Urteil des BPatG vom 02.05.2007
BPatG: harmonisierungsamt für den binnenmarkt, markenschutz, eugh, warenform, beschwerdekammer, rechtsgutachten, patent, formmarke, begriff, trennung
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 80/05
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
2. Mai 2007
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
BPatG 154
08.05
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betreffend die Marke 395 03 037.4 S 318/03 Lö
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
Die Antragstellerin hat am 15. Dezember 2003 gemäß § 50 MarkenG beantragt,
die am 20. August 1996 für die Ware
Spielzeug, nämlich Spielbausteine
eingetragene Marke 395 03 037
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zu löschen, weil diese entgegen den Vorschriften der § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 sowie
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG eingetragen worden sei. Die Markeninhaberin hat
der Löschung innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen.
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Be-
schluss vom 2. Februar 2005 antragsgemäß die Löschung der angegriffenen Mar-
ke angeordnet. Nach Auffassung der Markenabteilung sei die vorliegende Marke
einem Schutz als Marke nicht zugänglich, weil sie ausschließlich aus einer Form
bestehe, die zur Erreichung eines technischen Zwecks gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG erforderlich sei. Die Frage der Verkehrsdurchsetzung erübrige sich da-
her. Nach der verbindlichen Auslegung der § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entspre-
chenden Vorschrift des Art. 3 Abs. 1e) 2. Spiegelstrich der Markenrichtlinie durch
den Europäischen Gerichtshof (vgl. GRUR 2002, 804 - Philips) seien nicht nur
Warenformen, die ausschließlich aus technisch notwendigen Merkmalen beste-
hen, vom Markenschutz ausgeschlossen, sondern alle Warenformen, deren we-
sentliche Merkmale eine technische Funktion erfüllten, also technisch bedingt
seien, ohne dass es darauf ankäme, ob es in technischer Hinsicht Formalternati-
ven gebe. Durch die Quaderform und die zylindrischen Noppen auf der Oberseite,
die als Kupplungselemente dienten, verkörpere die beanspruchte Warenform in
ihren wesentlichen Elementen eine technische Lösung, die das vielfältige Zusam-
menstecken von Spielbausteinen ohne weitere Hilfsmittel ermögliche. Soweit sich
die Markeninhaberin darauf berufe, dass den wesentlichen Merkmalen der fragli-
chen Warenform auch eine erhebliche ästhetische Wirkung zukomme und die an-
gegriffene Marke nur für die ästhetische Gestaltung der Noppen Schutz beanspru-
che, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Es könne nicht angenommen wer-
den, dass nur solche Formmarken vom Markenschutz ausgeschlossen seien, die
ausschließlich eine technische Gestaltung ohne ästhetische Wirkung zum Gegen-
stand hätten; dies sei kaum denkbar und würde dem Normzweck des Art. 3
Abs. 1e) 2. Spiegelstrich der Markenrichtlinie widersprechen. Zudem stehe - an-
ders als z. B. bei Pkw-Karosserien - der technisch-funktionelle Charakter der be-
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treffenden Warenform ganz eindeutig im Vordergrund; dieser weise keine zweck-
fremde, gestalterische Wirkung mit eigenständiger Bedeutung auf.
Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde. Sie vertritt die
Auffassung, die konkrete Ausgestaltung der Noppen des geschützten Klemmbau-
steins diene nicht der Erzielung einer technischen Wirkung i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG. Die Entscheidung der Löschungsabteilung beruhe auf einem unzurei-
chenden Verständnis des sog. „Lego 8-Noppen Bausteins“ und stehe nicht mit den
vom Europäischen Gerichtshof in der „Philips“-Entscheidung (a. a. O.) aufgestell-
ten Kriterien zur Beurteilung der Warenform in Einklang.
Der Schutzversagungsgrund der technischen Bedingtheit nach § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG solle ausschließlich verhindern, dass eine konkrete technische Lösung
zugunsten des Markeninhabers monopolisiert werde; verhindert werden solle da-
gegen nicht der Markenschutz für bestimmte Ausgestaltungen von technischen
Lösungen. Dazu liege auch eine dezidierte Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs vor, wonach Warengestaltungen, die im Wesentlichen auch funktional bedingt
seien, nicht dem Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfielen. Mitt-
lerweile werde eine Reihe von Klemmbausteinen angeboten, die genau dieselbe
technische Lösung umsetzten, dabei aber andere Gestaltungen aufwiesen. Insbe-
sondere bezüglich der Noppen gebe es erhebliche Gestaltungsspielräume bezüg-
lich Höhe, Durchmesser und Radius. Gestaltungsvarianten seien auch möglich
hinsichtlich der Proportion des Bausteins und der Noppen zueinander sowie hin-
sichtlich der Höhe des Bausteins. Diese Gestaltungsspielräume könnten beliebig
geändert werden, um die gleiche technische Wirkung zu erzielen. Zudem müssten
die wesentlichen Merkmale des Bausteins aus Sicht des Verbrauchers definiert
werden. Dieser erkenne den „Lego-Baustein“ nicht an dem Vorhandensein von
Noppen, sondern an deren konkreter Gestaltung; diese erfülle indes keine techni-
sche Funktion, es gebe diesbezüglich einen erheblichen Gestaltungsfreiraum.
Zur Untermauerung ihrer Argumentation hat die Inhaberin der angegriffenen Mar-
ke ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. A… und Prof. Dr. B…
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zur Markenfähigkeit des „LEGO-Bausteins“ und seiner Noppen vorgelegt. Außer-
dem hat sie zahlreiche Darstellungen verschiedener Gestaltungen von Spielbau-
steinen eingereicht.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4. aufzuheben und den Lö-
schungsantrag zurückzuweisen.
Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde sowie
eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof an.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen sowie hilfsweise die Rechtsbe-
schwerde zuzulassen.
Sie trägt vor, die Inhaberin der angegriffenen Marke verkehre die vom Europä-
ischen Gerichtshof entwickelten Grundsätze ins Gegenteil und führe durch die
Hintertür die Argumentation von der Relevanz der gleichwertigen Alternativgestal-
tungen ein. Nach den Ausführungen des EuGH in der „Philips“-Entscheidung
(a. a. O.) bestehe eine Warenform auch dann „ausschließlich“ aus einer tech-
nisch-funktionalen Form, wenn die wesentlichen Formmerkmale technisch-funk-
tional bedingt seien. Der Begriff der Ausschließlichkeit sei weit auszulegen. Eine
fehlende Markenfähigkeit sei auch zu bejahen, wenn es alternative Gestaltungs-
möglichkeiten zur Erreichung derselben technischen Lösung gebe. Der Begriff der
technischen Erforderlichkeit sei somit im Sinne einer technischen Bedingtheit zu
verstehen. Die deutsche Rechtsprechung habe sich der Auffassung des EuGH an-
geschlossen, wie z. B. die Entscheidung „Transformatorengehäuse“ des Bundes-
gerichtshofs (GRUR 2004, 507 ff.) und „Kraftfahrzeugteile“ des Bundespatentge-
richts (GRUR 2005, 333 ff.) zeigten. Die runden zylindrischen Klemmnoppen auf
der Oberseite der „Lego-Bausteine“ erfüllten zweifellos eine technische Funktion,
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die darin bestehe, durch diese die Bausteine nicht dauerhaft miteinander zu ver-
klemmen. Auf die Frage, was die Verbraucher als wesentliche Merkmale der
Formmarke ansehen würden, komme es nicht an. Im Übrigen sei als spontanes
Erkennungsmerkmal in den Umfragen die „Form des Steins“ noch vor der „Form
der Noppen“ genannt worden. Die Feststellung, dass die wesentlichen funktiona-
len Merkmale der angegriffenen Formmarke nur der technischen Wirkung zuzu-
schreiben seien, werde auch durch den Inhalt verschiedener Patentschriften zur
technischen Wirkungsweise des „Lego-Bausteins“ gestützt. Nach deutscher
Rechtsprechung komme dem Inhalt derartiger Patentschriften zumindest eine In-
dizwirkung für die Prüfung der Schutzfähigkeit nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu.
Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt habe in seiner Entscheidung der
Nichtigkeitsabteilung vom 30. Juli 2005 sowie in der Entscheidung der Großen Be-
schwerdekammer vom 10. Juli 2006 ebenfalls bestätigt, dass die wesentlichen
Merkmale der hier in Frage stehenden Formmarke technisch bedingt seien und
daher der Form die Markenfähigkeit zu versagen sei.
Rein vorsorglich bestreitet die Antragstellerin auch eine mögliche Verkehrsdurch-
setzung der angegriffenen Marke gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG.
Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten ge-
wechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenabteilung des Deut-
schen Patent- und Markenamts hat auf den gemäß §§ 50 Abs. 2 Satz 2, 54 Abs. 1
MarkenG zulässigen Löschungsantrag hin zu Recht die Löschung der angegriffe-
nen Marke angeordnet.
Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht, wenn sie
entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist und das Schutzhinder-
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nis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Löschung be-
steht (§ 50 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
Gegenstand der angegriffenen Marke ist die dreidimensionale Wiedergabe eines
roten quaderförmigen Spielbausteins mit zwei symmetrischen Reihen aus jeweils
vier flachen glatten zylindrischen Noppen an der Oberfläche, des sog. „Lego-Bau-
steins“. Die Unterseite des Bausteins ist in der Darstellung der Marke nicht er-
kennbar. Allerdings zeigen die von der Inhaberin der angegriffenen Marke vorge-
legten Demonstrationsobjekte eindeutig, dass der durch die Marke dargestellte
Baustein Hohlräume auf der Unterseite aufweist, die für die Verbindung mit den
Noppen des zweiten Bausteins bestimmt sind.
Zum Eintragungszeitpunkt stand der Eintragung der angegriffenen Marke für die
registrierte Ware das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen;
dieses Schutzhindernis besteht auch gegenwärtig.
Nach dieser Vorschrift sind solche Zeichen nicht dem Schutz als Marke zugäng-
lich, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer techni-
schen Wirkung erforderlich ist. Zweck dieses Ausschließungsgrunds ist es, eine
Monopolisierung technischer Lösungen oder Gebrauchseigenschaften von Waren
im Wege des Markenschutzes zu verhindern. Der Europäische Gerichtshof gibt
mit Rücksicht auf das Bedürfnis der Mitbewerber der Auffassung den Vorzug, wo-
nach der Ausschluss des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schon dann eingreift, wenn die
betreffende Form eine technische Funktion erfüllt, also technisch bedingt ist. Vom
Markenschutz ausgeschlossen sind deshalb nicht nur Warenformen, die aus-
schließlich aus technisch notwendigen Merkmalen bestehen, sondern alle Waren-
formen, deren wesentliche Merkmale eine technische Funktion erfüllen, also tech-
nisch bedingt sind, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die gleiche technische
Wirkung auch unter Verwendung anderer Formalternativen erreichen lässt (vgl.
EuGH GRUR 2002, 804, 809 - Philips; ebenso BGH GRUR 2006, 588 - Scher-
kopf). Weist der beanspruchte Gegenstand jedoch weitere, über die bloße techni-
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sche Gestaltung hinausgehende Merkmale auf, die weder durch die Art der Ware
noch technisch bedingt sind, kommt der Ausschlussgrund der fehlenden Marken-
fähigkeit nicht in Betracht (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 - Philips; GRUR 2003, 514
- Linde, Winward und Rado).
1. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Markenabteilung in zutreffender
Weise die Kupplungselemente (= Noppen), auf deren Gestaltung sich die Inhabe-
rin der angegriffenen Marke zur Begründung der Markenfähigkeit gemäß § 3
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG allein beruft, als bevorzugte Ausführungsform des betreffen-
den Spielbausteins und damit als ausschließlich technisch bedingt angesehen.
Auch Spielzeug kann Gegenstand technischer Erfindungen sein (vgl. Entschei-
dung der Nichtigkeitsabteilung des HABM vom 30. Juli 2004 63 C 107029/1 Nr. 62
- Legostein). Grundsätzlich dürfen technische Lösungen, die Patent- oder Ge-
brauchsmusterschutz genießen, nicht durch den Markenschutz unterlaufen wer-
den (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 3 Rdnr. 93). Nur Merkmale,
die nicht im Wesentlichen technisch bedingt sind, sind dem Markenschutz zugäng-
lich. Dass zur technischen Funktion noch eine ästhetische Wirkung hinzutritt, hin-
dert entgegen der Auffassung der Markeninhaberin, die in dem vorgelegten
Rechtsgutachten ausführlich dargelegt wird, nicht die Annahme der Wesentlichkeit
des technischen Effekts. Ergibt sich, dass einem Merkmal zwar eine technische
Funktion zukommt, es aber darüber hinaus einen nicht-technischen Überschuss
aufweist, ist das Ausmaß dieses Überschusses im Hinblick auf den maßgeblichen
Gesamteindruck der Form zu bestimmen. Wird der Gesamteindruck nicht nur un-
wesentlich durch einen solchen nicht-technischen Überschuss bestimmt, ist § 3
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht anwendbar (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz,
8. Aufl., § 3 Rdnr. 98). Vorliegend ist davon auszugehen, dass die wesentliche
technische Funktion der Noppen auf der Oberseite sowie der Hohlräume auf der
Unterseite in einem Kupplungs- bzw. Verbindungseffekt besteht, der der Stabilität
dient und eine gewisse Beweglichkeit (leichte Verbindung und Trennung) der Ele-
mente gewährleistet; diese durch die Noppen intendierte technische Wirkung steht
eindeutig im Vordergrund. Der Europäische Gerichtshof hat zum Begriff „notwen-
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dig“ in Art. 7 (1) e) (ii) GMV ausgeführt, dass die jeweilige Form oder der jeweilige
Formteil notwendig im Sinne einer condicio sine qua non zur Erzielung sein muss.
Damit ist festzustellen, ob die technische Wirkung auch ohne Vorliegen eines be-
stimmten Bestandteils erreicht würde. Zudem ist der Aspekt der „Funktionalität“
miteinzubeziehen. Die Frage ist daher nicht, ob das Design des Gegenstands
funktional ist, sondern ob die Funktion des Gegenstands durch die Form bewerk-
stelligt wird (vgl. EuGH a. a. O. Nr. 81, 84 - Philips). Dies ist für die Form der Nop-
pen klar zu bejahen, da deren Anzahl, deren Durchmesser, deren Höhe und deren
symmetrische Anordnung auf der Oberfläche des Bausteins wesentlich für die er-
zielte Wirkung und damit für diese Wirkung auch erforderlich ist (vgl. HABM
a. a. O. Nr. 49 - Legostein).
Die abgelaufenen Patente bestätigen dies. Aus der deutschen Patentschrift
DE 1 076 007 aus dem Jahr 1960, der neben dem weiteren deutschen Patent
DE
529580 sowie weiteren britischen Patenten die technische Lösung des
„Lego-Bausteins“ zugrunde lag und auf die das von der Inhaberin der angegriffe-
nen Marke vorgelegte Rechtsgutachten ebenfalls Bezug nimmt, sind folgende Ele-
mente als (ausschließlich) technisch bedingt anzusehen:
- Quaderform
- Kupplungselemente
- Primärzapfen (Noppen) paarweise nebeneinander angeordnet
- Oberfläche muss 8 Noppen haben
- Noppen müssen so gestaltet sein, dass sie zwischen den Sekundärzapfen
(Säulen) und der Nachbarwand der Außensteine verklemmt werden können.
Da die Patentschriften hinsichtlich der zylindrischen Gestaltung der Noppen von
einer „vorzugsweisen“ bzw. „zweckmäßigen“ Gestaltung sprechen, ist weiterhin
davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Erfordernisse der Stabilität der ver-
bundenen Spielbausteine einerseits bzw. deren Beweglichkeit und leichter Trenn-
barkeit andererseits die dort beschriebene Form, die mit der Form der vorliegen-
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den Marke übereinstimmt, die funktionsgerechteste ist. Zylindrische Verbindungs-
noppen mit einer glatten, durchgehenden, äußeren Fläche sind die beste, bestän-
digste Verbindungskraft beim Zusammensetzen der Bausteine, denn diese kön-
nen präziser hergestellt werden (vgl. Entscheidung der Großen Beschwerdekam-
mer des HABM vom 10. Juli 2006, R 856/2004-G Nr. 49 - Legostein). So beein-
flusst beispielsweise die Höhe der Noppen maßgeblich die Stabilität des Verbin-
dungseffekts: sind die Noppen zu niedrig, ist der Halt der verbundenen Elemente
nicht gewährleistet, während bei zu hohen Noppen eine leichte Trennung der ver-
bundenen Elemente nicht problemlos möglich und damit die Beweglichkeit der
Elemente eingeschränkt wäre. Daneben sind rein ästhetisch bedingte Merkmale
auch in der konkreten Ausgestaltung nicht ersichtlich. Der Gestaltungsfreiheit ei-
nes Designers sind von vornherein Grenzen gesetzt, da die Technizität der
Zweckerreichung, nämlich die einfache Verbindung und Trennung der Spielbau-
steine und damit deren vielfältige Verbindungsmöglichkeiten bei deren Beweglich-
keit und optimaler Stabilität, im Vordergrund steht. Die als Marke beanspruchte
Form erschöpft sich somit in der bloßen Reproduktion der zur Erreichung eines
technischen Effekts erforderlichen Anordnung der Elemente der Ware (vgl. BPatG
GRUR 2005, 333, 335 - Fahrzeugteile). Ein beachtlicher nicht-technischer Über-
schuss, wie er vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Gabelstapler“ ange-
nommen wurde (vgl. GRUR 2004, 502 ff.), ist vorliegend demnach nicht gegeben.
Auch die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Harmonisierungs-
amts geht von einer ausschließlich technischen Bedingtheit des „Lego-Bausteins“
aus und sieht in der vorliegenden Markenform die vernünftigste und wirtschaft-
lichste Weise, die Bausteine zur gewünschten Festigkeit zu verbinden. Es wird
dort festgestellt, dass die Merkmale des Legosteins eindeutig gewählt wurden, um
den technischen Zweck des Bausteins zu erfüllen, nicht hingegen, um eine Her-
kunftsbestimmung im markenmäßigen Sinn zu erlauben (vgl. a. a. O., Nr. 62 - Le-
gostein).
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Ähnliche Erwägungen finden sich auch in der Entscheidung „HILTI-KOFFER“ vom
11. Januar 2006 (R 0001/2005-4). Dort fasst das Harmonisierungsamt die Krite-
rien für eine fehlende Markenfähigkeit i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dahinge-
hend,
• dass eine bestimmte Form vorliegt,
• dass diese Form eine bestimmte Wirkung erzielt,
• dass der Eintritt oder Nichteintritt dieser Wirkungen, sei es auch nur zu ei-
nem bestimmten relevanten Grad, gerade von der Form abhängt und
• dass diese Wirkung auf technischem und nicht etwa beispielsweise auf
ästhetischem Gebiet liegt.
Diese Kriterien werden in Bezug auf die Gestaltung der Noppen des „Lego-Bau-
steins“ - wie vorstehend dargelegt - erfüllt, sodass eine ausschließlich technische
Bedingtheit der Noppen in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht in Abrede zu stellen
ist.
2. Hinsichtlich des Vorliegens möglicher Gestaltungsalternativen erscheint eine
Unterscheidung zwischen technischer Wirkung und technischer Lösung, wie sie
das vorgelegte Rechtsgutachten trifft, wobei die technische Wirkung das Ergebnis
darstellt, das durch (meist mehrere) technische Lösungen erzielt werden kann,
ebenso wenig veranlasst wie der daraus gezogene Schluss, dass der Europäische
Gerichtshof in der „Philips“-Entscheidung (a. a. O.) die Markenfähigkeit nur aus-
schließen wollte, wenn das Erzielen der technischen Wirkung durch andere techni-
sche Lösungen erreicht werden kann, nicht aber wenn verschiedene Gestaltungs-
alternativen innerhalb derselben technischen Lösung bestehen. Für eine derartige
Differenzierung in der Betrachtungsweise bestehen weder sachliche noch rechtli-
che Gründe; vielmehr erscheint es im Wege eines „Erst-Recht“-Schlusses nahelie-
gend, das Vorliegen beider Formen von Gestaltungsvarianten gleichzustellen. Zu-
dem kann im Einzelfall schwierig abzugrenzen sein, welche Ausführungsform sich
tatsächlich noch innerhalb derselben technischen Lösung bewegt und welche da-
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rüber hinausgehend bereits einer anderen technischen Lösung zuzurechnen ist.
Die Auffassung, wonach jegliche Gestaltungsalternativen, also auch die innerhalb
einer technischen Lösung bestehenden, als andere Ausführungsformen angese-
hen werden mit der Folge, dass deren Vorliegen keinerlei Relevanz für die Beur-
teilung der Markenfähigkeit nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besitzt, vertreten so-
wohl die Nichtigkeitsabteilung als auch die Große Beschwerdekammer des Har-
monisierungsamts, wobei es entgegen der Ansicht der Inhaberin der angegriffe-
nen Marke nicht darauf ankommt, ob andere Ausführungsformen einfacher oder
preiswerter produziert werden können (vgl. Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung
a. a. O., Nr. 54; Entscheidung der Großen Beschwerdekammer a. a. O., Nr. 58).
Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung zum Ausstattungsschutz kann das
Bestehen von Gestaltungsalternativen eine Markenfähigkeit nach der gegenwärti-
gen Rechtsprechung nicht mehr begründen. Es kommt vorliegend daher nicht da-
rauf an, dass für die Noppen an sich, die nach Auffassung der Inhaberin der ange-
griffenen Marke die Markenfähigkeit begründen, ein „Gestaltungsspielraum“ be-
steht, der bestimmte Variationen an Form, Höhe, Breite, Durchmesser, Struktur
zulässt, da ohne Zweifel diese Noppen, wie auch immer sie gestaltet sein mögen,
maßgeblich der technischen Wirkung einer stabilen und zugleich beweglichen Ver-
bindung der Spielbausteine dienen und daher in ihrer Gestaltung stets darauf aus-
gerichtet sind. Es kommt daher zum einen nicht darauf an, ob neben der Errei-
chung des technischen Effekts durch die Klemmnoppen noch andere Ausfüh-
rungsformen existieren, die - bei gleicher Stabilität - denselben Verbindungseffekt
haben; zum anderen ist aber nach Auffassung des beschließenden Senats auch
irrelevant, ob innerhalb derselben technischen Lösung für die Verbindung der
Spielbausteine, nämlich der Ausführungsvariante „Noppen“, neben der vorliegen-
den noch andere Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Form (z. B. Dreiecke,
Quadrate, Achtecke u. ä.), Höhe, Breite, Durchmesser etc. existieren, die auf den
gleichen technischen Zweck gerichtet sind. Entscheidend bleibt, dass die vorlie-
gende Ausführungsform der Noppen, auch in ihren konkreten Details, dem Errei-
chen der technischen (Verbindungs-) Wirkung zuzuschreiben ist, weshalb eine
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Markenfähigkeit nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Interesse der Mitbewerber aus-
geschlossen ist.
Auf die Frage, ob die vorliegende Marke darüber hinaus einem Schutzausschlie-
ßungsgrund gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG unterfällt, kommt es bei der ge-
gebenen Sach- und Rechtslage nicht mehr an.
III
Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Gründen der Bil-
ligkeit (§ 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG) besteht keine Veranlassung.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugelassen, weil
die Frage der Markenfähigkeit gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bei Bestehen ver-
schiedener Gestaltungsalternativen innerhalb einer technischen Lösung in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärt ist.
gez.
Unterschriften