Urteil des BPatG vom 03.09.2018

Urteil vom 03.09.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:170318B18Wpat4.17.0
BUNDESPATENTGERICHT
18 W (pat) 4/17
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2010 020 968.6
hat der 18. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 3. September 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing.
Wickborn sowie den Richter Kruppa, die Richterin Dipl.-Phys. Dr. Otten-
Dünnweber und den Richter Dipl.-Ing. Altvater
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Patentanmeldung 10 2010 020 968.6 ist am 19. Mai 2010 unter Inanspruch-
nahme einer inneren Priorität vom 19. Juni 2009 (DE 10 2009 021 919.6) beim
Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden und trägt die Bezeichnung
„Überwachung von Netzwerkknoten in drahtlosen
Sensornetzwerken“.
Die Anmeldung wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse H 04 W des Deutschen
Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 2. Mai 2016 aus Gründen des Be-
scheids vom 18. Juli 2011 zurückgewiesen. Im Bescheid vom 18. Juli 2011 war
ausgeführt worden, der Gegenstand gemäß geltendem Anspruch 1, eingegangen
am 19. Mai 2010, sei im Hinblick auf die im Prüfungsverfahren ermittelte Druck-
schrift
D1: US 2002 / 0124081 A1
nicht neu. Dies gelte auch gegenüber den weiteren Druckschriften
D2: US 2003 / 0151513 A1
D3: US 2006 / 0062154 A1.
Eine inhaltliche Stellungnahme der Anmelderin im Prüfungsverfahren vor dem
Deutschen Patent- und Markenamt ist aus der Amtsakte nicht ersichtlich.
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Gegen den oben genannten Beschluss hat die Anmelderin mit am 17. Juni 2016
eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt. Eine Beschwerdebegründung,
wie in der Beschwerde angekündigt, wurde nicht eingereicht.
Mit Schreiben vom 20. März 2018 hat der Senat der Anmelderin die vorläufige
Auffassung der Berichterstatterin mitgeteilt, wonach der im Bescheid vom
18. Juli 2011 geäußerten Beurteilung der Prüfungsstelle gefolgt werden könne und
insbesondere die Druckschriften D1, D2 und D3 den Gegenstand des geltenden
Anspruchs 1 neuheitsschädlich vorwegnehmen dürften. Es sei daher mit einer Zu-
rückweisung der Beschwerde zu rechnen. Der Anmelderin wurde Gelegenheit zur
Stellungnahme innerhalb einer Frist bis zum 31. Juli 2018 gegeben. Die Anmelde-
rin hat hierauf mit Schriftsatz vom 31. Juli 2018 mitgeteilt, dass eine Äußerung in
dieser Sache nicht beabsichtigt sei.
Die Anmelderin beantragt in ihrer Beschwerde sinngemäß,
den Beschluss vom 2. Mai 2016 aufzuheben und das Patent zu
erteilen auf der Grundlage folgender Unterlagen:
− Patentansprüche 1 bis 10 vom 19. Mai 2010,
eingegangen am 2. Juni 2010,
− Beschreibung Seiten 1 bis 12 vom 19. Mai 2010,
eingegangen am 2. Juni 2010,
− (einzige) Figur vom 19. Mai 2010,
eingegangen am 2. Juni 2010.
Der seitens des Senats mit einer Gliederung versehene Patentanspruch 1 lautet:
M1
mehreren Netzwerkknoten gebildeten Netzwerkes,
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M2
über eine Funkverbindung zwecks Datenaustausch mitei-
nander verbunden sind und
M3
und/oder Aktor angeschlossen ist und
M4
von Funksignalen aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M5
ter erfasst, abgespeichert und ggfs. aktualisiert
M6
den und
M7
ner der erfassten Betriebsparameter von seinem zugehöri-
gen vorgegebenen Betriebsparameter abweicht.“
Wegen der geltenden Unteransprüche 2 bis 10 sowie der weiteren Einzelheiten
wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache
jedoch keinen Erfolg. Denn der Gegenstand des Anspruchs 1 gilt gegenüber dem
im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht als neu (§ 3 PatG).
1.
Die Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zur Überwachung von
Netzwerkknoten eines aus mehreren Netzwerkknoten gebildeten Netzwerkes, wo-
bei zumindest teilweise der Datenaustausch über eine Funkverbindung erfolgt und
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an einem Netzwerkknoten ein Sensor oder Aktor angeschlossen ist (vgl. Offenle-
gungsschrift DE 10 2010 020 968 A1, Abs. 0001).
Gemäß der Beschreibungseinleitung sei die klassische Anbindung von Senso-
ren/Aktoren an ein Sicherheitssystem, zum Beispiel bei Arbeitsfahrzeugen wie
Kranen mit Ausleger, kabelgebunden. Die drahtlose Anbindung von Sensoren zur
Überwachung sicherheitsrelevanter Funktionen erfordere eine weitergehende Ab-
sicherung der Kommunikation, da das Übertragungsmedium Luft störanfälliger sei
als ein klassisches Kabelmedium (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 0003).
Aufgabe
reitzustellen, das hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen deutlich verbessert ist
(vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 0004).
Die Aufgabe soll durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst
werden (vgl. Offenlegungsschrift, Abs. 0005).
Fachmann
oder Nachrichtentechnik an, der in der Entwicklung von Funknetzwerken und
elektronisch gesteuerten Systemen über mehrere Jahre Berufserfahrung verfügt.
2.
Die Anmeldung befasst sich mit beliebigen Netzwerken, welche über eine Funk-
verbindung miteinander verbunden sind (Merkmale M1, M2) und an die ein Sensor
und/oder ein Aktor angeschlossen ist (Merkmal M3). In der Beschreibung wird als
Beispiel auf ein System verwiesen, das etwa bei Baumaschinen angewendet wird
(vgl. Abs. 0025 der Offenlegungsschrift), bei denen die Sensoren einen Betriebs-
parameter der Maschine erfassen, beispielsweise ein Winkelmesser, der die Nei-
gung des Auslegers eines Kranes erfasst. Das erläuterte Netzwerk dient dabei der
Kommunikation zwischen den Sensoren und Steuerungseinheiten der Bauma-
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schine, wie Rechner, Eingabeeinheiten, etc. Die Anspruchsformulierung schränkt
den Begriff des Netzwerkknotens jedoch nicht auf diese Anwendung ein, sondern
betrifft jegliche Netzwerkknoten.
Auch im Zusammenlesen von Merkmal M3 mit Merkmal M5 lässt der Anspruch
offen, ob die in Merkmal M5 genannten Betriebsparameter durch die in Merk-
mal M3 genannten Sensoren erfasst werden oder ob sie anderweitig bereitgestellt
werden. Unter die Formulierung fällt somit auch ein Verfahren, bei dem die Be-
triebsparameter nicht solche sind, welche von dem an dem jeweiligen Netzwerk-
knoten angeschlossenen Sensor erfasst werden, sondern bei dem ein Betriebspa-
rameter anderweitig erfasst wird, was beispielsweise bei einem Speicherzustand
denkbar ist. Die Anmeldung beschränkt den Begriff Betriebsparameter jedenfalls
nicht auf von Sensoren zu erfassende Parameter, sondern fasst darunter jegliche
Parameter, welche den Betrieb eines Netzwerkknotens charakterisieren können,
wie in Absatz 0017 der Offenlegungsschrift angegeben (Energiestatus, Rechen-
leistung, verfügbarer Speicher, Überwachungsstatus des Knotens, etc.). Dies
ergibt sich implizit auch daraus, dass Anspruch 1 als zweite Oder-Variante von
Merkmal M3 keinen Sensor, sondern einen an den Netzwerkknoten angeschlos-
senen Aktor vorsieht, ein angeschlossener Sensor somit gemäß der Anspruchs-
formulierung nicht zwingend gefordert ist.
Gemäß Merkmal M7 wird eine Fehlermeldung erzeugt; eine Angabe dazu, an wel-
che Netzwerkkomponenten die Fehlermeldung gemeldet wird oder welche Maß-
nahmen aufgrund der Fehlermeldung zu tätigen sind, gibt Anspruch 1 hingegen
nicht.
3.
Dem Verfahren des Anspruchs 1 fehlt gegenüber dem aus Druckschrift D1
Bekannten die Neuheit.
D1
() eines aus mehreren Netzwerkknoten gebildeten Netzwerks
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(vgl. Titel, Abstract, Abs. 0002: , Fig. 7 / Merk-
M1
Datenaustausch miteinander verbunden (vgl. Abs. 0018, 0019:
;
/
M2
(vgl. Abs. 0017, 0049, 0109:
M3
()stellt dabei ein Mittel des jeweiligen Netzwerkknotens dar,
welches zum Senden und Empfangen von Funksignalen ausgebildet ist, wie in
M4
). Druckschrift D1 beschreibt, dass eine Vielzahl an Sensoren zum Einsatz
kommen kann, u. a. auch Sensoren, welche Variablen des Netzwerks messen,
und dass die Funktionalität des jeweiligen Netzwerkknotens beobachtet wird (vgl.
Abs. 0049: ; Abs. 0075:
; Abs. 0091:
). Diese Daten () werden in dem
jeweiligen Netzwerkknoten zugeordneten Speicher () abge-
speichert und ggf. aktualisiert (vgl. Fig. 8, Abs. 0110, 0112, 0114, 0121 / Merk-
M5
, ) und dass bestimmte Schwellwerte für einen
Sensor festgelegt sind (vgl. Abs. 0127: ), sind als ein
M6
erfolgt bei einer Abweichung von festgelegten Werten eine Benachrichtigung (vgl.
Abs. 0112: ; Abs. 0127: Abs. 0129:
), was nichts anderes bedeutet als das Erzeugen einer
M7
Aus Druckschrift D1 ist somit ein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen des gelten-
den Anspruchs 1 in der einen Sensor fordernden Oder-Variante (vgl. Merkmal M3)
bekannt.
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Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit mangels Neuheit nicht patentfähig.
D2
beanspruchten Verfahrens in seinen verschiedenen Oder-Varianten in Frage stel-
len, kann daher dahingestellt bleiben.
4.
Mit dem nicht patentfähigen Anspruch 1 sind auch die auf diesen Anspruch
direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 10 nicht schutzfähig, da
auf diese Ansprüche kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet war (vgl. BGH,
Beschluss vom 27. Juni 2007 – X ZB 6/05, GRUR 2007, 862 Abschnitt III. 3. a) aa)
– Informationsübermittlungsverfahren II).
5.
Nachdem der Anspruchssatz nicht patentfähig ist, war die Beschwerde zu-
rückzuweisen.
6.
Die Anmelderin hat im Beschwerdeverfahren nach dem Hinweis vom
20. März 2018 ausreichend Gelegenheit erhalten, sich zur Sach- und Rechtslage
zu äußern. Nachdem weder eine Beschwerdebegründung eingereicht, noch ein
Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt ist, und die Anmelderin mitgeteilt hat,
dass eine Äußerung in der Sache nicht beabsichtigt sei, war die Sache, nach Mit-
teilung sämtlicher entscheidungserheblicher Gründe, auch entscheidungsreif und
der Beschluss konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
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1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich einzulegen.
Wickborn
Kruppa
Dr. Otten-Dünnweber
Altvater
Fi