Urteil des BPatG vom 23.07.2018

Urteil vom 23.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:230718B26Wpat501.15.0
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 501/15
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2013 039 436.4
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
23. Juli 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter
Jacobi und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortfolge
Fucking awesome
ist am 1. Juli 2013 vom Anmelder und den beiden Beteiligten unter der Nummer
30 2013 039 436.4 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt
(DPMA) geführte Register angemeldet worden für Waren der
Klasse 25:
Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckun-
gen;
Klasse 32:
Biere und kohlensäurehaltige Wässer und andere
alkoholfreie Getränke;
Klasse 33:
Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).
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Mit Beschluss vom 5. September 2014 hat die Markenstelle für Klasse 33 des
DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37
Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausge-
führt, der englische, umgangssprachliche Ausdruck „Fucking awesome“ werde mit
„verdammt stark“ oder „verdammt großartig“ übersetzt. Damit sei das Anmeldezei-
chen nur ein Werbespruch, der auf die Qualität der so gekennzeichneten Produkte
hinweise. Die angesprochenen Verbraucher würden diesen verständlichen und
typischen Werbeslogan nur als eine pauschale, beschreibende Aussage über die
Beschaffenheit der beanspruchten Waren oder die Eigenschaft ihrer Hersteller,
aber nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen auffassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der die Ansicht vertritt, der
Verbraucher könne dem Anmeldezeichen außer für die nicht beanspruchte Ware
„Tierdung“ keine Sachinformation über die beanspruchten Produkte entnehmen,
weil die angesprochenen inländischen Verkehrskreise die englische Umgangs-
sprache nicht beherrschten. Der Ausdruck „Fucking awesome“ sei lexikalisch nicht
nachweisbar, so dass er auch nicht sofort als fremdsprachiger „Werbespruch“ er-
kannt werde. Die angemeldete Wortfolge sei ein originelles Wortspiel und erfor-
dere ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand, weil sie auch mit „Scheiß Furcht
einflößend“ oder „Scheiß gut“ übersetzt werden könne und in bekannten Werbe-
sprüchen weder die englischen Wörter noch die deutschen Begriffe vorkämen. Der
groß geschriebene Buchstabe „F“ bewirke zudem eine deutsche Aussprache (vgl.
BPatG 29 W (pat) 12/10 – Getränke Star). Niemand preise seine Produkte mit
dem Wort „Scheiß“ an. Der Bedeutungsgehalt sei somit auch unscharf. Für die
Unterscheidungskraft spreche auch, dass sich „Fucking awesome“ in einen sachli-
chen Fließtext im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren nicht einfüge,
sondern „unpassend und eigentümlich“ wirke. Für eine Schutzfähigkeit sprächen
auch die Entscheidungen des Bundespatentgerichts 26 W (pat) 116/10 – Ficken
sowie 26 W (pat) 504/12 – Fucking Hell sowie die Markeneintragungen „Green
hell“ (30 2008 074 866) und „HELL´S KITCHEN“ (UM 009 184 201).
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Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom
5. September 2014 aufzuheben.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 21. November 2017 ist darauf hingewiesen wor-
den, dass nur einer der drei Anmelder als Beschwerdeführer anzusehen sei, und
unter Übersendung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 4, Bl. 34 – 55 GA) mit-
geteilt worden, dass das Anmeldezeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig,
aber unbegründet.
1. Zunächst ist festzustellen, dass nur der als Anmelder und Beschwerdeführer
Bezeichnete Beschwerde eingelegt hat, obwohl die beanspruchte Wortfolge zu-
sammen mit den beiden Beteiligten angemeldet worden ist. Nur er wird in der Be-
schwerdeschrift als Beschwerdeführer genannt, hat diese unterzeichnet und hat
die Beschwerdegebühr eingezahlt.
Die beiden Mitanmelder sind als notwendige Streitgenossen anzusehen und daher
gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 62 Abs. 2 ZPO im Verfahren zuzu-
ziehen (BGH GRUR 2014, 1024 Rdnr. 10 – VIVA FRISEURE/VIVA; für die ent-
sprechende Problematik im Patentrecht: BGH GRUR 1967, 655, 656 – Altix;
BPatG GRUR 1979, 696 – Notwendige Streitgenossen; Hövelmann Mitt. 1999,
129 f.).
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Fucking awesome
steht hinsichtlich der beanspruchten Waren das absolute Schutzhindernis der
fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Die
Markenstelle hat dem Anmeldezeichen daher zu Recht die Eintragung versagt
(§ 37 Abs. 1 MarkenG).
a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen
als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Wa-
ren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unter-
scheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH
GRUR 2018, 301 Rdnr. 11 – Pippi-Langstrumpf-Marke; GRUR 2016, 934 Rdnr. 9
– OUI). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität
der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH
GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH
a. a. O. – OUI). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintra-
gungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede
auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu
überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksich-
tigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit
mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es ei-
ner analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428
Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 15 – Pippi-Langstrumpf-Marke).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmel-
dezeitpunkt (BGH GRUR 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind
einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die
Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrneh-
mung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienst-
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leistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Con-
cord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn
ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehen-
den beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86
– Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese
aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer
bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer
entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI;
GRUR 2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine
Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen,
welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar be-
treffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird
und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O.
Pippi-Langstrumpf-Marke). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst
wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht be-
schreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung
handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und
Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146 Rdnr. 32 – DOUB-
LEMINT; BGH GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT); dies gilt auch für ein zu-
sammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen
Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer Sachan-
gabe entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann,
wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche
Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH
MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; BGH GRUR 2014, 1204 Rdnr. 16
– DüsseldorfCongress).
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An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind
keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH
GRUR Int. 2012, 914 Rdnr. 25 – Smart/HABM [WIR MACHEN DAS BESONDERE
EINFACH]; a. a. O. Rdnr. 36 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik];
GRUR 2004, 1027, Rdnr. 33 und 34 – Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequem-
lichkeit]; BGH GRUR 2015, 173 Rdnr. 17 – for you; GRUR 2014, 872 Rdnr. 14 –
Gute Laune Drops; GRUR 2014, 565 Rdnr. 14 – smartbook). Vielmehr ist in jedem
Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden In-
halt hat oder ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterschei-
dungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt (BGH
GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 – My World; GRUR 2009, 778 Rdnr. 11 – Willkommen
im Leben; GRUR 2010, 935 Rdnr. 8 – Die Vision). Selbst wenn aber Marken, die
aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshin-
weise oder Aufforderungen zum Kauf der in Bezug genommenen Waren und
Dienstleistungen verwendet werden, eine Sachaussage in mehr oder weniger
großem Umfang enthalten, ohne unmittelbar beschreibend zu sein, können sie
dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der in Be-
zug genommenen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen (EuGH a. a. O.
Rdnr. 56 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]). Dies kann insbesondere dann
der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung
bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Min-
destmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Ver-
kehrskreisen einen Denkprozess auslösen (EuGH a. a. O. Rdnr. 57 – Audi/HABM
[Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. Rdnr. 17 – for you; GRUR 2013, 552
Rdnr. 9 – Deutschlands schönste Seiten; a. a. O. – My World). Der anpreisende
Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt deren Eignung als Herkunftshinweis
nur dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung ver-
steht (BGH a. a. O. Rdnr. 23 – OUI).
b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2
Fucking awesome
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Sie ist zwar prägnant, einfach gehalten und eingängig. Aber in Bezug auf die be-
anspruchten Waren der Klassen 25, 32 und 33 ist sie weder interpretationsbedürf-
tig, noch löst sie einen Denkprozess aus. Die angesprochenen inländischen Ver-
kehrskreise haben sie vielmehr schon zum Anmeldezeitpunkt, dem 1. Juli 2013,
ohne besonderen gedanklichen Aufwand nur und ausschließlich als werbliche An-
preisung verstanden, so dass sie sich nicht als Hinweis auf die Herkunft aus ei-
nem bestimmten Unternehmen eignet.
aa) Von den angemeldeten Waren werden breite Verkehrskreise, nämlich sowohl
der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durch-
schnittsverbraucher als auch der Bekleidungs- und Getränkefachhandel ange-
sprochen.
bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden englischen Wörtern „fucking“
und „awesome“ zusammen.
aaa) Das Adjektiv „awesome“ wird mit „beeindruckend, eindrucksvoll, überwälti-
gend, übergroß“ oder mit „ehrfurchtgebietend, beängstigend, furchteinflößend“
übersetzt (Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 1990; PONS – Großwörter-
buch Englisch, 2002; Anlage 1b zum gerichtlichen Hinweis). In der
englischen und amerikanischen Umgangssprache hat es die Bedeutung „obercool,
total geil, affengeil, hammermäßig, klasse, spitze, super, stark, fantastisch, groß-
artig, toll“ (Klett, Thematischer Grund- und Aufbauwortschatz Englisch 2000, An-
lage 1a zum gerichtlichen Hinweis, www.leo.org, Anlage 1b zum gerichtlichen
Hinweis, Anlage 2b zum gerichtlichen
Hinweis; PONS - Großwörterbuch Englisch, 2002).
bbb) Das Eigenschaftswort „Fucking“ bedeutet in der englischen Umgangssprache
„verdammt, scheiß …“ und dient attributiv entweder der positiven Verstärkung wie
in dem Ausdruck „fucking good“ mit der Bedeutung „saugut, unheimlich gut“ oder
der negativen Steigerung wie in der Wortkombination „fucking cold“ im Sinne von
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„arschkalt“ oder „fucking expensive“ im Sinne von „schweineteuer“ (vgl. OXFORD
„Advanced Learner’s Dictionary“, 8. Aufl. 2010; www.leo.org, Anlage 2a zum ge-
richtlichen Hinweis; Anlage 2b zum ge-
richtlichen Hinweis; PONS – Großwörterbuch Englisch, 2002).
Zusammen mit dem englischen Substantiv „hell“ für „Hölle“ hat es die Bedeutung
„verdammte Scheiße“ (www.leo.org, Anlage 2a zum gerichtlichen Hinweis; PONS
– Großwörterbuch Englisch, 2002; BPatG 26 W (pat) 504/12 – Fucking hell;
27 W (pat) 507/13 – Fucking hell).
Als Substantiv der englischen Umgangssprache wird es mit „Ficken“, dem deut-
schen Vulgärausdruck für die Vollziehung des Geschlechtsverkehrs übersetzt
(PONS – Großwörterbuch Englisch, 2002; BPatG 26 W (pat) 116/10 – FICKEN).
„Fucking“ ist aber auch der Name eines Ortsteils der österreichischen Gemeinde
Tarsdorf mit 93 Einwohnern im Jahre 2001 (vgl.
Anlage 2c zum gerichtlichen Hinweis; BPatG 26 W (pat) 504/12 – Fu-
cking hell).
Ferner kann das Wort „Fucking“ als Familienname in Betracht kommen (vgl.
BPatG 27 W (pat) 507/13 – Fucking hell: Telefonbucheintrag in Duisburg).
cc) In seiner Gesamtheit weist das Anmeldezeichen die Bedeutung „verdammt
stark, verdammt großartig, verdammt beeindruckend, verdammt überwältigend,
verdammt klasse, verdammt fantastisch, verdammt toll“. auf. Auch wenn man die
Übersetzung des ersten Begriffs mit „ehrfurchtgebietend, beängstigend,
furchteinflößend“ oder des zweiten Begriffs mit „Scheiß …“ heranzieht, kommt
man zu positiven Ausdrücken wie „beängstigend toll, furchteinflößend großartig,
unheimlich klasse“ oder „scheißgeil, „scheißcool“. Abgesehen davon, dass die
vorgenannten Bedeutungen aufeinander bezogen sind und sinnvolle
Gesamtbegriffe bilden, kann das erste Wort des Anmeldezeichens schon aus
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grammatikalischen Gründen kein Substantiv oder ein Eigenname sein und der
winzige österreichische Ortsteil ist im Inland unbekannt (vgl. BPatG
26 W (pat) 504/12 – Fucking hell).
dd) Die der Welthandelssprache Englisch entstammende Wortkombination
„Fucking awesome“ ist schon zum Anmeldezeitpunkt, am 1. Juli 2013, vom inlän-
dischen Durchschnittsverbraucher, dessen englische Sprachkenntnisse wegen der
Häufigkeit von Reiseaufenthalten in Großbritannien und den USA sowie der Ver-
breitung der englischen Sprache in der Werbung und im Internet nicht zu gering
veranschlagt werden können, im oben genannten Sinne verstanden worden
(BPatG 27 W (pat) 515/17 – cream). Dies gilt aber in jedem Fall für den Handel,
dessen Verständnis allein von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (EuGH
GRUR 2004, 682 Rdnr. 26 – Bostongurka; BPatG 26 W (pat) 507/17 – SMART
SUSTAINABILITY; 24 W (pat) 18/13 – CID; 26 W (pat) 550/10 – Responsible Fur-
niture; MarkenR 2007, 527, 529 f. – Rapido). In der international ausgerichteten
Modebranche ist die Fremdsprache Englisch sogar schon zur Zweitsprache ge-
worden (BPatG 30 W (pat) 526/15 – Lash Lifting).
ee) Die beanspruchte Wortfolge erschöpft sich somit für die breiten
angesprochenen Verkehrskreise in der werbeüblichen, schlagwortartigen
Anpreisung einer außergewöhnlichen, positiven Eigenschaft
der
Bekleidungswaren in Klasse 25 sowie der alkoholfreien und alkoholischen
Getränke in den Klassen 32 und 33.
ff) Der Annahme einer beschreibenden Angabe steht nicht entgegen, dass die
Wortfolge „Fucking awesome“ lexikalisch nicht nachgewiesen ist. Der Verkehr ist
daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu
werden, durch die ihm sachbezogene Informationen vermittelt werden sollen. Er
wird daher auch bisher noch nicht verwendete, ihm aber gleichwohl verständliche
Sachaussagen als solche und damit nicht als betriebliche Herkunftshinweise auf-
fassen (BPatG 28 W (pat) 33/15 – Traumtomaten). Die sprachregelgerechte Ver-
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bindung der Wörter „Fucking“ und „awesome“ enthält auch keine Besonderheiten
in syntaktischer oder semantischer Hinsicht, die die gewählte Kombination als un-
gewöhnlich erscheinen lassen und zur Unterscheidungskraft führen könnten
(EuGH GRUR 2004, 674 Rdnr. 98 - 100 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 949
Rdnr. 13 – My World).
gg) Soweit der Beschwerdeführer den unscharfen Bedeutungsgehalt des
Anmeldezeichens anführt, ist dem entgegenzuhalten, dass die Annahme einer
beschreibenden Bedeutung nicht voraussetzt, dass die Bezeichnung feste
begriffliche Konturen erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum
Sinngehalt herausgebildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr
auch auszugehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat,
sein Inhalt vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen
Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt (BGH GRUR 2014, 872
Rdnr. 25 – Gute Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT; GRUR 2013,
522 Rdnr. 13 – Deutschlands schönste Seiten). Der allein durch die verschiedenen
Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand
der
angesprochenen Verkehrskreise reicht für die Bejahung einer
Unterscheidungskraft nicht aus (BGH, a. a. O., Rdnr. 24 – HOT). Vorliegend hat
sogar jede der möglichen Bedeutungen beschreibenden Charakter. Soweit die
Wortkombination nicht näher spezifiziert, aus welchem Grund oder in welcher Art
und Weise die so bezeichneten Produkte „verdammt großartig“ oder „unheimlich
toll“ sind, etwa wegen der herausragenden Qualität der verwendeten Materialien,
der Verarbeitung und des Designs bei den Bekleidungswaren oder wegen der
qualitativ hochwertigen Inhaltsstoffe oder des besonderen Geschmacks der
Getränke, entspricht eine solche Unbestimmtheit ferner dem Charakter einer
schlagwortartigen Werbeaussage, einen möglichst weiten Bereich
warenbezogener Eigenschaften, Vorteile oder Leistungsinhalte in einer
schlagwortartigen und werbewirksamen Weise zu erfassen, ohne diese im
Einzelnen zu benennen.
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hh) Abgesehen davon, dass das Anmeldezeichen als Wortmarke Schutz in jeder
verkehrsüblichen Schreibweise beansprucht, reicht auch der Umstand, dass der
Anfangsbuchstabe des Bestandteils „Fucking“ großgeschrieben ist, zur Erfüllung
der Herkunftsfunktion nicht aus. Denn der Verkehr ist an die willkürliche und nicht
den grammatikalischen Regeln folgende Groß- und Kleinschreibung von Wörtern
in der Werbung gewöhnt (BPatG 29 W (pat) 25/09 – Turkey Today). Er wird
– wenn überhaupt – allenfalls von einem Schreibfehler ausgehen.
ii) Da es sich um eine Merkmalsangabe für die beanspruchten Waren handelt,
scheidet auch eine Schutzfähigkeit aufgrund markenmäßiger
Verwendungsmöglichkeit aus. Denn auch auf einem innen eingenähten Etikett bei
Bekleidungsstücken oder auf einem Getränkeflaschenetikett würde das
Anmeldezeichen als unmittelbar beschreibende Beschaffenheitsangabe und nicht
als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen.
jj) Entgegen der Ansicht des Anmelders fügt sich die angemeldete Wortfolge
auch in einen sachlichen Fließtext im Zusammenhang mit den beanspruchten
Waren ein, in dem nämlich die beanspruchten Produkte oder deren Qualität als
„verdammt großartig“ beschrieben werden können.
3. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt, kann
dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Ab. 2 Nr. 2
MarkenG für die in Rede stehenden Waren freihaltungsbedürftig ist.
4. Ob das Anmeldezeichen nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG aufgrund von
Sittenwidrigkeit von der Eintragung ausgeschlossen ist, wofür allerdings keine
Anhaltspunkte bestehen, weil es sich um einen umgangssprachlichen Ausdruck
ohne jeden sexuellen Bezug handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 2013, 729, 730
Rdnr. 11 – READY TO FUCK), kann ebenfalls letztlich dahingestellt bleiben.
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5. Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen rechtfertigen keine an-
dere Entscheidung. Sie sind nicht einmal vergleichbar.
a) Die Wortmarke „Ficken“ (BPatG 26 W (pat) 116/10) besteht im Gegensatz
zum zweigliedrigen, englischsprachigen Anmeldezeichen aus einem einzigen
deutschsprachigen Begriff.
b) Die Wortmarke „Fucking Hell“ (BPatG 26 W (pat) 504/12) enthält im Gegen-
satz zu dem aus zwei Adjektiven bestehenden, positiv besetzten Anmeldezeichen
entweder das englische Substantiv „hell“ für „Hölle“ mit der Gesamtbedeutung
„verdammte Scheiße“ als englisches Schimpfwort oder ein deutsches Adjektiv, so
dass sich insgesamt der abweichende Sinngehalt „verdammt hell“ ergibt.
c) Bei den beiden Wortmarken „Green hell“ (30 2008 074 866) und „HELL´S
KITCHEN“ (UM 009 184 201) fehlt es schon an einer Übereinstimmung mit den
Wortelementen des Anmeldezeichens.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,
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3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Kortge
Jacobi
Schödel
Pr