Urteil des BPatG vom 10.03.2000
BPatG: treu und glauben, reisekosten, nichtigkeitsklage, patent, niederlande, wahlrecht, vertreter, ausnahmefall, entstehung
BUNDESPATENTGERICHT
3 ZA (pat) 16/00 zu
3 Ni 22/97 (EU)
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Patentnichtigkeitssache
…
BPatG 152
10.99
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betreffend das europäische Patent … (DE …)
hier: Erinnerung gegen den Beschluß des Rechtspflegers
vom 10. März 2000
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 3. Juli 2000
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Grüttemann sowie des Richters Dipl.-
Ing. Trüstedt und der Richterin Sredl
beschlossen:
1) Auf die Erinnerung der Beklagten wird der Kostenfestsetzungs-
Beschluß des Rechtspflegers vom 10. März 2000 abgeändert.
Die von den Beklagten geltend gemachten Kosten für Tele-
kommunikationsdienstleistungen in Höhe von insgesamt 610,14
DM werden als erstattungsfähig anerkannt.
2) Im übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
3) Die Kosten des Erinnerungsverfahrens tragen die Beklagten.
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4) Zur Berechnung des Kostenausgleichs wird die Sache an den
Rechtspfleger zurückverwiesen.
G r ü n d e
I.
Nach dem rechtskräftigen Urteil des Senats vom 17. Dezember 1998 in Sachen
3 Ni 22/97 (EU) tragen von den Kosten des Rechtsstreits die Klägerin 4/5 und die
Beklagten 1/5. Mit Beschluß vom 10. März 2000 hat der Rechtspfleger die Ge-
samtkosten auf 53.034,84 DM festgesetzt, wobei dem Urteil entsprechend auf die
Klägerin 42.427,87DM und auf die Beklagten 10.606,97 DM entfallen, so daß im
Ergebnis die Klägerin den Beklagten 21.754,47 DM zu erstatten hat. Als nicht er-
stattungsfähig hat der Rechtspfleger bei den Beklagten ua die Kosten für Tele-
kommunikationsdienstleistungen in Höhe von 169,92 DM und 440,22 DM zu-
rückgewiesen, weil die Beklagten hierfür die Pauschkosten in Höhe von 40,-- DM
geltend gemacht hätten. Abgesetzt wurden weiter die Kosten von 157,55 DM für
die Weiterleitung der Nichtigkeitsklage per Kurier in die Niederlande sowie die für
den amerikanischen Verkehrsanwalt geltend gemachten Reisekosten in Höhe von
9.939,36 DM, weil sie nicht notwendig iSv § 91 ZPO gewesen seien.
Gegen den Beschluß haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 29. März 2000 be-
züglich der vorstehend genannten Positionen Erinnerung eingelegt. Sie beantra-
gen, der Kostenberechnung anstelle des Pauschbetrages die tatsächlich entstan-
denen Telefonkosten zugrunde zu legen, die mit Schriftsatz vom
5. November 1999 anwaltlich versichert worden sind. Die Weiterleitung der Nich-
tigkeitsklage in die Niederlande sei wegen der Einholung einer Stellungnahme der
holländischen Vertreter notwendig gewesen, so daß die Kurierkosten in Höhe von
157,55 DM erstattungsfähig seien. Die Notwendigkeit der Teilnahme des ameri-
kanischen Verkehrsanwalts an dem Verfahren sei durch das Verhalten der Kläge-
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rin begründet gewesen. Um einer Verfahrensverzögerung entgegen zu wirken, die
sich durch den erst kurz vor dem anberaumten Termin vorgelegten umfangreichen
Schriftsatz der Klägerin und eine daraus folgende Terminsverlegung hätte
ergeben können, sei die Anwesenheit des Verkehrsanwalt in der mündlichen Ver-
handlung dringend geboten gewesen, so daß ein vom Rechtspfleger verneinter
Ausnahmefall vorliege.
Die Klägerin ist dem entgegen getreten und beantragt, die Erinnerung zurückzu-
weisen.
Der Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Die Erinnerung der Beklagten ist zulässig, § 84 Abs 2 PatG iVm §§ 91 Abs 1, 104
Abs 3 ZPO, § 23 Abs 2 RPflG, aber nur teilweise erfolgreich. Der Umfang der
Überprüfung des angegriffenen Beschlusses des Rechtspflegers beschränkt sich
dabei auf die von den Beklagten beanstandeten Rechnungsposten
(Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 104, Rdnr 38).
1) Soweit die Beklagten nunmehr anstelle der Pauschbeträge die tatsächlich
entstandenen Kosten für Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von
169,92 DM und 440,22 DM geltend machen, sind diese Kosten, deren Entstehung
der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 5. November 1999
anwaltlich versichert hat, § 104 Abs 2 Satz 2 ZPO, als erstattungsfähig anzuer-
kennen. Das Wahlrecht kann dabei auch nachträglich, also im Erinnerungsverfah-
ren noch geändert werden (s Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO,
14. Aufl., § 26, Rdnr 4 aE). Daß die beantragte Änderung im vorliegenden Fall
gegen Treu und Glauben verstieße oder verwirkt wäre, ist für den Senat nicht
ersichtlich.
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2) Im übrigen kann die Erinnerung keinen Erfolg haben.
a) Zu Recht hat der Rechtspfleger die Kosten für die Übermittlung der Nichtig-
keitsklage per Kurier zu den holländischen Vertretern der Beklagten als nicht er-
stattungsfähig angesehen, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung
im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht nicht notwendig waren,
§ 91 Abs 1 ZPO. Es kann dahinstehen, ob die Kenntnis der Begründung der Nich-
tigkeitsklage für die in den Niederlanden anhängigen Verfahren von besonderer
Bedeutung war. Ein zwingender Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren
ist jedenfalls nicht erkennbar.
b) Dies gilt auch, soweit die Beklagten Reisekosten für den amerikanischen Ver-
kehrsanwalt in Höhe von 9.939,36 DM beanspruchen.
Die Erstattungsfähigkeit der auf einen Verkehrsanwalt entfallenden Kosten richtet
sich danach, ob diese Kosten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung
oder Rechtsverteidigung notwendig sind, wobei die allgemeine Pflicht jeder Partei
zu beachten ist, die Kosten im Rahmen des Verständigen möglichst gering zu
halten (s Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 91,
Rdnr. 220). Nach allgemeiner Ansicht sind die Kosten nur dann notwendig iSd
§ 91 ZPO, wenn es der Partei aus sachlichen Gründen unmöglich oder wegen
ihrer persönlichen Verhältnisse unzumutbar oder nicht hinreichend sicher ist, den
Prozeßanwalt unmittelbar selbst zu informieren (Hartmann, Kostengesetze,
27. Aufl., § 52 BRAGO, Rdnr. 49). Diese Grundsätze gelten auch für eine an ei-
nem inländischen Verfahren beteiligte ausländische Partei (Gerold/Schmidt aaO,
Rdnr. 28). Allein die Ausländereigenschaft einer Partei rechtfertigt es jedoch nicht,
die Notwendigkeit der Einschaltung eines Verkehrsanwalts generell anzunehmen
(Gerold/Schmidt aaO, Rdnr. 35).
Es mag dahinstehen, ob die für die Einschaltung eines ausländischen Ver-
kehrsanwalts entstandenen Kosten als notwendig für die Rechtsverteidigung an-
zusehen sind, denn in diesem Zusammenhang steht der Beschluß des Rechts-
pflegers nicht zur Überprüfung (s Tomas/Putzo aaO).
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Als nicht notwendig iSd § 91 Abs 1 ZPO sind jedenfalls die Reisekosten des aus-
ländischen Verkehrsanwalts zu beurteilen. Die von den Beklagten hierzu vorge-
tragene Begründung, der kurz vor der mündlichen Verhandlung eingereichte um-
fangreiche Schriftsatz der Klägerin habe die Anwesenheit des Anwalts bei der
mündlichen Verhandlung erfordert, da der Termin sonst hätte aufgehoben werden
müssen und das Verfahren sich dadurch verzögert hätte, rechtfertigt aus der Sicht
des Senats nicht, diese Kosten als erstattungsfähig anzuerkennen.
Daß sprachliche Probleme bei der Einschaltung des Verkehrsanwalts eine Rolle
gespielt hätten, ist aus dem Vortrag der Beklagten nicht hervorgegangen. Es ist
deshalb davon auszugehen, daß es den Beklagten nicht unzumutbar war, den
Prozeßanwalt selbst und unmittelbar zu unterrichten.
Auch die Bedeutung oder der Schwierigkeitsgrad des Nichtigkeitsverfahrens
rechtfertigen die Anwesenheit des amerikanischen Verkehrsanwalts in der münd-
lichen Verhandlung nicht. Selbst wenn es sich für die Beklagten um ein wirt-
schaftlich bedeutendes Patent handelt, ist nach der Rechtsprechung nicht einmal
in einem Prozeß von existentieller Bedeutung die Hinzuziehung eines Ver-
kehrsanwalts gerechtfertigt (Hartmann, aaO, § 52, Rdnr. 112; OLG Koblenz VersR
83, 44). Dies gilt erst recht im Hinblick auf die Kosten, die für die Anreise wegen
der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung entstehen. Maßgebend ist, ob die
Partei schon allein über ihren Prozeßbevollmächtigten umfassend ihre Recht
wahren und sich über das Prozeßgeschehen informieren kann und ob es ihr trotz
der besonderen Problematik des Falles zugemutet werden kann, mit dem
Prozeßanwalt direkt in Kontakt zu treten. Nach dem Vortrag der Beklagten ist
hiervon auszugehen. In diesem Zusammenhang kann die Anwesenheit des Ver-
kehrsanwalts auch nicht mit dem Schwierigkeitsgrad des deutschen Nichtigkeits-
verfahrens begründet werden, denn die durch die patentrechtliche Materie
gegebenen Schwierigkeiten werden durch die Einschaltung eines fachspezifisch
ausgebildeten Patentanwalts, der zudem mit Rechtsanwälten in einer Sozietät zu-
sammen arbeitet, ausgeglichen.
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Nach alledem sind aus der Sicht des Senats die Reisekosten des amerikanischen
Verkehrsanwalts nicht notwendig zur Rechtsverteidigung der Beklagten und daher
zu Recht vom Rechtspfleger als nicht erstattungsfähig angesehen worden.
3) Zur Berechnung des Kostenausgleichs wird die Sache an den Rechtspfleger
zurückverwiesen, § 99 Abs 1 PatG, §§ 104, 575 ZPO (s Thomas/Putzo, aaO,
§ 104, Rdnr. 51).
4) Die Kosten des Erinnerungsverfahrens tragen die Beklagten, § 84 Abs 2 PatG,
§§ 97, 92 Abs 2 ZPO. Obwohl die Sache an den Rechtspfleger zurückverwiesen
wird, ist der Senat nicht gehindert, eine Kostenentscheidung zu treffen, da das
Ausmaß des Obsiegens bzw Unterliegens der Erinnerungsführer feststeht.
Der Wert der Erinnerung setzt sich aus den angegriffenen Rechnungsposten be-
treffend Telefonkosten von 610,14 DM, Kurierkosten 157,55 DM und den Reise-
kosten über 9.939,36 DM zusammen, beträgt also insgesamt 10.707,05 DM.
Demgegenüber war die Erinnerung nur zu einem verhältnismäßig geringfügigen
Teil, nämlich hinsichtlich der Telefonkosten, erfolgreich, die gegenüber dem Wert
der Erinnerung weniger als 1/10 ausmachen (s Thomas/Putzo, aaO, § 97,
Rdnr. 15).
Grüttemann Trüstedt
Sredl
Pr