Urteil des BPatG vom 15.05.2000

BPatG: marke, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, erwerb, aufmerksamkeit, wiedergabe, eng, arzneimittel, eugh, patent

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 240/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 395 46 114
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 15.
Mai
2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann sowie des Richters Sommer und der Richterin Schwarz-Angele
beschlossen:
BPatG 152
6.70
- 2 -
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Be-
schluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 14. Juni 1999 insoweit aufgehoben,
als der Widerspruch aus der Marke 2 026 777 zurückgewie-
sen worden ist.
Wegen der Gefahr von Verwechslungen der angegriffenen
Marke mit der Widerspruchsmarke 2 026 777 wird die Lö-
schung der Marke 395 46 114 angeordnet.
G r ü n d e
I.
Eingetragen für die Waren
"Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemi-
sche Erzeugnisse für die Gesundheitspflege, diätetische Er-
zeugnisse für Kinder und Kranke"
ist die Marke 395 46 114
Straton.
Widerspruch hat erhoben die Inhaberin der 1992 für die Waren
"Pharmazeutische Erzeugnisse"
beschleunigt eingetragenen Marke 2 026 777
Striaton.
- 3 -
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
Beschluß der Prüferin ua den Widerspruch aus der Marke 2 026 777 zurückge-
wiesen und die Gefahr von Verwechslungen zwischen beiden Marken wegen der
Unterschiede in der Silbenzahl, der Vokalfolge sowie im Sprech- und Beto-
nungsrhythmus verneint.
Die angegriffene Marke wurde auf die derzeitige Markeninhaberin umgeschrieben,
die in das Verfahren eingetreten ist. Die Widersprechende ist dem nicht ent-
gegengetreten.
Die beschwerdeführende Widersprechende sieht im Hinblick auf die mögliche
Identität der beiderseitigen Waren und die Ähnlichkeit beider Marken die Gefahr
von Verwechslungen, da sich beide Marken nur durch das bei der Widerspruchs-
marke zusätzlich vorhandene "i" unterschieden.
Sie beantragt (sinngemäß),
den patentamtlichen Beschluß aufzuheben, soweit damit der
Widerspruch aus der älteren Marke Striaton zurückgewiesen
wurde und die Löschung der angegriffenen Marke anzuord-
nen.
Die Markeninhaberin begehrt ersichtlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert.
- 4 -
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet. Es besteht die
Gefahr von Verwechslungen beider Marken im Sinne von § 9 Absatz 1
Nr 2 MarkenG.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wech-
selbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der
Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke (ständige Rechtsprechung s zB EuGH
MarkenR 1999, 22 - Canon; BGH MarkenR 1999, 297 - Honka).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich einzu-
stufen. Zwar mag ihre Anlehnung an "corpus striatum", ein Ganglienteil im Groß-
hirn, bei der Kennzeichnung einschlägiger Medikamente, von den damit befaßten
Fachleuten bemerkt werden. Eine generelle Schwächung ihrer Kennzeichnungs-
kraft kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden.
Die sich gegenüberstehenden Waren beider Marken sind teilweise identisch und
im übrigen aufgrund sich häufig überschneidender Anwendungen eng benachbart,
so daß grundsätzlich an den Abstand, den die jüngere Marke gegenüber der prio-
ritätsälteren Widerspruchsmarke einzuhalten hat, strenge Anforderungen zu stel-
len sind. Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke in klanglicher und
auch schriftbildlicher Hinsicht nicht gerecht.
Die Marken unterscheiden sich lediglich durch den zusätzlichen Vokal I der Wi-
derspruchsmarke. Dies mag bei einer deutlich akzentuierten Sprechweise zu ei-
nem merklich unterschiedlichen Sprech- und Betonungsrhythmus führen. Hiervon
kann jedoch nicht in jedem Fall ausgegangen werden. Die beiderseits in Betracht
zu ziehenden Waren umfassen auch einfache Produkte des tagtäglichen Bedarfs,
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die sich an alle Verkehrskreise wenden und bei deren Erwerb mit keiner größeren
Aufmerksamkeit gerechnet werden kann. Bei einer nicht besonders deutlichen
Markenwiedergabe kann es dabei zu einer verschleifenden Aussprache der Laut-
folge ia kommen, so daß die Widerspruchsmarke eher wie Strjaton klingt. Auch ist
nicht gewährleistet, daß die Zeichen stets unterschiedlich betont werden. Bei
Phantasiewörtern lassen sich keine generellen Betonungsregeln feststellen, so
daß ein durchaus ins Gewicht fallender Teil des Publikums zB beide Zeichen am
Wortende betonen kann. Ein hinreichend deutlicher, bei der Fülle der kollisi-
onsfördernden Umstände zur Vermeidung der Verwechslungsgefahr erforderlicher
besonders nachhaltiger Klangunterschied läßt sich somit nicht feststellen.
Auch im Schriftbild reicht das zusätzliche i nicht aus, um die jüngere Marke aus
dem Schutzbereich der älteren Marke herauszuführen. Zumindest bei handschrift-
licher Wiedergabe mit der hier auch zu rechnen ist, fällt ein i vielfach kaum aus-
reichend deutlich auf, so daß es übersehen werden kann.
Hinsichtlich der Kosten gilt § 71 Absatz 1 Satz 2 MarkenG.
Dr. Buchetmann
Sommer
Schwarz-Angele
br/Hu