Urteil des BPatG vom 30.11.2009
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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
19 W (pat) 36/06
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
30. November 2009
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 197 40 550.9-55
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 30. November 2009 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Dipl.-Ing.  Bertl,  der  Richterin  Kirschneck  sowie  der  Richter
Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. J. Müller
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die  am  15. September 1997  beim  Deutschen  Patent-  und  Markenamt  eingegan-
gene  Patentanmeldung  mit  der  Bezeichnung  „Steuerung“,  die  die  Priorität  der
deutschen  Gebrauchsmusteranmeldung  DE 296 17 837  vom  14. Oktober 1996  in
Anspruch  nimmt, wurde  von  der  Prüfungsstelle  für  Klasse G05B  durch  am
18. Mai 2006  verkündeten Beschluss  mit  Datum  vom  19. Mai 2006  mit  der  Be-
gründung  zurückgewiesen,  der  Anmeldegegenstand  betreffe  keine  Erfindung  im
Sinne des § 1 PatG.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G05B
des  Deutschen  Patent-  und  Markenamtes  vom  19. Mai 2006  auf-
zuheben  und  das  nachgesuchte Patent mit  folgenden  Unterlagen
zu erteilen:
-  Patentansprüche 1  bis  3  gemäß  Hauptantrag,  überreicht  in  der
mündlichen Verhandlung,
-  Beschreibung  und  20 Blatt  Zeichnungen,  Figuren 1  bis  18,  vom
Anmeldetag 15. September 1997.
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Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Einfügung einer Merkmalsgliederung:
F1
Steuerung (ST)  mit  Mitteln  zum  Steuern  eines  technischen
Prozesses  und  Mitteln  zur  Steuerung  einer  Bewegung  einer
Verarbeitungsmaschine,
F2
mit einem während eines Steuerbetriebs durch eine von der
Steuerung (ST)
umfasste CPU-Einheit ausführbaren,
Softwaremodule umfassenden Steuerprogramm,
dadurch gekennzeichnet, dass
F3
das  Steuerprogramm zum  Steuern des  technischen  Prozes-
ses eine Prozesssteuerungsfunktionalität und zur Steuerung
der Bewegung der Verarbeitungsmaschine eine Bewegungs-
steuerungsfunktionalität vereint,
F4
indem es zumindest zwei Softwaremodule (1) umfasst,
F4.1 die ihrerseits
F4.2 mindestens  ein  zur  Bewegungssteuerung  vorgesehenes  se-
quentielles Programm (4a, 4b) und
F4.3 mindestens  ein  einerseits  zur  Prozesssteuerung  und
andererseits zum Aufruf wie auch zur Koordination des oder
jedes sequentiellen Programms (4a, 4b) vorgesehenes zykli-
sches Programm (3a, 3b) umfassen,
F5
wobei jedes sequentielle Programm (4a, 4b) und jedes zykli-
sche  Programm (3a,  3b)  einen  Variablen-  und  Konstanten-
deklarationsteil (5) umfasst,
F6
wobei  die  Softwaremodule  jeweils  einen  Deklarationsteil (2)
umfassen,  auf  welchen  die  Programme  des  jeweiligen  Soft-
waremoduls (1)  zugreifen  und  in  welchem  Variablen
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und/oder  Datenstrukturen  und/oder  Bewegungsprofile  hin-
terlegt sind.
Als  Aufgabenstellung  nennt  die  Anmelderin  (Seite 2,  Zeilen 19  bis  26  der  ur-
sprünglichen Unterlagen):
„eine  Steuerung  der  eingangs  genannten  Art  anzugeben,  welche
die Verwirklichung von Prozessfunktionalitäten sowie  von techno-
logischen  Bewegungsabläufen  von  Verarbeitungsmaschinen  ver-
einfacht.
Darüber hinaus ist ein Programmiergerät zu schaffen, das die Er-
stellung für eine derartige Steuerung vereinfacht.“
Die Patentanmelderin ist der Auffassung, bei der von ihr angemeldeten Steuerung
sei  erstmals  vorgesehen,  ein  vollständig  modulares  Steuerprogramm  für  Verar-
beitungsmaschinen anzugeben, bei dem aus einem zyklischen Programmteil her-
aus ein oder mehrere sequentielle Programmteile aufgerufen würden.
Diese  Modularität  werde  dadurch  erreicht,  dass  sowohl  das  Softwaremodul  in  ei-
nem  Kopfteil  als  auch  die  einzelnen  zyklischen  und  sequentiellen  Programmteile
jeweils separate Konstantendeklarationsteile hätten.
Hierzu  gebe  es  keinerlei  Anregung  aus  dem  bekannt  gewordenen  Stand  der
Technik.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
- 5 -
II.
Die  frist-  und formgerecht erhobene  Beschwerde  ist  zulässig.  Sie  hat  jedoch  kei-
nen  Erfolg,  da  der  Gegenstand  des  Patentanspruchs 1  nach  § 1  Abs. 1  PatG  in
Verbindung mit § 4 PatG nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Aus der bereits im Zurückweisungsbeschluss zitierten Druckschrift (1)
JONES  K.:  "IEC  1131-3  programming  for  motion  control"  lEE  Colloquium  on
Configurable ServoControl Systems, 1994, 6/1 - 6/3
ist Folgendes bekannt: eine
F1
Steuerung (Seite 6/1, linke Spalte, 3. Absatz: Flexible Machi-
nery  Controller)  mit  Mitteln  zum  Steuern  eines  technischen
Prozesses  (Zusammenfassung:  applicable  to  distributed
multi-tasking motion control systems)  und Mitteln zur Steue-
rung
einer
Bewegung
einer
Verarbeitungsmaschine
(Seite 6/1, linke Spalte, 3. Absatz, letzter Teilsatz: controlling
up to 30 tightly co-ordinated axes)
F2
mit einem während eines Steuerbetriebs durch eine von der
Steuerung
umfasste  CPU-Einheit  (Seite 6/2,  linke  Spalte,  „5.  FMC
Hardware“) ausführbaren,
Softwaremodule  umfassenden  Steuerprogramm  (Seite 6/1,
rechte Spalte: 2. Languages),
wobei
F3
das  Steuerprogramm zum  Steuern des  technischen  Prozes-
ses  eine  Prozesssteuerungsfunktionalität  (Titel  PCL  -  Pro-
gramming  und  Seite 6/1,  linke  Spalte,  Absatz 2:  Live  data
may then me monitored and displayed … for that application)
und  zur  Steuerung  der  Bewegung  der  Verarbeitungsma-
schine  eine  Bewegungssteuerungsfunktionalität  vereint  (mo-
tion control),
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F4
indem  es  zumindest  zwei  Softwaremodule  (Seite  6/1,  linke
Spalte,  Absatz 2:  „pre-defined  control  elements  held  within
one or more libraries“) umfasst,
F4.1 das  seinerseits  (Seite 6/1,  linke  Spalte,  Absatz 1:  „hierarchi-
cal programming“)
F4.2 mindestens  ein  zur  Bewegungssteuerung  vorgesehenes  se-
quentielles  Programm  (Seite 6/1,  rechte  Spalte,  Absatz 3:
„sequential control algorithms“) und
F4.3 mindestens  ein  einerseits  zur  Prozesssteuerung  und
andererseits zum Aufruf wie auch zur Koordination des oder
jedes  sequentiellen  Programms  vorgesehenes  zyklisches
Programm  (Seite 6/1,  rechte  Spalte,  letzter  Absatz:  „high-le-
vel  textual  language  designed  for  structured  programming“)
umfasst.
Für  jeden  Fachmann,  der  hier  als  Diplom-Ingenieur  mit  Hochschul-  oder  zumin-
dest  Fachhochschulabschluss  der  Fachrichtung  Elektrotechnik  anzunehmen  ist,
der  mit  dem  Entwurf  von  Softwareprodukten  für  die  Prozessleittechnik  und  die
Maschinensteuerung  beauftragt  ist  und  daher  die  einschlägigen  Programmier-
sprachen beherrscht, ist dabei selbstverständlich, dass sowohl
F5
jedes sequentielle Programm und jedes zyklische Programm
einen Variablen- und Konstantendeklarationsteil umfasst, als
auch
F6
die Softwaremodule jeweils einen Deklarationsteil umfassen,
auf  welchen  die  Programme  des  jeweiligen  Softwaremoduls
zugreifen und in welchem Variablen hinterlegt sind.
Das  Wissen  des  Fachmann  bezüglich  der  Variablen-  und  Konstantendeklaration
ist  beispielsweise  durch  die  der  Anmelderin  bereits  aus  dem  Prüfungsverfahren
bekannten Druckschrift:
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(4)  A.  Diepgen:  "Einsatz  von  Hochsprachen  in  Anpasssteuerungen"  in  "ZwF"  84
(1989) 9, Seiten 495 bis 499,
belegt.
Dort  wird  eine  Steuerung  von  Verarbeitungsmaschinen  (Seite 495,  linke  Spalte,
Absatz 3,  1.  Zeile:  „Werkzeugmachinen“)  beschrieben,  die  einen  zyklischen  Pro-
grammteil  (Hochsprache)  und  daraus  heraus  aufgerufenen  sequentielle  Pro-
grammteile (SPS-Programmierung) aufweist.
Dabei gibt es sogenannte „Privatdaten“ (Seite 497, rechte Spalte, letzter Absatz),
die nur innerhalb des laufenden Bausteins Gültigkeit haben. Dies sind mit anderen
Worten  ausgedrückt,  die  in  Merkmal F5  des  Patentanspruchs 1  genannten  Vari-
ablen-  und  Konstantendeklarationsteile  der  sequentiellen  und  zyklischen  Pro-
gramme.
Daneben  gibt  es  sogenannte  „globale  Variablen“  (Seite 498,  linke  Spalte,  Satz 2
und  3).  Dies  entspricht  dem  im  Merkmal  F6  des  Patentanspruchs 1  genannten
Deklarationsteil,  auf  welchen  die  Programme  des  jeweiligen  Softwaremoduls
zugreifen und in welchem Variablen hinterlegt sind.
Somit ist im Patentanspruch 1 lediglich das Grundwissen des Fachmanns wieder-
gegeben,  soweit  die  darin  genannten  Merkmale  nicht  bereits  aus  der  Druck-
schrift (1) bekannt sind.
Mit  dem  nicht  gewährbaren  Patentanspruch 1  fallen  auch  die  auf  diesen  rückbe-
zogenen Patentansprüche 2 und 3.
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Somit war die Beschwerde zurückzuweisen.
Bertl
Kirschneck
Dr. Scholz
J. Müller
prö