Urteil des BPatG vom 16.11.2010

BPatG (patent, unterschrift, gewerblicher rechtsschutz, zpo, klasse, beschwerde, person, original, ausfertigung, rückzahlung)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 14/10
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 008 877.2
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 16. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Bender, des Richters Kätker sowie der Richterin Dr. Hoppe
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beschlossen:
1.
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 8. Oktober 2009 ist unwirk-
sam.
2.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e
I .
Die Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am
16. Februar 2009 eingegangene Anmeldung der Wortmarke
Hydro-Karbonat
für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 1, 11 und 42 durch den
von einer Beamtin des gehobenen Dienstes erlassenen Beschluss vom
11. Mai 2009 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Erinnerung der Anmelderin
vom 15. Juni 2009 hat die Markenstelle der Klasse 1 mit Beschluss vom
8. Oktober 2009 zurückgewiesen.
Dieser Beschluss enthält in dem in den Amtsakten befindlichen Original am Ende
lediglich maschinenschriftlich den Namen und die Bezeichnung eines Mitglieds
des Deutschen Patent- und Markenamts im höheren Dienst (W.), ist aber weder
mit einer handschriftlichen Unterschrift der entscheidenden Person, noch mit ei-
nem Dienstsiegel des Deutschen Patent- und Markenamts neben dem Namens-
abdruck versehen. Lediglich das Begleitschreiben der Markenstelle für Klasse 1,
mit dem der Beschluss an die Anmelderin versandt wurde („… anliegender Be-
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schluss wird ihnen zum Zwecke der Zustellung übersandt.“) verfügt neben der
Namensangabe der Tarifbeschäftigten H. über den Abdruck des Dienstsiegels des
Deutschen Patent- und Markenamts.
Auch die an die Anmelderin versandte Ausfertigung des Beschlusses enthält we-
der eine handschriftliche Unterschrift noch ein Dienstsiegel des Deutschen Patent-
und Markenamts neben dem maschinenschriftlichen Namensabdruck, wie eine
Nachfrage des Senats bei der Anmelderin ergab, die einen Faxabdruck der über-
mittelten Dokumente zur Verfügung stellte.
Gegen diesen Erinnerungsbeschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelde-
rin, mit der sie nach Hinweis auf die fehlende Unterschrift durch den Senat bean-
tragt,
die Unwirksamkeit des angefochtenen Beschlusses festzustellen
und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Zur Begründung trägt sie insoweit vor, dass die formell fehlerhafte Sachbehand-
lung durch das Deutsche Patent- und Markenamt eine Rückzahlung der Be-
schwerdegebühr rechtfertige.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zu der Feststellung, dass der
angefochtene Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 unwirksam ist, da er weder
von der ihn erlassenden Beamtin handschriftlich unterschrieben worden ist noch
- ersatzweise - neben der maschinenschriftlichen Namensangabe einen Abdruck
des Dienstsiegels des Deutschen Patent- und Markenamts enthält. Auch die der
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Anmelderin zugestellte Ausfertigung des Beschlusses enthält weder eine hand-
schriftliche Unterschrift noch ein Dienstsiegel neben der Namensangabe, so dass
ausgeschlossen werden kann, dass versehentlich der Anmelderin das Original des
Beschlusses zugestellt worden ist.
1.
Beschlüsse der Markenabteilungen des Deutschen Patent- und Markenamts
sind nach § 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG schriftlich auszufertigen und bedürfen auf
ihrer Originalfassung der Unterschrift des entscheidenden Beamten oder
- ersatzweise - des Namensabdrucks zusammen mit einem Abdruck des Dienst-
siegels des Deutschen Patent- und Markenamts. Dies ergibt sich aus § 20 Abs. 2
Satz 1 DPMAV, wonach Ausfertigungen von Beschlüssen den Namen und gege-
benenfalls die Dienstbezeichnung der Person, die den Beschluss unterzeichnet
hat, enthalten und von der Person unterschrieben werden müssen, die die Ausfer-
tigung hergestellt hat. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 DPMAV steht der Unterschrift ein
Namensabdruck zusammen mit einem Abdruck des Dienstsiegels des Deutschen
Patent- und Markenamts gleich.
2.
Zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses gehört somit die Unter-
schrift des an seinem Zustandekommen beteiligten Amtsträgers oder
- ersatzweise - der Abdruck seines Namens zusammen mit einem Abdruck des
Dienstsiegels des Deutschen Patent- und Markenamts auf dem Original. Es reicht
aus, dass von mehreren Exemplaren des Beschlusses eines unterschrieben ist.
Dem Unterschriftserfordernis ist aber nur dann genügt, wenn der Unterzeichner
durch die Unterschrift erkennen lässt, dass er die Verantwortung für den Inhalt der
Entscheidung übernimmt (s. Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl.,
§ 61 Rn. 3).
Nach § 20 Abs. 3 DPMAV dürfen zwar formlose EDV-Mitteilungen in der Kopfzeile
die Angabe „Deutsches Patent- und Markenamt“, den Hinweis, dass die Mitteilung
maschinell erstellt wurde und nicht unterschrieben wird, und die Angabe der zu-
ständigen Stelle enthalten. Dies gilt jedoch aufgrund ausdrücklicher Bestimmung
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nur für formlose EDV-Mitteilungen, nicht aber für förmliche Beschlüsse wie im vor-
liegenden Fall.
Es reicht auch nicht aus, dass lediglich das Zuleitungsschreiben des Deutschen
Patent- und Markenamts an die Anmelderin den Namen der Tarifbeschäftigten
und das Dienstsiegel des Deutschen Patent- und Markenamts enthält, weil dieses
abstrakte Formularschreiben nur Versandzwecken dient, ersichtlich nicht den In-
halt des Beschlusses abdeckt und zudem von einer anderen, für den Erlass von
Erinnerungsbeschlüssen nicht zuständigen Person stammt.
3.
Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Beschluss weder unterschrieben
noch weist er - ersatzweise - neben dem maschinenschriftlichen Namen das
Dienstsiegel des Deutschen Patent- und Markenamts auf, und zwar weder auf
dem Original in den Akten noch auf dem Exemplar, das der Anmelderin zugestellt
worden ist. Daher muss dieser Beschluss wegen § 61 Abs. 1 MarkenG i. V. m.
§ 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 DPMAV mangels gesetzlich vorgeschriebener Form als
unwirksam angesehen werden. Es liegt kein Beschluss vor, sondern bestenfalls
ein Beschlussentwurf (BPatG BlPMZ 2009, 130; s. auch BPatG, PAVIS Proma,
Kliems, 30 W (pat) 157/96, 24 W (pat) 125/97, 30 W (pat) 180/97, 30 W (pat)
193/97 und 28 W (pat) 207/00; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 61, Rn. 3;
Fezer, Markenrecht, § 61 MarkenG, Rn. 2; Fezer/Fink, Hdb. Markenpraxis, Bd. I,
MarkenVerfR, 1. Teil. 1. Kap., Rn. 46; Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG,
a. a. O.; Büscher, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl.,
§ 61 MarkenG, Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl.,
§ 329, Rn. 9 f. m. w. N.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 329, Rn. 17;
Musielak in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., § 329, Rn. 3;
Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 329, Rn. 11).
4.
Die fehlende Unterschrift kann bei einem im schriftlichen Verfahren vor dem
Deutschen Patent- und Markenamt erlassenen Beschluss auch nicht mit der Wir-
kung nachgeholt werden, dass dadurch ein der sachlichen Prüfung im laufenden
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Beschwerdeverfahren
zugänglicher
Beschluss
zustande
kommen
würde
(s. Ingerl/Rohnke, a. a. O.). Während nämlich verkündete Beschlüsse im Zeitpunkt
der Verkündung existent und zugleich wirksam werden, wird bei Entscheidungen
im schriftlichen Verfahren der Beschluss erst existent, wenn er - mit der Unter-
schrift versehen - den Gerichts- bzw. Behördenbereich verlassen hat (vgl. BPatGE
38, 16 f.; Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 329, Rn. 36). Die Unterschrift ist hier also not-
wendige Voraussetzung für die Existenz eines beschwerdefähigen Beschlusses.
Sie kann deshalb auch nicht im Rahmen einer Berichtigung gemäß § 319 ZPO,
die auch im Laufe des Beschwerdeverfahrens möglich wäre, nachgeholt werden,
da nur existente Entscheidungen (an die das Gericht bzw. die Behörde grundsätz-
lich gebunden sind) einem Berichtigungsverfahren zugänglich sein können.
Da somit die Nachholung einer fehlenden Beschlussunterschrift lediglich mit Wir-
kung für die Zukunft möglich ist (vgl. BGH NJW 1998, 609 f.; Musielak, ZPO,
5. Aufl., § 329, Rn. 4), müsste der nachträglich unterschriebene Beschluss erneut
zugestellt werden, und er würde eine neue Beschwerdefrist in Kraft setzen (vgl.
BPatGE 38, 16 f. und 41, 44 f. - Formmangel). Die vorliegende Beschwerde würde
sich demnach weiterhin gegen den ursprünglichen, ohne Unterschrift ergangenen
Beschluss richten und wäre nicht anders zu beurteilen.
5.
Somit ist der angefochtene Beschluss der Markenabteilung für Klasse 1
unwirksam. Diese Rechtsfolge muss auf die Beschwerde der Antragsteller aus-
drücklich festgestellt werden, um auf diese Weise den durch die Zustellung ent-
standenen äußeren Anschein eines wirksamen Entscheidung des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts zu beseitigen (BPatG BlPMZ 2006, 415 - Paraphe; BPatG
vom 29.9.2010, 35 W (pat) 40/09; s. Kirschneck in Ströbele/Hacker, a. a. O.
m. w. N.).
6.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG
gerechtfertigt. Denn ausschließlich das Patentamt hat es zu vertreten, dass die
von der Anmelderin mit der Beschwerde begehrte Sachentscheidung des Bun-
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despatentgerichts nicht getroffen werden kann. Da der zugestellte Beschluss der
Markenstelle vom 8. Oktober 2009 jedenfalls formell den Anschein einer rechts-
wirksamen, gemäß § 66 Abs. 1 MarkenG beschwerdefähigen Entscheidung gege-
ben hat, ist der Anmelderin auch nicht vorzuwerfen, dass sie das Fehlen der Un-
terschrift offenbar nicht bemerkt und das Deutsche Patent- und Markenamt des-
halb nicht veranlasst hat, den Beschluss mit der Unterschrift versehen erneut zu-
zustellen (Knoll in Ströbele/Hacker, a. a. O., § 66, Rn. 4).
Bender
Kätker
Dr. Hoppe
Cl