Urteil des BPatG vom 09.06.2000

BPatG: unterscheidungskraft, wortmarke, verkehrsdurchsetzung, originalität, genossenschaft, radio, werbeslogan, infrastruktur, anfang, haus

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 36/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 09 910.3
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 9. Juni 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Winkler, des
Richters v. Zglinitzki und der Richterin Pagenberg
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patentamt (seit dem 1. November 1998 "Deutsches Patent- und
Markenamt") ist am 23. Februar 1998 die Wortmarke
Sicher wohnen ein Leben lang.
für die Dienstleistungen
"Klasse 35: Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung;
Klasse 36:
Geldgeschäfte, Immobilienwesen;
Klasse
37: Bauwesen, Reparaturwesen (Instandsetzung und
Renovierung von Wohn- und Geschäftshäusern), In-
stallationsarbeiten;
Klasse 38:
Telekommunikation;
Klasse 41:
sportliche und kulturelle Aktivitäten;
Klasse 42:
ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheits-
pflege"
zur Eintragung in das Register angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 36 des Patentamts hat die Anmeldung durch Be-
schluß vom 6. Juli 1999 sowie die Erinnerung der Anmelderin durch Beschluß vom
1. Dezember 1999 gemäß §§ 37 Abs 1, 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG wegen fehlender
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Unterscheidungskraft zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt worden, die
angemeldete Marke stelle einen Werbeslogan dar, der von den angesprochenen
Verkehrskreisen lediglich als beschreibender Werbehinweis darauf verstanden
werden könne, daß mit den beanspruchten Dienstleistungen ein lebenslanges si-
cheres Wohnen angeboten werde. Für die behauptete Verkehrsgeltung und Ver-
kehrsdurchsetzung seien keine ausreichenden Unterlagen vorgelegt worden.
Mit ihrer Beschwerde beantragt die Anmelderin sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle des Patentamts aufzuheben.
Sie trägt im wesentlichen vor, die Anmeldemarke sei kein gewöhnlicher Werbe-
spruch, sondern das Zusammenspiel klanglicher, syntaktischer und semantischer
Eigenarten hebe diese Wortkombination, die sich mit der Qualität und dem
sprachlichen Niveau gesetzter Verszeilen vergleichen lasse, aus dem Umfeld
schlichter Werbesprüche heraus. Werbesprüche zielten darauf ab, die Aufmerk-
samkeit des Publikums durch plakative Vereinfachung, deutliche Übertreibung und
Betonung des emotionalen Gehaltes auf sich zu ziehen. Solche Elemente seien im
Slogan der Anmeldemarke aber nicht erhalten; vielmehr weise sie gegenüber
typischen Werbesprüchen ein "Weniger" auf. Im übrigen könne das
Dienstleistungsfeld "Geldgeschäfte" der Klasse 36 in keinerlei beschreibenden
Zusammenhang mit dem Slogan der angemeldeten Marke gebracht werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vortrags wird auf ihre Schriftsätze Bezug
genommen.
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II
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat folgt im Ergebnis der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts, daß
der als Wortmarke angemeldeten Bezeichnung "Sicher wohnen ein Leben lang."
bezüglich der beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Die Markenstelle hat die Anmeldung somit zu Recht gemäß § 37 Abs 1 MarkenG
iVm § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen.
Unterscheidungskraft iSd § 8 As 2 Nr. 1 Marken ist die konkrete Eignung einer
Marke, von den angesprochenen Verkehrskreisen als Unterscheidungsmittel für
die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, wobei jede noch
so geringe Unterscheidungskraft ausreicht (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409
- PROTECH; BGH GRUR 1999, 1089, 1090 - YES; BGH GRUR 1999, 1093,1094
- FOR YOU). Die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt insbesondere regel-
mäßig dann, wenn einer Wortmarke ein für die betreffenden Waren oder Dienstlei-
stungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet wer-
den kann (vgl BGH aaO).
Der Bundesgerichtshof hat in seiner jüngeren Rechtsprechung auch zu den
Grundsätzen der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Werbeslogans Stel-
lung genommen und zunächst vor allem betont, es sei nicht gerechtfertigt, von
unterschiedlichen, strengeren Anforderungen an die Unterscheidungskraft von
Werbeslogans gegenüber anderen Wortmarken auszugehen (vgl BGH GRUR
2000, 321, 322 - Radio von hier, Radio wie wir; BGH GRUR 2000, 323, 324
- Partner with the Best). Bei Werbeslogans nimmt der Verkehr zwar häufig eine
Werbeaussage an, die nicht in erster Linie der Identifizierung der Herkunft des
Produktes, sondern ausschließlich seiner Beschreibung dient (vgl BGH aa0). Da
sich aber Identifizierungsfunktion und Werbewirkung einer Bezeichnung nicht
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gegenseitig ausschließen, bedarf es in jedem Fall der Prüfung, ob der Werbeslo-
gan einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihm eine auch
noch so geringe Unterscheidungskraft zukommt (vgl BGH aaO). Die hinreichende
Unterscheidungskraft eines Werbeslogans kann sich aus seiner Kürze, Originalität
und Prägnanz oder auch aus einer interpretationsbedürftigen Mehrdeutigkeit
ergeben (vgl BGH aaO). Werbeslogans mangelt es jedoch an jeglicher
Unterscheidungskraft, wenn sie lediglich beschreibende Angaben oder Anprei-
sungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthalten (vgl BGH aaO). Letzteres
ist aber bei dem vorliegend als Marke angemeldeten Slogan "Sicher wohnen ein
Leben lang." gerade der Fall.
Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Wortfolge "Sicher wohnen ein Le-
ben lang." nämlich nur als eindeutige sprachübliche Aussage verstehen, die
schlicht und einfach einen fundamentalen, allgemein empfundenen Wunsch der
Menschen nennt und hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen offensicht-
lich lediglich eine rein beschreibende Bestimmungsangabe darstellt, welche die
Erfüllung dieses Bedürfnisses verspricht. Die Anmeldemarke mag insofern prä-
gnant sein, als sie in der verhältnismäßig kurzen Form eines Mottos, einer Maxime
oder dergleichen den Kern der mit den beanspruchten Dienstleistungen verfolgten
Ziele besonders treffend beschreibt, ihr fehlt jedoch von Haus aus jegliche
sprachliche oder dienstleistungsbezogene bedeutungsinhaltliche Originalität.
Die Ansicht der Anmelderin, der angemeldete Slogan weise außergewöhnliche
klangliche, syntaktische und semantische Eigenarten auf, vermag der Senat nicht
nachzuvollziehen. Den angesprochenen Verkehrskreisen wird keine Eigentümlich-
keit der Wortwahl oder der Ausdrucksform auffallen können, zumal nach ständiger
Rechtsprechung eine Bezeichnung vom Verkehr in der Regel ohne analysierende
Betrachtungsweise so wahrgenommen wird, wie sie ihm unmittelbar entgegentritt.
Die Aussage der Anmeldemarke könnte zwar auch "Ein Leben lang sicher woh-
nen." lauten; den Teil - "Sicher wohnen" -, der betont werden soll und der als
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wichtiger angesehen wird, an den Anfang zu ziehen, ist in der deutschen Syntax
aber eine völlig korrekte und allgemein geläufige stilistische Ausdrucksweise.
Die angemeldete Bezeichnung "Sicher wohnen ein Leben lang." besitzt zudem
glatt beschreibende Bezüge zu sämtlichen beanspruchten Dienstleistungen. Die
Anmelderin hat bereits vor dem Patentamt schriftsätzlich an Hand einiger vorge-
legter Prospektkopien umfassend dargelegt, die Marke enthalte viele Anknüp-
fungspunkte an die typischen Eigenschaften ihrer Leistungen, als Motto der Ge-
schäftspolitik stelle der Slogan "Sicher wohnen ein Leben lang." das Ziel aller
Bemühungen der Anmelderin dar. Sämtliche der in der Anmeldung beanspruchten
Dienstleistungen können dem lebenslangen sicheren Wohnen dienen, indem sie
insbesondere den Bau günstiger Wohnungen fördern, unangemessene Mieterhö-
hungen und Kündigungen ausschließen oder ein altersgerechtes Wohnen in einer
optimalen Infrastruktur ermöglichen. Dies wird schon durch die eingereichten
Prospektauszüge der als Baugenossenschaft tätigen Anmelderin sehr anschaulich
belegt. Darin heißt es beispielsweise unter anderem:
"Sicheres und gutes Wohnen in einem angenehmen Wohnumfeld,
zu angemessenen Preisen und in genossenschaftlicher Selbstbe-
stimmung - dies zu verwirklichen, ist die Aufgabe, die sich die .....
im Auftrag ihrer Mitglieder gesetzt hat. Dabei ist sie sich bewußt,
daß jedes Lebensalter andere Anforderungen an das Wohnen in
der Genossenschaft stellt. Die ... wird diesem hohen Anspruch ge-
recht, indem sie Wohnraum schafft, der in allen Lebensabschnit-
ten zeitgemäßes Wohnen in der vertrauten Umgebung ermöglicht
...
Durch sein Betreuungsangebot garantiert ....., daß die Mitglieder
der .... ein Leben lang in ihrer Genossenschaft wohnen können.
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Genossenschaftliches Wohnen bei der ... ist der ideale Weg zwi-
schen Wohneigentum und Mietwohnung für engagierte und selbst-
bestimmte Menschen, die das Ziel haben:
Sicher wohnen ein Leben lang."
Soweit die Anmelderin nunmehr meint, der Slogan der Anmeldemarke stünde in
keinem beschreibenden Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen
"Geldgeschäfte", vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Denn die
Anmelderin hat bereits im Verfahren vor dem Patentamt schriftsätzlich ausgeführt
und belegt, daß sie sich zur Erreichung ihrer Ziele mit dem Aufbau einer eigenen
Sparkasseneinrichtung auch auf finanziellem Gebiet Unabhängigkeit und Stärke
geschaffen habe. Im übrigen liegt es nahe und ist allgemein bekannt, daß auch
Geldanlagen und diverse Sparformen eine wesentliche Grundlage für ein leben-
langes sicheres Wohnen bieten können.
Den Aspekt einer Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke auf Grund Verkehrs-
durchsetzung hat die Anmelderin im Beschwerdeverfahren nicht weiter verfolgt.
Die Verkehrsdurchsetzung der Anmeldemarke gemäß § 8 Abs 3 MarkenG dürfte
jedenfalls gegenwärtig auch kaum in Betracht kommen, da der geschäftliche Wir-
kungskreis der Anmelderin nach ihrem eigenen Vortrag regional verhältnismäßig
eng begrenzt ist und somit eine weitgehende Bekanntheit des Slogans "Sicher
wohnen ein Leben lang." in ganz Deutschland äußerst unwahrscheinlich erscheint.
Winkler Pagenberg
v.
Zglinitzki
Cl