Urteil des BPatG vom 26.09.2018

Urteil vom 26.09.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:260918B25Wpat541.17.0
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 541/17
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2016 008 163.1
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
26. September 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der
Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 13. September 2016 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die Wortfolge
Uelzener Versicherungen Mensch. Tier. Wir.
ist am 18. März 2016 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent-
und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister für folgende Waren und Dienst-
leistungen angemeldet worden:
Klasse 16:
Bücher; Druckereierzeugnisse; gedruckte Zeitschriften; Zeitschriften;
Booklets; Broschüren; Formulare [Formblätter]; Plakate; Prospekte;
Zeitungen;
Klasse 18:
Gebisse [Zaumzeug]; Kinnriemen aus Leder; Kniegamaschen für
Pferde; Leder, roh oder teilweise bearbeitet; Ledergurte; Lederriemen
[Gurte] [Sattlerei]; Lederriemen [Lederstreifen]; Pferdedecken; Pferde-
halfter; Pferdekummete; Sattelbäume; Satteldecken für Pferde; Sättel für
Pferde; Sattelgurte; Sattlerwaren; Scheuklappen; Steigbügel; Steigbü-
gelriemen; Zaumzeugriemen; Zügel; Zügel [Zaumzeug]; Zugstränge
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[Pferdegeschirr]; Futtersäcke; Geschirre, Sattel- und Zaumzeug für
Tiere; Jagdtaschen; Schabracken;
Klasse 25:
Bekleidungsstücke; Halstücher; Hemden; Jacken; Kopfbedeckungen;
Manschetten [Bekleidung]; Pullover; Schals; Schuhwaren; Stiefel; Stie-
felschäfte; T-Shirts; Überzieher [Bekleidung]; Westen; Zylinderhüte;
Klasse 28:
Gesellschaftsspiele; Gymnastik- und Turngeräte; Hufeisenspiele; Kar-
tenspiele; Plüschspielzeug; Plüschtiere; Puppen [Spielwaren]; Schau-
kelpferde; Schneekugeln; Spiele; Spielzeug; Teddybären; elektronische
Spiele; elektronisches Spielzeug;
Klasse 31:
Futtermittel für Tiere; Futterstroh; Hafer; Hefen als Tierfutter; Leinsa-
menmehl als Tierfutter; Streu für Tiere; Tiere [lebend]; Stroh [Getreide-
halme]; Tierzuchterzeugnisse;
Klasse 35:
Aufstellung von Kosten-Preisanalysen; Beratung bei der Organisation
und Führung von Unternehmen; Beratung in Fragen der Geschäftsfüh-
rung; Beratungsdienste in Fragen der Geschäftsführung; Durchführung
von Auktionen und Versteigerungen; Erstellen von Statistiken; Erstellung
von Geschäftsgutachten; Erteilung von Auskünften [Information] und Be-
ratung für Verbraucher in Handels- und Geschäftsangelegenheiten [Ver-
braucherberatung]; Erteilung von Auskünften in Handels- und Ge-
schäftsangelegenheiten; Herausgabe von Werbetexten; Hilfe bei der
Führung von gewerblichen oder Handelsbetrieben; Informationen in Ge-
schäftsangelegenheiten; Layoutgestaltung für Werbezwecke; Marketing;
Öffentlichkeitsarbeit [Public Relations]; Organisationsberatung in Ge-
schäftsangelegenheiten; Organisation von Ausstellungen und Messen
für wirtschaftliche und Werbezwecke; Präsentation von Waren in Kom-
munikations-Medien, für den Einzelhandel; Preisvergleichsdienste; Ver-
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anstaltung von Messen zu gewerblichen oder zu Werbezwecken; Ver-
breitung von Werbeanzeigen; Verfassen von Werbetexten; Verteilung
von Werbematerial [Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenpro-
ben]; Vorführung von Waren für Werbezwecke; Werbung; Bereitstellen
eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und
Dienstleistungen;
Klasse 36:
Erteilung von Auskünften in Versicherungsangelegenheiten; Finanzwe-
sen; Geldgeschäfte; Krankenversicherung; Vermittlung von Versiche-
rungen; Vermittlung von Verträgen über die Versicherung von Dienst-
leistungen; Versicherungsberatung; Versicherungswesen; Unfallversich-
erungsdienstleistungen; Versicherungsdienstleistungen;
Klasse 38:
Informationsübermittlung über nationale und internationale Netze; Tele-
kommunikation; Verschaffen des Zugriffs zu Datenbanken; Dienste von
Presseagenturen;
Klasse 41:
Durchführung von Kursen [Unterricht] in Bezug auf das Versicherungs-
wesen; Erziehung; Erziehung, Ausbildung; kulturelle Aktivitäten; sportli-
che Aktivitäten; Unterhaltung; Durchführung von Live-Veranstaltungen;
Audio- und Videoproduktion sowie Fotografieren; Fotografieren; Veran-
staltung und Durchführung von Seminaren; Veranstaltung von Ausstel-
lungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke;
Klasse 44:
Tierpflegedienste; Tierzucht; Gesundheitspflege für Tiere; Dienstleistun-
gen eines Tierarztes; Dienstleistungen von Tiersalons.
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Mit Beschluss vom 13. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 36 des
DPMA durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die unter der Nummer
30 2016 008 163.1 geführte Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und einem bestehenden Freihaltebedürfnis nach
§ 8 Abs. 2 Nr.
2 MarkenG für alle angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu-
rückgewiesen.
Die angemeldete Marke bezeichne mit der Wortfolge „Uelze-
ner Versicherungen“ die Art und den geographischen Bezug eines Versicherungs-
unternehmens und beschreibe mit den weiteren Wortbestandteilen „Mensch. Tier.“
die Zielgruppe des Unternehmens sowie durch das weitere Wort „Wir.“ das Zu-
sammengehörigkeitsgefühl zwischen den Beteiligten. Damit handle es sich bei
dem Zeichen insgesamt um eine Werbeaussage und eine Bestimmungsangabe
für die fraglichen Waren und Dienstleistungen. Ein über die Summe der Einzelbe-
standteile des Zeichens hinausgehender und damit schutzbegründender Gesamt-
begriff werde durch die Zusammenfügung der Bestandteile nicht geschaffen. Einer
Differenzierung hinsichtlich bestimmter Waren und Dienste bedürfe es nicht, da
alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen für ein Versicherungsunterneh-
men bestimmt und geeignet sein könnten. Für die beanspruchten Dienstleistungen
sei das Zeichen zudem ein sachlicher Hinweis auf die Herkunft dieser Tätigkeiten
aus einem Versicherungsunternehmen, das einen Bezug zu der Stadt Uelzen
habe, so dass insoweit auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
einschlägig sei. Der Verweis der Anmelderin auf die Bekanntheit und die Ge-
schichte der Anmelderin sei nicht geeignet, die Schutzfähigkeit der angemeldeten
Marke zu begründen, nachdem es ersichtlich an einem substantiierten Vortrag zu
dem Tatbestand der Verkehrsdurchsetzung im Sinn des § 8 Abs. 3 MarkenG
fehle. Auch könne der Verweis auf bereits registrierte Zeichen eine Eintragung der
vorliegenden Anmeldung nicht begründen.
Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde der Anmel-
derin. Der angemeldeten Marke sei das erforderliche Maß an Unterscheidungs-
kraft nicht abzusprechen. Entscheidend für die Unterscheidungskraft sei, ob der
konkret von den angemeldeten Waren und Dienstleistungen angesprochene Ver-
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kehrskreis der angemeldeten Bezeichnung im Zusammenhang mit den angemel-
deten Waren und Dienstleistungen einen betrieblichen Herkunftshinweis entneh-
men könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Verbraucher ein Zeichen we-
der analysierten noch in seine Einzelteile zergliedern würden und auch keinerlei
rechtliche Überlegungen zu diesem anstellten. Daher sei auch bei mehrgliedrigen
Zeichen der Gesamteindruck maßgebend. Es dürften nicht allein die Einzelteile
des Zeichens getrennt bewertet werden. Die Markenstelle habe dem Zeichen
maßgeblich deshalb die Unterscheidungskraft abgesprochen, weil sie dessen Ein-
zelbestandteile als schutzunfähig angesehen habe. Den tatsächlichen Gesamtein-
druck des Zeichens habe die Markenstelle nicht hinreichend untersucht und be-
rücksichtigt. Eine aus einzelnen schutzunfähigen Bestandteilen bestehende Be-
zeichnung könne durch ihre Verbindung einen schutzfähigen Gesamteindruck er-
reichen, was bei der angemeldeten Bezeichnung der Fall sei. Die scheinbar zu-
sammenhangslos aneinandergereihten und durch einen Punkt voneinander ge-
trennten Wortbestandteile würden sich schon durch die bei einer Wiedergabe ent-
stehende gefällige Sprachmelodie zu einem zusammenhängenden Ganzen ver-
binden. Ein beschreibender Zusammenhang zwischen dem Zeichen in der Ge-
samtheit und den beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei nicht zu erken-
nen. Vielmehr weise das Zeichen durch die unternehmenstypische Verbindung
von Mensch und Tier auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen hin. Bei
einem zusammengesetzten Zeichen reiche es nach gefestigter Rechtsprechung
für eine Bejahung der Schutzfähigkeit aus, wenn ein hinreichend hervortretendes
Element des Gesamtzeichens schutzfähig sei. Dies sei bei dem vorliegenden Zei-
chen der am Zeichenanfang stehende Bestandteil „Uelzener Versicherungen“.
Denn dabei handele es sich um die Firmenabkürzung des Unternehmens Uelze-
ner Allgemeine Versicherungsgesellschaft a. G, das durch die im Jahr 1984 erst-
mals eingeführte Tierkrankenversicherung in dem dadurch neu entstandenen
Markt große Bekanntheit erlangt habe, und das aufgrund seiner hohen Bekannt-
heit in diesem Bereich verkehrsdurchgesetzt sei. Auch seien die weiteren Be-
standteile des Zeichens keineswegs rein beschreibend. Denn es sei ein Denkpro-
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zess notwendig, um zu einer beschreibenden Bedeutung der Markenbestandteile
„Mensch. Tier. Wir.“ zu gelangen. Dies sei bereits ein Indiz für die Schutzfähigkeit.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des
aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwie-
sen.
II.
Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 66
Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens Uelzener Versicherungen Me-
nsch. Tier. Wir. als Marke stehen in Bezug auf die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2
MarkenG entgegen. Deshalb war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
1.
Dem Anmeldezeichen kann nicht jegliche Unterscheidungskraft abgespro-
chen werden.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zei-
chen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunfts-
hinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die
Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewähr-
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leisten (vgl. BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – Ka-
leido; GRUR 2012, 1143 Rn. 7 – Starsat; GRUR 2012, 270 Rn. 8 – Link economy;
GRUR 2010, 1100 Rn. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825 Rn. 13 – Marlene-Die-
trich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006). Auch das
Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des zugrunde-
liegenden Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die All-
gemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH,
GRUR 2003, 604 Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR 2014, 565 Rn. 17 – Smartbook).
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der
beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in
denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann.
Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen
aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der
einschlägigen Waren und Dienstleistungen (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411 Rn. 24
– Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 – SAT 2; GRUR 2004,
428 Rn. 30 f. – Henkel; BGH, GRUR 2006, 850 – FUSSBALL WM 2006) zum
Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens an (vgl. BGH, GRUR 2013, 1143, 1144
Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 872 Rn. 10 – Gute Laune Drops;
GRUR 2014, 482 Rn. 22 – test; EuGH, MarkenR 2010, 439 Rn. 41 – 57
– Flugbörse).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der
Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen
lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet
(vgl. BGH 2006, 850, Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006;
Rn. 86 – Postkantoor) oder sonst gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer
bekannten Fremdsprache, die – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwen-
dung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel
verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. – Link economy; GRUR 2009, 778 Rn. 11
– Willkommen im Leben; GRUR 2010, 640 Rn. 13 – hey!). Darüber hinaus fehlt
die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände
beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen,
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mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt
hergestellt wird (BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006).
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend weder festgestellt werden, dass das
Anmeldezeichen in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen
insgesamt einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf-
weist, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein hinreichend enger be-
schreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen herge-
stellt werden kann.
Das angemeldete Zeichen setzt sich für den angesprochenen allgemeinen wie
auch gewerblichen Verkehrskreis ersichtlich aus den Wortbestandteilen „Uelze-
ner Versicherungen“, „Mensch.“, „Tier.“ und „Wir.“ zusammen. Die Vorgehens-
weise, wonach bei der Prüfung der Unterscheidungskraft der zusammengesetzten
Wortmarke zunächst die Bedeutung jedes ihrer Wörter oder ihrer Bestandteile ge-
sondert vorgenommen wird, stellt – anders als die Anmelderin meint – keine (un-
zulässige) zergliedernde Betrachtungsweise dar, wenn im Ergebnis dann auf den
beschreibenden Gesamteindruck der zusammengesetzten Marke abgestellt wird
(vgl. hierzu auch EuGH, MarkenR 2007, 204 Rn. 79 – CELLTECH; MarkenR
2012, 485 Rn. 41 – Timehouse/HABM; Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG,
12. Aufl., § 8 Rn. 218). Der beschreibende Charakter mehrerer Begriffe geht re-
gelmäßig nicht bereits durch das Zusammenfügen verloren, auch wenn dadurch
eine sprachliche Neuschöpfung entsteht. Denn die bloße Verbindung von be-
schreibenden Bestandteilen bleibt im Allgemeinen selbst beschreibend, sofern
nicht durch das Zusammenfügen vor allem in syntaktischer oder semantischer Art
eine besondere sprachliche Ausgestaltung oder eine ungewöhnliche Kombination
entsteht, deren Wirkung über das bloße Summieren und Zusammenstellen der
Bestandteile hinausgeht (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8
Rn. 219 mit zahlreichen Nachweisen). Das ist vorliegend angesichts der fehlenden
sachbezogenen Aussage der Wortgesamtheit aber der Fall.
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Zwar ist mit der Markenstelle davon auszugehen, dass es sich bei der Angabe
„Uelzener Versicherungen“ um eine für Versicherungen ganz typische Ortsangabe
(Aachener Versicherung; Nürnberger Versicherung; Gothaer Versicherung) ver-
bunden mit der Tätigkeitsbezeichnung einer in Uelzen angesiedelten Versicherung
handelt, der daher jedenfalls für einen Teil der beanspruchten Dienstleistungen
(insbesondere die Dienstleistungen der Klassen 36 und 41) ein unmittelbar be-
schreibender Inhalt zu entnehmen ist. Die von Seiten der Anmelderin behauptete
Verkehrsdurchsetzung dieser Angabe (§ 8 Abs. 3 MarkenG) ist nicht durch geeig-
nete Unterlagen belegt worden. Die sich an diese Angabe anschließende Aufzäh-
lung „Mensch“ und „Tier“ kann ebenso auf mögliche Versicherungsgegenstände
Bezug nehmen bzw. mögliche konkrete Versicherungssparten bezeichnen oder
die Angabe der Zielgruppe und des Inhalts der Waren benennen und damit je-
denfalls für einen Teil der angemeldeten Waren und Dienstleistungen unmittelbar
beschreibend sein bzw. in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.
Ein beschreibender Zusammenhang der nach den Worten „Mensch. Tier.“ ange-
fügten Bezeichnung „Wir“ kann jedoch im Zusammenhang mit den beanspruchten
Waren und die Dienstleistungen und ohne weitere erläuternde Zusätze nicht fest-
gestellt werden. Zwar handelt es sich bei dem Wort „wir“ nach den Auswertungen
einer Datenbank der Werbung (vgl. www.slogans.de – Slogometer) um ein Wort,
das in den Werbeslogans der letzten Jahre am häufigsten Verwendung gefunden
hat (beispielsweise „Wir vergleichen“; „Wir bewegen was“; „Wir sind da“; „Sie träu-
men, wir planen“). Mit dem Wort „wir“ soll dem Konsumentenbedürfnis des „Mit-
machens“, „Dazugehörens“, „Willkommen seins“ entsprochen werden und ein
Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelt und erzeugt werden (vgl. hierzu
auch BPatG, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 29 W (pat) 532/16, der Beschluss
ist über die Homepage des Bundespatentgerichts öffentlich zugänglich). In Allein-
stellung und ohne weitere erläuternde Zusätze kann dem Wort „wir“ weder eine im
Vordergrund stehende beschreibende Sachaussage noch eine rein werblich an-
preisende Aussage oder Bedeutung zugeordnet werden. Das ist erst im Zusam-
menhang mit einem zusätzlichen konkretisierenden Begriff möglich. Eine solche
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Konkretisierung schafft vorliegend nicht die Platzierung des Wortes am Ende der
Aufzählung Mensch. Tier. Insoweit reiht sich das Personalpronomen „Wir.“ nicht
sinnfällig in die Aufzählung potentieller (Versicherung) Gegenstände, einer Ver-
sicherungssparte oder der Bezeichnung einer Zielgruppe oder des Gegenstands
der Waren ein. Die Bezeichnung „Wir.“ am Ende der Wortkombination beinhaltet
auch nicht für sich genommen einen Zusammenhang zu den Waren und Dienst-
leistungen, insbesondere bezeichnet sie als solche nicht deren Gegenstand, Inhalt
oder deren Bestimmung. Soweit ein Bezug zu dem Erbringer der Dienstleistungen,
der mit dem „Wir“ gemeint sein könnte, hergestellt werden kann, bedarf es zusätz-
licher weiterer Gedankenschritte und ist das Wort „Wir.“ am Ende der konkreten
Aufzählung „Mensch. Tier.“ zu vage, als dass sich damit eine konkrete im Vorder-
grund stehende Sachaussage der Gesamtheit „Mensch. Tier. Wir.“ erschließen
würde.
Auch führt die Verbindung der einzelnen Markenteile zu der Wortfolge „Uelze-
ner Versicherungen Mensch. Tier. Wir.“ mit den Bestandteilen „Uelzener Ver-
sicherung Mensch. Tier.“ dazu, dass diese Verbindung zwar insoweit für zahl-
reiche Dienstleistungen der Klasse 35, 36, 38 und 41 einen Sinn dahingehend
ergibt, dass es einen Versicherungsdienstleister in oder mit Bezug zu Uelzen be-
schreibt, dessen Versicherungsgegenstände Menschen und Tiere sind. Jedoch
weist die Wortfolge durch das angefügte „Wir“, das sich in die Reihung gerade
nicht sinnstiftend einfügt und insoweit bezugslos und fremd wirkt, ein mit den vo-
rangestellten Bestandteilen nicht in Verbindung bringendes Element auf, das zum
Nachdenken anregt und mit der Sachaussage der vorangegangenen Markenteile
nicht in Einklang zu bringen ist und deshalb der angemeldeten Marke das erfor-
derliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft verleiht.
Auch der Umstand, wonach es sich um eine längere Wortfolge handeln könnte,
die nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig
ist, begründet vorliegend nicht das Fehlen der Unterscheidungskraft (vgl. BGH
GRUR 2010, 935 – Die Vision). Eine längere Wortfolge vermittelt dem angespro-
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chenen Verkehr in der Regel nicht den Eindruck eines betrieblichen Herkunftshin-
weises (BGH a. a. O. Rn 11 – Die Vision). Bei der aus fünf Wörtern bestehenden
Wortfolge „Uelzener Versicherungen Mensch. Tier. Wir.“ handelt es sich aber nicht
um eine in diesem Sinn ausreichend lange Wortfolge, der deshalb der Schutz zu
versagen wäre.
Der angemeldeten Gesamtheit „Uelzener Versicherungen Mensch. Tier. Wir.“
kann deshalb in ihrer Gesamtheit für die beanspruchten Waren und Dienstleistun-
gen nicht jegliche Unterscheidungskraft nach §
8 Abs. 2 Nr.
1 MarkenG abgespro-
chen werden.
2.
Nachdem der angemeldeten Bezeichnung in der Gesamtheit eine unmittelbar
beschreibende Sachaussage nicht zu entnehmen ist, besteht auch kein Schutz-
hindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
Knoll
Kriener
Dr. Nielsen
Fi