Urteil des BPatG vom 05.03.2007

BPatG: stand der technik, patentanspruch, strahlung, ausbildung, volumen, streichung, einspruch, patentfähigkeit, unterdrückung, physiker

BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 62/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. März 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 196 08 650
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 5. März 2007 durch …
BPatG 154
08.05
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Im Einspruch ist fehlende Patentfähigkeit geltend gemacht worden. Das Patentamt
hat das Patent widerrufen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent wie
erteilt aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit den Hilfsanträgen 1 bis 7
und gegebenenfalls noch anzupassenden Unterlagen.
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
„Vorrichtung zum Erfassen von Benetzungsereignissen auf einer
Scheibe, insbesondere Windschutzscheibe eines Kraftfahrzeuges,
mit einem an der Scheibe anbringbaren Strahlungsleiter, mit dem
von einem Sender abgegebene Strahlung in die Scheibe einkop-
pelbar, aus dieser auskoppelbar und einem Empfänger zuführbar
ist,
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wobei die spektrale Strahlungsempfindlichkeit des Empfän-
gers (1, 1’) mittels Beschichtung (2.2, 2.3, 3.1) oder Einfär-
bung (2.1) auf einen vorbestimmten Wellenlängenbereich (λ) ein-
geschränkt ist.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht dem Patentanspruch 1 ge-
mäß Hauptantrag. Der Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Hauptantrag lediglich
durch die Streichung der Patentansprüche 5 und 6.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Patentan-
spruch 1 gemäß Hauptantrag durch seine zweiteilige Fassung und die Streichung
der die Einfärbung betreffenden Alternative. Er hat demnach folgenden Wortlaut:
„Vorrichtung zum Erfassen von Benetzungsereignissen auf einer
Scheibe, insbesondere Windschutzscheibe eines Kraftfahrzeuges,
mit einem an der Scheibe anbringbaren Strahlungsleiter, mit dem
von einem Sender abgegebene Strahlung in die Scheibe einkop-
pelbar, aus dieser auskoppelbar und einem Empfänger zuführbar
ist,
dadurch gekennzeichnet, daß
die spektrale Strahlungsempfindlichkeit des Empfängers (1, 1’)
mittels Beschichtung (2.2, 2.3, 3.1) auf einen vorbestimmten Wel-
lenlängenbereich (λ) eingeschränkt ist.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Patentan-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch das folgende an seinem Ende hinzugefügte
Merkmal:
„so daß die spektrale Strahlungsempfindlichkeit des Empfängers
optimal auf den Wellenlängenbereich (λ) der nutzbaren Strahlung
abgestimmt ist.“
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Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 entspricht dem Patentanspruch 1 ge-
mäß Hilfsantrag 3, weist an seinem Ende jedoch noch folgendes zusätzliche
Merkmal auf:
„und auftretende Störstrahlung vom Empfänger (1, 1’) als letztem
Element in einem zwischen Sender und Empfänger befindlichen
Strahlengang beseitigt wird.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Patentan-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch folgende an seinem Ende angefügte Merk-
male:
„und die Beschichtung (2.2) durch Aufbringen mindestens einer
Schicht auf der dem Strahlungsleiter zugekehrten Seite eines
Empfängergehäuses (2, 2’) vorgesehen ist oder die Beschich-
tung (3.1) durch mindestens eine Schicht auf dem Empfängerchip
gebildet ist.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 hat folgende Fassung:
„Vorrichtung zum Erfassen von Benetzungsereignissen auf einer
Scheibe, insbesondere Windschutzscheibe eines Kraftfahrzeuges,
mit einem an der Scheibe anbringbaren Strahlungsleiter, mit dem
von einem Sender abgegebene Strahlung in die Scheibe einkop-
pelbar, aus dieser auskoppelbar und einem Empfänger zuführbar
ist,
dadurch gekennzeichnet, daß
die spektrale Strahlungsempfindlichkeit des Empfängers (1, 1’)
mittels Einfärbung (2.1) auf einen vorbestimmten Wellenlängenbe-
reich (λ) eingeschränkt ist und die Einfärbung (2.1) im Volumen
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des Empfängergehäuses (2) bei der Herstellung vorgenommen
ist.“
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 unterscheidet sich vom Patentan-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 durch folgende an seinem Ende angefügte Merk-
male:
„wobei die Beschichtung (2.2) durch Aufbringen mindestens einer
Schicht auf der dem Strahlungsleiter zugekehrten Seite eines
Empfängergehäuses (2.2’) und durch mindestens eine Schicht auf
dem Empfängerchip (3) vorgesehen ist.“
Folgende Druckschrift wurde u. a. erörtert:
(1) DE 44 24 454 A1
Die Patentinhaberin hält ihre Bedenken zur Zulässigkeit des Einspruchs nicht auf-
recht. Sie ist der Ansicht, schon der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß
Hauptantrag sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies gelte erst
recht für die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen.
Die Einsprechende führt dagegen im wesentlichen aus, der Gegenstand des Pa-
tentanspruches 1 sowohl gemäß dem Hauptantrag als auch gemäß den Hilfsan-
trägen sei im Hinblick auf den aus Druckschrift (1) bekannten Stand der Technik
nicht patentfähig.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Der Einspruch ist unbestritten zulässig.
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Als Fachmann ist ein Physiker mit Hochschulausbildung anzusehen, der über
langjährige Erfahrungen in der Entwicklung von Regensensoren für Kraftfahrzeug-
scheiben verfügt und dabei vertiefte Kenntnisse der optischen Messtechnik erwor-
ben hat.
Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 3
Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag und gemäß den
Hilfsanträgen 1 bis 3 umfassen jeweils den Gegenstand des enger gefassten Pa-
tentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4. Nachdem letzterer - wie die nachfolgenden
Ausführungen zum Hilfsantrag 4 zeigen - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruht, sind auch die Patentansprüche 1 nach Hauptantrag und den Hilfsanträ-
gen 1 bis 3 nicht rechtsbeständig.
Hilfsantrag 4
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruht nicht auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit.
Aus Druckschrift (1) ist eine Vorrichtung zum Erfassen von Benetzungsereignissen
auf einer Scheibe eines Kraftfahrzeuges bekannt, die einen an der Scheibe
anbringbaren Strahlungsleiter (Optikkörper 1) aufweist, mit dem von einem Sender
abgegebene Strahlung in die Scheibe einkoppelbar, aus dieser auskoppelbar und
einer Fotodiode 3 als Empfänger zuführbar ist. Die spektrale Strahlungsempfind-
lichkeit des Empfängers ist dadurch auf einen vorbestimmten Wellenlängenbe-
reich eingeschränkt, dass der Empfänger als Filter ausgebildet ist (Sp. 3 Z. 22-24).
Durch das Filter ist die spektrale Strahlungsempfindlichkeit des Empfängers opti-
mal auf den Wellenlängenbereich der nutzbaren Strahlung abgestimmt. Dies er-
gibt sich aus der Darstellung des spektralen Transmissionsgrads in den Figuren
und ist auch aus der Beschreibung zu entnehmen (Sp. 1 Z. 29-31). Auftretende
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Störstrahlung wird vom Empfänger als letztem Element in einem zwischen Sender
und Empfänger befindlichen Strahlengang beseitigt (Sp. 1 Z. 31-33).
In Druckschrift (1) wird nicht ausdrücklich beschrieben, wie die Filtereigenschaft
des Empfängers verwirklicht ist. Für den Fachmann bietet es sich jedoch an, sich
an der für den Optikkörper beschriebenen Ausbildung des Filters durch Beschich-
tung des Optikkörpers zu orientieren (Sp. 1 Z. 62-65; Sp. 2 Z. 60-62) und den
Empfänger bzw. dessen Gehäuse zur Ausbildung eines Filters zu beschichten.
Hilfsantrag 5
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 5 beruht nicht auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit.
Zu den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5, die dieser mit
dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 gemeinsam hat, wird auf die dortigen
Ausführungen verwiesen.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 enthält die alternativ zueinander ange-
gebenen Merkmale, dass die Beschichtung durch Aufbringen mindestens einer
Schicht auf der dem Strahlungsleiter zugekehrten Seite eines Empfängergehäu-
ses vorgesehen ist oder die Beschichtung durch mindestens eine Schicht auf dem
Empfängerchip gebildet ist.
Das Beschichten des Empfängers zur Ausbildung eines Filters liegt für den Fach-
mann nahe, wie bereits zum Hilfsantrag 4 ausgeführt wurde. Für den Fachmann
ist es selbstverständlich, die Beschichtung auf der dem Strahlungsleiter zuge-
kehrten Seite des Empfängergehäuses anzubringen, denn bei Anbringung der
Schicht auf einer anderen Seite des Gehäuse würde das Nutzlicht nicht in die Fil-
terschicht gelangen.
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Auch die zweite im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 angegebene Alternative
liegt im Bereich des fachmännischen Handelns. Aus Figur 4 von Druckschrift (1)
ist es bekannt, einen offensichtlich als Schicht ausgebildeten Filter 14 innerhalb
des Empfängergehäuses anzuordnen. Die in Figur 4 angedeutete Anschlusslei-
tung (ohne Bezugszeichen) sowie die vom Ende der Anschlussleitung ausge-
hende, offensichtlich die Einbaulage des Empfängerchips verdeutlichende gestri-
chelte Linie deuten darauf hin, dass sich der Filter zumindest in der Nähe des
Empfängerchips befindet. Als einfachste Möglichkeit zur Verwirklichung eines in-
nerhalb des Empfängergehäuses in der Nähe des Empfängerchips angeordneten
Filters bietet es sich dem Fachmann an, eine Filterschicht auf dem Empfängerchip
vorzusehen.
Hilfsantrag 6
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 6 beruht nicht auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit.
Zu den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6, die dieser mit
dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 gemeinsam hat, wird auf die dortigen
Ausführungen verwiesen.
Aus Druckschrift (1) ist es bereits bekannt, die Filtereigenschaften eines optischen
Bauelements (Optikkörper 1) durch Mischung von Glasmaterialien unterschiedli-
cher Eigenschaften (Sp. 1 Z. 57-61) bzw. durch optisch aktive Zusätze (Sp. 2
Z. 67-68) zu verwirklichen. Dies entspricht einer Einfärbung des optischen Bau-
elements, die nur während seiner Herstellung vorgenommen werden kann. Bei der
in (1) bereits beschriebenen Ausbildung des Empfängers als Filter (Sp. 3 Z. 22-25)
ist zwar nicht beschrieben, wie die Filtereigenschaft verwirklicht wird. Der Fach-
mann erkennt jedoch ohne weiteres, dass die für die Ausbildung des Optikkörpers
als Filter beschriebene Einfärbung auch für den Empfänger anwendbar ist. Er ge-
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langt daher ohne erfinderisches Zutun dazu, die Einfärbung im Volumen des
Empfängergehäuses bei der Herstellung vorzunehmen.
Hilfsantrag 7
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 7 beruht nicht auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit.
Zu den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 7, die dieser mit
dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 und dem Patentanspruch 1 gemäß
Hilfsantrag 5 gemeinsam hat, wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen.
Aus Druckschrift (1) ist es bekannt, neben dem als Filter ausgebildeten Empfänger
ein weiteres Filter vorzusehen, das dem Optikkörper zugeordnet ist. Die Anord-
nung des Filters im Bereich des Optikkörpers bringt ersichtlich den Nachteil mit
sich, dass das bereits gefilterte Nutzlicht auf dem Weg vom Optikkörper zum
Empfänger noch Störlichteinflüssen ausgesetzt ist. Der Fachmann hat daher Ver-
anlassung, beide Filter im Bereich des Empfängers anzuordnen. Wie zum Hilfsan-
trag 5 bereits ausgeführt, liegt es für ihn nahe, Filter durch Beschichtung des
Empfängergehäuses oder durch Beschichtung des Empfängerchips zu schaffen.
Es bietet sich daher für ihn an, bei Einsatz von zwei Filtern sowohl die dem Strah-
lungsleiter zugekehrte Seite des Empfängergehäuses als auch den Empfänger-
chip zu beschichten. Diese Lösung ist besonders vorteilhaft, weil sie nicht nur zu
einer weitgehenden Unterdrückung von Störlichteinflüssen führt, sondern auch
wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, da die gesamten Filtereigenschaften der
Vorrichtung schon bei der Herstellung des Empfängers umgesetzt werden können.
An der Beurteilung der Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag
und den Hilfsanträgen kann auch der Vortrag der Patentinhaberin nichts ändern,
wonach es sich bei der beanspruchten Vorrichtung um einen Massenartikel
handle. Wie vorstehend ausgeführt, ergibt sich der Gegenstand des Patentan-
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spruches 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen für den Fachmann in nahelie-
gender Weise aus dem durch Druckschrift (1) bekannten Stand der Technik. Allein
die Tatsache, dass es sich bei einem neuen Gegenstand um einen Massenartikel
handelt, kann die erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
gez.
Unterschriften