Urteil des BPatG vom 13.11.2002
BPatG (marke, verkehr, dienstleistung, verwechslungsgefahr, verbindung, bezeichnung, unternehmen, einsatz, gefahr, beschwerde)
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 25/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 397 43 308
BPatG 152
10.99
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hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 13. November 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Albert sowie der Richter Kraft und Reker
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss
der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 15. September 1999 dahingehend abgeändert, dass
die Löschung der Marke 397 43 308 wegen des Widerspruchs aus
der Marke 395 49 417 angeordnet wird.
G r ü n d e
I
Gegen die Eintragung der für die Dienstleistung
"Selbstfahrertouren in Geländefahrzeugen mit Reiseleitung"
angemeldeten Marke 397 43 308
4 x 4 JEEP TREK
ist Widerspruch erhoben worden
1. aus der Marke 395 49 417
JEEP
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die für die Waren
"Fahrzeuge, insbesondere geländegängige Personenfahrzeuge;
Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf
dem Wasser"
Schutz genießt, sowie
2. aus der nicht eingetragenen, nach Ansicht der Widersprechenden für
"Landfahrzeuge, insbesondere geländegängige Fahrzeuge"
notorisch bekannten Marke
JEEP
Die Markenstelle für Klasse 39 hat die Widersprüche mit Beschluss vom
15. September 1999 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwi-
schen den Marken bestehe keine Verwechslungsgefahr, weil es an der hierfür er-
forderlichen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen fehle. Das Angebot von
Selbstfahrertouren weise keine solchen Berührungspunkte mit Fahrzeugen auf,
dass für den Verkehr der Eindruck entstehen könne, der Warenhersteller bzw der
Dienstleistungsanbieter werde auch auf dem jeweils anderen Gebiet gewerblich
tätig. Zwischen der Herstellung und dem Vertrieb von gegenständlichen Produkten
und der Erbringung nicht gegenständlicher Dienstleistungen bestünden bereits
aus sich heraus grundlegende Unterschiede, die dem Verkehr auch bewusst
seien. Auch auf dem hier maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsgebiet be-
stehe eine klare Trennung von Warenproduktion und Dienstleistungsangeboten.
Die Widersprechende habe keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen, die
die gegenteilige Annahme rechtfertigen könnten. Die von ihr produzierten Fahr-
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zeuge könnten zwar bei der Durchführung der Dienstleistung des Markeninhabers
zum Einsatz kommen. Daraus sei jedoch noch nicht auf die Ähnlichkeit der in
Rede stehenden Waren und Dienstleistungen zu schließen, weil auch hierdurch
für den Verkehr noch nicht der Eindruck entstehen könne, diese würden von dem-
selben Unternehmen in eigenständiger wirtschaftlicher Betätigung nebeneinander
hergestellt bzw erbracht. Vielmehr werde der Verkehr allenfalls darauf schließen,
dass der Dienstleistungsanbieter Fahrzeuge der Widersprechenden zur Erbrin-
gung seiner Dienstleistung einsetze. Unter der Geltung des Warenzeichengeset-
zes seien Landfahrzeuge und die Beförderung von Gütern ebenfalls stets als un-
gleichartig erachtet worden, obwohl bei der Erbringung dieser Dienstleistung auch
Landfahrzeuge zum Einsatz kämen.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der An-
sicht, die zur Bejahung der Verwechslungsgefahr erforderliche Ähnlichkeit der Wa-
ren und Dienstleistungen sei gegeben, weil in der Automobilbranche eine Verbin-
dung von Warenproduktion und Dienstleistungsangeboten praktiziert werde. So
gehörten z.B. Finanzdienstleistungen, Sponsoring und das Veranstalten von Mes-
sen, Ausstellungen und Reisen zu den üblicherweise von Automobilherstellern
angebotenen Leistungen. Diesbezüglich verweist sie auf Internetseiten der Auto-
mobilhersteller Mercedes-Benz, Opel und BMW. Es entspreche angesichts der
dort angebotenen Reisen und Sicherheitsschulungen für Autofahrer auf konzern-
eigenen Fahrzeugen der Verbraucherwartung, dass Automobilhersteller auch sol-
che Veranstaltungen offerierten. Durch die Verwendung der angegriffenen Marke
werde beim Verkehr der Eindruck erweckt, dass die Widersprechende und der In-
haber der angegriffenen Marke unternehmerisch miteinander verbunden seien.
Die angegriffene Marke werde durch ihren mit der Widerspruchsmarke identischen
Bestandteil "JEEP" geprägt, weil die weiteren Bestandteile "4 x 4" und "TREK" be-
schreibende Angaben für den Allradantrieb von Fahrzeugen bzw für eine Reise
seien. Zumindest bestehe aber die Gefahr, dass der Verkehr die Marken wegen
der vermuteten geschäftlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Zusam-
menhänge gedanklich miteinander in Verbindung bringe. Die Widersprechende
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beantragt sinngemäß, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und wegen des
Widerspruchs die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht ge-
äußert.
II
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet. Zwischen der
angegriffenen Marke und der älteren Marke 395 49 417 besteht Verwechslungsge-
fahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2
letzter Halbsatz MarkenG.
Zwischen der mit der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistung und den
Waren, für die die eingetragene Widerspruchsmarke Schutz genießt, besteht Ähn-
lichkeit.
Bei dem mit dem Markengesetz eingeführten Begriff der Ähnlichkeit von Waren
und Dienstleistungen handelt es sich um einen neuen, eigenständigen Rechts-
begriff. Für die Beantwortung der Frage, ob Waren und Dienstleistungen die erfor-
derliche Ähnlichkeit aufweisen, kommt es entscheidend darauf an, ob sie unter
Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kenn-
zeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen
Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem Verwendungs-
zweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart
als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistun-
gen, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise
der Meinung sein können, sie stammten aus denselben oder miteinander verbun-
denen Unternehmen (EuGH GRUR 1998, 922, 924 – CANON). Wegen der grund-
sätzlichen Unterscheide zwischen körperlichen Waren und unkörperlichen
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Dienstleistungen ist die Ähnlichkeit zwischen diesen in der Regel eher nicht gege-
ben. Deshalb sind Dienstleistungen auch grundsätzlich nicht mit den bei ihrer
Erbringung verwendeten Waren ähnlich (BGH GRUR 1999, 731, 733 – Canon II).
Im Einzelfall können jedoch besondere Umstände die Feststellung einer Waren-
und Dienstleistungsähnlichkeit begründen, und zwar insbesondere dann, wenn im
Verkehr auf Grund tatsächlicher Umstände der Eindruck entstehen kann, die
betreffenden Waren und Dienstleistungen unterlägen der Kontrolle desselben
Unternehmens oder miteinander verbundener Unternehmen, sei es, dass das
Dienstleistungsunternehmen sich selbständig auch mit der Herstellung und dem
Vertrieb der Ware befasst, oder sei es, dass sich der Warenhersteller oder
-vertreiber auf dem betroffenen Dienstleistungssektor gewerblich betätigt (BGH
aaO - Canon II; GRUR 1999, 586 f – White Lion).
Der Umstand, dass die Erbringer der Dienstleistung "Selbstfahrertouren in Gelän-
defahrzeugen" solche Fahrzeuge bei der angebotenen Dienstleistung einsetzen,
ist für sich allein betrachtet nach den oben dargestellten Grundsätzen zwar nicht
geeignet, die Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen zu be-
gründen. Hinzu kommt jedoch, wie die von der Widersprechenden eingereichten
Internetauszüge zeigen, dass sich einige Hersteller von Kraftfahrzeugen nicht nur
mit der Herstellung und dem Vertrieb ihrer Waren befassen, sondern offiziell und
gegen gesondertes Entgelt für ihre kulturell oder sportlich ambitionierten Kunden
auch Veranstaltungen, wie z.B. ein Winterfahrtraining unter Einsatz von Fahrzeu-
gen der eigenen Marke, sowie bei Bedarf auch die organisierte Anreise zu solchen
Veranstaltungen anbieten. Angesichts des Angebots von Dienstleistungen, die
unter Einsatz der von demselben Unternehmen produzierten und vertriebenen
Fahrzeuge als eigenständige Leistungen des Warenherstellers erbracht werden,
muss davon ausgegangen werden, dass ein rechtserheblicher Teil der deutschen
Endverbraucher dann, wenn für die Ware und die Dienstleistung identische oder
verwechselbar ähnliche Marken eingesetzt werden, eine gemeinsame betriebliche
oder konzernmäßige Verantwortung für die Ware und die Dienstleistung annimmt.
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Ausgehend von einer, wegen der prinzipiellen Verschiedenheit von Waren und
Dienstleistungen allerdings nur entfernten Ähnlichkeit von "Selbstfahrertouren in
Geländefahrzeugen mit Reiseleitung" und "Fahrzeugen" besteht zwischen den
Marken Verwechslungsgefahr.
Die Frage der Verwechslungsgefahr i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Be-
rücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998,
387, 389 – Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in
Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der
Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Insbesondere kann ein geringe-
rer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren
Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH aaO
- CANON). Hiervon ausgehend ist von entscheidungserheblicher Bedeutung der
gerichtsbekannte Umstand, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine
Marke handelt, die wegen ihrer jahrzehntelangen, umfangreichen Benutzung für
Geländefahrzeuge auch im Inland eine weit überdurchschnittliche Kennzeich-
nungskraft aufweist. In Folge dieser deutlich überdurchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft kommt der Widerspruchsmarke auch ein großer Schutzumfang zu, so
dass es trotz der nur eher geringen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und
Dienstleistungen eines erheblichen Abstandes der Marken bedarf, um eine Ver-
wechslungsgefahr auszuschließen. Diesen Abstand hält die angegriffene Marke
gegenüber der Widerspruchsmarke nicht ein.
Zwar hält es der Senat für wenig wahrscheinlich, dass der Verkehr die Marken als
solche in rechtserheblichem Umfang unmittelbar verwechseln wird, weil die mit der
Widerspruchsmarke übereinstimmende Bezeichnung "JEEP" in der angegriffenen
Marke mit den weiteren Wortbestandteilen "4X4" und "TREK" eine für den ange-
sprochenen Verkehr erkennbare begriffliche Einheit i.S.v. "Trekking mit allradge-
triebenen Jeeps" bildet. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Verkehr die Mar-
ken gedanklich miteinander in Verbindung bringen wird.
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Die Gefahr, dass Marken gedanklich in Verbindung gebracht werden, ist nicht bei
jeder wie auch immer gearteten gedanklichen Assoziation des Verkehrs zu beja-
hen. Deshalb reicht auch allein das Vorhandensein eines übereinstimmenden
Elements in beiden Marken noch nicht zur Begründung der Gefahr einer gedankli-
chen Verbindung aus. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass dem in beiden
Marken enthaltenen Bestandteil Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren
Marke zukommt, was nicht zwangsläufig erfordert, dass die Inhaberin der rang-
besseren Marke den Verkehr bereits durch die Benutzung mehrerer eigener Se-
rienmarken an die Verwendung eines betriebskennzeichnenden Stammbestand-
teils gewöhnt hat. Vielmehr kann einer älteren Kennzeichnung u.a. auch dann
Hinweischarakter auf das Unternehmen der rangbesseren Marke zukommen,
wenn es sich bei ihr um eine solche mit erhöhter Verkehrsgeltung handelt (BGH
GRUR 1996, 267, 269 – AQUA; GRUR 1998, 1027, 1028 – Boris/BORIS
BECKER).
Bei der Widerspruchsmarke handelt es sich um eine solche Bezeichnung mit er-
höhter Verkehrsgeltung, weil sie – wie bereits ausgeführt – seit Jahrzehnten auch
in Deutschland als Marke für Geländefahrzeuge eingesetzt worden ist und im
deutschen Verkehr weithin als Marke für diese Ware bekannt ist. Deshalb wird ein
rechtserheblicher Teil des Verkehrs, dem die Bezeichnung "JEEP" in der ange-
griffenen Marke begegnet, nicht zuletzt auch wegen des dienstleistungs-beschrei-
benden Charakters der übrigen Markenbestandteile die unzutreffende Vorstellung
haben, die unter Verwendung der Bezeichnung "JEEP" angebotenen Selbstfah-
rertouren würden nicht nur unter Einsatz der Fahrzeuge der Widersprechenden,
sondern auch auf Grund von betrieblichen Verbindungen oder anderen Beziehun-
gen zwischen dem Markeninhaber und der Widersprechenden erbracht. Deshalb
war der Beschwerde stattzugeben und die Löschung der angegriffenen Marke we-
gen des Widerspruchs aus der älteren Marke 395 49 417 anzuordnen.
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Weil die angegriffene Marke schon wegen dieses Widerspruchs zu löschen ist, be-
durfte es keiner Entscheidung darüber, ob auch der auf eine Notorietät (§ 10
Abs
1 MarkenG) der Bezeichnung "JEEP" gestützte weitere Widerspruch
derselben Widersprechenden begründet ist.
Gründe dafür, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG), liegen nicht vor.
Albert Kraft Reker
Bb