Urteil des BPatG vom 25.09.2002

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BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 36/02
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
25. September 2002
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 15 723.1
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 25. September 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Stoppel, des Richters Paetzold und der Richterin Schwarz-Angele
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154
6.70
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G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Die ganze Welt des Hörens
ist für die folgenden Waren und Dienstleistungen
Reinigungs- und Pflegemittel;
Anwendungs- und Anpaßsoftware für Hörgeräte und Hörhilfen.
Hörgeräte, Hörhilfen, Zubehör für Hörgeräte und Hörhilfen, näm-
lich Funkempfänger, Hifizubehör für Hörgeräte und Hörhilfen,
nämlich Kopfhörer, Infrarotempfänger, Batterien;
Organisation und Management des Verkaufs von Hörgeräten und
Hörhilfen;
Dienstleistungen eines Audiotechnikers auf dem Gebiet der Hör-
geräte und Hörhilfen, insbesondere Durchführen von Tests und
technische Anpassung von Hörgeräten und Hörhilfen
als Marke zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Marke wegen
fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, denn das Zeichen sei nur eine
Sachaussage dahingehend, dass umfangreiche Waren und Dienstleistungen zum
Thema "Hören" angeboten würden. In dieser Bedeutung werde es auch von den
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag,
den vorstehend genannten Beschluss aufzuheben und die Marke
in das Register einzutragen.
Die Marke sei in ihrem Aussagegehalt diffus und unscharf, denn das Wort "Welt"
könne ganz unterschiedlich verstanden werden, so zB geologisch (Planet), Reise-
bezogen (rund um die Welt), technisch (Computerwelt), als Hinweis auf die Le-
bensweise (die Welt der Tiere) usw. Damit könne die gewünschte Marke "die ge-
heimnisvolle Welt des Gehörsystems" oder aber auch "die Ton- und Klangwelten"
umschreiben. Diese Interpretationsmöglichkeiten – die der Verkehr auch erkenne
– begründeten die Schutzfähigkeit der Wortfolge. Für den Fall des Unterliegens
wird die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.
Mit der Vertreterin der Anmelderin wurden Fundstellen in Büchern, Zeitschriften
und einer Recherche im Internet erörtert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf
den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Er-
folg.
Nach Auffassung des Senats steht der Eintragung der Bezeichnung "Die ganze
Welt des Hörens" für sämtliche mit der Anmeldung beanspruchten Waren und
Dienstleistungen das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft im Sinne
von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die
Hauptfunktion der Marke - die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren
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oder Dienstleistungen zu gewährleisten - die einer Marke innewohnende (kon-
krete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke er-
fassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen
anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st Rspr BGH GRUR 2001,
1150 - LOOK; BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE; EuGH GRUR 2001, 1148,
1149 Tz 22 - Bravo). Deshalb kann die Frage, ob ein Zeichen eine solche Unter-
scheidungskraft besitzt, nicht abstrakt ohne Berücksichtigung der Waren oder
Dienstleistungen, die sie unterscheiden sollen, beurteilt werden (EuGH GRUR
2001, 1148, 1149 Tz 22, 29 - Bravo). Grundsätzlich ist von einem großzügigen
Maßstab auszugehen und es bedarf insbesondere auch keiner eigentümlichen
oder originellen Zeichenbildung oder eines Phantasieüberschusses, um Unter-
scheidungskraft zu begründen (vgl BGH WRP 2000, 741, 742 – LOGO; EuG
GRUR Int. 2001, 756, 759 Tz 39 - EASYBANK - zu Art 7 Abs 1 Buchst b und c
GMV).
Eine solche Unterscheidungskraft ist der angemeldeten Bezeichnung jedoch ab-
zusprechen, denn die angesprochenen Verkehrskreise werden in der Verwendung
der Bezeichnung "Die ganze Welt des Hörens" im Zusammenhang mit den bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen ausschließlich einen Sachhinweis sehen.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt und belegt hat, ist der Sinngehalt der
Marke ohne weiteres verständlich. Wenn der Verbraucher - hier also der Hörge-
schädigte, der sich für Hörhilfen, Hörgeräte und alle im Zusammenhang damit ste-
henden Produkte und Dienstleistungen interessiert – das angemeldete Zeichen
auf Waren und auf der Anpreisung von Dienstleistungen sieht, so denkt er vor
dem ihm geläufigen Hintergrund werblicher Praxis nicht daran, dass es sich dabei
um eine Marke, also einen Hinweis auf den Hersteller, handeln könnte. Wortfol-
gen, die mit "Die Welt des..." sind nämlich auf nahezu allen Waren- / und Dienst-
leistungsgebieten anzutreffen und besagen nur, dass ein umfassendes, aktuelles
Angebot vorliegt. So fanden sich bei einer Nachschau in der gerichtsinternen Do-
kumentation Slogans wie "die ganze Welt der Fahrräder" (Anzeige eines Fahrrad-
marktes in der Süddeutschen Zeitung vom 3.5.2000), "Die Welt der Ferienhausbe-
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sitzer" (Artikel der Firma Feridance in der Süddeutschen Zeitung vom 3.4.2001),
"die Welt von Betty Barclay" (Anzeige in der Zeitschrift Elle 3/99), "die Welt der
Bücher" (Anzeige der Fa Hugendubel in der Süddeutschen Zeitung vom
31.7.2000) usw. Was das beanspruchte Waren- und Dienstleistungsgebiet betrifft
ergab eine Recherche im Internet – unter Verwendung der Suchmaschine Google
- mehrere Artikel über Hörschäden, die entweder das gesamte Zeichen oder maß-
gebliche Teile davon als Überschrift oder im Fließtext führten, so zB "Entschei-
dung für die Welt des Hören" (Hinweis einer Selbsthilfegruppe auf ein Produkt der
Fa Cochlear Implantat), Überschrift "Die Welt des Hörens" (Homepage von hoerfo-
rum. de, Bericht über die Lebensqualität, die gutes Hören bringt), "Eine ganz neue
Welt des Hören" (Fa Adapto bei der Beschreibung eines Hörgeräts mit Spracher-
kennung), "Lassen Sie sich von und durch die Welt des Hörens begleiten" (An-
zeige der Fa Das Hörstudio Andreas Wolter), sowie ein Hinweis auf eine Messe in
Brüssel, die "Welt des Hörens" heißt. Dieses Ergebnis belegt, was sich schon bei
natürlicher Betrachtung der angemeldeten Wortfolge ergibt. Sieht der (hörgeschä-
digte) Verbraucher diese Wortfolge auf Waren und Dienstleistungsangeboten, so
denkt er nicht an eine Kennzeichnung des Herstellers, sondern vielmehr an die
Anpreisung von mannigfachen Produkten und Dienstleistungen, die bestimmt und
geeignet sind ihm die Welt des Hörens zu erschließen. Das Wörtchen "ganze" än-
dert hieran nichts, denn es verstärkt nur den beschreibenden Aussagegehalt. Ir-
gendein darüber hinausgehender Inhalt, der es erlauben würden zur Produktiden-
tifikation zu dienen, wird sich dem durchschnittlichen Betrachter nicht erschließen.
Die angemeldete Marke ist daher entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht mit
dem vom Bundesgerichtshof beurteilten Slogan "Partner with the Best" (GRUR
2000, 323) zu vergleichen. Da der Verkehr beim Antreffen von Zeichen und Slo-
gans auf Waren und Dienstleistungen in aller Regel keine Wortanalyse anstellt
und den Sinn einer blassen, häufig anzutreffenden Aussage nicht hinterfragt, wird
er auch keine (fast philosophischen) Überlegungen anstellen, was unter "Welt“ al-
les verstanden werden kann. Er nimmt den Slogan so hin wie er ist, nämlich als
werbeübliche und auch beschreibende Aussage über die Art, Vielzahl und Zweck-
bestimmung der angebotenen Produkte. Der Gedanke, dass damit Waren und
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Dienstleistungen identifiziert werden könnten, liegt dem Verbraucherwegen wegen
des unmittelbar thematischen Bezugs fern (BGH, MarkenR 2001, 363,365 "REICH
UND SCHOEN"; MarkenR 2001, 368, 370 "Gute Zeiten – Schlechte Zeiten").
Die angemeldete Marke ist daher nicht geeignet, vom Verkehr als Unterschei-
dungsmittel für die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der An-
melderin gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden.
Da das angemeldete Zeichen wegen des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft
im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht schutzfähig ist, kann dahingestellt
bleiben, ob das angemeldete Zeichen zusätzlich wegen des weiteren absoluten
Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht eingetragen werden kann.
Nach alledem war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den dafür notwendigen Vor-
aussetzungen, denn es war hier ausschließlich über Tatsachenfeststellungen zu
entscheiden (§ 83 Abs 2 MarkenG).
Stoppel Paetzold
Schwarz-Angele
Bb