Urteil des BPatG vom 27.06.2000
BPatG: marke, kennzeichnungskraft, reinigungsmittel, verwechslungsgefahr, gleichheit, gesamteindruck, verkehr, sicherheit, sorgfalt, aufmerksamkeit
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 68/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
27. Juni 2000
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B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 396 34 329
BPatG 154
6.70
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hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Hellebrand sowie der Richter Albert und Viereck
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung "OCUSEPT" ist als Anmeldemarke eingetragen für "Kontaktlin-
sen und Aufbewahrungsvorrichtungen für Kontaktlinsen, Reinigungsvorrichtungen
für Kontaktlinsen, Reinigungssets für Kontaktlinsen, umfassend eine Reini-
gungsvorrichtung und Reinigungsmittel; Reinigungsmittel für Brillengläser, Reini-
gungsmittel für Kontaktlinsen; Dienstleistungen eines Optikers".
Hiergegen hat die Inhaberin der Marke 1 086 595 "OXYSEPT", die für "Kontakt-
linsen-Pflegemittel, nämlich Reinigungs-, Desinfektions- und Benetzungslösungen"
registriert ist, Widerspruch eingelegt.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Patentamts hat durch eine Beamtin des höhe-
ren Dienstes den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückge-
wiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, daß auch unter Berücksichtigung einer
möglichen Warengleichheit der Abstand der Vergleichsmarken ausreiche. In dem
angefochtenen Beschluß sind zunächst Ausführungen darüber gemacht, daß der
Verkehr sich regelmäßig am Gesamteindruck der Marken orientiere; dennoch
seien - trotz der Übereinstimmung im (hier schwachen, weil beschreibenden und
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häufig in einschlägigen Marken vorkommenden) Bestandteil "-SEPT" - die Ver-
gleichszeichen sicher auseinanderzuhalten. In den -
regelmäßig betonten
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Anfangssilben "OCU-" bzw "OXY-" träten sowohl klangliche als auch schriftbildli-
che Unterschiede so deutlich hervor, daß mit Verwechslungen in entscheidungs-
erheblichem Umfang nicht zu rechnen sei; dies umso weniger, als den Wortan-
fängen auch ein unterschiedlicher Sinnanklang innewohne, der die Unterschei-
dung erleichtere. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheide schon deshalb
aus, weil dem schwachen Wortteil "SEPT" die Eignung zum Stammbestandteil
fehle.
Gegen diesen Beschluß hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie hat
auf die Gleichheit bzw große Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Wa-
ren und Dienstleistungen hingewiesen, die für Durchschnittsverbraucher bestimmt
seien, bei denen die geringen Unterschiede der Vergleichsmarken nicht genügten.
Die Widerspruchsmarke habe einen sehr hohen Bekanntheitsgrad, wie sich dies
auch aus verschiedenem eingereichten Benutzungsmaterial ergebe. Die
Markenstelle habe die Zeichen nicht in ihrer Gesamtheit verglichen, sondern nur
die Wortanfänge einander gegenübergestellt. Die Endsilbe der Zeichen dürfe je-
doch nicht unberücksichtigt bleiben; ihr angeblich häufiges Vorkommen in Mar-
kenwörtern besage nichts, da über deren Benutzung nichts bekannt sei. Insge-
samt seien die Markenwörter verwechselbar, weil sie zu viele Ähnlichkeiten (was
Wortlänge, Silben- und Buchstabenzahl, gemeinsame Laute bzw Buchstaben an-
gehe) in klanglicher und schriftbildlicher Sicht aufwiesen. Begriffliche Unterschiede
drängten sich nicht auf.
Die Markeninhaberin ist dem entgegengetreten. Nach ihrer Meinung sind die Ver-
gleichsmarken nicht verwechselbar. Trotz des Vorbringens der Widersprechenden
könne der Gegenmarke, die von Haus aus kennzeichnungsschwach sei, nur ein
sehr geringer Schutzumfang zugestanden werden. Sie verweist darauf, daß
wegen des häufigen Vorkommens der Silbe "SEPT" in einschlägigen Kennzeich-
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nungen für die Kennzeichnungskraft der Vergleichsmarken deren erste
Bestandteile wesentlich seien.
Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat sie "hilfsweise" die Benutzung der Wi-
derspruchsmarke bestritten; nach einem Hinweis des Senats in der mündlichen
Verhandlung hat sie diese Einrede nicht aufrechterhalten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die Beschwerde mußte in der Sache ohne Erfolg bleiben, da die Vergleichsmar-
ken nicht verwechselbar ähnlich sind (MarkenG § 9 Abs 1 Nr 2), wenn es sich
dabei auch um einen Grenzfall handeln mag.
Obwohl von einer teilweisen Gleichheit der einander gegenüberstehenden Waren
auszugehen ist und somit strenge Maßstäbe bei einem Zeichenvergleich anzule-
gen sind, muß der Abstand der Marken noch als ausreichend angesehen werden.
Mit der Behauptung, die Widerspruchsmarke sei von Hause aus kennzeichnungs-
schwach, hat die Markeninhaberin implizit auch eine (von der Widersprechenden
geltendgemachte) erhöhte Kennzeichnungskraft bestritten, woran auch die Rück-
nahme der Nichtbenutzungseinrede substantiell nichts geändert hat. Zugunsten
der Widersprechenden kann jedoch, auch aufgrund der von ihr angegebenen
Umsatzzahlen, von einer gut eingeführten Marke mit normaler Kennzeichnungs-
kraft ausgegangen werden. Für die Annahme eines gesteigerten Schutzumfangs
hingegen erlauben Umsatzzahlen allein keine hinreichend klaren Rückschlüsse
(vgl zB Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 116; vgl auch die - in
Kurzform bei PAVIS veröffentlichten
- Entscheidungen des BPatG
25 W (pat) 26/99;
25 W (pat) 52/98;
25 W (pat) 130/98;
30 W (pat) 19/95;
30 W (pat) 127/99; 33 W (pat) 163/98 usw).
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Selbstverständlich sind die - auch als einheitliche Wörter erscheinenden - Marken
in ihrer Gesamtheit zu vergleichen, wobei nach ständiger Rechtsprechung davon
auszugehen ist, daß auch schwache oder schutzunfähige Markenteile den Ge-
samteindruck mitbestimmen. Andererseits ist aber zu bedenken, daß derartige
Zeichenteile (die zB häufig in einschlägigen Kennzeichnungen vorkommen) dazu
führen, daß der Verkehr hierin nicht den kennzeichnungsmäßigen Schwerpunkt
einer Marke sieht und seine Aufmerksamkeit umso mehr den anderen Markenbe-
standteilen zuwendet. Im vorliegenden Fall hat bereits die Markenstelle zu Recht
darauf hingewiesen, daß in den Warenklassen 3 und/oder 5 (in denen die Wider-
spruchsmarke registriert ist) nahezu 400 auf "-sept" endende Marken eingetragen
sind. Ungeachtet der Frage der konkreten Benutzung im einzelnen zeigt dies die
Üblichkeit, aber auch Verbrauchtheit eines solchen Markenbestandteils. Aus die-
sem Grund und nicht nur, weil die anderen Zeichensilben ("OCU-" bzw "OXY-")
am Wortanfang stehen und regelmäßig die Betonung tragen dürften, fallen letztere
für die Verkehrsbeteiligten stärker ins Gewicht. Ihre Unterschiede reichen in
klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht aus, um die Gesamtwörter mit (noch) hin-
reichender Sicherheit auseinanderzuhalten. Klanglich stehen sich [okusept] und
[oksüsept] bzw [oksisept] gegenüber. Der markante Konsonant "x" mit seinem zu-
sätzlichen "s"-Laut führt in Verbindung mit dem in jedem Fall hell gesprochenen
Vokal zu einem deutlich unterschiedlichen Klangbild des jüngeren Zeichens ge-
genüber dem älteren. Auch schriftbildlich sind die Unterschiede der Gesamtwörter
- sowohl bei Groß- als auch bei Kleinschreibung - kaum zu übersehen, da die ab-
weichenden Buchstaben ein jeweils charakteristisch anderes Aussehen zeigen.
Schließlich ist zu bedenken, daß die Vergleichswaren, auch wenn es sich um
Produkte des täglichen Bedarfs handeln mag, regelmäßig doch mit einer gewissen
Sorgfalt erworben werden, da sie für einen diffizilen Einsatz bestimmt sind
(Korrektur der Sehschärfe bzw Reinigung entsprechender Vorrichtungen hierfür).
Letztlich mag Verwechslungen zusätzlich auch der Umstand entgegenwirken, daß
die Anfangsteile der Marken - wenn sie auch selbst keine Begriffswörter darstel-
len - an unterschiedliche Begriffe zu erinnern vermögen (Ocular, Oxydieren). Für
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das Vorliegen einer assoziativen Verwechslungsgefahr sind Anhaltspunkte weder
ersichtlich noch vorgetragen.
Die Beschwerde war sonach zurückzuweisen.
Wegen der Kosten wird auf MarkenG § 71 Abs 1 verwiesen.
Hellebrand Viereck
Albert
Mr/Na