Urteil des BPatG vom 19.07.2018

Urteil vom 19.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:190718B28Wpat525.17.0
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 525/17
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 039 487.4
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kortbein, den Richter Schmid und den Richter
Dr. Söchtig am 19. Juli 2018
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beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 19. September 2016 wird aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Das farbige Wort-/Bildzeichen (weiß, braun)
ist am 20. Mai 2015 mit Telefax in schwarz-weißer Darstellung für die folgenden
Waren zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte
Markenregister angemeldet worden:
Klasse 29:
Milch und Milchprodukte, insbesondere Käse und Käseprodukte.
Am 16. Juni 2015 ist das Zeichen farbig eingereicht worden. Mit Beschluss vom
19. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent-
und Markenamts die Anmeldung nach vorausgegangener Beanstandung wegen
fehlender Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zu-
rückgewiesen.
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Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen erschöpfe sich in einer
Aneinanderreihung produktbezogener Angaben und werbeüblicher Gestaltungs-
merkmale, die im Gesamteindruck nicht als betrieblicher Herkunftshinweis ver-
standen werde.
Den Wortbestandteilen des Zeichens „
SENNER
NATÜRLICH. ALLGÄU. SEIT
1862.“ sei zu entnehmen, dass die beanspruchten Milchprodukte in natürlicher
Weise hergestellt seien und aus einer bereits seit 1862 betriebenen Sennerei
stammten. Diese Angaben seien geeignet, Merkmale der beanspruchten Waren
„Milch und Milchprodukte“ zu beschreiben. Jedenfalls bestehe ein enger beschrei-
bender Bezug. Auch die Gestaltung des Zeichens halte sich im Rahmen üblicher
Werbegrafik. Der Darstellung eines Hochgebirges verstärke visuell lediglich das
Arbeitsumfeld eines Senners. Die grafische Gestaltung des Innenbereichs der
Buchstaben in Form eines an Ornamente erinnernden Musters trete in der Ge-
samtmarke nur unzureichend hervor.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, mit
der sie beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 19. September 2016 aufzuheben.
Hilfsweise hat sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Sie trägt vor, bereits der Wortbestandteil „Senner“ begründe die Schutzfähigkeit
des Zeichens. Eine Bezeichnung, die einen Herstellungsbetrieb benenne, be-
schreibe nicht zwangsläufig die durch den Betrieb hergestellten Produkte. Auch
die Angabe „NATÜRLICH“ weise für Milch und Milchprodukte keine rein beschrei-
bende Bedeutung auf. Jedenfalls begründe die grafische Gestaltung die Schutzfä-
higkeit des Zeichens. Ihre weitgehend rechteckige Grundform erzeuge einen ge-
schlossenen Gesamteindruck, der als Herkunftshinweis wahrgenommen werde.
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Das Anmeldezeichen werde durch den Schriftzug „SENNER“ dominiert, der nicht
nur in einem unüblichen Schriftbild dargestellt, sondern großflächig und auffällig
mit Mustern versehen sei, die an abstrakte Kunst erinnerten. Eintragungshinder-
nisse seien daher nicht gegeben. Insbesondere verfüge das Zeichen über das
ausreichende Mindestmaß an Unterscheidungskraft.
Zum weiteren Vorbringen wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Es besteht kein Anlass, die Sache gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG an das
Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) zurückzuverweisen. Es hat zwar keine
ausdrückliche Entscheidung darüber getroffen, ob die ursprünglich eingereichte
Markenwiedergabe für die Begründung des Anmeldetags 20. Mai 2015 ausreicht.
Dies setzt voraus, dass die farbige Wiedergabe der Marke und die Angabe vorlie-
gen, dass die Marke in bestimmten Farben eingetragen werden soll (vgl. BGH
GRUR 2002, 683, 684 - Farbige Arzneimittelkapsel). Am 20. Mai 2015 wurde le-
diglich eine Schwarz-Weiß-Wiedergabe der Marke beim DPMA eingereicht. Aller-
dings wird es bei Telefax-Anmeldungen farbiger Marken als ausreichend angese-
hen, wenn das farbige Original der Markenwiedergabe nachgereicht wird und auf
der schwarz-weißen Markendarstellung im Fax die Verteilung der angegebenen
Farben in Übereinstimmung mit dem Original hinreichend klar und eindeutig er-
kennbar ist (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Auflage, § 32,
Rdnr. 26). Dies ist vorliegend der Fall. Die Farbdarstellung des gegenständlichen
Zeichens wurde nach Aufforderung durch das DPMA am 16. Juni 2015 nachträg-
lich vorgelegt. Auch lässt sich der am 20. Mai 2015 eingereichten Schwarz-Weiß-
Wiedergabe noch ausreichend klar entnehmen, wo die im Anmeldeformular bean-
spruchten Farben „weiß, braun“ erscheinen sollen. Es ist erkennbar, dass in Weiß
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alle Bereiche gehalten sein sollen, die nicht in schwarzer Farbe in dem Anmelde-
zeichen erscheinen. Schwarz ist wiederum in dem Originalzeichen durch Braun zu
ersetzen. Da nur zwei Farben beansprucht werden, wovon eine nur Füll- oder
Hintergrundfarbe ist, lässt sich ihre Verteilung auch in der Schwarz-Weiß-Wieder-
gabe hinreichend bestimmen. Damit reichen die ursprünglich eingereichten Anga-
ben aus, um gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG den
20. Mai 2015 als Anmeldetag begründen zu können.
2. Der angegriffene Beschluss war aufzuheben, da der Eintragung des angemel-
deten Wort-/Bildzeichens keine Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG
entgegenstehen. Insbesondere fehlt dem Anmeldezeichen weder jegliche Unter-
scheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, noch stellt es eine freihaltebe-
dürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar.
a) Unterscheidungskraft ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung,
vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der
Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Un-
ternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Un-
ternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein
Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe
Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH
- grill meister; GRUR 2014, 1204, Rdnr. 9 - Düssel-
dorfCongress; GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 - Pippi-Langstrumpf-Marke).
Einem Zeichen fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft, wenn ihm die maß-
geblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens lediglich ei-
nen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. BGH
GRUR 2014, 1204, Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress; GRUR 2013, 731, Rdnr. 22 -
Kaleido). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft solche Zeichen, die
sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleis-
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tungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender
Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rdnr. 23 -
TOOOR!; GRUR 2006, 850, Rdnr. 28 - FUSSBALL WM 2006).
Ein Wort-/Bildzeichen kann - unbeschadet der gegebenenfalls fehlenden Unter-
scheidungskraft der Wortelemente - als Gesamtheit über Unterscheidungskraft
verfügen, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale
aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht (vgl. BGH
GRUR 2001, 1153 - antiKALK; GRUR 2014, 872, Rdnr. 33 - Gute Laune Drops).
An die Gestaltung sind umso größere Anforderungen zu stellen, je kennzeich-
nungsschwächer die fragliche Angabe ist (vgl. BGH GRUR 2008, Rdnr. 20 -
VISAGE; GRUR 2009, 954, Rdnr. 17 - Kinder III). Dabei vermögen insbesondere
einfache geometrische Formen oder bloße Verzierungen des Schriftbildes, an die
sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, die
fehlende Unterscheidungskraft der Wörter nicht aufzuwiegen (BGH, a. a. O. - an-
tiKALK; a. a. O., Rdnr. 18 - grill meister; a. a. O., Rdnr. 20 - DüsseldorfCongress).
Nach diesen Grundsätzen kann dem Anmeldezeichen
nicht
jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Die Markenstelle hat zu Recht angenommen, dass die Wortelemente des Kombi-
nationszeichens weder für sich noch in ihrer Kombination als betrieblicher Her-
kunftshinwies aufgefasst werden. Insbesondere wird die im Gesamteindruck des
Zeichens im Vordergrund stehende Angabe „SENNER“ lediglich als Tätigkeitsbe-
zeichnung verstanden, die gattungsmäßig einen Hersteller der beanspruchten
Milchprodukte bezeichnet. Ein Senner ist jedenfalls nach süddeutschem Sprach-
gebrauch zuständig für das Zusammentreiben und Melken von Almkühen wie ge-
gebenenfalls auch für die Herstellung von Milchprodukten (vgl. Wiktionary, Such-
begriff „Senner“). In Bezug auf die beanspruchten Waren gibt das Wort an, dass
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Bergmilch verarbeitet wird und die Produkte ohne umfangreiche technische Unter-
stützung auf einer Alm zubereitet werden. In diesem Sinne ist auch der einge-
führte Ausdruck „Sennerkäse“ zu verstehen. Der Ausdruck „SENNER“ weist daher
einen eng beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren auf, weil ihm die
originäre Eignung, diese Waren von denen anderer Senner kennzeichenmäßig
abzugrenzen, fehlt (vgl. ähnlich BPatG
- webadvocat; Beschluss vom 24. März 2011, 30 W (pat) 523/10
- Aktive Optiker; Beschluss vom 28. Juli 2015, 25 W (pat) 518/14 - Steuerkauf-
mann).
Die weiteren Angaben „NATÜRLICH. ALLGÄU. SEIT 1862.“ benennen ebenfalls
objektive Eigenschaften eines Senners („ALLGÄU. SEIT 1862.“) oder der bean-
spruchten Waren („NATÜRLICH.“). Selbst wenn nur die Anmelderin seit 1862 auf
Allgäuer Almen Milchprodukte produzieren sollte, so wäre dieser Umstand nur
dann beachtlich, wenn er dem Publikum bekannt wäre und seine Wahrnehmung
des Zeichens beeinflussen würde. Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor.
Den sachbezogenen Bedeutungsgehalt der Wortbestandteile überlagert aber die
grafische Darstellung des Zeichens hinreichend. Es ist nicht erkennbar, dass sie
nicht als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen wird. Die Schriftgestal-
tung des im Vordergrund stehenden Wortbestandteils „SENNER“ ist weder einfach
noch naheliegend. Seine einzelnen Buchstaben weisen Kronen, (Halb-) Kreise,
Punkte und verschiedene Strichmuster auf. Die Gestaltung erinnert bei unbefan-
gener Betrachtung an Ausdrucksmittel abstrakter oder primitiver Kunst, die nicht
nur keinen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Wortelement „SENNER“ aufwei-
sen, sondern in diesem Kontext sogar als Fremdkörper erscheinen. Hierdurch
kommt dem Zeichen eine gewisse Charakteristik zu, die von einem rein beschrei-
benden Verständnis des Wortes „SENNER“ wegführt. Die Grafik tritt in Anbetracht
ihrer Größe und des Farbkontrasts im Gesamteindruck des Zeichens genügend
deutlich hervor.
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Da es auf die Gesamtbetrachtung und nicht auf eine Analyse der Einzelelemente
ankommt, ist das Zeichen damit geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis für
die beanspruchten Waren zu dienen.
b) Aus den genannten Gründen steht der Eintragung der angemeldeten Wort-
folge in ihrer konkreten grafischen Ausgestaltung auch ein Freihaltebedürfnis ge-
mäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht entgegen.
Deshalb war der angegriffene Beschluss antragsgemäß aufzuheben.
Prof. Dr. Kortbein
Dr. Söchtig
Herr Dr. Söchtig ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift verhindert.
Prof. Dr. Kortbein
Schmid
Pr