Urteil des BPatG vom 26.04.2001

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BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 53/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 03 578.8
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 26. April 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems so-
wie der Richter Knoll und Brandt
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Mar-
kenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 16. November 1999 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Das Zeichen
siehe Abb. am Ende
ist am 23. Januar 1999 für
"netzwerkbasierte Dienstleistungen; Telekommunikation; Unter-
nehmensverwaltung"
als Bildmarke zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke mit Beschluß vom 16. November 1999
aus den Gründen des Beanstandungsbescheids vom 23. April 1999 wegen fehlen-
der Unterscheidungskraft und des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses ver-
neint und die Anmeldung zurückgewiesen.
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In dem genannten Bescheid ist dazu ausgeführt, die aus englischsprachigen, je für
sich gesehen schutzunfähigen Begriffen in Form einer Internetadresse bestehen-
de angemeldete Marke stelle auch keine schutzfähige Gesamtmarke dar. Sie sei
in bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen lediglich ein beschreibender Hin-
weis darauf, daß diese für den Arbeits-Bereich, also für die berufliche Nutzung an-
geboten würden. Auch die graphische Ausgestaltung halte sich im Rahmen übli-
cher Werbegraphik.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem sinngemäßen An-
trag,
den Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 16. November 1999 aufzuheben und
die angemeldete Marke einzutragen.
Die Übersetzung der fremdsprachigen angemeldeten Marke werde von den inlän-
dischen Verkehrskreisen nicht ohne weiteres erkannt, da die Bezeichnung nicht in
den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sei. Zudem seien hinsichtlich des
Begriffes "work-center" zahlreiche andere Übersetzungen denkbar. So werde al-
lein der Begriff "work" mit "bedienen, formen, gestalten" etc übersetzt. Mangels ei-
nes konkreten, beschreibenden Bezugs zu den beanspruchten Dienstleistungen
bestehe auch kein Freihaltungsbedürfnis.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle
für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf den Inhalt der
Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
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Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung Schutzhindernisse nicht ent-
gegen. Die angemeldete Marke unterliegt insgesamt keinem Freihaltungsbedürfnis
nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG und verfügt aufgrund ihrer bildlichen Bestandteile
auch über die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.
Das angemeldete Wort-/Bildmarke besteht nicht ausschließlich aus Angaben im
Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, die im Verkehr zur Bezeichnung der Beschaf-
fenheit, Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Dienstleistun-
gen dienen können (vgl hierzu BGH WRP 2000, 1140, 1141 "Bücher für eine bes-
sere Welt" mwN).
Allerdings neigt der Senat entgegen der Ansicht des Anmelders dazu, in den Wort-
bestandteilen "work-center" insbesondere für "netzwerkbasierte Dienstleistungen"
eine beschreibende und somit für sich schutzunfähige Angabe zu sehen. Eine In-
ternet-Recherche zeigt, daß diese Wortkombination sogar in deutschsprachigen
Web-Seiten zur Beschreibung der Art und des Gegenstands der jeweiligen, meist
im Zusammenhang mit dem Internet stehenden Dienstleistungen verwendet wird.
So wird vom "PTN-Power Team Network" ein "Homepage Work Center" darge-
stellt, welches ua Informationen, Tips, Werkzeuge und Links für den Aufbau und
den Betrieb einer Homepage bietet. Auf einer Web-Seite "ITAC Telecommuting"
wird ein "Neighborhood Work Center" dahingehend definiert, daß sich ein "Nach-
barschafts(arbeits)zentrum" von einem Satellitenbüro dadurch unterscheide, daß
die Büroflächen von Angestellten verschiedener Betriebe genutzt werden. Auf je-
weils englischsprachigen Internet-Seiten unterschiedlicher Anbieter finden sich zB
Hinweise auf "an alternative work center resource for certain orders", "work center-
related processing", "Driver70's WebTV Work Center – A web tools page that in-
cludes a validator, view source, search engine links, ..." sowie "Work Center Sche-
duling". Schließlich wirbt das Unternehmen XEROX für einen "Work Center 470cx"
als "Multitalent" zum Drucken, Faxen, Kopieren und Scannen.
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Sämtliche genannten Beispiele lassen für die angesprochenen, der englischen
Sprache weitgehend kundigen Fachkreise in dem jeweiligen Zusammenhang die
Bedeutung des Begriffs "work center" hinreichend konkret und deutlich erkennen,
nämlich daß einzelne Arbeiten oder (Dienst-)Leistungen an einem zentralen Ort,
ausgeführt bzw anboten oder erbracht werden. Auch wenn eine beschreibende
Aussage im Sinne von "Arbeits-Zentrum" durchaus allgemein und begrifflich un-
spezifisch sein mag – was der Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses nicht ent-
gegen steht, weil sich auch begrifflich unbestimmte, verallgemeinernde Aussagen
als treffende Sachbegriffe eignen können (vgl BGH "Bücher für eine bessere
Welt") –, teilt der Senat nicht die Ansicht des Anmelders, daß es sich insoweit um
einen aufgrund der Fremdsprachigkeit mehrdeutigen, zur Beschreibung der bean-
spruchten Dienstleistungen nicht geeigneten Begriff handele.
Die Frage, ob der Wortbestandteil "work-center" in Bezug auf die einzelnen bean-
spruchten Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende und damit schutzunfä-
hige Angabe darstellt, kann für die Entscheidung jedoch letztlich dahingestellt blei-
ben, da ein Interesse der Wettbewerber an der Freihaltung der angemeldeten
Marke aufgrund der bildlichen Gestaltung zu verneinen ist, auch wenn sich der An-
melder selbst auf diesen Gesichtspunkt nicht beruft.
Die angemeldete Marke ist insoweit graphisch ausgestaltet, als sie am Beginn ei-
ne ununterbrochene Zickzacklinie ohne einen aufgrund verlaufender Gestaltung
klar bestimmbaren Anfang aufweist, was einem Verständnis als Buchstaben zu-
nächst entgegensteht. Der Bildcharakter wird noch dadurch verstärkt, daß die
Zickzacklinie nahtlos in das "w" von "work" übergeht, wobei auch der Grad der
Schräge der Linien beibehalten wird und sich nur die Schriftstärke verändert, näm-
lich zunimmt. Weiterhin ist auffällig und ungewöhnlich, daß der rote "Punkt" in
Form eines Quadrats – anders als sonst bei Internet- bzw E-Mail-Adressen üb-
lich – keine Zäsur nach den Buchstaben "www" und der Second-Level-Domain be-
wirkt. Soweit das in der angemeldeten Marke vorangestellte Zeichenelement als
"www" und damit als aus Internet-Adressen und E-Mail-Adressen geläufige Abkür-
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zung für "world wide web" erkannt wird, kommt – wovon offenbar auch der Anmel-
der selbst ausgeht – diesem Bestandteil für sich allerdings keine individualisieren-
de und zur Schutzfähigkeit der Gesamtbezeichnung beitragende Bedeutung zu
(vgl BPatG BlPMZ 2000, 294 "http://www.cyberlaw.de" mwN; PAVIS PROMA,
Bender, R0077/99-2 "WWW.PRIMEBROKER.COM").
Zwar mag aufgrund der inzwischen durch häufige Verwendung auch in der Wer-
bung und als Bestandteil von Marken und Markenanmeldungen vorhandenen
Kenntnis vom Aufbau derartiger Bezeichnungen ein Verständnis der angemelde-
ten Marke im Sinne von "www.work-center" für den angesprochenen Verkehr
durchaus nahe liegen. Jedoch entsteht durch die genannten graphischen Elemen-
te ein schutzbegründender "Überschuß" (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG,
6. Aufl, § 8 Rdn 145 mwN), der über den Charakter der beschreibenden und für
sich schutzunfähigen Wortbestandteile hinausgeht und der angemeldeten Marke
einen hinreichend phantasievollen Gesamteindruck verleiht. Anhaltspunkte dafür,
daß die anmeldungsgemäße graphische Gestaltung von Mitbewerbern zur Be-
schreibung der in Rede stehenden Dienstleistungen gegenwärtig oder im Hinblick
auf eine künftige beschreibende Verwendung benötigt bzw gar tatsächlich bereits
verwendet wird, sind nicht ersichtlich, so daß ein die Eintragung hinderndes Frei-
haltungsbedürfnis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht mit der erforderlichen Si-
cherheit festgestellt werden kann.
Unter diesen Umständen kann dem angemeldeten Zeichen auch nicht jegliche Un-
terscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden,
wobei eine noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht (vgl BGH WRP 2000,
1140, 1142 "Bücher für eine bessere Welt" mwN). Da die in gewissem Maße
durchaus originell mit den Wortbestandteilen verbundenen bildlichen Elemente
schon über eine einfache und übliche Werbegraphik hinausgehen, vermittelt die
angemeldete Marke als Ganzes einen hinreichend phantasievollen und prägnan-
ten Eindruck, um das Erinnerungsvermögen des Verkehrs in herkunftshinweisen-
der Funktion zu beeinflussen (vgl BGH GRUR 1991, 136, 137 "NEW MAN").
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Nach alledem war der angefochtene Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 auf
die Beschwerde des Anmelders aufzuheben.
Kliems Knoll Brandt
Abb. 1