Urteil des BPatG vom 27.09.2007

BPatG: eugh, unterscheidungskraft, beschreibende angabe, begriff, verkehr, bestandteil, ware, markenregister, unternehmen, kennzeichnungskraft

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
27. September 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marken
meldung 303 57 926
25 W (pat) 177/05
Verkündet am
an
sitzen-
den Richters Kliems sowie des Richters Merzbach und der Richterin Bayer
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 27. September 2007 unter Mitwirkung des Vor
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Comfort Gel
ist am 10. November 2003 für die Waren
„Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Ophthalmika“
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Mit zwei Beschlüssen der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 14. Juni 2005 und vom 17. Oktober 2005, von denen letzterer im
Erinnerungsverfahren ergangen ist, wurde die Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG zurückgewiesen. Ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG besteht, blieb in beiden Beschlüssen dahingestellt.
Die angemeldete Marke setze sich deutlich erkennbar aus den Begriffen „Comfort“
und „Gel“ zusammen. „Comfort“ bedeute „auf technisch ausgereiften Einrichtun-
gen beruhende Bequemlichkeiten, Annehmlichkeiten“, wobei auch die Schreib-
weise mit „C“ am Wortanfang nicht schutzbegründend wirke. Im Übrigen sei das
Wort „comfort“ Bestandteil des englischen Grundwortschatzes. Der Begriff „Gel“
sei sowohl in der englischen als auch in der deutschen Sprache in weitgehend
identischen Bedeutungen, nämlich zur Bezeichnung eines feindispersiven Sys-
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tems aus (mindestens) einer festen und einer flüssigen Phase (einem flüssigen
und einem festen Stoff), die sich gegenseitig durchdringen und ein dreidimensio-
nales System bilden, gebräuchlich. Der Begriff „Gel“ werde insbesondere dazu
benutzt, um eine weiche, geschmeidige, gelförmige Substanz zu beschreiben, die
als medizinisches oder kosmetisches Produkt oder in der Lebensmittelindustrie
verwendet werde. Insgesamt bedeute die angemeldete Marke „Comfort Gel“, dass
es sich bei den so gekennzeichneten Waren um weiche, geschmeidige Substan-
zen handele, die hinsichtlich ihrer Anwendung Bequemlichkeit, Annehmlichkeit
bieten, die bequem anzuwenden seien. Die angesprochenen Verkehrskreise ver-
stünden die Bezeichnung in diesem Sinne. Im Hinblick auf diesen sachbezogenen
Sinngehalt fehle der Anmeldemarke jegliche Unterscheidungskraft. Die Erinne-
rungsprüferin wies zudem darauf hin, dass es nicht darauf ankomme, ob der Beg-
riff „Comfort Gel“ so existiere bzw. lexikalisch nachweisbar sei. Der Begriff sei
sprachüblich gebildet und weise in Bezug auf die einschlägigen Waren keine
schutzbegründende Mehrdeutigkeit auf.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag (sinngemäß)
die Beschlüsse der Markenstelle des DPMA vom 14. Juni 2005
und vom 17. Oktober 2005 aufzuheben.
Der angemeldeten Marke fehle nicht jegliche Unterscheidungskraft. Selbst unter
der Annahme, dass der Zeichenbestandteil „Comfort“ auf die Bedeutung „bequem“
eingeschränkt wäre, ergebe sich keineswegs ein ohne weiteres allgemein ver-
ständlicher Begriff, denn ein „komfortables Gel“ könne die Art einer Ware nicht
eindeutig beschreiben. Ein „komfortables Gel“ sei im Vergleich zu einem „komfor-
tablen Sofa“ keine sinnvolle Aussage. Es sei nicht möglich, das Zeichen „Comfort
Gel“ in einem Satz beschreibend zu verwenden. Insbesondere sei der Bestandteil
„Comfort“ für die Art der Waren nicht beschreibend. Eine bloße Aneinanderreihung
von zwei Substantiven ohne weitere Angaben sei in der deutschen Sprache nicht
üblich. Eine Marke „Gel für Comfort“ oder „Gel mit Comfort“ sei jedoch nicht an-
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gemeldet. Die Marke weise somit eine ausreichende grammatikalische Besonder-
heit auf, so dass die relevanten Verkehrskreise die Zusammenstellung als Marke
verstünden. Die dem Beschluss beigefügten Internetauszüge zeigten, dass
„Comfort Gel“ eine Ware nicht eindeutig beschreiben könne. Insbesondere sei
nicht ersichtlich, inwiefern die Wortmarke speziell „Ophthalmika“ beschreiben
solle. Da die angemeldete Marke keine unmittelbar beschreibende Angabe dar-
stelle, bestehe auch kein Freihaltebedürfnis.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, einschließlich des Proto-
kolls der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2007 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht das Schutzhindernis der fehlen-
den Unterscheidungskraft entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger
Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsiden-
tität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die ei-
ner Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unter-
nehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur
st. Rspr. BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice; EuGH GRUR 2004, 674 –
Postkantoor). Es muss also eine Kennzeichnungskraft mit der Eignung zur Aus-
übung der Herkunftsfunktion verbunden sein, auch wenn eine Marke zusätzlich
noch weitere Funktionen haben kann (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 8
Rdn. 39).
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Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren
und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wo-
bei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, auf-
merksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren
abzustellen ist. Da die angemeldeten Ophthalmika teilweise auch ohne Einschal-
tung des Fachverkehrs erworben werden können, gehören zu den beteiligten Ver-
kehrskreisen nicht nur der Fachverkehr, sondern auch allgemeine Verkehrskreise.
Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche
Zeichen, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren le-
diglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen
(vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 – Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch
darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Vor-
aussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann
die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR
2004, 674 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 – Biomild).
Dabei reicht zur Versagung der Eintragung bereits aus, wenn das Zeichen nur für
einen Teil der Waren nicht schutzfähig ist, der unter die jeweiligen Oberbegriffe
fällt (vgl. BGH WRP 2002, 91 – AC).
Auch die Bezeichnung Bezeichnung „Comfort Gel“ hat hinsichtlich der angemel-
deten Waren den Charakter einer bloßen Sachbezeichnung.
Der Zeichenbestandteil „Comfort“ bedeutet u. a. „Annehmlichkeit, Bequemlichkeit,
Komfort“ und wird von den deutschen Verkehrskreisen, insbesondere auch wegen
seiner Nähe zu dem deutschen Wort „Komfort“ in diesem Sinne verstanden. Der
weitere Bestandteil „Gel“ weist auf eine gelartige Substanz hin und weist in der
englischen Sprache eine identische Bedeutung auf. In Verbindung mit Ophthal-
mika sieht der Verkehr in dieser Bezeichnung in der Regel einen Hinweis auf die
Abgabeform.
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Entgegen der Ansicht der Anmelderin hat auch die Kombination der Angaben
„Comfort“ und „Gel“ keine Unterscheidungskraft. Es drängt sich ein Verständnis
als Sachangabe auf, auch wenn daraus nicht ersichtlich ist, in welcher Hinsicht
das Gel Komfort bietet. Es können nämlich auch relativ allgemeine Angaben von
Fall zu Fall als verbraucherorientierte Sachinformation zu bewerten sein, insbe-
sondere wenn sie sich - wie hier - auf allgemeine Sachverhalte beziehen (Strö-
bele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdn. 58). Vor allem bei Oberbegriffen
oder Sammelbezeichnungen ist eine gewisse Allgemeinheit und Unschärfe sogar
unvermeidbar, um den gewünschten möglichst weiten Bereich warenbezogener
Eigenschaften erfassen zu können. Der Begriff „Comfort“ kann darauf hinweisen,
dass bei den angemeldeten Waren die Anwendung oder die Wirkungsweise kom-
fortabel sind, und damit kann der Hinweis auf die Bequemlichkeit, die das Gel
bietet, einen weiten Bereich abdecken, was gerade gewollt sein kann.
Der Verkehr hat keinen Anlass, „Komfort“ lediglich mit technischen Waren zu ver-
binden, sondern versteht dieses Wort ebenso bei anderen Waren oder sogar
Dienstleistungen als Hinweis auf die Bequemlichkeit, die sie bieten. Hinzu kommt,
dass auch Arzneimittel bzw. Arzneimittelverpackungen durch die dabei gewählte
Technik, z. B. für die Entnahme des Mittels, einfacher oder komplizierter in der
Anwendung sein können, so dass auch bei diesen Waren ein technischer Aspekt
in Betracht kommen kann. Dass es noch andere Möglichkeiten gibt, diese Merk-
male der Waren auszudrücken, ändert nichts am Verständnis des Verkehrs, dass
es sich auch bei dem angemeldeten Ausdruck um einen bloßen Sachhinweis han-
delt (vgl. EuGH, GRUR 2004, 674 - Postkantoor).
Hinzu kommt, dass die bloße Zusammenstellung zweier beschreibender Sachan-
gaben keine Schutzfähigkeit begründet. Die bloße Aneinanderreihung beschrei-
bender Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbeson-
dere syntaktischer oder semantischer Art, kann nämlich nur zu einer Bezeichnung
führen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, welche im Verkehr
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zur Bezeichnung von Merkmalen der genannten Waren dienen können. (EuGH
GRUR 2004, 680 - Biomild). Es trifft im Übrigen auch nicht zu, dass es grammati-
kalisch unmöglich sei, zwei Substantive nebeneinander zusammenzustellen. So
gibt es etwa den „user comfort“ (Nutzerkomfort).
Darüber hinaus zeigt auch die der Anmelderin mit dem angefochtenen Beschluss
übersandte Recherche, dass die Zusammenstellung der beiden Wörter „Comfort“
und „Gel“ z. B. bereits im Zusammenhang mit einem After Shave verwendet wird.
Auch Voreintragungen von Zeichen mit den Bestandteilen „comfort“, auf die die
Anmelderin hingewiesen hat, ändern nichts an der Schutzunfähigkeit der vorlie-
genden Bezeichnung für die angemeldeten Waren. Abgesehen davon, dass die
Frage der Schutzfähigkeit von angemeldeten Marken nicht eine Ermessensfrage,
sondern eine Rechtsfrage ist (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8.
Aufl., §
8
Rdn. 25), und daher aus Voreintragungen kein Rechtsanspruch auf Eintragung
selbst einer identischen Marke hergeleitet werden kann, handelt es sich bei den in
der Beschwerdebegründung aufgeführten Marken mit den genannten Bestandtei-
len (z. B. „ComfortCare“, „Comfort Guard“, „Comfort Balance“) um andere Kombi-
nationen in teilweise anderen Klassen, die mit der vorliegenden Anmeldung nicht
ohne weiteres zu vergleichen sind. Hinzu kommt, dass seit diesen Eintragungen
das Verständnis englischsprachiger Begriffe im Verkehr noch größer geworden ist
und auch die Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf absolute Schutzhindernisse
jedenfalls seit den Entscheidungen Biomild (EuGH GRUR 2004, 680) und
Postkantoor (vgl. EuGH, GRUR 2004, 674) nicht mehr die Linie der Entscheidung
„Baby-dry“ (EuGH GRUR 2001, 1145) verfolgt, auf welche die Anmelderin hinge-
wiesen hat.
Da die Anmeldung bereits wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückzuweisen
ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG der Eintragung entgegensteht.
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Die Beschwerde war zurückzuweisen.
Kliems Merzbach Bayer
Na