Urteil des BPatG vom 13.03.2008

BPatG: verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, verkehr, gesamteindruck, prüfer, patent, markenregister, aufmerksamkeit, tierarzneimittel, dosierung

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
13. März 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 302 22 174.3
25 W (pat) 122/06
sitzen-
liems sowie der Richterin Bayer und des Richters Merzbach
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2008 unter Mitwirkung des Vor
den Richters K
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eschlossen:
t- und Markenamts vom 3. August 2006 aufgeho-
en.
che Erzeug-
nisse für medizinische Zwecke“ zu löschen.
G r ü n d e
I.
ie am 2. Mai 2002 angemeldete Marke
Felonex
t am 29. August 2002 u. a. für die Waren
ische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für
medizinische Zwecke“
unter der Nummer 302 22 174 in das Markenregister eingetragen worden.
b
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Be-
schluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen
Paten
b
Die Marke 302 22 174 ist aufgrund des Widerspruchs
aus der Marke IR 431 445 für die Waren „Pharmazeuti-
sche und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitär-
produkte für medizinische Zwecke; diätetis
D
is
„Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sani-
tärprodukte für medizin
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Die Inhaberin der am 29. Juni 1977 für die Waren
„Produits pharmaceutiques, produits chimiques pour la médecine
et l'hygiène, drogues pharmaceutiques, médicaments.
international registrierten Marke 431 445 IR
LEPONEX
hat dagegen Widerspruch erhoben, welcher sich gezielt gegen die oben aufge-
führten Waren richtet.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Be-
schluss vom 3. August 2006 durch einen Prüfer des höheren Dienstes den Wider-
spruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1,
107 MarkenG) zurückgewiesen.
Die sich gegenüberstehenden Waren seien identisch bzw. lägen im engsten Ähn-
lichkeitsbereich. Da nach Registerlage die Waren keiner Rezeptpflicht unterlägen,
seien allgemeine Verkehrskreise zu berücksichtigen, die gegenüber Waren, die
den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufbrächten.
Es könne im überschneidenden Warenbereich nur von einer durchschnittlichen
Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke
ausgegangen werden. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft sei nicht belegt. Zum
Ausschluss betrieblicher Herkunftsverwechslungen müsse noch ein deutlicher
Markenabstand eingehalten werden, dem das angegriffene Zeichen in jeder Hin-
sicht gerecht würde. Der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen
ließe noch hinreichende Differenzierungen zu, selbst wenn es sich um einen
Grenzfall handeln möge. In schriftbildlicher Hinsicht könnten die Unterschiede in
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den abweichenden Buchstaben „F“ / „L“ bzw. „L“ / „P“ weder bei Normalschrift
noch bei Versalschrift übersehen werden. Auch im Rahmen der klanglichen Ähn-
lichkeitsprüfung sei der gebotene Markenabstand gewahrt. Die Markenwörter
stimmten zwar in Silben- und Lautzahl, Silbengliederung, Sprechrhythmus, Beto-
nung sowie in der Vokalfolge „E-O-E“ und der Endung „-nex“ überein. Gleichwohl
überlagerten die klanglichen Unterschiede die vorhandene Gemeinsamkeit noch
derart, dass auch bei einer Markenbegegnung auf identischen Waren mit Ver-
wechslungen in entscheidungsrelevantem Umfang nicht zu rechnen sei. Zwei der
drei Silben wichen erkennbar voneinander ab, wobei Wortanfänge stärker beach-
tet würden als nachfolgende Wortteile. Die jeweiligen konsonantischen Anlaute
der ersten und zweiten Silben bewirkten einen wahrnehmbaren Kontrast im pho-
netischen Eindruck. Insbesondere durch den Sprenglaut „P“ in „LEPONEX“ weise
die Widerspruchsmarke einen etwas härteren Eindruck auf als die angegriffene
Marke „Felonex“. Trotz ihres Beitrags zum Gesamteindruck handle es sich bei der
aus markanten Lauten zusammengesetzten Endung „-nex“ um eine im Arzneimit-
telsektor häufig verwendete und damit als verbraucht anzusehende Endung.
Schließlich wirke der Begriffsanklang des Bestandteils „Felo“ an den INN „Felodi-
pin“, wie er in zahlreichen Drittzeichen branchenüblich Verwendung finde, der
Gefahr betrieblicher Herkunftsverwechslungen eher entgegen.
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt sinn-
gemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 3. August 2006 aufzuheben,
soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren „Pharmazeutische
und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medi-
zinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwe-
cke“ zurückgewiesen worden ist und die Marke 302 22 174 inso-
weit zu löschen.
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Die Marken seien sowohl in klanglicher als auch schriftbildlicher Hinsicht ähnlich.
Von den sieben Buchstaben der Marken seien fünf in Art und Anordnung identisch
und ein sechster Buchstabe „L“ sei an versetzter Stelle enthalten, so dass eine
Abweichung nur in einem Buchstaben gegeben sei. Die Abweichungen in den
Anfangsbuchstaben „L“ und „F“ seien leicht übersehbar, da beide Buchstaben
durch den langen Buchstabenrücken geprägt würden und zudem einen horizon-
talen, an der rechten Seite angebrachten Strich aufwiesen. Bezüglich der klangli-
chen Verwechslungsgefahr seien die beiden konsonantischen Abweichungen im
Hinblick auf denselben Sprechrhythmus und die identischen Vokale nicht ausrei-
chend. Beide Zeichen seien ferner durch die identische Endung „-nex“, der beson-
deres Gewicht beizumessen sei, da diese klanglich betont würde, und insbeson-
dere durch den markanten Buchstaben „x“ geprägt. Die gemeinsame Endung „-
nex“ sei nicht verbraucht, denn Eintragungen im Markenregister bedeuteten noch
keine tatsächliche Verwendung im Verkehr. Außerdem lasse sich selbst aus den
Eintragungen in Klasse 5 noch nicht entnehmen, dass derselbe Warenbereich be-
troffen sei.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat weder einen Antrag gestellt, noch zur
Beschwerde der Widersprechenden in der Sache Stellung genommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, einschließlich des Proto-
kolls der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2008 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden gegen den von einem Prüfer des höheren
Dienstes erlassenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des DPMA ist ge-
mäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig.
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In der Sache hat die Beschwerde der Widersprechenden in dem streitgegenständ-
lichen Umfang Erfolg, da hinsichtlich der Waren „Pharmazeutische und veterinär-
medizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; diätetische
Erzeugnisse für medizinische Zwecke“ der Klasse 5 der angegriffenen Marke eine
Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 107 MarkenG besteht.
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Um-
stände des Einzelfalls umfassend zu prüfen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -
PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich
nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der
Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind
zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wech-
selwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei ein geringerer Grad
eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen ausgeglichen werden
kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdn. 26).
Nachdem Benutzungsfragen nicht angesprochen sind, ist von den jeweils einge-
tragenen Warenbegriffen auszugehen.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren sind alle erheblichen Faktoren zu
berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen; hierzu
gehören insbesondere ihre Beschaffenheit, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft,
ihre regelmäßige Vertriebsart, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung, ihre wirt-
schaftliche Bedeutung und ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder sich
ergänzende Produkte (zur Definition der Ähnlichkeit von Waren/Dienstleistungen
vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 44). Insbesondere kommt es
darauf an, ob der Verkehr (bei gleicher Kennzeichnung) erwartet, dass die beider-
seitigen Waren unter der Kontrolle desselben Unternehmens hergestellt oder ver-
trieben werden, welches für ihre Qualität verantwortlich ist.
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Danach sind die sich gegenüberstehenden Waren hochgradig ähnlich und können
teilweise sogar identische sein. So ist die angegriffene Marke für „Pharmazeuti-
sche Erzeugnisse“ und „Sanitärprodukte für medizinische Zwecke“ geschützt, die
mit den Waren „Produits pharmaceutiques“ und „produits chimiques pour la méde-
cine et l'hygiène“ identisch sein können. Die angegriffenen „veterinärmedizinische
Erzeugnisse“ weisen eine hohe Ähnlichkeit zu den Waren „Produits pharmaceuti-
ques“ und „médicaments“ auf, da Humanarzneimittel und Tierarzneimittel die glei-
chen Inhaltsstoffe, Abgabeformen und Indikationsgebiete haben und von densel-
ben Herstellern stammen können. Auch hinsichtlich der „diätetischen Erzeugnisse
für medizinische Zwecke“ besteht eine hohe Warenähnlichkeit zu „Produits phar-
maceutiques“ und „médicaments“, da diätetische Erzeugnisse für medizinische
Zwecke sich unter Umständen lediglich in der Dosierung des darin enthaltenen
Wirkstoffes von Arzneimitteln unterscheiden und die Waren sich bei gleichen
Krankheiten begegnen können, wenn nämlich ein Patient aus medizinischen
Gründen diätetische Erzeugnisse zu sich nehmen muss.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Gesamtheit ist durch-
schnittlich. Es gibt insoweit weder für eine Stärkung noch für eine Schwächung der
Kennzeichnungskraft Anhaltspunkte.
Ausgehend von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke
und von einer zumindest großen Warenähnlichkeit bei den sich gegenüberstehen-
den Produkten reichen die vorhandenen Unterschiede jedenfalls in klanglicher
Hinsicht nicht aus, um eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr zu verhindern.
Da für keine der Waren im Warenverzeichnis eine Rezeptpflicht angegeben ist,
sind Endverbraucher ohne Einschränkung zu berücksichtigen. Hinsichtlich der in
Rede stehenden pharmazeutischen Erzeugnisse kann zwar eine erhöhte Auf-
merksamkeit der Verkehrskreise angenommen werden, jedoch nimmt der Verkehr
die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahr, sondern ist auf ein Erinnerungsbild
angewiesen. Da zumindest Laien den INN Felodipin nicht kennen, steht diesen
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keine begriffliche Merkhilfe zur Verfügung, sondern sie fassen die angegriffene
Marke als reines Fantasiewort auf. Die Zeichen stimmen in Silbenzahl, Vokalfolge
sowie den Lauten „-e-onex“ identisch überein. Der Konsonant „l“ ist in beiden Zei-
chen vorhanden. Er steht zwar an unterschiedlicher Wortstelle, was nicht immer
sicher erinnert werden kann. Die Anfangslaute „F“ und „L“ sind zwar bei isoliertem
Vergleich deutlich verschieden, doch eher klangschwach, so dass dieser Unter-
schied bei den dreisilbigen Zeichen auch am Zeichenanfang nicht so stark ins
Gewicht fällt. Der klangstarke Sprenglaut „p“ in der zweiten Silbe der Wider-
spruchsmarke unterscheidet sich zwar sehr deutlich von dem an dieser Stelle ste-
henden Laut „l“ der angegriffenen Marke. Da jedoch die Mittelsilben oft unbetont
sind, kommt dieser unterschiedliche Klangcharakter im Gesamteindruck nicht so
deutlich zum Vorschein, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden
kann, wenn sich die Marken auf gleichen Waren bei Laien begegnen und diese
auf ein ungenaues Erinnerungsbild angewiesen sind. Allein die Eintragung von
weiteren Marken mit der Endung „-nex“ oder „-onex“ genügt nicht, um diese En-
dung als kennzeichnungsschwach einzustufen, da über die Benutzungslage dieser
Zeichen nichts bekannt ist. Nicht entscheidungserheblich ist daher der Vortrag der
Inhaberin der angegriffenen Marke, dass es eine Vielzahl von Marken mit der glei-
chen Endung „nex“ oder „-onex“ gebe, so dass stärker auf die Unterschiede am
Zeichenanfang abzustellen sei.
Auch wenn nicht auf eine flüchtige Wahrnehmung, sondern auf den durchschnitt-
lich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der
jeweiligen Waren abzustellen ist (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl, § 9
Rdn. 113), kommen sich die Marken wegen der weitgehenden Übereinstimmun-
gen im Klangbild zu nahe. Da mit mündlichen Bestellungen und Empfehlungen zu
rechnen ist, führen bereits die klanglichen Ähnlichkeiten zu einer relevanten Ver-
wechslungsgefahr, so dass es auf die Frage, ob die Zeichen sich auch im Schrift-
bild zu ähnlich sind, nicht mehr ankommt.
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Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs. 1 MarkenG.
Kliems Merzbach
Bayer
Na