Urteil des BPatG vom 06.07.2004
BPatG (marke, bundesrepublik deutschland, benutzung, form, rückzahlung, beschwerde, versicherung, umfang, verwechslungsgefahr, patent)
BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 30/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. Juli 2004
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 399 00 552
- 2 -
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Rich-
ters Dr. Ströbele sowie des Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterin Kirschneck
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß
der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 30. September 2002 aufgehoben, soweit der Wider-
spruch aus der Marke 1 084 265 zurückgewiesen worden ist.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 084 265 wird auch für
die Waren "Schuhwaren" die Löschung der Marke 399 00 552 an-
geordnet.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zu-
rückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die farbig ausgestaltete Marke
- 3 -
ist unter der Nummer 399 00 552 u.a. für die Waren
"Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"
in das Register eingetragen und am 27. Mai 1999 veröffentlicht worden.
Hiergegen ist in dem genannten Umfang Widerspruch erhoben von der Inhaberin
der Marke 1 084 265
DIAVOLO
die am 13. November 1985 gemäß § 6a WZG für
"Bekleidungsstücke, insbesondere Kinder- und Babybekleidungs-
stücke"
eingetragen worden ist. Ein gegen die Widerspruchsmarke gerichtetes Wider-
spruchsverfahren wurde am 14. Juli 1988 abgeschlossen.
Der Markeninhaber hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Wi-
dersprechende hat daraufhin eine eidesstattliche Versicherung des Herrn Horst
Seebeck vom 7. Februar 2000 sowie Kopien von Prospekten aus den Jahren 1994
bis 1998 und weiteres Benutzungsmaterial zu den Akten gereicht. In der eides-
stattlichen Versicherung ist dargelegt, daß die Widerspruchsmarke im wesentli-
chen für Kinder- und Babybekleidung benutzt worden sei, wobei für den Zeit-
raum 1994 bis 1998 jährliche Umsätze in Höhe von … bis … DM ange-
geben sind.
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Der Markeninhaber hat die Einrede der Nichtbenutzung aufrechterhalten, weil
durch die dargelegten Benutzungsformen
(Benutzungsform I)
bzw.
(Benutzungsform II)
der kennzeichnende Charakter der Marke verändert worden sei.
- 5 -
Mit Beschluß vom 30. September 2002 hat die mit einem Beamten des höheren
Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Marken-
amts die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren "Bekleidungsstücke,
Kopfbedeckungen" angeordnet und den weitergehenden Widerspruch zurückge-
wiesen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, daß von einer rechts-
erhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren "Bekleidungsstük-
ke, insbesondere Baby- und Kinderbekleidungsstücke" auszugehen sei. Soweit
die Widerspruchsmarke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt
worden sei, werde der Gesamteindruck der Marke hierdurch nicht maßgeblich ver-
ändert. Die von der angegriffenen Marke erfaßten "Bekleidungsstücke" seien mit
den Waren der Widerspruchsmarke identisch, hinsichtlich der "Kopfbedeckungen"
bestehe eine enge Ähnlichkeit. In dem genannten Umfang bestehe eine klangliche
Verwechslungsgefahr, die durch den identischen Sinngehalt der Vergleichsmarken
("Teufel") noch gesteigert werde. Hinsichtlich der von der angegriffenen Marke des
weiteren erfaßten "Schuhwaren" scheitere der Widerspruch dagegen wegen feh-
lender bzw. nicht ausreichender Warenähnlichkeit.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und verfolgt ihren Widerspruch
weiter, soweit dieser zurückgewiesen worden ist. Sie meint, daß Warenähnlichkeit
und damit eine Verwechslungsgefahr auch hinsichtlich der "Schuhwaren" der an-
gegriffenen Marke vorliege. Darüber hinaus hat sie mit Schriftsatz vom 28. Ju-
ni 2004 eine weitere eidesstattliche Versicherung des Herrn W… vom
25. Juni 2004 sowie Produktabbildungen und Kataloge vorgelegt. In der eidesstatt-
lichen Versicherung ist ausgeführt, daß die Widerspruchsmarke auch in den Jah-
ren seit 1999 für Kinder- und Babybekleidung eingesetzt worden sei. Die Umsätze
hätten … € im Jahr 1999, … € im Jahr 2000, … €
im Jahr 2001 und … bzw. … € in den Jahren 2002 und 2003 betragen.
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Die Widersprechende beantragt,
1. den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben, so-
weit darin der Widerspruch aus der Marke 1 084 265 zurückge-
wiesen worden ist und die Löschung der Marke 399 00 552
auch für die Ware "Schuhwaren" anzuordnen;
2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Hauptsache auch Erfolg.
1. Der Markeninhaber hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmar-
ke in zulässiger Weise gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG bestritten,
nachdem die Widerspruchsmarke im Zeitpunkt der Veröffentlichung der ange-
griffenen Marke (27. Mai 1999) bereits länger als fünf Jahre eingetragen bzw.
das gegen die Widerspruchsmarke gerichtete Widerspruchsverfahren seit mehr
als fünf Jahren abgeschlossen war (§ 26 Abs. 5 MarkenG).
Die Widersprechende hatte demnach eine rechtserhaltende Benutzung der Wi-
derspruchsmarke (§ 26 MarkenG) sowohl für den Zeitraum von fünf Jahren vor
der Veröffentlichung der angegriffenen Marke, d.h. vom 27. Mai 1994 bis
27. Mai 1999 (§ 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG), als auch für den Zeitraum von fünf
Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch, mithin vom 6. Juli 1999 bis
zum 6. Juli 2004 (§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), glaubhaft zu machen. Dies ist
ihr gelungen.
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Wie aus den eidesstattlichen Versicherungen vom 7. Februar 2000 und vom
25. Juni 2004 hervorgeht, wurde die Widerspruchsmarke in den Jahren 1994
bis 2003 in der Bundesrepublik Deutschland ununterbrochen für Kinder- und
Babybekleidungsstücke eingesetzt. Der dargelegte Benutzungsumfang ent-
spricht in jeder Hinsicht den Anforderungen an eine ernsthafte Benutzung.
Die vorgelegten Prospekte lassen erkennen, daß die Benutzung der Wider-
spruchsmarke auf in die Waren eingenähten bzw. an diesen angehefteten Eti-
ketten erfolgte, wobei die benutzte Form teils der eingetragenen Form der Wi-
derspruchsmarke entspricht, teils von dieser abweicht. Die Abweichungen, die
aus dem mit Schriftsatz vom 28. Juni 2004 eingereichten Benutzungsmaterial
aus dem zweiten Benutzungszeitraum hervorgehen, sind dieselben, die bereits
Gegenstand der Auseinandersetzung im patentamtlichen Verfahren waren (s.
oben). Die Markenstelle hat insoweit zu Recht angenommen, daß die benutzte
Form von den angesprochenen Verkehrskreisen der eingetragenen Form ohne
weiteres gleichgesetzt wird, so daß der kennzeichnende Charakter der Wider-
spruchsmarke durch die Abweichungen nicht verändert wird (§ 26 Abs. 3 Satz 1
MarkenG). Da der Markeninhaber diese Beurteilung im Beschwerdeverfahren
nicht mit Gegenrügen angegriffen hat, wird zur Vermeidung von Wiederholun-
gen auf die insoweit zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Be-
schluß der Markenstelle Bezug genommen.
Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist demnach davon auszugehen,
daß die Widerspruchsmarke rechtserhaltend für die Waren "Kinder- und Baby-
bekleidungsstücke" benutzt worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Eine wei-
tergehende Benutzung für Bekleidungsstücke im allgemeinen kann dagegen
nicht anerkannt werden. Unter diesen Oberbegriff fallen neben den genannten
Kinder- und Babybekleidungsstücken auch Herren- und Damenbekleidung. Die-
se Waren bilden jeweils eigene Märkte. Auch in den Verkaufsstätten werden sie
regelmäßig voneinander getrennt angeboten.
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2. Zwischen den Vergleichsmarken besteht Verwechslungsgefahr über den von
der Markenstelle angenommenen Umfang hinaus auch hinsichtlich der von der
angegriffenen Marke erfaßten "Schuhwaren" (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9
Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).
Die beschwerdegegenständlichen "Schuhwaren" der angegriffenen Marke lie-
gen im mittleren Warenähnlichkeitsbereich der "Kinder- und Babybekleidungs-
stücke" der Widerspruchsmarke. Die genannten Waren unterliegen zwar unter-
schiedlichen Anforderungen bei der Herstellung und werden daher regelmäßig
von verschiedenen Unternehmen produziert. Dem stehen jedoch nicht unerheb-
liche Gemeinsamkeiten im Verwendungszweck gegenüber. Vor allem aber ist in
der jüngeren Rechtsprechung wiederholt und zutreffend hervorgehoben wor-
den, daß Schuhe und Bekleidungsstücke zunehmend unter derselben Marke
angeboten und vermarktet werden. Dies legt es nahe, daß der angesprochene
Verbraucher bei – unterstellt – identischer Kennzeichnung davon ausgeht, die-
se Waren seien unter der Verantwortung und Kontrolle desselben Unterneh-
mens hergestellt worden. Darüber hinaus läßt der geschilderte Wandel der
Kennzeichnungspraxis das schützenswerte Bedürfnis erkennen, Bekleidungs-
marken auch gegenüber identischen oder verwechselbar ähnlichen Marken für
Schuhe angemessen verteidigen zu können. Die markenrechtliche Ähnlichkeit
von Schuhen und Bekleidungsstücken kann bei dieser Sachlage nicht verneint
werden (vgl. LG Düsseldorf Mitt. 2001, 456, 458 "Bekleidungsmarke"; BPatG,
Beschl. v. 11.
Dezember
2001, 27
W
(pat)
246/00; BPatG, Beschl. v.
25. Juni 2003, 26 W (pat) 49/02; weitere Nachweise bei Richter/Stoppel, Die
Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 300). Für die sich im
vorliegenden Fall gegenüberstehenden "Schuhwaren" und "Kinder- und Baby-
bekleidungsstücke" gilt insoweit nichts anderes. Diesem Ergebnis steht der
"JOHN LOBB"-Beschluß des Bundesgerichtshofs (GRUR 1999, 164, 166) nicht
entgegen, mit dem lediglich entschieden worden ist, daß die in der damaligen
Vorinstanz (BPatG GRUR 1996, 356 "JOHN LORD/JOHN LOBB") getroffenen
- 9 -
Feststellungen für die Annahme der Warenähnlichkeit nicht ausreichten (vgl.
hierzu auch Erdmann, GRUR 2001, 609, 614).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich einzu-
stufen. Die Annahme einer – von der Widersprechenden beanspruchten – er-
höhten Kennzeichnungskraft ist schon im Hinblick auf die in den letzten Jahren
deutlich rückläufigen Umsatzzahlen nicht gerechtfertigt. Andererseits ist die Wi-
derspruchsmarke infolge langjähriger und nicht unerheblicher Benutzung er-
sichtlich gut im Markt platziert, so daß von einer durchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft im oberen Bereich ausgegangen werden kann. Die angegriffene
Marke hat insoweit auch im Hinblick auf die von ihr erfaßten Schuhwaren einen
hinreichend deutlichen Abstand einzuhalten. Dem wird sie nicht gerecht.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, weist die angegriffene Marke,
deren Gesamteindruck durch das Kenn- und Merkwort "Diablo" geprägt wird,
erhebliche klangliche Übereinstimmungen mit der Widerspruchsmarke "DIAVO-
LO" auf. Hinzu kommt ein identischer Begriffsgehalt, der von entscheidungser-
heblichen Teilen des Verkehrs auch ohne weiteres erkannt werden kann. Inso-
weit ist mit Verwechslungen nicht nur im Bereich der Bekleidungsstücke und
Kopfbedeckungen, sondern ebenso im Umfang der beschwerdegegenständli-
chen Schuhwaren zu rechnen.
3. Es bestand kein Anlaß, einem der Beteiligten die Kosten des Beschwerdever-
fahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
4. Ohne Erfolg bleibt demgegenüber der Antrag der Widersprechenden, die Rück-
zahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen. Nach § 71 Abs. 3 MarkenG kann
das Patentgericht eine solche Anordnung treffen. Für die Beurteilung, ob dies
gerechtfertigt ist, kommt es nicht darauf an, ob die Beschwerde in der Sache
Erfolg hat. Eine Rückzahlung kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn be-
sondere Umstände vorliegen, welche die Einbehaltung der verfallenen Gebühr
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(ausnahmsweise) als unbillig erscheinen lassen würden, wie z.B. eine grob un-
richtige Rechtsanwendung durch das Deutsche Patent- und Markenamt (vgl.
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 71 Rn. 51 ff., 57 ff.). Dafür ist von
der Widersprechenden nichts vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.
Ströbele Kirschneck Hacker
Pü