Urteil des BPatG vom 13.10.2009

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 332/06
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
13. Oktober 2009
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 10 2004 008 314
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hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2009 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Schröder, der Richter Harrer und Dr. Gerster und der
Richterin Dr. Münzberg
beschlossen:
Das Patent 10 2004 008 314 wird in vollem Umfang aufrechter-
halten.
G r ü n d e
I
Die Erteilung des Patents 10 2004 008 314 mit der Bezeichnung
"Verwendung von Zirkonoxid-haltigen Polyaryletherketonen zur Herstellung von
Zahnersatz“
ist
am
9. Februar 2006
veröffentlicht
worden.
Das
Patent
umfasst
13 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1 und 7 wie folgt lauten:
1.
Verwendung von Polyaryletherketonen, welche Zirkoniumoxid und
als Farbmittel eine Mischung aus Titandioxid und Zinksulfid enthalten, zur
Herstellung von Zahnersatz.
7.
Zahnersatz aus einer thermoplastischen Masse enthaltend Poly-
aryletherketon, Zirkoniumoxid, Titandioxid und Zinksulfid.
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Zum Wortlaut der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 und 8 bis 13, die besondere
Ausgestaltungen der Verwendung zur Herstellung von Zahnersatz und des Zahn-
ersatzes betreffen, wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen dieses Patent ist mit dem am 8. Mai 2006 eingegangenen Schriftsatz Ein-
spruch erhoben worden. Der Einspruch ist im wesentlichen damit begründet, dass
die Verwendung zur Herstellung von Zahnersatz und der Zahnersatz nach den
Ansprüchen 1 und 7 gegenüber den Druckschriften
D1: „Verbund von polymeren Zahnwurzelimplantaten mit Knochen“,
Schriftenreihe „Kunststoff-Forschung“, Berlin 2001 (Vorwort und
S. 63, 120)
D2: DE 37 00 808 A1
D3: US 4 093 555
D4: EP 1 138 272 A1
D5: DE 36 28 823 C2
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Es liege nahe, für einen kosten-
günstigen, gut verträglichen und mit Röntgenstrahlung abbildbaren Zahnersatz
Polyaryletherketone als thermoplastische Masse, Zirkoniumdioxid als Röntgen-
kontrastmittel und Titandioxid und Zinksulfid als Farbmittel zu verwenden. Aus D1
sei ein Zahnersatz aus PEEK bekannt, der Zirkoniumdioxid und Titandioxid als
Röntgenkontrastmittel enthalte. Aus D4 sei bekannt, dass Titandioxid einen sol-
chen Zahnersatz weiß färbe. In D3 werde Zinksulfid als weißes Farbmittel für tem-
poräre Kronen etc auf Basis von Polymethylacrylat verwendet. D2 beschreibe die
Eignung von Titandioxid und Zinksulfid als Farbmittel für Polyaryletherketone.
Damit seien die Ansprüche durch D1 und D2 nahegelegt. Aus D5 sei ein Zahner-
satzmaterial bekannt, das aus einem thermoplastischen Polymeren und einem
anorganischen Füllstoff bestehe, wobei Titandioxid, Zirkoniumoxid und Zinksulfid
verwendet würden. Es biete sich gemäß D1 an PEEK anstelle der bei D5 verwen-
deten thermoplastischen Masse einzusetzen. Damit erschöpften sich die Ansprü-
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che 1 und 7 in einem einfachen Materialaustausch. Auch die Unteransprüche des
Streitpatents ließen keine erfinderische Leistung erkennen.
Die Einsprechende beantragt schriftsätzlich,
das Patent zu widerrufen.
Sie ist - obwohl ordnungsgemäß geladen - zur mündlichen Verhandlung nicht er-
schienen, wie mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2009 angekündigt.
Die Patentinhaberin beantragt,
das Patent im erteilten Umfang aufrecht zu erhalten, hilfsweise
beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage einer der An-
spruchsfassungen
der
Hilfsanträge 1,
2
oder
3
vom
28. September 2009.
Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 7 seien gegenüber dem entgegengehalte-
nen Stand der Technik unbestritten neu und beruhten auf einer erfinderischen Tä-
tigkeit.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1.
Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen.
Der Einspruch ist somit zulässig. Er kann aber nicht zum Erfolg führen.
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2.
Die erteilten und weiterhin geltenden Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hauptantrag
sind aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3 und 5 bis 14 i. V. m. S. 7 Abs. 1
der Erstunterlagen ableitbar. Die Ansprüche sind nicht zu beanstanden.
3.
Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag sind, von der
Einsprechenden unbestritten, neu, denn in keiner der Entgegenhaltungen D1 bis
D5 ist ein Zahnersatz aus einer thermoplastischen Masse enthaltend Poly-
aryletherketon, Zirkoniumoxid, Titandioxid und Zinksulfid gemäß Anspruch 7 bzw.
eine Verwendung von Polyarylethketon mit den genannten Zusätzen zur Herstel-
lung von Zahnersatz gemäß Anspruch 1 beschrieben.
4.
Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag beruhen auch
auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend vom weiter bestehenden Bedarf an einem Material, das sich insbe-
sondere zur temporären Versorgung mit Zahnersatz eignet, liegt dem Streitpatent
die Aufgabe zugrunde, einen effektiven, stabilen und reinen Zahnersatz bereitzu-
stellen, der kostengünstig, gut verträglich und mit Röntgenstrahlen abbildbar ist,
wobei dessen Farbe derjenigen natürlicher Zähne näher gebracht und dessen
Homogenisierung bei der Verarbeitung verbessert ist (vgl. Streitpatentschrift
Abs. [0009, 0010, 0016 und 0017]). Diese Aufgabe wird durch die Verwendung zur
Herstellung von Zahnersatz gemäß Anspruch 1 bzw. die Bereitstellung des Zahn-
ersatzes aus einer thermoplastischen Masse gemäß Anspruch 7 gelöst. Demnach
werden Polyaryletherketone, die Zirkoniumoxid und als Farbmittel Titandioxid und
Zinksulfid enthalten, zur Herstellung des Zahnersatzes verwendet und Zahnersatz
aus einer thermoplastischen Masse enthaltend Polyaryletherketon, Zirkoniumoxid,
Titandioxid und Zinksulfid bereitgestellt.
Ausgangspunkt zur Lösung der Aufgabe stellen die Entgegenhaltungen D1 und
D4 dar, die sich beide mit Zahnersatzmaterialien, die für Implantate geeignet sind,
auf der Basis von Polyetheretherketonen (PEEK), die den auch im Streitpatent
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(Ansprüche 3, 9 i. V. m. Abs. [0013 bis 0015]) bevorzugten Polyaryletherketonen
zuzurechnen sind, beschäftigen. Aus dem Vorwort Abs. 2 bis 4 von D1 geht her-
vor, dass sich PEEK neben anderen Kunststoffen wie POM als Implantatwerkstoff,
insbesondere für Zahnwurzelimplantate eignet, wobei eine Kontrastmittelbeimi-
schung zum Grundkunststoff die röntgenographische Sichtbarmachung des
spritzgegossenen Implantats ermöglicht. Dabei wird als Kontrastmittel Zirkonium-
dioxid genannt. Die Versuche auf den Seiten 63 und 120 mit POM, wobei Tantal,
Zirkoniumdioxid und Titandioxid miteinander verglichen werden, belegen lediglich,
dass erwartungsgemäß von diesen Zusätzen Titandioxid die geringste Absorption
aufweist. D1 beschäftigt sich nicht mit der Beimischung von Farbmitteln und kann
den Fachmann, einen Diplomchemiker mit langjähriger Erfahrung in der Bereit-
stellung von Dentalmaterialien, nicht dazu anregen der thermoplastischen Masse
auf PEEK-Basis ein Titandioxid/Zinksulfid-Gemisch zuzugeben, um die streitpa-
tentgemäße Aufgabe zu lösen. D4 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Zahn-
ersatz durch Pressen einer erwärmten Pressmasse aus einem aromatischen
Thermoplast, insbesondere PEEK, zwischen einer Form und einem Gegenstem-
pel. Der PEEK-Masse kann dabei Titanoxid als Füllstoff beigemischt werden, um
eine weiße Farbe zu erhalten (Ansprüche 1, 6, 8 i. V. m. Abs. [0009, 0012]). Eine
Anregung gerade ein Titandioxid/Zinksulfid-Gemisch einer Masse auf Poly-
aryletherketon-Basis beizufügen, kann daher D4 nicht liefern. Die Gegenstände
der Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag werden folglich durch die Kombination
der Druckschriften D1 und D4 nicht nahegelegt. Das gleiche gilt für die Zusam-
menschau mit der Druckschrift D2, die die Herstellung von Polyaryletherketonen,
insbesondere PEEK, betrifft. Auf die Verwendung dieser Polyaryletherketone als
Zahnersatzmasse wird in D2 nämlich nicht hingewiesen. Es ist lediglich ausge-
führt, dass die erhaltenen Polyaryletherketone mit Füllstoffen, Pigmenten und an-
deren Verarbeitungshilfsmitteln abgemischt werden können, wobei unter den Pig-
menten u. a. Titanoxid oder Zinksulfid aufgezählt sind (Anspruch 1, S. 5 Z. 51 bis
66).
- 7 -
Die Druckschriften D3 und D5 liegen von den Gegenständen der Ansprüche 1 und
7 gemäß Hauptantrag weiter entfernt, da dort keine Polyaryletherketone als ther-
moplastische Massen eingesetzt werden. Bei D3 werden spezielle Ethylenimin-
verbindungen
zusammen mit
organischen
Füllstoffen,
wie
Polymethyl-
methacrylaten, zur Herstellung von Zahnersatzmaterialien eingesetzt. Dabei kann
zwar ein weißes Pigment auf Zinksulfidbasis zugemischt werden (Ansprüche 1, 3,
Beispiel 9). Anregungen anstelle dieser speziellen Polymere Polyaryletherketone,
ein Röntgenkontrastmittel und ein weiteres Farbpigment gemäß dem Streitpatent
einzusetzen, sind D3 nicht zu entnehmen. D5 betrifft eine gummielastische ther-
moplastische Zahnfüllmasse, die insbesondere als Wurzelkanalfüllmaterial, sowie
als temporäreres Füllmaterial für defekte Teile eines Zahns eingesetzt werden
kann, auf der Basis eines Polyisoprens und eines Ethylen/Vinylacetat-Copoly-
merharzes (Anspruch 1 i. V. m. S. 2 Z. 3 bis 5). Diese Massen eignen sich per se
nicht für die Zwecke gemäß Streitpatent, wie die Patentinhaberin glaubhaft vor-
trägt, da als Zahnersatzmaterialien auf Kunststoffbasis nur Massen verwendet
werden können, die nicht gummielastisch sind. D5 kann bereits deshalb keine An-
regungen zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe liefern. Die Gegenstände
der Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag werden also vom entgegengehaltenen
Stand der Technik nicht nahegelegt.
5.
Nach alledem weisen die Gegenstände der erteilten Ansprüchen 1 und 7 des
Streitpatents gemäß Hauptantrag alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Diese An-
sprüche sind daher rechtsbeständig, mit ihnen haben die besondere Ausfüh-
rungsformen der Verwendung nach Anspruch 1 und des Zahnersatzes nach An-
spruch 7 betreffenden Unteransprüche 2 bis 6 und 8 bis 13 Bestand.
Schröder
Harrer
Gerster
Münzberg
Bb