Urteil des BPatG vom 09.03.2004

BPatG: beschreibende angabe, assistent, unterscheidungskraft, dienstleistung, verkehr, internet, patent, veröffentlichung, ausbildung, unterhaltung

BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 104/04
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 32 709.6
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter
Mitwirkung …
in der Sitzung vom 27. September 2006
BPatG 152
08.05
- 2 -
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der
Markenstelle für Klasse
41 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 18. Februar 2004, berichtigt mit Beschluss vom
9. März 2004, insoweit aufgehoben, als die Anmeldung für die
Dienstleistung „Erziehung“ zurückgewiesen worden ist.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 8. Juli 2002 angemeldete Wortmarke
assistent.steuern
ist für folgende Waren und Dienstleistungen bestimmt:
Druckereierzeugnisse, insbesondere auch periodisch erschei-
nende Zeitschriften, Bücher, Loseblattwerke, Seminarunterlagen;
Online-Dienste, nämlich Bereitstellen von Informationen aller Art in
Schrift, Bild und Ton im Internet;
Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, Veröffentlichung und Her-
ausgabe von Druckereierzeugnissen auf Ton-, Bild- und Datenträ-
gern, insbesondere auch von periodisch erscheinenden Zeit-
schriften;
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Dienstleis-
tungen einer Datenbank, nämlich Sammeln, Aufbereiten, Archivie-
ren, Sortieren, Speichern, Übertragen, Übermitteln von Daten
- 3 -
und/oder Vermietung und Vermittlung von Zugriffszeiten und/oder
Zugangsmöglichkeiten auf Datenbanken.
Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung durch Beschluss einer Beamtin
des höheren Dienstes vom 18. Februar 2004, berichtigt mit Beschluss vom
9. März 2004, teilweise zurückgewiesen, nämlich für sämtliche Waren und
Dienstleistungen mit Ausnahme von „Unterhaltung“. Der angemeldeten Bezeich-
nung fehle für die versagten Erzeugnisse und Dienstleistungsangebote jegliche
Unterscheidungskraft. In Bezug auf Software-, Informations- und Telekommunika-
tionstechnologie sei „Assistent“ (ebenso wie die englische Fassung „assistant“)
eine gängige Bezeichnung für ein interaktives Hilfsprogramm innerhalb einer An-
wendung (unter Bezugnahme auf Belege aus der Fachliteratur). Das angespro-
chene allgemeine Publikum werde die Wortverbindung als Hinweis auf einen
Hilfsdienst verstehen, der sich auf Steuern betreffende Informationen bezieht,
nicht aber als betriebliche Herkunftsbezeichnung. Der Entscheidung waren Aus-
drucke von Internet-Seiten sowie Hinweise auf Entscheidungen des Bundespa-
tentgerichts (aus PAVIS PROMA) beigefügt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie be-
antragt (sinngemäß),
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
18. Februar 2004 im Umfang der Versagung aufzuheben.
Sie ist der Ansicht, für keine der versagten Waren und Dienstleistungen stelle
„assistent.steuern“ eine unmittelbar beschreibende Angabe dar. Ein nur mittelba-
rer (theoretisch denkbarer) Bezug zwischen der angemeldeten Bezeichnung und
dem inhaltlichen Gegenstand der Waren oder Dienstleistungen reiche nicht aus,
um der angegriffenen Marke jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen. Die
- 4 -
tatsächlichen Ermittlungen der Markenstelle seien zudem nicht geeignet, ein Frei-
haltebedürfnis zu belegen.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nur zu einem geringen Teil
- bezüglich der Dienstleistung „Erziehung“ - begründet. Hinsichtlich aller sonstigen
verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen bleibt sie dagegen ohne
Erfolg, weil der angemeldeten Marke insoweit jegliche Unterscheidungskraft (ge-
mäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) fehlt.
Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke inne-
wohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die be-
anspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber sol-
chen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2003, 514,
517, Nr. 40 - Linde, Winward und Rado; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice).
Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlen-
der Unterscheidungskraft auszugehen, wenn der Marke ein für die beanspruchten
Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinnge-
halt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort bzw.
eine Wortfolge der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache han-
delt, das vom Verkehr, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der
Werbung, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
wird (st. Rspr.; vgl. BGH, a. a. O. - Cityservice).
Handelt es sich bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen um solche,
die neben ihrem Charakter als handelbare Waren oder Dienstleistungen auch ei-
nen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen oder aufweisen können,
so ist - unbeschadet eines etwaigen Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG -
- 5 -
die markenrechtliche Unterscheidungskraft auch dann zu verneinen, wenn die
betreffende Bezeichnung geeignet ist, diesen gedanklichen Inhalt der Waren und
Dienstleistungen zu beschreiben (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für
eine bessere Welt; GRUR
2001, 1042, 1043 -
REICH UND SCHOEN;
GRUR 2001, 1043, 1045 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten; GRUR 2002, 1070,
1072 - Bar jeder Vernunft; GRUR 2003, 342 - Winnetou).
Die Bezeichnung „assistent.steuern“ setzt sich aus zwei geläufigen Begriffen der
deutschen Sprache zusammen. Als „Assistent“ wird bezeichnet, wer einem Ande-
ren bei einer bestimmten Tätigkeit Hilfe oder Beistand leistet. Dies wird von der
Anmelderin wohl auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen, ebenso wenig, dass
„Steuern“ auf gesetzlicher Grundlage erhobene staatliche Zwangsabgaben sind.
Gerade in der Zusammenfassung beider Wortbestandteile ergibt sich im Blick auf
die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der unmittelbar naheliegende Be-
deutungsgehalt, dass es um Publikationen - in gedruckter Form oder über das In-
ternet - geht, welche Hilfestellung in Steuerangelegenheiten geben sollen. Eine
derartige personifizierende Angabe - das gedruckte oder elektronische Medium
ersetzt gleichsam den Helfer (z. B. den Steuerberater) als Person - ist keinesfalls
ungewöhnlich und bereitet dem angesprochenen Verkehr keinerlei Verständnis-
schwierigkeiten. Für Dienstleistungen, die sich auf die Herstellung, Veröffentli-
chung und Vermittlung derartiger Publikationen und der in ihnen enthaltenen In-
formationen beziehen, gilt keine andere Beurteilung (vgl. BGH, a. a. O. -
Winnetou).
Die Schreibweise, d. h. die Verwendung kleiner Anfangsbuchstaben für beide Ein-
zelwörter und die Trennung (bzw. Verbindung) durch einen Punkt, sind werbeübli-
che Gestaltungsmittel, um zusätzliche Aufmerksamkeit zu erregen. Sie sind für
sich gesehen nicht geeignet, bei - wie hier - unmittelbar waren- und dienstleis-
tungsbezogenen Angaben einen markenmäßigen Eindruck zu hinterlassen. Ob die
angemeldete Bezeichnung, in dieser konkreten Gestaltung, zusätzlich auch als
Produktmerkmalsbezeichnung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG einem Eintra-
- 6 -
gungsverbot unterliegt, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt blei-
ben.
Eine andere Beurteilung ist (nur) für die Dienstleistung „Erziehung“ geboten. Diese
beschränkt sich - anders als „Ausbildung“ - nicht auf die Vermittlung von Kenntnis-
sen und Fertigkeiten, sondern weist darüber hinaus eine persönlichkeitsbildende
Komponente im Sinne einer ethischen Zielsetzung auf (Senatsbeschluss vom
9. August 2006, 32 W (pat) 166/03 - German Pops Orchestra). Dass mit der - mo-
ralisch neutralen - Angabe „assistent.steuern“ etwa die Zielsetzung der Förderung
von Steuerehrlichkeit verbunden wäre, ist nicht ohne Weiteres nahe liegend. Für
die Dienstleistung „Erziehung“ ist die angemeldete Bezeichnung somit weder frei-
haltebedürftig (i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) noch entbehrt sie insoweit eines
Mindestmaßes an betriebskennzeichnender Hinweiskraft (§
8 Abs.
2 Nr.
1
MarkenG).
gez.
Unterschriften