Urteil des BPatG vom 20.11.2003

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, begriff, beschwerde, vitamin, lebensmittel, bezug, aufmerksamkeit, verkehr, verbraucher)

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 230/02
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 399 71 451
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 20. November 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Kliems sowie des Richters Engels und der Richterin Bayer
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
ist am 12. April 2000 ua für die Waren "pharmazeutische Erzeugnisse und Präpa-
rate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke;
Nahrungsergänzungsmittel für die Gesundheitspflege, insbesondere Nahrungser-
gänzungsmittel mit Vitaminen und/oder Mineralien, Ballaststoffe, Vitaminpräparate
für medizinische Zwecke (soweit in Klasse 5 enthalten), alle vorstehenden Waren
insbesondere solche mit Vitamin F und/oder
ω-
Fettsäuren" in das Markenregister
eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am
11. Mai 2000.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 24. September 1958 für
die Waren "Diätetische Nährmittel insbesondere Malzpräparate" eingetragenen
Marke 717 964
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Vitawin.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
Beschluss vom 24. Mai 2002 den Widerspruch mangels bestehender Verwechs-
lungsgefahr zurückgewiesen. Die Waren seien teilweise ähnlich, der Ähnlichkeits-
grad der Marken jedoch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass Verwechs-
lungsgefahr bestehe. Optisch seien die Marken bereits wegen des in der jüngeren
Marke enthaltenen Bildelements des griechischen Buchstabens Omega hinrei-
chend verschieden. Aber auch in klanglicher Hinsicht sei eine Verwechslungsge-
fahr zu verneinen. Der Verkehr werde ohne weiteres das Wortspiel in der angegrif-
fenen Marke "VIT(A)MIN" erkennen und diese je nach Kenntnisstand mit "VIT-
OMEGA-MIN" bzw "VIT-W-MIN" wiedergeben, so dass auch in klanglicher Hin-
sicht Verwechslungen mit der wie "VIT-W-MIN" gesprochenen Widerspruchsmarke
auszuschließen seien. Einer Verwechslungsgefahr wirke auch entgegen, dass die
Widerspruchsmarke mit dem Bestandteil "Vita" den Hinweis auf "Lebensfunktion,
Lebenskraft" enthalte, der in der angegriffenen Marke keine Entsprechung finde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Es bestehe teilweise eine hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden
Waren, so dass die angegriffene Marke schon einen erheblichen Abstand einhal-
ten müsse, um Verwechslungsgefahr vermeiden zu können. Der Ansicht der Mar-
kenstelle, dass die angegriffene Marke wie "VIT-OMEGA-MIN" ausgesprochen
werde, könne nicht gefolgt werden. Diese werde vielmehr wie "VIT-WE-MIN" oder
"VIT-oo-MIN" ausgesprochen, so dass wegen der fast identischen Wortanfänge
und -endungen im Gegensatz zu den eher unbeachtlichen Abweichungen in der
Wortmitte klangliche Verwechslungsgefahr bestehe. Wegen der für "Vitamin" ste-
henden Abkürzung "Vit" weise auch die angegriffenen Marke denselben Bedeu-
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tungsgehalt wie die Widerspruchsmarke auf, so dass die Marken auch keinen ver-
wechslungsmindernden Sinngehalt aufwiesen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Waren bestehe nur zu den Waren
"diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" und den beanspruchten Nah-
rungsergänzungsmitteln, wobei letztere nicht diätetischen Zwecken, sondern der
Gesundheitspflege dienten und deshalb allenfalls entfernt ähnlich zu den für die
Widerspruchsmarke geschützten Waren "diätetische Nährmittel, insbesondere
Malzpräparate" seien. Deshalb erscheine ein kleiner Markenabstand zur Vermei-
dung einer Verwechslungsgefahr noch ausreichend. Klanglich wie auch im Schrift-
bild wiesen die Marken ausreichende Unterschiede auf, zumal die Verbraucher
den Produkten, die der Gesundheit dienten, mit erhöhter Aufmerksamkeit begeg-
neten und zudem davon auszugehen sei, dass auch der griechische Buchsta-
be "
ω
" erkannt und nicht wie ein verfremdetes "w" aufgenommen werde. Auch be-
grifflich werde der durchschnittliche Verbraucher in der Widerspruchsmarke das
Wort "Vitamin" erkennen, während die jüngere Marke durch den fremdartig wirken-
den Buchstaben "
ω"
aufgespalten sei und eben nicht den Begriffsbestandteil "Vi-
ta" enthalte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die
Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
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II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie
form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache
hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des
Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der
Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden,
§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.
1)
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke, auch wenn diese nicht nur durch ihren
Anfangsbestandteil "VITA" in bezug auf die hier maßgeblichen Waren, sondern
insbesondere in ihrer Gesamtheit und dem nur durch den Buchstaben "W" ver-
fremdenden Aussagegehalt einen deutlichen beschreibenden Gehalt im Sinne der
Sachangabe "VITAMIN" erkennen lässt.
2)
auf identischen oder jedenfalls sehr ähnlichen Waren begegnen, wobei klarstel-
lend darauf hinzuweisen ist, dass der im Zeitpunkt der Anmeldung und Eintragung
der Widerspruchsmarke im Jahre 1958 verwendete Begriff des "diätetischen Nähr-
mittels" nicht mit dem durch die erst am 20. Juni 1963 in Kraft getretene Diätver-
ordnung bestimmten Begriff des "diätetischen Erzeugnisses" gleichzusetzen ist.
Der Begriff des "diätetischen Nährmittels" kommt vielmehr eher dem heute als
Nahrungsergänzungsmittel oder funktionellen Lebensmittel bezeichneten Lebens-
mittel gleich, welches im Gegensatz zum Lebensmittel des allgemeinen Verkehrs
über den reinen Ernährungszweck hinaus allgemein positive physiologische Wir-
kungen auf die Körperfunktion entfaltet, ohne besonderen Ernährungserfordernis-
sen bestimmter Verbrauchergruppen zu dienen, wie dies bei diätetischen Erzeug-
nissen nach der Begriffsbestimmung des § 1 DiätVO vorausgesetzt wird (vgl zum
begrifflichen Wandel Schweikert Mitt 92, 51, 52; Holthöfer/Nüse/Franck, Deut-
sches Lebensmittelrecht Band II, März 1988, zu DiätVO Rdn 2-17; zum Begriff der
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Nahrungsergänzungsmittel und diätetischen Mittel vgl EG Richtlinie 2002/46 vom
10. Juni 2002 – Nahrungsergänzungsmittel sowie Hahn ZLR 2003, 417 zur Um-
setzung durch den Entwurf der deutschen Nahrungsergänzungsmittelverordnung-
NemV; Forstmann, GRUR 1997, 102, 103; Klein NJW 1998, 791 sowie zum Be-
griff funktioneller Lebensmittel Kiethke/Groeschke WRP 1999, 973). Dies bedarf
jedoch vorliegend im Hinblick auf die nach der Registerlage maßgebliche Waren-
konstellation keiner Vertiefung, da das Verzeichnis der angegriffenen Marke so-
wohl diätetische Erzeugnisse als Nahrungsergänzungsmittel aufweist und deshalb
in jedem Fall Warenidentität oder jedenfalls ein Höchstmaß an Warenähnlichkeit
zu berücksichtigen ist.
Als angesprochene Verkehrskreise sind Laien uneingeschränkt zu berücksichtigen
(vgl auch BGH MarkenR 2002, 49, 51 – ASTRA/ESTRA-PUREN), wobei nach zwi-
schenzeitlich gefestigter ständiger Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass
grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern
auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrau-
cher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstlei-
stung unterschiedlich hoch sein kann (vgl zum geänderten Verbraucherleitbild
BGH MarkenR 2002, 124, 127 – Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH
MarkenR 2002 , 231, 236 – Philips/Remington) und der allem, was mit der Ge-
sundheit zusammenhängt, sogar eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen
pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 – Indorektal / Indohexal).
3)
Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG auch strenge Anfor-
derungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stel-
len sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats dennoch in
keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu beja-
hen wäre.
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a)
die Widersprechende sich beruft und welche wegen der insoweit bestehenden Ge-
meinsamkeiten der Markenwörter im Gegensatz zu den deutlichen schriftbildlichen
Unterschieden auch nur ernsthaft in Betracht gezogen werden kann. Hierbei ist für
die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von einer Wiedergabe der Marken nach
der registrierten Gestaltung auszugehen (zur st. Rspr. vgl BGH GRUR 2003, 332,
334 – Abschlussstück mwH), wobei in klanglicher Hinsicht unter Beachtung allge-
meiner Phonetikregeln, der angesprochenen Verkehrskreise und der einschlägi-
gen Waren/Dienstleistungen alle Aussprachemöglichkeiten einzubeziehen sind,
die nach der Art der Wortbildung und den insoweit maßgeblichen allgemeinen
Sprachgepflogenheiten der relevanten Verkehrskreise wahrscheinlich sind (vgl
hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 197, 198).
aa)
noch erheblicher Teil der hier im Vordergrund stehenden allgemeinen Verkehrs-
kreise die angegriffene Marke wie "vit-we-min" oder "vi-to-min" artikuliert. Aller-
dings ist darauf hinzuweisen, dass die Teile des angesprochenen Verkehrs, wel-
che den Buchstaben "
ω"
kennen bzw erkennen, die angegriffene Marke insbeson-
dere im Hinblick auf den in bezug auf die beanspruchten Waren naheliegenden
Begriff "
ω""-
Omega-Fettsäuren" wie "vit-omega-win" artikulieren oder auch – was
aber wegen der Vermengung unterschiedlicher alphabetischer Zeichen in einem
Wort eher ungewöhnlich wäre - in geringem Umfang wie "vit-o-min". Andererseits
werden wesentliche Teile des Verkehrs, die den Buchstaben "
ω"
nicht kennen,
aber als nicht zum lateinischen Alphabet erkennen, von einer Benennung der an-
gegriffenen Marke als einheitliches Wort absehen, zumal der Buchstabe "
ω"
in
auffälliger und ungewöhnlicher Weise durch Gedankenstriche in das Markenwort
eingebunden ist.
- 8 -
bb)
se und einem entscheidungserheblichen Umfang unterstellt, die wie "vit-we-min"
oder "vi-to-min" der wie "vi-ta-win" gesprochenen Widerspruchsmarke am näch-
sten kommt, unterscheiden sich die Markenwörter im jeweiligen klanglichen Ge-
samteindruck noch hinreichend. So enthält die angegriffene Marke bei einer Aus-
sprache wie "vit-we-min" nicht nur einen unterschiedlichen Anlaut in der Endsilbe
zu "vi-ta-win", sondern insbesondere die Mittelsilbe der angegriffenen Marke weist
einen völlig anderen Lautbestand auf, der in der Widerspruchsmarke keine klangli-
che Entsprechung findet. Dies gilt im Ergebnis auch für eine Aussprache der an-
gegriffenen Marke wie "vi-to-min", da auch hier die vokalische Abweichung der
Mittelsilbe verbunden mit der Abweichung des folgenden Anlauts noch eine hinrei-
chende klangliche Differenzierung der Markenwörter ermöglicht und einer Ver-
wechslungsgefahr hinreichend entgegenwirkt. Hier kommt hinzu, dass auch die
sich gegenüberstehenden Anfangsbestandteile der Wörter "Vito" und "Vita", an
welchen sich der Verkehr erfahrungsgemäß stärker orientiert als an den weiteren
Markenbestandteilen, nicht nur klanglich abweichen, sondern dass auch "Vito" im
Gegensatz zu "Vita" (für "Leben", "Vitamin", "vital") keinen entsprechenden Beg-
riffsgehalt aufweist und sich auch nicht als eher kennzeichnungsschwacher spre-
chender Zeichenbestandteil darstellt. In ihrer Gesamtheit sorgen deshalb die auf-
gezeigten Unterschiede für eine noch ausreichende Differenzierung des jeweiligen
klanglichen Gesamteindrucks der Wörter und gewährleisten ihr hinreichend siche-
res Auseinanderhalten auch dann, wenn man berücksichtigt, dass die Verkehrs-
auffassung erfahrungsgemäß eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild be-
stimmt wird (st Rspr, vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints).
b)
tur und der auffälligen Aufspaltung des Wortes durch den fremdartig wirkenden
griechischen Buchstaben "
ω"
einen sehr deutlichen Abstand auf. Anhaltspunkte
dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marken gedanklich miteinan-
der in Verbindung bringen und deshalb verwechseln, bestehen gleichfalls nicht,
zumal die Marken mit Ausnahme einer klanglichen Nähe keine strukturellen Ge-
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meinsamkeiten aufweisen, welche den Verkehr zu einer gemeinsamen betriebli-
chen Zuordnung der Marken veranlassen und eine markenrechtliche Verwechs-
lungsgefahr begründen könnte (vgl zu den Voraussetzungen BGH GRUR 2000,
608, 609 – ARD
1; BGH MarkenR
2001, 459, 464 Marlboro-Dach; BPatG
GRUR 2002, 345, 346 - ASTROBOY/Astro; BPatG GRUR 2002, 438, 440 –
WISCHMAX/Max).
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Bayer Engels