPatG 154
6.70
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Buchetmann sowie der Richter Sommer und Schramm
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Be-
schluß der Markenstelle für Klasse 5 IR des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 31. Mai 1999 aufgehoben,
soweit der IR-Marke 628 879 der Schutz in Deutschland
auch für die Waren "produits hygiéniques, substances dié-
tétiques pour bébés et malades; emplâtres, matériel pour
pansements; matières pour plomber les dents et pour
empreintes dentaires; désinfectants" versagt worden ist.
2. Die weitergehende Beschwerde der Markeninhaberin wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Schutz begehrt die IR-Marke 628 879
PENTACOL
nach einer Beschränkung im patentamtlichen Verfahren für die Waren
Produits pharmaceutiques, vétérinaires, hygiéniques, substances
diététiques pour bébés et malades; emplâtres, matériel pour pan-
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sements; matières pour plomber les dents et pour empreintes den-
taires; désinfectants.
Mit Refus de Protection vom 13. September 1995 ist sie ua von dem Widerspruch
aus der rangälteren Marke 2 053 590
PANTOZOL
eingetragen für
"Humanarzneimittel, nämlich Magen-Darm-Präparate"
in Kenntnis gesetzt worden. Der Bescheid ist am 31. Oktober 1995 unter Verwen-
dung eines entsprechenden Formblatts vom Internationalen Büro an die Marken-
inhaberin abgesandt worden. Innerhalb der im Bescheid angegebenen Fristen hat
die Markeninhaberin keinen Inlandsvertreter bestellt und gegen den Bescheid
auch keine Erinnerung eingelegt. Sie hat in der Folge Wiedereinsetzung bean-
tragt.
Die Markenstelle für Klasse 5 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat
durch Beschluß der Prüferin vom 31. Mai 1999 die Frage der Wiedereinsetzung in
die versäumte Frist zur Bestellung eines Inlandsvertreters dahingestellt lassen und
der international registrierten Marke 628 879 wegen des Widerspruchs aus der
Marke 2 053 590 den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland verweigert. Zur
Begründung ist ausgeführt, die beiderseitigen Waren lägen im engeren Ähn-
lichkeitsbereich und könnten auch identisch sein. Zudem seien ohne Beschrän-
kungen die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen. Ausgehend von einer
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang
der Widerspruchsmarke sei der erforderliche sehr deutliche Markenabstand zu-
mindest in klanglicher Hinsicht nicht mehr eingehalten. Auch der dem Bestandteil
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"PENTA" innewohnende Sinngehalt wirke nicht entscheidend verwechslungsmin-
dernd.
Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt und ihr Warenverzeichnis für die
Bundesrepublik Deutschland wie folgt beschränkt:
"Produits pharmaceutiques, vétérinaires, tous à base de mésala-
zine et non pas à base de pantoprazol; produits hygieniques, sub-
stances diététiques pour bébés et malades; emplâtres, matériel
pour pansements; matières pour plomber les dents et pour
empreintes dentaires; desinfectants".
Zur Begründung ist ausgeführt, die sich gegenüberstehenden Arzneimittel, die ei-
nerseits auf Pantoprazol als Wirkstoff und andererseits auf Mesalazin beruhten,
könnten nicht gleichgesetzt werden, da sie völlig unterschiedlich (Mesalazin im
Darmbereich, Pantoprazol auf den Magen) wirkten. Aus dem Umstand, daß sich
die Widerspruchsmarke an die INN-Bezeichnung Pantoprazol anlehne, resultiere
eine allenfalls geringe Unterscheidungskraft und damit ein deutlich einge-
schränkter Schutzumfang. Unter diesen Umständen sei eine Verwechslungsgefahr
in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht auszuschließen.
Die Markeninhaberin beantragt,
den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und den Widerspruch
zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt Zurückweisung der Beschwerde.
Sie richtet in der mündlichen Verhandlung ihren Widerspruch nur noch gegen die
Waren "Produits pharmaceutiques, vétérinaires, tous à base de mésalazine et non
pas à base de pantoprazol". Zur Begründung führt sie aus, ihre Marke verfüge
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über einen normalen Schutzumfang. Auch nach Einschränkung des Waren-
verzeichnisses bei der angegriffenen Marke stünden sich noch identische bzw
hochgradig ähnliche Waren gegenüber. Die Wirkstoffe Pantoprazol und Mesalazin
seien beide auf den Magen-Darm-Bereich ausgerichtet woraus sich ein identi-
sches Einsatzgebiet ergebe. Ein etwaiges unterschiedliches Wirkungsprofil der
Präparate habe keine Bedeutung für die Frage der Warenähnlichkeit bzw -identi-
tät. Neben einer starken phonetischen Markenähnlichkeit bestehe eine hohe
schriftbildliche Verwechslungsgefahr.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat in dem nach der Beschrän-
kung des Widerspruchs noch entscheidungserheblichen Umfang keinen Erfolg. Im
übrigen ist der angefochtene Beschluß bereits aufgrund der Beschränkung des
Widerspruchs aufzuheben.
Eine beschwerdefähige Sachentscheidung der Markenstelle liegt vor. Insoweit ist
es ohne Belang, daß die Markenstelle über die Wiedereinsetzung wegen der nicht
eingehaltenen Erinnerungsfrist gegen den Bescheid des Internationalen Büros
nicht ausdrücklich entschieden hat. In der getroffenen Sachentscheidung liegt eine
- im übrigen auch nicht anfechtbare (§ 91 Abs 7 MarkenG) - stillschweigende Ge-
währung von Wiedereinsetzung.
Im Umfang der nach Beschränkung des Widerspruchs noch zu treffenden Sa-
chentscheidung hat die Beschwerde keinen Erfolg; denn es besteht Verwechs-
lungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz.
Die sich gegenüberstehenden Waren sind identisch bzw hochgradig ähnlich. Eine
Identität ergibt sich zu "produits pharmaceutiques" der angegriffenen Marke, da
diese auch nach der Beschränkung des Warenverzeichnisses bei Erkrankungen
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im Bereich des Magen-Darm-Traktes eingesetzt werden können. Aus der Be-
schränkung auf Präparate, die den INN Mesalazin und nicht den für die Wider-
spruchsmarke aufgrund des in der Marke enthaltenen sprechenden Hinweises in
Betracht kommenden Wirkstoff Pantoprazol enthalten, resultiert kein Warenab-
stand. Der Wirkstoff Mesalazin wird bei Colitis ulcerosa und bei Enteritis regiona-
lis Crohn verwendet (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Aufl, S 963). Bei-
de vorgenannte Erkrankungen betreffen den Darm und überschneiden sich mit
dem im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke festgelegten Indikationsgebiet.
Eine unterschiedliche Wirkstoffzusammensetzung bewirkt demgegenüber keinen
zusätzlichen Warenabstand.
Zwischen den Widerspruchswaren und "produits vétérinaires" in der angegriffenen
Marke besteht eine engere Warenähnlichkeit. Die Vergleichswaren weisen als
Produkte der pharmazeutischen Industrie von ihrer betrieblichen Herkunft deutli-
che Überschneidungen auf. Gleiches gilt für die Vertriebswege, da veteri-
närmedizinische Erzeugnisse, soweit sie Arzneimittel sind, grundsätzlich der Apo-
thekenpflicht unterliegen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die
hier zu beurteilenden Vergleichswaren von ihrer Art nicht sowohl beim Menschen
als auch beim Tier eingesetzt werden können.
Diese Warensituation sowie der Umstand, daß mangels einer aus dem Waren-
verzeichnis ersichtlichen Veräußerungsbeschränkung (zB Rezeptpflicht) uneinge-
schränkt die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen sind, bedingen grund-
sätzlich strenge Anforderungen an den Markenabstand.
Dabei geht der Senat entgegen der Auffassung der Markeninhaberin von einer
nicht nur geringen, sondern im Bereich des Durchschnitts liegenden Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke aus. Die Bezeichnung "PANTOZOL" stellt
zwar nur eine Verkürzung des INN "Pantoprazol" dar. In der Rechtsprechung ist
aber auch in Fällen einer engen Annäherung an warenbeschreibende Angaben
bzw an INN anerkannt, daß für derartige Bezeichnungen eine hinreichende Un-
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terscheidungskraft besteht (BGH GRUR 1994, 803 - TRILOPIROX; GRUR 1995,
48 - Metroproloc), zumal es bei pharmazeutischen Erzeugnissen der üblichen
Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Zeichenteile Art,
Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen jedenfalls für den Fach-
mann erkennen lassen. Vorliegend genügt es daher für die Annahme einer nor-
malen Kennzeichnungskraft, daß durch die Weglassung der Silbe "pra" die Wort-
charakteristik der Widerspruchsmarke gegenüber dem INN nicht nur unerheblich
verändert ist.
Der unter diesen Umständen gebotene deutliche Abstand wird von der jüngeren
Marke in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten. Die sich gegenüberstehenden Zei-
chen stimmen in der Silbengliederung und damit im Sprech- und Beto-
nungsrhythmus überein. Das jeweilige Konsonantengerüst ist weitgehend ange-
nähert. Demgegenüber sind die Abweichungen in den jeweils ersten und zweiten
Vokalen nicht geeignet, ein ausreichend unterschiedliches Klangbild zu bewirken,
zumal der Mittelvokal "A" der angegriffenen Marke sich im Widerspruchszeichen
an anderer Stelle wiederfindet und zu einer weiteren Annäherung des Klangbilds
beiträgt. Der Sinngehalt von "Penta" (griechisch: "fünf") wirkt nicht verwechs-
lungsmindernd, da nicht davon ausgegangen werden kann, daß dieser vom Ver-
kehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfaßt wird und sein Verständnis
keinen weiteren Denkvorgang erfordert (Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9
Rdn 88 mwNachw).
Eine Kostenauferlegung ist nicht veranlaßt (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Dr. Buchetmann
Sommer
Schramm
br/Hu