Urteil des BPatG vom 20.09.2018

Urteil vom 20.09.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:200918B35Wpat6.15.0
BUNDESPATENTGERICHT
35 W (pat) 6/15
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend das Gebrauchsmuster …
(hier: Kostenfestsetzung)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts am 20. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter Metternich sowie
die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin und die Anschlussbe-
schwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungs-
beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 2. Dezember 2014 aufgehoben.
Die im Wege eines Kostenausgleichs ermittelten, der Antrag-
stellerin von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten wer-
den auf
19.934,59 €
(in Worten: neunzehntausendneunhundertvierunddreißig
und 59/100 Euro)
festgesetzt.
Der festgesetzte Betrag ist ab dem 8. April 2013 mit fünf Pro-
zentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
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2. Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin sowie die
weitergehende Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin
werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin
zu tragen.
4. Der Antrag der Antragstellerin auf Rückzahlung der Beschwer-
degebühr wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Beschwerdegegnerin und Antragsgegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin)
war Inhaberin des am 22. November 2007 eingetragenen deutschen Gebrauchs-
musters …
(Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „…
“. Durch Abzweigung aus der europäischen Patent-
anmeldung …
hatte das Streitgebrauchsmuster
als Anmeldetag
den
13. Februar 2004 und ein deutsches Prioritätsrecht vom 13. Februar 2003 erhal-
ten. Am 28. Februar 2014 ist das Streitgebrauchsmuster wegen Erreichens der
maximalen Schutzdauer erloschen.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) hatte
am 30. Juli 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die vollumfäng-
liche Löschung des vorliegenden Streitgebrauchsmusters beantragt. Die Antrags-
gegnerin hat diesem Löschungsantrag wirksam widersprochen – so wie sie es
auch bei zwei weiteren Löschungsanträgen zweier weiterer Personen, die am
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1. August 2008 und am 26. März 2009 beim DPMA eingegangen waren, getan
hat.
Die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA hat die drei Löschungssachen zur
gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden und das
Streitgebrauchsmuster mit einem am 25. Oktober 2012 nach mündlicher Verhand-
lung verkündeten und in schriftlicher Fassung vom 12. November 2012 abgesetz-
ten Beschluss teilweise gelöscht. Von den Kosten des Verfahrens hat die Ge-
brauchsmusterabteilung der Antragstellerin 1/10 und der Antragsgegnerin 9/10
auferlegt. Gegen diesen Beschluss hat keine der Beteiligten Rechtsmittel einge-
legt, so dass er bestandskräftig geworden ist.
Die Antragstellerin hat mit Eingabe vom 5. April 2013, eingegangen beim DPMA
am 8. April 2013, beantragt, die ihr von der Antragsgegnerin unter Berücksichti-
gung der anteiligen Kostenverteilung zu erstattenden Kosten in Höhe von
209.444,00 €, darunter 9/10 aus dem Betrag von 232.715,55 €, festzusetzen. Die-
sen Betrag errechnet sie zum einen aus einer 2,5-fachen Geschäftsgebühr nach
Nr. 2300 VV RVG auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in behaupteter
Höhe von 30.000.000 € (228.740,00 €). Zum anderen sind in dem geforderten Be-
trag noch folgende Posten enthalten: Ein pauschales Entgelt für Post- und Tele-
kommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG (20,00 €), Auslagen für
Herstellung und Überlassung von Dokumenten nach Nr. 7000 VV RVG (330,55 €),
Kosten für die Durchführung von Recherchen (1.200,00 €) und experimentellen
Untersuchungen (2.125,00 €) sowie die in Höhe von 300,00 € für den Löschungs-
antrag entrichtete Gebühr. Ferner hat die Antragstellerin beantragt, den festzuset-
zenden Betrag vom Zeitpunkt des Eingangs ihres Kostenfestsetzungsantrags
beim DPMA an (8. April 2013) mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu
verzinsen.
Mit Bescheid vom 24. März 2014 war die Antragsgegnerin sodann von der Ge-
brauchsmusterabteilung aufgefordert worden, die ihr entstandenen Kosten mittels
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einer „Kostennote“ zu belegen, worauf die Antragsgegnerin mit der Einreichung
einer „Kostennote“ vom 22. April 2014 reagiert und ihre Kosten gegenüber der
Gebrauchsmusterabteilung in Höhe von 3.026,00 € beziffert hat. Diesen Betrag
errechnete sie aus einer 2,0-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf
der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 100.000 € (3.006,00 €)
zuzüglich einem pauschalen Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleis-
tungen nach Nr. 7002 VV RVG (20,00 €). Die Gebrauchsmusterabteilung hat der
Antragstellerin die „Kostennote“ der Antragsgegnerin übersandt, wobei sie dieser
eine Frist zur Stellungnahme bis Ende Januar 2015 gewährt hatte.
Bereits am 2. Dezember 2014 hat die Gebrauchsmusterabteilung des DPMA mit
Kostenfestsetzungsbeschluss, der den Vertretern der Antragstellerin am
8. Dezember 2014 zugestellt worden war, die der Antragstellerin von der Antrags-
gegnerin zu erstattenden Kosten in Höhe von 8.369,60 € festgesetzt. Bei der Be-
messung der Gebühren ist die Gebrauchsmusterabteilung von einem Gegen-
standswert in einer nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG geschätzten Höhe von insoweit
maximal zulässigen 500.000 € ausgegangen. Auf dieser Grundlage wurden in den
vorzunehmenden Kostenausgleich für beide Verfahrensbeteiligte jeweils eine 2,0-
fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG eingestellt (2 x 5.992,00 €). Die
Höhe des Gegenstandswertes hat die Gebrauchsmusterabteilung damit begrün-
det, dass dieser Wert einer Schätzung entspreche, die bereits in einem Kosten-
festsetzungsverfahren, das ein paralleles Gebrauchsmuster betroffen habe, vor-
genommen worden sei.
Die sonstigen Kosten, die von beiden Beteiligten neben den Gebühren geltend
gemacht wurden (vgl. oben), sind von der Gebrauchsmusterabteilung im Kosten-
festsetzungsbeschluss jeweils antragsgemäß berücksichtigt worden.
Die Antragstellerin hat am 22. Dezember 2014 gegen diesen Kostenfestsetzungs-
beschluss Beschwerde eingelegt und die entsprechende Beschwerdegebühr ent-
richtet.
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Sie macht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, da die
Gebrauchsmusterabteilung den Kostenfestsetzungsbeschluss bereits deutlich vor
Ablauf der Äußerungsfrist erlassen habe, die ihr (der Antragstellerin) mit Zustel-
lung der „Kostennote“ der Antragsgegnerin gewährt worden sei.
In der Sache sei der Gegenstandswert in der zugrunde gelegten Höhe von
500.000 € deutlich zu niedrig bemessen worden. Die hierbei erfolgte Bezugnahme
auf eine Schätzung in einem parallelen Kostenfestsetzungsverfahren sei unzuläs-
sig. Der Gegenstandswert hätte überhaupt nicht geschätzt werden dürfen, da die
Antragstellerin genaue Umsatzzahlen sowie den einschlägigen Lizenzsatz vorge-
tragen habe. Seit dem Jahr 2008 seien in Deutschland Produkte, die Clopidogrel
in der Form eines Benzolsulfonsäuresalzes (Besilats) enthalten hätten, vertrieben
worden. Das Streitgebrauchsmuster sei damit über mehr als 8 Jahre hinweg für
den deutschen Markt relevant gewesen. Im genannten Zeitraum seien in
Deutschland mit Produkten gemäß Streitgebrauchsmuster ca. … € pro
Jahr erzielt worden. Diese Angabe ergäben sich aus dem Arzneiverordnungs-Re-
port 2010, wonach im Jahr 2009 im deutschen Markt mit zwei Produkten
(Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
), die Clopidogrel in teilweise kris-
talliner Form und als Besilat enthalten hätten, Umsätze in Höhe von insgesamt
… € erzielt worden seien. Selbst wenn man bei Clopidogrel in der
Form eines Besilats lediglich einen durchschnittlichen Jahresumsatz von …
€ heranziehen würde, ergäbe sich für die Dauer der relevanten Laufzeit des
Streitgebrauchsmusters immerhin noch der sehr beachtliche Wert eines Gesamt-
umsatzes mit einschlägigen Clopidogrel-Produkten in Höhe von … €.
Hieraus errechne sich wegen des hier üblichen Lizenzsatzes von …% ein Gegen-
standswert in Höhe von 45 Millionen €. Der Gegenstandswert von 30 Millionen €,
also in Höhe der im RVG gesetzlich geregelten Obergrenze, sei daher mehr als
gerechtfertigt.
Ebenfalls zu niedrig bemessen sei die im angefochtenen Kostenfestsetzungsbe-
schluss nur in Höhe eines 2,0-fachen Satzes angenommene „Verfahrensgebühr“.
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Die Gebrauchsmusterabteilung sei in der Begründung des Kostenfestsetzungsbe-
schlusses selbst von einem 1,3-fachen Satz für das Verfahren und einem 2,0-
fachen Satz für die mündliche Verhandlung ausgegangen. Es sei zwar die De-
ckelung der Gebühr nach dem Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG zu beach-
ten. Wegen des aufwendigen und schwierigen Verfahrens sei der dort bestimmte,
maximal mögliche Gebührensatz in Höhe von 2,5 hier auszuschöpfen.
Hinsichtlich der Kosten der Antragsgegnerin sei bereits zweifelhaft ob mit der
Vorlage der „Kostennote“ vom 22. April 2014 überhaupt ein Kostenfestsetzungs-
antrag gestellt worden sei. Da die Antragsgegnerin dort eigene Kosten nur in Höhe
von 3026,00 € genannt habe, sei die Gebrauchsmusterabteilung auch nicht befugt
gewesen, zugunsten der Antragsgegnerin Kosten in nahezu doppelter Höhe von
6.012,00 € anzusetzen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 2014 abzuändern und
die ihr von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf der
Basis eines Gegenstandswertes in Höhe von 30 Millionen € neu
festzusetzen und dabei eine 2,5-fache Geschäftsgebühr in Ansatz
zu bringen.
Ferner beantragt sie, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Der Antragsgegnerin hat beantragt,
1. die Beschwerde und
2. den Antrag der Antragstellerin auf Erstattung der Beschwerde-
gebühr zurückzuweisen.
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Im Wege einer unselbständigen Anschlussbeschwerde hat sie (sinngemäß)
zusätzlich (zu 3.) beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Ge-
brauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 2. Dezember 2014 die von ihr (der Antragsgegnerin) der An-
tragstellerin zu erstattenden Kosten auf der Grundlage eines
Gegenstandswertes in Höhe von 500.000 € und einer 1,3-fachen
Geschäftsgebühr festzusetzen, sowie die in Höhe von 3.325,00 €
zugunsten der Antragstellerin berücksichtigten Recherche- und
Gutachterkosten aus dem Kostenansatz herauszunehmen.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass zugunsten der Antragstellerin eine
Erstattung der Beschwerdegebühr nicht in Frage komme, da diese nicht in ihrem
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
Im Übrigen sei die Antragstellerin ihrer Obliegenheit, belastbare Angaben für einen
Gegenstandswert in Höhe von 30 Millionen € vorzulegen, nicht nachgekommen.
Die Gebrauchsmusterabteilung habe zu Recht nur eine Schätzung des Gegen-
standswertes vorgenommen, da die Antragstellerin keine hinreichenden Tatsa-
chen vorgetragen habe. Für die Festlegung des Gegenstandswertes sei von Be-
deutung, dass hierzu nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts auf den
Sach- und Kenntnisstand bei Löschungsantragstellung, hier also auf eine Pro-
gnose zum Zeitpunkt der im Jahr 2008 erfolgten Antragstellung, abgestellt werden
müsse. Im Jahr 2008 sei für die einschlägigen Marktteilnehmer bereits erkennbar
gewesen, dass das Streitgebrauchsmuster nur von geringem Wert sein konnte.
Dies habe sich anhand des für den Fortbestand des Streitgebrauchsmusters
negativ ausgefallenen Rechercheberichts abgezeichnet, der im Jahr 2006 zur
europäischen Patentanmeldung …, der Voranmeldung zum vorliegend
abgezweigten Streitgebrauchsmuster, ergangen gewesen sei.
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Darüber hinaus sei entscheidungsrelevant, dass mit dem Streitgebrauchsmuster
lediglich ein teilkristallines Besilatsalz des Clopidogrels beansprucht worden sei.
Die beiden im Arzneiverordnungs-Report 2010 genannten, im deutschen Markt
befindlichen Produkte hätten das Besilatsalz des Clopidogrels auch in einer amor-
phen Form enthalten haben können. Eine technische Lehre wonach der Wirkstoff
Clopidogrel-Besilat auch in der amorphen Form eines Schmelzgranulats habe sta-
bilisiert werden können, sei bekannt gewesen.
Die Antragsgegnerin bestreitet ausdrücklich, dass die von der Antragstellerin mit
dem Arzneiverordnungs-Report 2010 zu den Arzneimitteln Clopidogrel Hexal
®
und
Clopidogrel-ratiopharm
®
ausgewiesenen Umsatzzahlen eine verlässliche Grund-
lage für die Berechnung des vorliegenden Gegenstandswertes seien. Zuverlässige
Zahlen seien nur vom I… Institut zu erhalten, das seine Daten direkt von
den Apotheken erhalte. Solche Zahlen habe die Antragstellerin aber nicht vorge-
legt. Selbst wenn man zu den im Arzneiverordnungs-Report 2010 genannten Pro-
dukten Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
unterstellen dürfte, dass
es sich hierbei ausschließlich um Produkte gehandelt habe, in denen Clopidogrel
als zumindest teilweise kristallines Besilat-Salz enthalten gewesen sei, so müsse
man die im Arzneiverordnungs-Report 2010 ausgewiesenen Umsatzzahlen um
einen Unsicherheitsfaktor in der Größenordnung von 20% nach unten korrigieren.
Mit dem vorgelegten Arzneiverordnungs-Report 2010 habe sich die Antragstellerin
faktisch nur auf Umsatzzahlen aus dem Jahr 2009 bezogen. Daneben habe sie es
versäumt, substantiiert vorzutragen, aus welchen Gründen diese Umsatzzahlen
auch einen Anhaltspunkt für jene Umsätze liefern könnten, die in den Jahren 2008
einerseits und in den Jahren 2010 ff. andererseits erzielt worden seien. Die beiden
im Arzneiverordnungs-Report 2010 genannten Arzneimittel Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
hätten ihre Zulassung – was im Übrigen zwischen
den Parteien unstreitig ist – erst am 21. Mai 2008 erhalten, weshalb Angaben aus
dem Jahr 2009 nicht ohne weiteres auch auf das Jahr 2008 übertragbar seien. Der
Pharmamarkt sei instabil und es müsse angenommen werden, dass die hohen
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Umsatzzahlen, die für das Jahr 2009 unterstellt würden, auch nur einer einmaligen
Ausnahmesituation geschuldet gewesen sein könnten.
Beispielsweise sei es im Jahr 2010 sowohl bei als auch bei
wegen Produktionsmängeln beim gemeinsamen indischen Zulieferer zu Proble-
men mit dem Wirkstoff Clopidogrel-Besilat gekommen. Die beiden vorgenannten
Unternehmen hätten ihre Produkte teilweise wieder zurückrufen müssen, was für
das Jahr 2010 und auch für die Folgejahre zu einer großen Marktverunsicherung
geführt habe. Ein weiterer Grund für einen Umsatzrückgang bei Clopidogrel-
Besilaten sei gewesen, dass die Unternehmen und ab dem
Jahr 2010 mindestens gleichwertige, wenn nicht gar bessere Produkte mit dem
Wirkstoff Clopidogrel-Hydrochlorid auf den Markt gebracht hätten. Hierdurch sei es
zu einer Teilung des Marktes gekommen. Ab dem Jahr 2011 seien mit Arznei-
mitteln auf Clopidogrel-Besilat-Basis überhaupt keine Umsätze mehr erzielt wor-
den.
Ein wesentlich geringer Wert des Streitgebrauchsmusters habe sich auch dadurch
ergeben, dass im Jahr 2008 bereits das gut im Markt eingeführte Konkurrenzpro-
dukt Plavix
®
existiert habe, welches seit Mitte des Jahres 1998 zugelassen sei und
für dessen Wirkstoff Clopidogrel-Hydrogensulfat im Jahr 2008 noch ein ergänzen-
des Schutzzertifikat mit Laufzeit bis in das Jahr 2013 erteilt worden sei. Das Indi-
kationsspektrum des Konkurrenzprodukts Plavix
®
sei zudem auch breiter gewe-
sen. Es werde daher ausdrücklich bestritten, dass ein einschlägiger Marktteilneh-
mer zum Zeitpunkt der Löschungsantragstellung für das Jahr 2009 bezogen auf
die beiden Arzneimittel Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
einen Jah-
resumsatz in Höhe von bis zu … € prognostiziert hätte.
Bei der Ermittlung des Gegenstandswertes könne auch keineswegs von einem
Lizenzsatz in Höhe von …% ausgegangen werden. Dieser sei weit überhöht.
Üblich sei im Pharmabereich ein Lizenzsatz zwischen 0,5 und 5%. Ein höherer
Lizenzsatz bedürfte einer besonderen Begründung, die die Antragstellerin aber
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schuldig geblieben sei. Angesichts der geschilderten Marktumstände müsse viel-
mehr von einem nach unten korrigierten Lizenzsatz in Höhe von nur 2 bis 3% aus-
gegangen werden.
Für einen höheren Gegenstandswert über den maximal möglichen Schätzwert von
500.000 € hinaus gebe es keine Grundlage.
Es müsse ferner davon ausgegangen werden, dass für die anwaltliche Tätigkeit im
vorliegenden Löschungsverfahren nur der nach Nr. 2300 VV RVG geltende Re-
gelsatz einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr verdient worden sei. Das patentamtli-
che Verfahren sei aus anwaltlicher Sicht durchschnittlich schwierig und nicht
besonders umfangreich gewesen. Es sei nicht ersichtlich, welche konkreten Er-
schwernisse die Annahme eines höheren als den eines 1,3-fachen Satzes recht-
fertigen könnten.
Hinsichtlich der festgesetzten Recherchekosten und Kosten für experimentelle
Untersuchungen werde nach wie vor die Notwendigkeit bestritten; darüber hinaus
seien auch keine Nachweise, z. B. Rechnungen etc., vorgelegt worden. Damit sei
auch keine hinreichende Glaubhaftmachung gegeben.
Die Antragstellerin hat hierauf repliziert, dass die Kosten für die durchgeführte Re-
cherche objektiv notwendig gewesen seien. Die Recherche habe der Vorbereitung
des Löschungsantrags gedient und sei durch ein berechtigtes Interesse der An-
tragstellerin gerechtfertigt gewesen, woran bei Gebrauchsmustern, die ungeprüft
seien, kein Zweifel bestehen könne. Im Hinblick auf den Schutzgegenstand des
Streitgebrauchsmusters habe die Recherche von einer qualifizierten Recher-
cheurin durchgeführt werden müssen. Der Zeitaufwand von 15 Stunden habe sich
im angemessenen Rahmen bewegt. Es werde anwaltlich versichert, dass die
Kosten tatsächlich entstanden seien. Die experimentellen Untersuchungen hätten
nur deswegen durchgeführt werden müssen, weil die Antragsgegnerin stets
bestritten habe, dass bereits eine Lehre aus dem Stand der Technik zum Gegen-
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stand des Streitgebrauchsmusters geführt hätte. Auch insoweit werde anwaltlich
versichert, dass die geltend gemachten Aufwendungen tatsächlich entstanden
seien. Zu den weiteren Ausführungen der Antragsgegnerin bezüglich der Ent-
wicklung der in Zusammenhang mit dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters
in den Jahren 2008, 2009 und später erzielten Umsätze hat die Antragstellerin
sich nicht weiter geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den
Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
1.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist innerhalb der zweiwö-
chigen Frist nach § 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. §§ 62 Abs. 2 Satz 4, 73 PatG ein-
gelegt worden. In dieser Frist ist auch die Beschwerdegebühr in Höhe von 50 €
(Nr. 401 200 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) ordnungsgemäß einbezahlt wor-
den.
2.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat teilweise Erfolg.
a)
Die Antragstellerin dringt mit ihrer Beschwerde insoweit durch, als sie den
von der Gebrauchsmusterabteilung auf lediglich 500.000 € geschätzten Gegen-
standswert angreift. Der Vortrag der Antragstellerin ist geeignet, zu ihren Gunsten
eine deutliche Heraufsetzung des Gegenstandswertes und des damit verbunde-
nen Erstattungsbetrages zu bewirken.
a1) Die Bestimmung des Gegenstandswertes bemisst sich gemäß §§ 23, 33
RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO, weil es für das Löschungsverfahren von Gebrauchs-
muster an Wertvorschriften für die Anwaltsgebühren fehlt (vgl. Bühring/,
GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 114). Der Gegenstandswert muss hiernach ggf. auf der
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Grundlage der vorgetragenen tatsächlichen Anhaltspunkte nach pflichtgemäßem
Ermessen geschätzt werden, wobei der Ausgangspunkt – wie die Antragsgegnerin
insoweit zu Recht ausgeführt hat – der gemeine Wert des Streitgebrauchsmusters
zum Zeitpunkt der Löschungsantragstellung ist. Nachträgliche Entwicklungen las-
sen die für den Beginn des Verfahrens zu treffenden Bewertungen des Gegen-
standswertes unberührt (vgl. Busse/, 8. Aufl., Rn. 59 zu § 17
GebrMG i. V. m. Rn. 68 zu § 84 PatG; BPatG GRUR 2014, 1135, 1136, Rz. 9
– „Zwischenwirbelimplantat“). Hiermit ist vor allem gemeint, dass die Rechtsbe-
ständigkeit des Gebrauchsmusters im Rahmen der Kostenfestsetzung losgelöst
von der zuvor getroffenen Sachentscheidung zu unterstellen ist (vgl. Bühring/
, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 116). Entgegen der Auffassung der Antrags-
gegnerin fällt deshalb nicht ins Gewicht, dass der Recherchebericht der im
Jahr 2006 zur europäischen Patentanmeldung …, also zur Voranmel-
dung ergangen ist, aus der das vorliegende Streitgebrauchsmuster abgezweigt
wurde, für den Bestand des Streitgebrauchsmusters eine negative Prognose ent-
hielt. Entscheidend für die Bestimmung des gemeinen Wertes ist demnach das
Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung des Schutzrechts, das sich wie-
derum nach dem konkreten „Droh- und Behinderungspotential“ richtet, das ein ein-
getragenes Gebrauchsmuster – seine Rechtsbeständigkeit unterstellt – entfaltet
hätte (vgl. in: Fitzner/Bodewig/Lutz, PatRKomm, 4. Aufl., § 17 GebrMG
Rn. 35; BPatGE 26, 208, 218).
Der von der Gebrauchsmusterabteilung im angegriffenen Beschluss geschätzte
und nunmehr auch von der Antragsgegnerin postulierte Gegenstandswert in Höhe
von 500.000 € greift bereits nach den vorstehend genannten Grundsätzen zu kurz.
Die Gebrauchsmusterabteilung durfte jedenfalls den Gegenstandswert des vorlie-
genden Verfahrens – wie die Antragstellerin zu Recht bemängelt hat – nicht ein-
fach mit dem Gegenstandswert eines anderen Löschungsverfahrens gleichsetzen,
selbst wenn sich dieses auf ein vergleichbares („paralleles“) Gebrauchsmuster
bezogen haben sollte.
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Für die Bestimmung des gemeinen Wertes gelten im Einzelnen die folgenden,
grundsätzlichen Überlegungen: Mit der Löschung besteht für die Mitbewerber
eines Gebrauchsmusterinhabers die Möglichkeit, den geschützten Gegenstand
frei zu benutzen. Während des Bestandes eines Schutzrechts müssten hierfür
Lizenzen gezahlt werden. Zum Zwecke der Wertermittlung können die erzielten
Erträge zugrunde gelegt werden (vgl. Bühring/, GebrMG, 8. Aufl., § 17
Rn. 118). Demnach kann das Allgemeininteresse aus den Zahlungen errechnet
werden, die alle Mitbewerber während der möglichen Laufzeit des Gebrauchsmus-
ters zu leisten gehabt hätten bzw. durch die Löschung erspart haben. Der Betrag
entspricht damit dem Wert aller möglicher auf der Basis von Lizenzanalogie ermit-
telten, hypothetischen Schadensersatzansprüche.
a2) Bemessung des gemeinen Werts des Streitgebrauchsmusters bezogen auf
das Jahr 2009
Es gilt, dass derjenige, der die Festlegung eines bestimmten Gegenstandswertes
anstrebt, tatsächliche Anhaltspunkte und ihre rechtliche Relevanz für eine Berech-
nung oder Schätzung so vortragen muss, dass diese nachvollziehbar zugrunde
gelegt werden können (vgl. Bühring/, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 117).
Bezogen auf das Jahr 2009 ist die Antragstellerin ihrer Obliegenheit, hinreichend
konkrete Zahlen vorzulegen, nachgekommen. Sie hat jedenfalls insoweit tatsächli-
che Anhaltspunkte vorgetragen, auf deren Grundlage sich der gemeine Wert des
Streitgebrauchsmusters ausreichend erschließt und sich so der Gegenstandswert
– bezogen auf das Jahr 2009 – auf der Basis einer Lizenzanalogie errechnen
lässt. Die Antragsgegnerin hat die von der Antragstellerin für das Jahr 2009 vor-
getragenen Umsatzzahlen nicht in rechtserheblicher Weise bestritten, weshalb der
Senat eine Verwertung der von der Antragstellerin gelieferten Zahlen nicht gehin-
dert ist.
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Nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Arzneiverordnungs-Report 2010
waren im Jahr 2009 die Produkte Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
auf dem deutschen Markt gewesen, die den Wirkstoff Clopidogrel – wie vom
Streitgebrauchsmuster beansprucht – als Besilat enthielten. Mit diesen insoweit
auch unstreitig als einschlägig anzusehenden Produkten sind nach dem Report im
Jahr 2009 Umsätze in Höhe von insgesamt … € (… und …
€) erzielt worden, von denen die Antragstellerin jedenfalls … € als
gesichert ansieht. Insbesondere ist hierbei als unstreitig anzusehen, dass es sich
bei diesen Produkten um solche gehandelt hat, die das Clopidogrel teilweise als
kristallines Besilatsalz enthielten.
Der Hauptanspruch des Streitgebrauchsmusters enthielt, bezogen auf das Vor-
handensein eines Besilatsalzes in teilweiser kristalliner Form keine konkrete Kon-
zentrationsangabe. Er war daher so weit gefasst, dass jedes Produkt, das den
Wirkstoff Clopidogrel-Besilat teilweise – und sei es auch nur in Form von Spuren –
in kristalliner Form enthalten hätte, vom Schutzbereich des Streitgebrauchsmus-
ters umfasst gewesen wäre (vgl. z. B. BGH GRUR 2008, 779 ff. – „Mehr-
gangnabe“). Weiter hat die Antragsgegnerin nur allgemein zu Bedenken gegeben,
es sei auch möglich gewesen, Clopidogrel in Form eines amorphen Besilats zu
stabilisieren, und auf eine derartige Lehr in einer europäischen Patentanmeldung
der Antragstellerin aus dem Jahr 2007 hingewiesen. Die Antragsgegnerin hat
allerdings keinen Beleg vorgelegt, mit dem diese Lehr in einen konkreten Bezug
zu den Produkten Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
hätte gesetzt
werden können. Die Aussage, die Produkte Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-
ratiopharm
®
könnten ihren Wirkstoff möglicherweise ausschließlich in Form eines
amorphen Besilats enthalten haben, ist unsubstantiiert erfolgt und derart unkon-
kret, dass der darin enthaltene Einwand nicht als ein Bestreiten im Sinne von
§ 138 Abs. 3 ZPO gewertet werden kann.
Letztlich erfolglos hat die Antragsgegnerin auch behauptet, dass der von der An-
tragstellerin vorgelegte Arzneiverordnungs-Report 2010 keine zuverlässige Grund-
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lage für eine Wertberechnung böte und stattdessen Umsatzzahlen aus den Veröf-
fentlichungen des Marktforschungsunternehmens I… Institut (seit 2017:
I… Institut) hätten herangezogen werden müssen. Nach Überzeugung des
Senats liefert dieses Nachschlagewerk, das von den renommierten Bearbeitern
und herausgegeben, vom Wissenschafts-Verlag ver-
legt und vom Wissenschaftlichen Institut der AOK unterstützt wird, durchaus
brauchbare Daten. Beim Arzneiverordnungs-Report besteht allerdings insoweit
eine Besonderheit, als in diesen nur die jährlich angefallenen Arzneimittelkosten
einfließen, mit denen die gesetzlichen Krankenkassen belastet worden sind. Dem
berechtigten Anliegen der Antragsgegnerin, die im Arzneiverordnungs-Re-
port 2010 ausgewiesenen Umsatzzahlen um einen 20%igen Unsicherheitsfaktor
nach unten korrigieren, kann daher insgesamt nur noch eingeschränkt Rechnung
getragen werden. Nach Auffassung des Senats markiert der von der Antragstelle-
rin selbst für das Jahr 2009 in Ansatz gebrachte Wert in Höhe von … €
die äußerste, untere Grenze der nachweislich im Jahr 2009 mit den Produkten
Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
erzielten Umsätze.
Nachdem die Antragsgegnerin selbst als vorzugswürdige Informationsquelle die
Veröffentlichungen des Marktforschungsunternehmens I…
Instituts ins
Gespräch gebracht hat, oblag es ihr auch, aus solchen Veröffentlichungen ent-
sprechende Zahlen vorzulegen. Da solche alternativen Umsatzzahlen offenbar
ohne große Schwierigkeiten zu beschaffen gewesen wären und die Antragsgegne-
rin sich diese Zahlen unschwer mittels eigener Wahrnehmung hätte aneignen kön-
nen, durfte sich die Antragstellerin in entsprechender Anwendung von § 138
Abs. 4 ZPO nicht mehr auf ein einfaches Bestreiten der von der Antragstellerin
vorgelegten Umsatzzahlen beschränken.
Der Antragsgegnerin ist allerdings insoweit zu folgen, als hier von einem bran-
chenüblichen Lizenzsatz ausgegangen werden muss, der weit unter den von der
Antragstellerin vorgetragenen …% liegt. Grund hierfür ist im Wesentlichen, dass
der Schutzgegenstand des Streitgebrauchsmusters dem Bereich der Generika
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(Nachahmerpräparate) zuzuordnen ist. Der Wirkstoff Clopidogrel ist unstreitig seit
1998 unter der Markenbezeichnung Plavix
®
auf dem Markt, wobei ein für den
Wirkstoff Clopidogrel-Hydrogensulfat erteiltes ergänzendes Schutzzertifikat eben-
falls unstreitig erst im Jahr 2013 ausgelaufen war. Mit dem im Jahr 2007 eingetra-
genen Streitgebrauchsmuster sollte offensichtlich kein grundlegend neuer Wirk-
stoff geschützt werden. Dies spiegelt sich auch in der Aufgabe der Erfindung
wider, wie sie in der Schrift des Streitgebrauchsmusters in Abschnitt [0005] ge-
nannt ist und die lediglich dahingehend lautet, Clopidogrel in einer Form zur Verfü-
gung zu stellen, die leicht zu reinigen, stabil und auch in industriellem Maßstab
leicht zu verarbeiten ist. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang auch
nicht den Versuch unternommen, Angaben hinsichtlich eines besonderen medizi-
nischen Einsatzgebietes speziell von Clopidogrel-Besilat, zu dessen ggf. besserer
Bioverfügbarkeit oder Verträglichkeit beim Patienten zu machen. Da insgesamt
keine erkennbaren Anhaltspunkte vorliegen, die auf eine besondere Bedeutung
der Erfindung hindeuten, liegt der hier branchenübliche Lizenzsatz bei maximal
3%. Mit diesem sind die im Jahr 2009 nachweislich in Deutschland erzielten Um-
sätzen zu multiplizieren (vgl. Bühring/, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 120).
Hiernach lässt sich der Anteil des gemeinen Werts des Streitgebrauchsmusters,
soweit es das Jahr 2009 betrifft, anhand der im deutschen Markt mit den Produk-
ten Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
erzielten Umsätze in Höhe
von … € berechnen. Dieser Wert ergibt sich, wie oben skizziert, aus fol-
genden Faktoren: … x … € (Umsätze 2009) x 3 x … (Lizenzfaktor 3%) =
… x … € x 3 = … x … € = 2.880.000 €.
a3) Schätzung des gemeinen Werts des Streitgebrauchsmusters bezogen auf
das Jahr 2008 und die Folgejahre 2010 bis 2014
Bezogen auf das Jahr 2008 und die Folgejahre 2010 bis 2014 hat sich die Antrag-
stellerin im Wesentlichen darauf beschränkt vorzutragen, dass die im Jahr 2009 im
deutschen Markt mit den Produkten Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratio-
- 18 -
pharm
®
in Höhe von … € erzielten Umsätze ohne weiteres auf jedes
Schutzdauerjahr des Streitgebrauchsmusters übertragen werden könnten. Auf
diese Weise sollte unter Berücksichtigung eines angemessenen Unsicherheitsfak-
tors über die Jahre ein Gesamtumsatz in Höhe von mindestens … €
erzielt worden sein. Mit dieser pauschalen Einlassung kann die Antragstellerin
nicht durchdringen, da die Antragsgegnerin hiergegen mit Schriftsatz vom
12. Januar 2018 (nebst Anlagen BKS 1 bis BKS 8) einen erheblichen und glaub-
haften Vortrag geliefert hat, der nach § 138 Abs. 3 ZPO mangels Gegenäußerung
der Antragstellerin als zugestanden anzusehen ist.
Die Antragsgegnerin hat insbesondere darauf hingewiesen, dass die beiden Arz-
neimittel Clopidogrel Hexal
®
und Clopidogrel-ratiopharm
®
ihre Zulassung erst am
21. Mai 2008 erhalten hatten und die für das Jahr 2009 nachgewiesenen hohen
Umsatzzahlen nur einer einmaligen Ausnahmesituation geschuldet gewesen
seien. Spätestens im Jahr 2010 sei es bei den Unternehmen und
wegen Mängeln beim gemeinsamen indischen Zulieferer zu Proble-
men mit dem Wirkstoff Clopidogrel-Besilat gekommen. Die beiden Unternehmen
hätten ihre Produkte teilweise wieder zurückrufen müssen, was zu einer Marktver-
unsicherung und bezogen auf die Folgejahre zu einem deutlichen und nachhalti-
gen Umsatzrückgang geführt habe. Gleichzeitig hätten die Unternehmen
und ab dem Jahr 2010 mindestens gleichwertige, wenn nicht gar ein bes-
seres Produkt mit dem Wirkstoff Clopidogrel-Hydrochlorid auf den Markt gebracht,
was dazu geführt habe, dass ab dem Jahr 2011 mit Arzneimitteln auf Clopidogrel-
Besilat-Basis überhaupt keine Umsätze mehr erzielt worden seien. Dieser unbe-
stritten gebliebene Vortrag ist auch ohne weiteres nachvollziehbar. Die Richtigkeit
dieses Vortrags wird zudem durch den Umstand nahegelegt, dass sich bei den
Amtsakten ein von der Antragsgegnerin als Anlage AG1 in Kopie eingereichte,
amtliche Veröffentlichung der EUROPEAN MEDICINES AGENCY befindet, wo-
nach das Unternehmen mit Wirkung zum 9. Februar 2012 die Marktzulas-
sung für das Produkt „Clopidogrel Hexal (clopidogrel)“ wieder zurückgegeben
hatte.
- 19 -
Der Senat geht nach alledem davon aus, dass die mit Produkten gemäß Streitge-
brauchsmuster bezogen auf das Jahr 2008 und die Folgejahre 2010 bis 2014
erzielten Umsätze zwar beachtlich gewesen sein müssen, dass diese aber für das
Jahr 2008 bei weitem noch nicht und für die Folgejahre 2010 ff. nicht mehr Um-
satzwerte in einer Größenordnung von … € erreicht hatten. Insbeson-
dere können die für das Jahr 2009 zugrunde gelegten Umsätze aus den genann-
ten Gründen nicht gleichsam unverändert fortgeschrieben werden. Vielmehr oblag
es der Antragstellerin, auch für diese Folgejahre gesondert zu den mit dem Ge-
genstand des Streitgebrauchsmusters erzielten Umsätze konkret und substantiiert
vorzutragen, wozu aufgrund des spezifizierten Sachvortrags zu der Entwicklung
am Markt in Bezug auf Produkte auf Clopidogrel-Besilat-Basis umso mehr Anlass
bestand. Dem ist die Antragstellerin nicht nachgekommen.
Da nachträgliche Entwicklungen eine zu Beginn des Löschungsverfahrens getrof-
fene Bewertung des Gegenstandswertes unberührt lassen (vgl. BPatG GRUR
2014, 1135, 1136, Rz. 9 – „Zwischenwirbelimplantat“), ist es unerheblich, dass das
Streitgebrauchsmuster nahezu vollständig gelöscht wurde. Erheblich ist stattdes-
sen, dass insgesamt drei Löschungsantragsteller die Vernichtung des vorliegen-
den Streitgebrauchsmusters betrieben hatten, was zusätzlich das besondere Inte-
resse der Allgemeinheit an der Beseitigung des Streitgebrauchsmusters unter-
streicht (vgl. z. B. BGH GRUR 2018, 654, 655 – „Ratschenschlüssel II“). In Erman-
gelung hinreichend genügender Anhaltspunkte für eine Schätzung war insoweit
die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu beachten, wonach in solchen Fällen
von einem Gegenstandswert nicht höher als 500.000 € ausgegangen werden darf.
Dieser Wert war nicht zuletzt auch wegen des relativ langen Zeitraums, der einer-
seits Teile des Jahres 2008 und andererseits die Jahre 2010 ff. bis Anfang 2014
umfasst, auszuschöpfen.
b)
Aus den beiden in den vorstehenden Abschnitten a2) und a3) ermittelten
Werten in Höhe von 2.880.000 € und 500.000 € summiert sich letztlich der Wert,
der der vorliegenden Kostenberechnung als Gegenstandswert zugrunde zu legen
- 20 -
ist. Treffen in einer Angelegenheit vermögensrechtliche und nicht vermögens-
rechtliche Gegenstände zusammen, so werden die Werte gesondert bestimmt und
sodann zusammengerechnet (Riedel/Süßbauer/, Kommentar zum RVG,
10. Aufl., § 23 Rn. 269). Die gleiche Vorgehensweise ist auch dann angezeigt,
wenn eine Angelegenheit – wie hier – aus einem vermögensrechtlichen Gegen-
stand besteht, von denen der eine Teil unschwer berechnet und der andere Teil
nur geschätzt werden kann. Auf diese Weise errechnet sich vorliegend der Ge-
genstandswert in Gesamthöhe von 3.380.000 €.
3.
Auch die unselbständige Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin hat teil-
weise Erfolg.
a)
Kosten für die Recherche
Die Antragsgegnerin hat zu Recht die Kosten in Höhe von 1.200,00 € beanstan-
det, die als Recherchekosten gegen sie geltend gemacht wurden. Bei diesen
Kosten ist nicht zweifelsfrei feststellbar, dass diese zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig waren. Diese
Beurteilung folgt bereits aus dem Umstand, dass – worauf die Antragsgegnerin
bereits in anderem Zusammenhang hingewiesen hat – im Jahr 2006 zur euro-
päischen
Patentanmeldung …
(EP 1 595 884 A2), der Voranmeldung
zum vorliegend abgezweigten Streitgebrauchsmuster, eine Recherche durchge-
führt worden war. Der Recherchebericht des Europäischen Patentamts (EPA) war
damals am 6. September 2006, also deutlich mehr als ein Jahr vor dem Lö-
schungsantrag als Schrift veröffentlicht worden (vgl. EP 1 595 884 A3), wobei die
Patentansprüche 1 bis 13 dieser europäischen Anmeldung mit den entsprechen-
den Schutzansprüchen des vorliegenden Streitgebrauchsmusters völlig identisch
waren. Durch das Ergebnis dieser Recherche war (rückblickend) die Entscheidung
in der Hauptsache, also die fast vollständige Löschung des Streitgebrauchsmus-
ters, im Wesentlichen vorbestimmt worden (vgl. die entscheidungserhebliche Ent-
gegenhaltung D1). Die Notwendigkeit einer weiteren Recherche kann unter diesen
- 21 -
Umständen nicht einfach mit dem Hinweis begründet werden, bei einem Ge-
brauchsmuster handele es sich um ein ungeprüftes Recht. Die Antragstellerin
hätte vor diesem Hintergrund von sich aus darlegen müssen, weshalb der Lö-
schungsantrag mit dem bereits durch das EPA recherchierten Material nicht mit
genügender Sicherheit erfolgreich erschien und weshalb die Antragstellerin davon
ausgehen durfte, dass mit einer weiteren Recherche ein zusätzlicher, einschlägi-
ger Stand der Technik ermittelbar war (vgl. Bühring/, GebrMG, 8. Aufl.,
§ 17 Rn. 194). Hierzu hat die Antragstellerin jedoch keine Ausführungen gemacht.
b)
Aufwendungen für die Durchführung der experimentellen Untersuchungen
Zweifel bestehen auch, ob es sich bei den von der Antragstellerin in Auftrag gege-
benen experimentellen Untersuchungen im Zusammenhang mit dem vorliegenden
Löschungsantrag um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige
Aufwendungen gehandelt hat, die als Kosten eines Privatgutachtens in voller
Höhe der geltend gemachten 2.125,00 € angesetzt werden können. Der „Ver-
suchs-/Analysenbericht“ zu den von Herrn Privatdozent Dr. N… durchgeführten
drei Experimenten trägt das Datum vom 18. Juni 2008 und steht damit wohl in
einem zeitlichen Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden, sechs Wochen
später gestellten Löschungsantrag. Problematisch erscheint allerdings der sach-
liche Zusammenhang zum Löschungsantrag. Der genannte Versuchsbericht hat
kein Deckblatt, nennt auf einer Seite „1“ als Anlass ein „Projekt Clopidogrelbesylat“
und bezieht sich hierbei auf ein „Beispiel 1d“, das in den Unterlagen einer euro-
päischen Patentanmeldung vom 16. Februar 1988, die als Schrift
EP 0 281 459 A1 veröffentlicht worden war, enthalten ist. Nicht völlig unerheblich
unter Kostengesichtspunkten ist, dass die hier in Rede stehenden experimentellen
Untersuchungen möglicherweise ursprünglich zur Verwendung in mehreren, unter-
schiedlichen Rechtsstreitigkeiten vorgesehen waren oder auch ganz anderen
Zwecken gedient haben könnten. Glaubhaft gemacht ist durch anwaltliche Versi-
cherung lediglich, dass für die durchgeführten experimentellen Untersuchungen
Kosten in Höhe von 2.125,00 € tatsächlich entstanden sind. Aus dem Umstand,
- 22 -
dass durch den Bericht, jedenfalls aufgrund der Darlegungen zu „Experiment 3“,
der Ausgang des Löschungsverfahrens in Verbindung mit der Druckschrift D1 in
entscheidungserheblicher Weise beeinflusst wurde, ergibt sich in gewisser Weise
eine nachträgliche Bestätigung dafür, dass die Einholung des Berichts von Anfang
an eine für das Löschungsverfahren zweckentsprechende Maßnahme gewesen
sein konnte (vgl. BPatGE 18, 46, 49). Der Senat geht deshalb davon aus, dass die
Kosten für die experimentellen Untersuchungen billigerweise in Höhe von einem
Drittel (708,33 €) in den Kostenausgleich einzustellen sind.
4.
Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin dringen insoweit
nicht durch, als sie bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten die Heranzie-
hung einer 2,5-fachen bzw. lediglich einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach
Nr. 2300 VV RVG fordern. Weder für das eine noch für das andere Begehren
besteht vorliegend Raum.
Die Gebrauchsmusterabteilung des DPMA ist beim vorliegend angefochtenen
Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei
einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren bzw. Feststellungsverfahren um kein
gerichtliches Verfahren handelt. Die Löschungsverfahren vor den Abteilungen des
DPMA tragen zwar Züge eines justizförmigen Verfahrens (vgl. BGH GRUR 2010,
231, 233 – „Legostein“ und BlPMZ 2015, 112, 113 – „VIVA FRISEURE/VIVA“),
gebührenrechtlich handelt es sich bei diesen aber um Verfahren vor einer Ver-
waltungsbehörde, weshalb hier der Gebührentatbestand Nr. 2300 VV RVG ein-
schlägig ist.
Hinsichtlich einer angemessenen Höhe der Gebühr ist zu beachten, dass bei der
Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ein Rahmen vorgesehen ist, der von
einer 0,5- bis 2,5-fachen Gebühr reicht, wobei allerdings eine Gebühr von mehr
als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich und/oder
schwierig war. Demnach stellt der 1,3-fache Satz die Regelvergütung für ein
durchschnittliches Verwaltungsverfahren dar. Die Antragstellerin ist zwar zu Recht
- 23 -
davon ausgegangen, dass es sich bei einem Gebrauchsmuster-Löschungsverfah-
ren, bei dem ein technischer Gegenstand anhand eines Standes der Technik zu
beurteilen ist, grundsätzlich um ein schwieriges Verfahren handelt (vgl. BGH
GRUR 2014, 206, 208, Rz. 25 – „Einkaufskühltasche“). Dagegen erlaubt der Ge-
bührentatbestand Nr. 2300 VV RVG die Anhebung eines Gebührensatzes bis zum
2,5-fachen nur dann, wenn im Vergleich zu den Umständen eines üblichen Lö-
schungsverfahrens außerordentliche Erschwernisse hinzugetreten sind. Solche
Erschwernisse sind vorliegend aber nicht ersichtlich.
Eine solche außerordentliche Erschwernis wird z. B. dann angenommen, wenn
neben einer mündlichen Verhandlung zusätzlich noch eine Beweisaufnahme
durchgeführt werden muss und/oder besondere Rechtsfragen behandelt werden
müssen, die das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes übersteigen. Beim hier
in Rede stehenden Löschungsverfahren war dagegen weder das eine noch das
andere der Fall. Das hier durchgeführte Verfahren war aus anwaltlicher Sicht zwar
anspruchsvoll, da es ein streitiges Verfahren mit mündlicher Verhandlung war, das
Streitgebrauchsmuster auf einer Abzweigung beruhte und insgesamt 18 Schutzan-
sprüche aufwies, die anhand von sechs druckschriftlichen Entgegenhaltungen
(Anlagen BM 1 bis BM 6 gemäß Löschungsantrag) beurteilt werden mussten.
Auch die später von der Gebrauchsmusterabteilung getroffene Hauptsacheent-
scheidung kommt im Wesentlichen mit dem Verweis auf eine Druckschrift (D1)
aus und liefert damit ebenfalls keine Anhaltspunkte für ein besonders anspruchs-
volles Verfahren. Von einem außerordentlich schwierigen Verfahren kann hiernach
keine Rede sein. Deshalb muss es – wie von der Gebrauchsmusterabteilung zu
Recht angenommen – bei einem 2,0-fachen Gebührensatz sein Bewenden haben.
5.
Für den nach § 106 ZPO vorzunehmenden Kostenausgleich gilt folgendes:
Die im vorliegenden patentamtlichen Löschungsverfahren angefallenen Kosten,
deren Erstattung die Antragstellerin von der Antragsgegnerin verlangen kann, rich-
ten sich – wovon die Gebrauchsmusterabteilung ebenfalls zu Recht ausgegangen
ist – nach der bis zum 31. Juli 2013 gültig gewesenen Gebührentabelle (§ 13
- 24 -
RVG). Da der Löschungsantrag am 30. Juli 2008 gestellt worden war, lag der Tag
der Mandatsübernahme ersichtlich vor dem 31. Juli 2013. Hiernach errechnen sich
die Kosten der Antragstellerin und die der Antragsgegnerin auf deren Grundlage
der Ausgleich vorzunehmen ist, wie folgt:
a) Kosten der Antragstellerin
Gebührentatbestand
VV RVG
Nr.
Satz
Betrag
in €
3.380.000 €
(§§ 2 Abs. 1, 23, 33 RVG)
1. Geschäftsgebühr
2300
2,0
23.392,00
2. Pauschale Entgelte für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen
7002
20,00
3. Kopierkosten
7000
330,55
4. Recherchekosten
- - -
5. Kosten für experimentelle
Untersuchungen – Privatgutachten –
beantragt i. H. v. 2.125,00 €
1/3
708,33
6. Gezahlte Löschungsantragsgebühr
300,00
Gesamtkosten der Antragstellerin:
24.750,88
========
- 25 -
b)
Kosten der Antragsgegnerin
Vorliegend ist es unerheblich, dass die Antragsgegnerin die von ihr zu zahlenden
Gebühren lediglich auf der Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von
500.000 € berechnet hat. Im Rahmen des Kostenausgleichs muss bei den beider-
seitigen Gebühren von einem einheitlichen Gegenstandswert ausgegangen wer-
den (vgl. BPatGE 53, 150, 152, mit Hinweis auf eine hier nicht einschlägige Aus-
nahme). Hieraus ergibt sich auch zwingend, dass die Auffassung der Antragstel-
lerin die Gebrauchsmusterabteilung sei nicht berechtigt gewesen, den Gegen-
standswert auch zugunsten der Antragstellerin in entsprechender Weise nach
oben anzuheben, im vorliegenden Fall unzutreffend ist. Der Antragsgrundsatz gilt
zudem im Rahmen des Kostenausgleichsverfahrens nur mit Einschränkungen
(vgl. MüKoZPO/, 5. Aufl., Bd. 1, § 104 Rn. 63 ff. und § 106 Rn. 7; BGH
NJW 2006, 157, 159, Rz. 10), was hier dazu führt, dass der einschlägige, in Höhe
von 3.380.000 € ermittelte Gegenstandswert auch bei der Kostenaufstellung der
Antragsgegnerin zu berücksichtigen ist:
Gebührentatbestand
VV RVG
Nr.
Satz
Betrag
in €
3.380.000 €
(§§ 2 Abs. 1, 23, 33 RVG)
1. Geschäftsgebühr
2300
2,0
23.392,00
2. Pauschale Entgelte für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen
7002
20,00
Gesamtkosten der Antragsgegnerin:
23.412,00
========
- 26 -
c)
Quotelung und Kostenausgleich gemäß dem am 25. Oktober 2012 verkünde-
ten und später bestandskräftig gewordenen Beschluss der Gebrauchsmus-
terabteilung:
Kosten der Antragstellerin
24.750,88 €
Kosten der Antragsgegnerin
23.412,00 €
Kosten des Löschungsverfahrens
48.162,88 €
-----------------
Hiervon trägt die Antragsgegnerin 9/10
43.346,59 €
abzügl. ihrer eigenen Kosten
– 23.412,00 €
Es verbleiben somit:
19.934,59 €
=========
Kosten des Löschungsverfahrens
48.162,88 €
-----------------
Hiervon trägt die Antragstellerin 1/10
4.816,29 €
abzügl. ihrer eigenen Kosten
– 24.750,88 €
Es verbleiben somit:
– 19.934,59 €
=========
Die Antragsgegnerin hat daher auf der Grundlage des vorgenommenen Kosten-
19.934,59 €
- 27 -
6.
Ergänzend war antragsgemäß wiederum auszusprechen, dass der festge-
setzte Betrag gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, ab dem 8. April 2013, also dem
Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrags beim DPMA, mit fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen ist.
7.
Vorliegend war es nicht erforderlich, weitere Ermittlungen anzustellen oder
auf ergänzenden Vortrag hinzuwirken. Die beiden Verfahrensbeteiligten hatten
umfassend Gelegenheit, sich zum Vorbringen der jeweiligen Gegenseite zu
äußern. Insbesondere die Antragsgegnerin hat hiervon Gebrauch gemacht und mit
einer umfangreichen Eingabe vom 12. Januar 2018 nochmals einen entschei-
dungserheblichen Vortrag nachgeliefert, von dem die Antragstellerin ausweislich
ihres Empfangsbekenntnisses vom 16. März 2018 auch Kenntnis erhalten hatte.
Die Antragstellerin hatte ausreichend Zeit, um ebenfalls weiter vorzutragen, wes-
halb der Senat nicht verpflichtet war, der Antragstellerin eine Äußerungsfrist zu
setzen oder diese auf den beabsichtigten Termin der vorliegenden Beschlussfas-
sung hinzuweisen (vgl. BGH GRUR-RR 2014, 136 ff. – „M BVB Metro-Tram“).
8.
Für den Senat bestand auch keine Notwendigkeit, eine mündliche Verhand-
lung durchzuführen, die im Übrigen auch nicht zwingend vorgeschrieben ist (vgl.
Bühring, GebrMG, 8. Aufl., § 18 Rn. 98).
9.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens beruht auf
§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. den Regelungen des § 84 Abs. 2 PatG und
des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die auch bei Nebenentscheidungen in Löschungsver-
fahren anwendbar sind (vgl. Bühring, GebrMG, 8. Aufl., § 18 Rn. 129). Die Antrag-
stellerin hat im Rahmen ihrer Beschwerde beantragt, zu ihren Gunsten auf der
Grundlage eines Gegenstandswertes in Höhe von 30 Millionen € eine 2,5-fache
Geschäftsgebühr (228.740,00 €), einschließlich aller weiteren Kosten einen Ge-
samtbetrag in Höhe von 232.715,55 €, beim Kostenausgleich zu berücksichtigen.
Nach dieser Maßgabe wären in den Kostenausgleich auch bei der Antragsgegne-
rin eigene Kosten in Höhe von 228.760,00 € einzustellen gewesen. Hiernach hät-
- 28 -
ten die Kosten des Löschungsverfahrens 461.475,55 € betragen und die Antrag-
stellerin hätte auf der Grundlage eines entsprechenden Kostenausgleichs von der
Antragsgegnerin eine Kostenerstattung in Höhe von 186.568 € verlangen können.
Im Vergleich zu dem ihr tatsächlich nur in Höhe von 19.934,59 € zugesprochenen
Betrag belief sich damit die Zuvielforderung der Antragstellerin auf über 166.000 €.
Demgegenüber war damit die Zuvielforderung der Antragsgegnerin, die mit ihrer
Anschlussbeschwerde nur eine teilweise Entlastung von dem gegen sie festge-
setzten Betrag in Höhe von 8.369,60 € begehrte, im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1
ZPO verhältnismäßig geringfügig. Die Kosten des vorliegenden Beschwerdever-
fahrens waren daher billigerweise nicht anteilig nach den Unterliegens- und Ob-
siegensanteilen beider Verfahrensbeteiligten, sondern insgesamt der Antragstelle-
rin aufzuerlegen.
10. Der Antrag der Antragstellerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war
zurückzuweisen. Ein solcher Antrag ist nach § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m.
§ 80 Abs. 3 PatG zwar statthaft. Vorliegend scheidet aber eine Rückzahlung die-
ser Gebühr aus, da dies nicht der Billigkeit entspräche. Die Antragstellerin hat
zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass der hier angefochtene Kostenfestset-
zungsbeschluss zu einem Zeitpunkt ergangen war, als die Frist, die ihr für eine
Stellungnahme auf die „Kostennote“ der Antragsgegnerin vom 22. April 2014
gesetzt worden war, noch lief. Zu beachten ist allerdings, dass nicht jede Verlet-
zung des Anspruchs auf rechtliches Gehör „automatisch“ zur Erstattung der Be-
schwerdegebühr führt. Um die Rückzahlung der Beschwerdegebühr als billig
erscheinen zu lassen, ist es erforderlich, dass der gerügte Verfahrensmangel auch
ursächlich für die später eingelegte Beschwerde war (Busse/, PatG,
8. Aufl., § 80 Rn. 92). Die Antragstellerin traf insoweit die Darlegungslast (vgl.
BGH NJW 2016, 2890 f., und BGH GRUR 2018, 740 f., Rz. 13 f. – „Gewohnt gute
Qualität“), der sie aber nicht hinreichend nachgekommen ist. Die Antragstellerin
hat keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass die angefochtene Entscheidung in
einer anderen Form ergangen wäre, wenn die Kostenbeamtin der Gebrauchsmus-
- 29 -
terabteilung mit ihrer Entscheidung ordnungsgemäß bis zum Eingang einer Stel-
lungnahme der Antragstellerin abgewartet hätte.
In ihrer Beschwerdeschrift hat die Antragstellerin lediglich vorgetragen, die „Kos-
tennote“ der Antragsgegnerin vom 22. April 2014 hätte deshalb unberücksichtigt
bleiben müssen, weil diese nicht in eindeutiger Weise auf das vorliegende Fest-
setzungsverfahren bezogen und auch nicht als Kostenfestsetzungsantrag der An-
tragsgegnerin auszulegen gewesen sei. Dieser Vortrag ist nicht erheblich. Es ist
ohne weiteres davon auszugehen, dass eine entsprechende Einlassung, sofern
sie noch vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses erfolgt wäre, an seinem
Inhalt nichts geändert hätte. Die Antragstellerin übersieht, dass der Gesetzgeber
beim Kostenausgleichsverfahren nach § 106 ZPO, das gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2
GebrMG i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 3 PatG auch hier unstreitig einschlägig ist,
bewusst auf die Stellung mehrerer selbständiger Kostenfestsetzungsanträge ver-
zichtet hat. Hiermit steht im Einklang, dass die Gebrauchsmusterabteilung die An-
tragsgegnerin mit Bescheid vom 24. März 2014 ledig aufgefordert hatte, eine Be-
rechnung ihrer Verfahrenskosten einzureichen. Die hierauf am 22. April 2014 beim
DPMA eingegangene „Kostennote“ der Antragsgegnerin erfüllte diesen Zweck,
wobei sich diese Eingabe auch zweifellos auf das hier in Rede stehende Kosten-
festsetzungsverfahren, das von der Antragstellerin eingeleitet worden war, bezog.
11. Aus den vorgenannten Gründen war eine Zurückverweisung an das DPMA
gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG nicht geboten.
- 30 -
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Metternich
Bayer
Eisenrauch
Fa