Urteil des BPatG vom 23.07.2018

Urteil vom 23.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:230718B26Wpat504.17.0
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 504/17
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 027 402.7
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
23. Juli 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter
Jacobi und Schödel
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beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 11. November 2014 wird aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die Wortfolge
Berliner Stadtwerke
ist am 17. März 2014 unter der Nummer 30 2014 027 402.7 zur Eintragung in das
beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet
worden für Waren und Dienstleistungen der
Klasse 32:
Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und
andere alkoholfreie Getränke; Trinkwasser;
Klasse 35:
Werbung; Geschäftsführung; betriebswirtschaftliche
Beratung zum Bezug und zur Versorgung mit elektri-
scher Energie, erneuerbaren Energien, Gas, Wasser,
Fernwärme und Dampf; Energieberatung für Haushalt,
Gewerbe und Industrie; Unternehmensverwaltung; Bü-
roarbeiten;
Klasse 37:
Bauwesen; Reparaturwesen; Entstörung in elektri-
schen Anlagen sowie in Anlagen zur Produktion er-
neuerbarer Energien; Installation, Reinigung, Instand-
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haltung und Reparatur von elektrischen Anlagen und
Leitungen, Pumpen, Abwasserleitungen, Fernwärme-
leitungen, Dampfleitungen und Gasleitungen sowie
von sonstigen Einrichtungen zum Bezug, Transport
und Verteilung von elektrischer Energie, erneuerbaren
Energien, Gas, Wasser, Fernwärme und Dampf; Er-
richtung und Instandhaltung von Schwimmbädern; Er-
richtung und Instandhaltung von Anlagen zur Müllver-
brennung und zur Erzeugung von elektrischer Energie,
erneuerbaren Energien, Biogas, Fernwärme und
Dampf; Errichtung, Reinigung und Instandhaltung von
Anlagen zur Wasserförderung und Abwasserreinigung
sowie von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Ener-
gien; Bau, Wartung und Unterhaltung der Straßenbe-
leuchtung;
Klasse 39:
Transportwesen; Transport und Verteilung von elektri-
scher Energie, erneuerbaren Energien, Gas, Wasser,
Fernwärme und Dampf; Transport von Abfällen und
Abwasser; Abfallentsorgung; Einsammeln von Abfäl-
len; Reinigungsdienstleistungen; Lagerung von Gas,
Trinkwasser und Abfall; Betrieb der Straßenbeleuch-
tung;
Klasse 40:
Materialbearbeitung; Erzeugung von elektrischer
Energie, Fernwärme und Dampf, insbesondere aus
erneuerbaren Energien; Förderung von Gas, Erdöl
und Trinkwasser; Reinigung, Behandlung und Aufbe-
reitung von Wasser und Abwasser; Verbrennung und
Vernichtung von Abfall und Gasen; Reinigung von Ga-
sen; Rückgewinnung von Materialien aus Abfallstof-
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fen; Extraktion von Bestandteilen aus Abfallrückstän-
den; Sortierung, Recycling und Aufbereitung von Müll
und Abfall; Gaserzeugung;
Klasse 41:
Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Be-
trieb von öffentlichen Schwimmbädern;
Klasse 42:
Wissenschaftliche und technologische Dienstleistun-
gen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche De-
signerdienstleistungen; industrielle Analyse- und For-
schungsdienstleistungen; Wasseranalyse; Wasser-
qualitätskontrolle; Überprüfung der effizienten Nutzung
von Energie; Technologieberatung zur alternativen
Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien; For-
schung im Bereich Energie, insbesondere im Bereich
erneuerbare Energien; Entwicklung ganzheitlicher
Energiekonzepte; ingenieurtechnische Leistungen auf
dem Gebiet der Erzeugung von Strom und Gas, ins-
besondere im Bereich erneuerbare Energien; Ent-
wicklung von Stromaggregaten.
Mit Beschluss vom 11. November 2014 hat die Markenstelle für Klasse 39 des
DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebe-
dürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen sei aus allgemein be-
kannten Begriffen zusammengesetzt und weise lediglich in unmittelbar beschrei-
bender Weise darauf hin, dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleis-
tungen von einem Versorgungsunternehmen stammten, dessen Geschäftstätigkeit
auf die Großstadt Berlin konzentriert sei oder das seinen Sitz in dieser Stadt habe.
Angesichts des deutlich erkennbaren Sinngehalts der Wortkombination habe der
Verkehr keine Veranlassung, diese als betrieblichen Herkunftshinweis zu verste-
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hen, zumal es sich wegen der häufigen Privatisierung von Stadtwerken auch um
ein privates Versorgungsunternehmen handeln könne. Gerade bei einer flächen-
mäßig ausgebreiteten Großstadt wie Berlin sei nicht auszuschließen, dass es dort
schon aus historischen Gründen mehrere Anbieter von kommunalen Energiever-
sorgern geben könne. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hänge nicht von
der Person der Markenanmelderin ab, so dass deren mögliche Monopolstellung
unerheblich sei. Die Unterscheidungskraft lasse sich auch nicht mit dem Argument
begründen, die Benutzung des Begriffs „Stadtwerke“ in Kombination mit einer ge-
ographischen Herkunftsangabe sei nicht wettbewerbswidrig oder der Verkehr
habe sich daran gewöhnt, in der häufigen Benutzung der Kombination des Na-
mens einer Region oder Gemeinde mit dem Unternehmensgegenstand einen be-
trieblichen Herkunftshinweis zu sehen. Dies betreffe allein die Frage einer mögli-
chen Verkehrsdurchsetzung. Die Anmelderin könne sich nicht auf vergleichbare
Voreintragungen berufen, da diese keine Bindungswirkung entfalteten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß be-
antragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 11. November 2014 aufzuheben.
Sie ist der Ansicht, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(GRUR 2017, 186 – Stadtwerke Bremen) sei die Bezeichnung „Stadtwerke“ in
Verbindung mit einer geographischen Angabe hinreichend unterscheidungskräftig
und es bestehe auch kein Freihaltebedürfnis. Eine Täuschungsgefahr über die
öffentliche Trägerschaft der Anmelderin sei ebenfalls ausgeschlossen, weil deren
Gesellschaftsanteile sich zu 100 % im Eigentum der landeseigenen Berliner Was-
serbetriebe als Anstalt öffentlichen Rechts befänden.
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Anmelderin waren ursprünglich die Berliner Wasserbetriebe als Anstalt öffentli-
chen Rechts. Nach Umschreibung auf die jetzige Anmelderin am 6. April 2017 ist
diese in das Beschwerdeverfahren eingetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig und
begründet.
Berliner Stadtwerke
beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klassen 32, 35, 37, 39, 40, 41
und 42 stehen keine Schutzhindernisse entgegen.
1. Dem Zeichen fehlt es nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen
als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Wa-
ren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unter-
scheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH
GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9
– OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität
der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH
GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH
a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintra-
gungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede
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auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu
überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksich-
tigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit
mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es ei-
ner analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428
Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmel-
dezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind
einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die
Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrneh-
mung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienst-
leistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Con-
cord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn
ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehen-
den beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86
– Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese
aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer
bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer
entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI;
GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine
Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen,
welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar be-
treffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird
und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O.
– Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst
wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht be-
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schreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung
handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und
Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLE-
MINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zu-
sammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen
Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachan-
gabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann,
wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche
Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH
MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16
– DüsseldorfCongress).
Berliner Stadt-
werke
inhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und
Dienstleistungen aufweist.
aa) Von den verfahrensgegenständlichen Produkten und Dienstleistungen werden
breite Verkehrskreise, nämlich sowohl der normal informierte, angemessen auf-
merksame und verständige Durchschnittsverbraucher als auch gewerbliche Kun-
den, der Getränkefachhandel sowie die Fachverkehrskreise im Energiebereich
angesprochen.
bb) Die angemeldete Wortfolge setzt sich aus den beiden Wörtern „Berliner“ und
„Stadtwerke“ zusammen.
aaa) Das Wort „Berliner“ bezeichnet als Substantiv einen oder mehrere Einwohner
der Bundeshauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und zugleich eines ihrer
Länder. Die Stadt Berlin ist die bevölkerungsreichste und flächengrößte Gemeinde
Deutschlands (https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin). Dabei ist „Berliner“ keine hin-
reichend merkliche Abweichung von der zugrunde liegenden freihaltebedürftigen,
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geografischen Herkunftsangabe „Berlin“ (vgl. EuG GRUR 2004, 148, 149,
Rdnr. 39 f. – OLDENBURGER; BPatG 29 W (pat) 52/05 – Der Konstanzer; 28
W (pat) 24/04
WolfsBurger; 33 W (pat) 60/02
NÜRNBERGER;
28 W (pat) 16/11 – Ahrtaler; GRUR 1994, 627 – ERDINGER; 28 W (pat) 17/12
– Der Grieche; 28 W (pat) 15/12 – Der Sizilianer; 28 W (pat) 16/12 – Der
Toskaner). Auch als Adjektiv weist es nur auf die Zugehörigkeit zur Stadt bzw.
zum Land Berlin hin.
bbb) Das Substantiv „Stadtwerke“ ist ein gebräuchlicher und im Allgemeinverkehr
bekannter Begriff, mit dem ein Wirtschaftsbetrieb bezeichnet wird, der sich in
kommunaler Trägerschaft befindet, also von einer Kommune geführt oder be-
herrscht wird, und sich um die Grundversorgung der Bevölkerung, insbesondere
mit Strom, Wasser und Gas, und/oder um die Abfall- und Abwasserentsorgung
kümmert (BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 17 ff. – Stadtwerke Bremen; BPatG
26 W (pat) 540/12 – Stadtwerke Braunschweig).
cc) Die angemeldete Wortfolge „Berliner Stadtwerke“ weist somit in ihrer Gesamt-
heit auf ein Versorgungsunternehmen hin, das von dem Land Berlin geführt wird
oder an dem das Land Berlin mehrheitlich beteiligt ist.
dd) Da die angesprochenen Verkehrskreise an die Verwendung des Begriffs
„Stadtwerke“ mit einer voran- oder nachgestellten Ortsangabe gewöhnt sind, se-
hen sie die im Begriff „Stadtwerke“ zum Ausdruck kommende kommunale Träger-
schaft durch die geographische Angabe „Berliner“ konkretisiert. Wegen dieser ein-
deutigen Spezifizierung des kommunalen Trägers haben sie schon zum Anmelde-
zeitpunkt, dem 17. März 2014, die Wortkombination „Berliner Stadtwerke“ als ei-
nen betrieblichen Herkunftshinweis aufgefasst. Denn diese weist in Bezug auf die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf die Herkunft aus einem ganz be-
stimmten kommunalen Unternehmen hin, nämlich auf ein Versorgungsunterneh-
men, das vom Land Berlin betrieben wird oder auf das das Land Berlin wegen sei-
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ner Mehrheitsbeteiligung einen bestimmenden Einfluss hat (vgl. BGH GRUR 2017,
186 Rdnr. 35 – Stadtwerke Bremen).
2. Der Eintragung des Anmeldezeichens für die angemeldeten Produkte und
Dienste steht auch nicht das Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im
Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der
Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung
der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung
sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem
Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass
Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienst-
leistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern frei verwendet werden
können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen
vorbehalten werden (EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – 1000; BGH a. a. O.
Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
gebietet die Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung
als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber
jederzeit in Zukunft erfolgen kann (EuGH GRUR 2004, 674 Rdnr. 56 – Post-
kantoor; BGH GRUR 2017, 186 Rdnr. 42 – Stadtwerke Bremen).Für die Annahme
einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es allerdings der Feststellung,
dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH
GRUR 2010, 534 Rdnr. 53 – PRANAHAUS; BGH a. a. O. Rdnr. 43 – Stadtwerke
Bremen). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht nur auf
theoretischen Erwägungen beruhen, sondern muss anhand der voraussichtlichen
wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (vgl. BGH a. a. O. – Stadt-
werke Bremen).
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b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann ein gegenwärtiges oder
zukünftiges Freihaltebedürfnis nicht angenommen werden.
Zwar ist es angesichts der Privatisierungstendenzen im kommunalen Bereich und
der Liberalisierung des Energiemarkts nicht ausgeschlossen, dass zukünftig in
Berlin kommunale Leistungen der Daseinsvorsorge auch von anderen Unter-
nehmen angeboten werden, die sich überwiegend oder ausschließlich in privater
Hand befinden. Der zu erwartende wirtschaftliche Wettbewerb auf dem örtlichen
Markt der Grundversorgung wird aber nicht mit einer kennzeichenmäßigen
Konkurrenz um die angemeldete Wortmarke „Berliner Stadtwerke“ einhergehen.
Denn das Verkehrsverständnis, bei einem die Kennzeichnung „Berliner
Stadtwerke“ benutzenden Anbieter handele es sich um ein mehrheitlich in der
Hand des Landes Berlin befindliches Unternehmen, beruht nicht auf einem
früheren städtischen Monopol bei der Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvor-
sorge, sondern ergibt sich aus dem Sinngehalt der Bezeichnung (vgl. BGH a. a. O.
Rdnr. 45 f. – Stadtwerke Bremen; GRUR 2012, 1273 Rdnr. 28 – Stadtwerke
Wolfsburg; Hoffmann/Albrecht, NVwZ 2013, 896, 899). Es ist nicht davon
auszugehen, dass sich künftige Anbieter zur Kennzeichnung ihrer Waren oder
Dienstleistungen der Bezeichnung „Stadtwerke“ bedienen werden, denn das
Angebot von Versorgungsleistungen durch ein Unternehmen, das sich nicht
überwiegend in der Hand des Landes Berlin befindet, wäre nach § 5 Abs. 1 Satz 1
und 2 Nr. 1 und 3 UWG irreführend. Es liegt nicht im Allgemeininteresse, im Zuge
einer Marktöffnung jedem Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit der rechtswidrigen
Verwendung einer Bezeichnung zu eröffnen (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 46 – Stadt-
werke Bremen; Hoffmann/Albrecht, NVwZ 2013, 896, 899). Unter diesen
Umständen ist eine künftige Änderung des Sinngehalts der Bezeichnung „Berliner
Stadtwerke“ dahin, dass der Verbraucher sie als Hinweis auf das Angebot von
Waren und Dienstleistungen seitens eines Versorgungsunternehmens im Land
Berlin verstehen wird, vernünftigerweise nicht zu erwarten (vgl. BGH a. a. O.
Rdnr. 47 – Stadtwerke Bremen).
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3. Die Eintragung des Anmeldezeichens ist auch nicht wegen Täuschungsgefahr
nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG ausgeschlossen.
a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG sind von der Eintragung Marken
ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die Art, die
Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen
zu täuschen. Die Aufzählung der zur Täuschung geeigneten Umstände ist nicht
abschließend (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – Stadtwerke Bremen).
Bei der Beurteilung, ob ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG
besteht, geht es um die Täuschung durch den Zeicheninhalt selbst und nicht um
die Prüfung, ob das Zeichen bei einer besonderen Art der Verwendung im
Geschäftsverkehr geeignet sein kann, irreführende Vorstellungen zu wecken. Ist
für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen eine Markenbenutzung
möglich, bei der keine Irreführung des Verkehrs erfolgt, liegt das absolute
Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG insoweit nicht vor (vgl. BGH
a. a. O. Rdnr. 21 – Stadtwerke Bremen).
Irreführende Angaben zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen, die
nicht aus dem Inhalt oder der Aussage der Marke selbst folgen, sondern sich erst
in Verbindung mit der Person oder dem Unternehmen des Markenanmelders
ergeben, sind grundsätzlich nicht zur Täuschung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 4
MarkenG geeignet. Der Markeninhaber kann das nicht an einen bestimmten
Geschäftsbetrieb gebundene Zeichen nicht nur selbst benutzen, sondern es
gemäß § 30 Abs. 1 MarkenG lizenzieren oder nach § 27 Abs. 1 MarkenG auf
einen Dritten übertragen. Eine in der angemeldeten Marke enthaltene
unternehmensbezogene Angabe kann allenfalls zur Täuschung geeignet sein,
wenn sie in Bezug auf den Geschäftsbetrieb sowohl des Markeninhabers als auch
eines jeden Dritten irreführend ist (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 22 – Stadtwerke
Bremen).
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b) Da sich die Gesellschaftsanteile der Anmelderin zu 100 % im Eigentum der
landeseigenen Berliner Wasserbetriebe als Anstalt öffentlichen Rechts befinden,
ist vorliegend gar keine Irreführung und damit auch keine Täuschungsgefahr
gegeben.
Aber auch wenn das Land Berlin über keinen oder nur geringen Einfluss auf die
Unternehmenspolitik der anmeldenden GmbH verfügte, wäre eine generelle
Eignung der angemeldeten Bezeichnung, das Publikum über die kommunale
Trägerschaft des Anbieters der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu
täuschen, schon deshalb zu verneinen, weil eine nicht irreführende Benutzung
denkbar wäre. Erstens könnte das Land Berlin im Zuge einer Rekommunalisierung
einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Anmelderin gewinnen.
Zweitens könnte die Anmelderin die Marke an einen vom Land Berlin geführten
oder beherrschten Versorgungsbetrieb lizenzieren oder übertragen (vgl. BGH
a. a. O. Rdnr. 26 – Stadtwerke Bremen).
Kortge
Jacobi
Schödel
Pr