Urteil des BPatG vom 19.09.2001

BPatG: beschreibende angabe, durchgesetzte marke, unterscheidungskraft, zukunft, werbung, patent, freihaltebedürfnis, wortmarke, unternehmen, beherbergung

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 49/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
19. September 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 25 064.9
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 19.
September
2001 unter Mitwirkung des
Richters Kraft als Vorsitzendem sowie des Richters Reker und der Richterin
Eder
BPatG 154
6.70
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der
Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 16. Januar 2001 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Mit dem vorgenannten Beschluß hat die Markenstelle für Klasse 32 des Deut-
schen Patent- und Markenamts die für die Waren und Dienstleistungen
"Biere; Mineralwässer; kohlensäurehaltige Wässer und
andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Frucht-
säfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von
Getränken;
alkoholische Getränke (ausgenommen Biere),
Verpflegung; Beherbergung von Gästen"
angemeldete Wortmarke
ERDINGER X-TRA
gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft und
wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Die Zurück-
weisung ist im wesentlichen damit begründet, daß die angemeldete Bezeichnung
im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich
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eine allgemeine Werbeaussage darstelle, die als Hinweis darauf gewertet werde,
daß die betreffenden Waren und Dienstleistungen extra gut bzw von besonderer
Qualität seien und in Erding hergestellt bzw vertrieben würden. Derartigen Werbe-
slogans, die kein fantasievolles schutzfähiges Element aufwiesen, fehle jegliche
Unterscheidungskraft, da sie von den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich
als Anpreisung der Waren und Dienstleistungen, nicht aber als betrieblicher Her-
kunftshinweis aufgefaßt würden. An derartigen sloganartigen Werbeaussagen
bestehe auch ein aktuelles Freihaltebedürfnis.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ihrer Ansicht nach stehen
der begehrten Eintragung keine Schutzhindernisse entgegen. Bei dem Markenbe-
standteil "ERDINGER" handle es sich um eine durchgesetzte Marke, die Stamm-
bestandteil einer Vielzahl von "ERDINGER"-Marken sei, was das Bundespatent-
gericht bereits im Jahre 1994 festgestellt habe (GRUR 1994, 627). Aufgrund der
Bekanntheit der Marke "ERDINGER" stehe dieser Markenbestandteil bereits allein
für die Herkunft aus dem Betrieb der Anmelderin. Auch der weitere Markenbe-
standteil "X-TRA" besitze Unterscheidungskraft, denn er sei schon aufgrund seiner
Schreibweise fantasievoll und schutzfähig. Zudem habe das Wort "extra" verschie-
dene Bedeutungen, so daß sie keine eindeutig beschreibende Angabe darstelle.
Im übrigen sei die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zu bewerten.
Demgemäß beantragt die Anmelderin sinngemäß die Aufhebung des angefochte-
nen Beschlusses.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet, denn der
begehrten Eintragung stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2
MarkenG nicht entgegen.
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1.
Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind nur Marken von der Eintragung ausge-
schlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur
Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung
sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen dienen
können. Zu den nach dieser Vorschrift vom Markenschutz ausgeschlossenen
Angaben zählen allerdings nicht nur die dort ausdrücklich aufgeführten, sondern
auch solche, die für den Warenverkehr wichtige und für den umworbenen Abneh-
merkreis irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betref-
fenden Waren und Dienstleistungen selbst beschreiben (vgl BGH GRUR 1998,
813 – CHANGE; BlPMZ 1999, 410 – FOR YOU) und die entweder bereits als
Sachaussage benutzt werden oder deren Benutzung als Sachaussage aufgrund
konkret feststellbarer tatsächlicher Umstände in Zukunft zu erwarten ist (BGH
GRUR 1995, 408 – PROTECH). Der Beurteilung ist dabei die angemeldete
Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zugrundezulegen und keine zergliedernde
Betrachtungsweise vorzunehmen (BGH MarkenR 2000, 420 –
RATIONAL
SOFTWARE CORPORATION). Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die
Anmeldung "ERDINGER X-TRA" jedoch nicht.
Eine Verwendung der um Schutz nachsuchenden Bezeichnung als beschreibende
Angabe für die von der Anmelderin beanspruchten Waren und Dienstleistungen
hat die Markenstelle nicht belegt. Ebensowenig hat der Senat die erforderlichen
Feststellungen zu treffen vermocht. Ein auf gegenwärtige Benutzung beruhendes
aktuelles Freihaltebedürfnis der angemeldeten Marke als beschreibende Sach-
aussage ist deshalb nicht nachweisbar. Ebensowenig liegen konkrete Tatsachen
vor, die dafür sprechen könnten, daß die Gesamtbezeichnung "ERDINGER
X-TRA" in Zukunft als warenbeschreibende Angabe für die im Warenverzeichnis
aufgeführten Produkte und Dienstleistungen dienen könnte. Selbst wenn mit der
Markenstelle davon ausgegangen wird, daß der angesprochene Verkehr der
Anmeldung "ERDINGER X-TRA" die Aussage "extra gute Ware aus Erding" ent-
nimmt, sagt dieser Sinngehalt nichts konkretes darüber aus, welche besonderen
Eigenschaften oder Merkmale die unter dieser Bezeichnung angebotenen
Getränke und Dienstleistungen auszeichnen könnten. Damit liegen keine hinrei-
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chenden Anhaltspunkte dafür vor, daß im Zusammenhang mit den beanspruchten
Waren oder Dienstleistungen in Zukunft eine Benutzung der angemeldeten
Gesamtbezeichnung als eindeutige Sachangabe erfolgen könnte.
2.
Ebensowenig kann der Marke jegliche Unterscheidungskraft iSd § 8 Abs 2
Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft iSd Vorschrift ist die
einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel für die der Anmeldung zugrunde liegenden Waren eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grund-
sätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unter-
scheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden, zumal der
Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel aufnimmt, wie es ihm
entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann
einer Wortmarke kein für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vor-
dergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt
es sich auch nicht um eine gebräuchliche Bezeichnung, die vom Verkehr – etwa
auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung (vgl BGH WRP
1998, 495 - TODAY) – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel
verstanden wird, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke
verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unter-
scheidungskraft fehlt (vgl BGH MarkenR 1999, 349 – YES).
Hiervon ausgehend kann der Bezeichnung "ERDINGER X-TRA" nicht die erforder-
liche Unterscheidungseignung abgesprochen werden. Eine warenbeschreibende
Sachaussage, die auf bestimmte Eigenschaften der in Frage stehenden Getränke
und Dienstleistungen selbst Bezug nimmt, stellt diese Bezeichnung – wie darge-
legt – nicht dar. Ebensowenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß der Verkehr
etwa durch eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung in der Werbung als
schlagwortartige Aussage daran gewöhnt sein könnte, in ihr in bezug auf die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Marke mehr zu sehen. Hierfür
spricht vielmehr, daß der Markenbestandteil "ERDINGER" bereits als Herkunftsan-
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gabe für die Anmelderin zumindest für "Weißbier" durchgesetzt ist (vgl dazu
BPatG GRUR 1994, 627 – ERDINGER).
Kraft Reker Eder
Fa