Urteil des BPatG vom 07.01.2010
BPatG (patent, beschwerde, vertreter, zahlung, höhe, verschulden, frist, beschwerdeschrift, wiedereinsetzung, patg)
BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 23/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 199 35 290
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hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 7. Januar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr.-Ing. Lischke, sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Schneider und Dipl.-Ing.
Ganzenmüller
beschlossen:
Die Beschwerde der Patentinhaberin gilt als nicht eingelegt.
G r ü n d e
I .
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des Patents 199 35 290 mit der Bezeich-
nung "Türaußengriff, insbesondere für Fahrzeuge". Gegen dieses Patent ist von
der Beschwerdegegnerin Einspruch eingelegt worden. Mit Beschluss vom
5. Mai 2008, der der Beschwerdeführerin am 11. September 2008 zugestellt wor-
den ist, hat die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts das
angegriffene Patent widerrufen.
Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom
9. Oktober 2008, der dem Deutschen Patent- und Markenamt per Fax am selben
Tag zugegangen ist, Beschwerde eingelegt und diese begründet. Gleichzeitig mit
der Beschwerdeschrift wurde eine Einzugsermächtigung für die Beschwerdege-
bühr in Höhe von 200 € per Fax übermittelt.
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Mit am 13. November 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegange-
nen Schriftsatz vom 11. November 2008 hat die Beschwerdeführerin
Antrag auf Wiedereinsetzung
in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gestellt und gleichzeitig
mit einer beigelegten Einzugsermächtigung die Beschwerdegebühr in Höhe von
500 € entrichtet.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags wird vorgetragen, die Fristver-
säumung sei ohne Verschulden der Vertreter der Patentinhaberin erfolgt. Patent-
anwältin Dipl.-Ing. K…, die in der Kanzlei der Vertreter für die Bearbeitung
der vorliegenden Sache zuständig ist, habe die Beschwerdeschrift diktiert und
unterzeichnet. Außerdem habe sie der Angestellten M…, die für das
Erstellen von Einzugsermächtigungen in der Kanzlei der Vertreter der Patentinha-
berin zuständig sei, den Auftrag erteilt, eine Einzugsermächtigung für die Be-
schwerdegebühr im Einspruchsverfahren in Höhe von 500 € auszustellen. Diese
Angestellte sei seit 1982 in der Kanzlei beschäftigt und seit dem Jahr 2002 in der
Kanzlei für das Ausfüllen von Einzugsermächtigungen zuständig. Sie sei auf die-
sem Gebiet umfassend unterwiesen und verfüge laufend über die aktuellen, kor-
rekten Gebührenlisten. Ihre Arbeitsweise werde in Stichproben überprüft, wobei
bisher keinerlei Fehler festgestellt worden seien. Patentanwältin Dipl.-Ing.
K… habe sich daher vollständig auf diese Kanzleikraft verlassen können.
Da die Patentanwältin, die die Beschwerdeschrift unterzeichnet hatte, sich nicht im
Hause befand, als die Einzugsermächtigung fertig ausgefüllt war, legte die Kanz-
leikraft diese - wie in solchen Fällen üblich - dem ebenfalls in der Kanzlei tätigen
Patentanwalt Dipl.-Ing. L… zur Unterschrift vor. Warum die Angestellte die
falsche Gebühr auf der Einzugsermächtigung eingetragen habe und den Fehler
auch später übersehen habe, könne nicht mehr geklärt werden, zumal von ihr üb-
licherweise nochmals nach der Unterschrift und vor dem Versand überprüft werde,
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ob die Schreiben unterschrieben und ob die Anlagen korrekt beigefügt worden
seien.
Als Patentanwältin Dipl.-Ing. K… am 6. November 2008 nach Übersen-
dung der Beschwerdebegründung die Akte einer Überprüfung unterzog, fiel ihr der
Fehler auf, worauf sie den Wiedereinsetzungsantrag stellte.
Die Beschwerdeführerin reicht zur Glaubhaftmachung ihres Sachvortrags eine
eidesstattliche
Versicherung
der
Kanzleiangestellten
Frau
M…
sowie
jeweils eine Kopie der falsch ausgefüllten und der richtig ausgefüllten Einzugser-
mächtigung ein.
Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, der unterzeichnende Patentanwalt
Dipl.-Ing. L… habe ohne Verschulden gehandelt, weil aus der ihm vorgeleg-
ten ausgefüllten Einzugsermächtigung nicht hervorgegangen sei, dass es sich um
eine Beschwerde im Einspruchsverfahren gehandelt habe und die Kanzleiange-
stellte ihn darüber informiert habe, dass die eigentlich zuständige Patentanwältin
Dipl.-Ing. K… die Beschwerdeschrift bereits unterzeichnet und sie - die
Kanzleikraft - zum Ausfüllen der Einzugsermächtigung angewiesen habe.
Die Beschwerdegegnerin widerspricht der Beschwerdebegründung. Hinsichtlich
des Wiedereinsetzungsantrags regt sie die Prüfung an, ob dieser fristgerecht an
der zuständigen Stelle gestellt worden sei und verweist auf die Entscheidung BGH
GRUR 2009, 269.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.
1.
Nach Nr. 401 100 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG (Gebührenverzeich-
nis) ist für die Beschwerde im Einspruchsverfahren (§ 73 Abs. 1 PatG) eine
Gebühr von 500 € zu zahlen. Die Gebühr ist nach § 6 Abs. 1 PatKostG in-
nerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist des § 73 Abs. 1 S. 1 PatG zu
entrichten. Erfolgt die Zahlung des vollen Betrags nicht fristgemäß, gilt die
den Gebührentatbestand begründende Verfahrenshandlung als nicht vor-
genommen, vorliegend also die Beschwerde als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2
PatKostG).
Nachdem der streitgegenständliche Beschluss der Beschwerdeführerin am
11. September 2008 zugestellt worden ist, war die Beschwerdegebühr von
500 € bis zum 11. Oktober 2008 zu zahlen. Dies ist nicht geschehen. Viel-
mehr ist die Beschwerdegebühr in voller Höhe erst am 13. November 2008
mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingegangen. Somit ist die gesetzliche
Fiktion des § 6 Abs. 2 PatKostG eingetreten.
2.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Be-
schwerdegebühr (§ 123 PatG) ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
2.1.
Die Wiedereinsetzung ist fristgemäß schriftlich innerhalb von zwei Monaten
nach Wegfall des Hindernisses, nämlich nachdem die Vertreterin der Be-
schwerdeführerin am 6. November 2008 von der fehlerhaften Zahlung er-
fahren hatte, beantragt worden.
Allerdings kann man daran zweifeln, ob - wie vorliegend - der Wiederein-
setzungsantrag im zweiseitigen Verfahren fristwahrend beim Deutschen
Patent- und Markenamt gestellt werden kann.
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Diese - soweit ersichtlich - noch nicht intensiver in Rechtsprechung und
Lehre diskutierte Frage braucht hier aber nicht entschieden zu werden, weil
der Wiedereinsetzungsantrag mit Begründung jedenfalls innerhalb der am
6. Januar 2009 ablaufenden Zweimonatsfrist des § 123 Abs. 2 S. 1 PatG
vom Deutschen Patent- und Markenamt an das für die Entscheidung zu-
ständige Bundespatentgericht abgegeben worden ist. Dies folgt daraus,
dass u. a. eine Kopie der Wiedereinsetzungsbegründung am 4. Dezem-
ber 2008 der Beschwerdegegnerin von der Geschäftsstelle des Senats
übersandt worden ist.
2.2.
Die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist jedoch nicht ohne ein der
Beschwerdeführerin zurechenbares Verschulden des Anwalts (§ 85 Abs. 2
ZPO) versäumt worden, weil der anwaltliche Vertreter der Patentinhaberin
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat (§ 278 BGB).
Zwar hat die sorgfältig ausgebildete, stichprobenartig überwachte, zuver-
lässige Kanzleiangestellte M…, deren Verschulden der Beschwerdefüh-
rerin nicht zugerechnet werden kann, die Einzugsermächtigung fehlerhaft
ausgestellt und nicht Patentanwalt Dipl.-Ing. L…. Allerdings hat der
Vertreter der Beschwerdeführerin die Einzugsermächtigung selbst unter-
schrieben, ohne den Fehler zu bemerken. Hierin liegt sein der Beschwer-
deführerin zurechenbares Verschulden.
Gerade bei wichtigen Verfahrenshandlungen, wie es die Einlegung eines
Rechtsmittels ist, obliegt nach allgemeiner Ansicht dem Anwalt im Interesse
des Rechtssuchenden die Pflicht, sicherzustellen, dass die Handlung wirk-
sam ist. Einer besonderen Sorgfalt bedarf es dann, wenn ein der Wirksam-
keit der Handlung entgegenstehender Mangel später nicht mehr beseitigt
werden kann. Im Falle der Einlegung einer gebührenpflichtigen Beschwerde
muss der Anwalt deshalb selbst die Höhe der zu zahlenden Gebühr
bestimmen oder zumindest - wenn er dies allgemein einer Angestellten
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übertragen hat - überprüfen. Die Büroorganisation einer Verfahrensbetei-
ligten bzw. dessen Vertreters muss gewährleisten, dass die letzte Kontrolle
vor Hinausgabe eines solchen Schriftsatzes durch den Vertreter bzw. Be-
vollmächtigten erfolgt (vgl. dazu etwa BPatGE 44, 183, 185 f. - Abhaken;
BPatGE 18, 208, 211; BPatG Mitt. 2005, 368 - Schadensverhütung). Be-
sonders sorgfältig muss nach Auffassung des Senats ein Anwalt gerade
dann sein, wenn ihm - wie hier - die näheren Umstände des Falles nicht be-
kannt sind, in dem er eine Unterschrift leistet, die eine Wirksamkeitsvoraus-
setzung des Rechtsmittels betrifft. Gerade dann darf er sich nicht ohne
sachliche Kontrolle darauf verlassen, dass das ihm Vorgelegte korrekt ist,
sondern muss sich von dessen Richtigkeit - eventuell unter Heranziehung
der Handakte - überzeugen. Denn dem Sinn und Zweck einer Kontrolle wi-
derspräche es, wenn man es ausreichen ließe, dass sich der Anwalt auf die
Richtigkeit der Aussage der zu kontrollierenden Kanzleikraft oder die Rich-
tigkeit und Vollständigkeit des zu überprüfenden, in sich möglicherweise
plausiblen Schriftstücks, verlässt. Es entlastet den Vertreter der Patentin-
haberin daher nicht, dass vorliegend der Fehler aus dem Inhalt der zu un-
terschreibenden Einzugsermächtigung allein nicht erkennbar war, sondern
sich erst aus einer Zusammenschau mit dem Akteninhalt erschließt.
Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwer-
degebühr kommt deshalb nicht in Betracht.
3.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen (Schulte,
Patentgesetz, 8. Aufl., § 123 Rn. 161; BPatGE 41, 130, 134).
Lischke
Guth
Schneider
Ganzenmüller
Cl