Urteil des BPatG vom 06.02.2018

Urteil vom 06.02.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:060218B14Wpat3.16.0
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 3/16
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. Februar 2018
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 103 62 377
- 2 -
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2018 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richter Schell und Dr. Jäger sowie der
Richterin Dr. Wagner
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der angefoch-
tene Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 4. November 2015 aufgehoben und das Patent
mit der Bezeichnung
„Lithiumsilicatrohling und dessen Verwendung“
mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Ansprüche 1 bis 26 gemäß Hilfsantrag 8 vom 2. Februar 2018 so-
wie Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1 bis 7) gemäß Patent-
schrift.
2. Im Übrigen werden die Beschwerden der Einsprechenden und
der Patentinhaberin zurückgewiesen.
- 3 -
G r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. November 2015 hat die Patentabtei-
lung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 103 62 377 mit der
Bezeichnung
„Lithiumsilicatrohling und dessen Verwendung“
beschränkt aufrechterhalten.
Dem Beschluss liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 30 gemäß Hauptantrag
und die Patentansprüche 1 bis 28 gemäß Hilfsantrag zugrunde.
Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 6 und 17 gemäß Hauptantrag lauten
wie folgt:
„1. Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatmaterials, das
Lithiumetasilicat als eine Hauptkristallphase enthält, wobei der
Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu befes-
tigen.
6. Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatglases, das
zur Bildung von Lithiumetasilicat geeignete Keime enthält, wobei
der Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu
befestigen.
17. Verwendung eines Lithiumsilicatrohlings gemäß einem der An-
sprüche 1 bis 16 zur Herstellung einer dentalen Restauration.“
- 4 -
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 16 gemäß Hilfsantrag haben fol-
genden Wortlaut:
„1. Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatmaterials, das
Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält, wobei der Roh-
ling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu befestigen,
und wobei der Rohling nach einem Verfahren herstellbar ist, bei
dem:
(a) eine Schmelze eines Ausgangsglases gebildet wird, die die
Anfangskomponenten SiO
2
, Li
2
O, K
2
O, Al
2
O
3
und P
2
O
5
als
Hauptkomponenten, aber kein La
2
O
3
, enthält
(b) die Schmelze des Ausgangsglases in eine Form gegossen
wird, um einen Ausgangsglasrohling zu bilden, und der Glas-
rohling auf Raumtemperatur abgekühlt wird,
(c) der Ausgangsglasrohling einer ersten Wärmebehandlung bei
einer ersten Temperatur unterworfen wird, um ein Glas-
produkt zu ergeben, welches Keime enthält, die für die Bil-
dung von Lithiummetasilicatkristallen geeignet sind, und
(d) das Glasprodukt aus Stufe (c) einer zweiten Wärmebehand-
lung bei einer zweiten Temperatur unterworfen wird, die
höher als die erste Temperatur ist, um den Lithiumsili-
catrohling mit Lithiummetasilicatkristallen als Hauptkristall-
phase zu erhalten.
16. Verwendung eines Lithiumsilicatrohlings gemäß einem der An-
sprüche 1 bis 15 zur Herstellung einer dentalen Restauration.“
Die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents im Einspruchsverfahren wurde im
Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des erteilten Patentan-
spruchs 1 gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert sei, da
- 5 -
er beliebige Lithiumsilikatrohlinge mit Lithiummetasilikat als Hauptkristallphase
umfasse, welche aber in dieser Allgemeinheit nicht in den ursprünglichen Unterla-
gen offenbart seien.
Dagegen sei der gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag beanspruchte Lithi-
umsilicatrohling ursprünglich offenbart, neu und auch erfinderisch. So könne der in
Patentanspruch 1 aufgenommene Disclaimer „aber kein La
2
O
3
“, der zu einer zu-
lässigen Beschränkung des erteilen Patentanspruchs 1 führe, sowohl der Patent-
schrift wie auch den ursprünglichen Unterlagen entnommen werden. Des Weiteren
offenbare keine der Entgegenhaltungen
D2
DE 197 50 794 A1,
D3
DE 24 51 121 A1,
D4
M.P. Borom et al., „Strength and Microstructure in Lithium Disilicate
Glass-Ceramics“, Journal of the American Ceramic Society, 1975,
58, Seiten 385 bis 391,
D5
EP 0 160 797 A1,
D6
US 4,515,634,
D7
WO 02/45614 A1,
D8
US 2003/0073563 A1,
D9
W. Höland et al. "Control of nucleation in glass ceramics", Phil.
Trans. R. Soc. Lond. A, 2003, 361, Seiten 575 bis 589,
D10
DE 29 49 619 A1,
D11
Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, „Nachschmelzen von
Ivoclar-Patentbeispielen, Ergebnisbericht“, 25. Mai 2015, 8 Seiten,
D12
W. Höland und G. Beall, "Glass-Ceramic Technology", The American
Ceramic Society 2002, Westerville, OH, USA; Seiten 75 bis 83 und
222 bis 223,
D13
US 2001/0031446 A1,
- 6 -
D14
J. Deubener et al., "Induction time analysis of nucleation and crystal
growth in di- and metasilicate glasses", Journal of Non-Crystalline
Solids 1993, 163, Seiten 1 bis 12,
D15:
P.W. McMillan et al. "The Structure and Properties of a Lithium Zinc
Silicate Glass-Ceramic", Journal of Materials Science 1966, 1,
Seiten 269 bis 279 und
D16
DE 1 696 473 B
einen Lithiumsilicatrohling mit den Merkmalen nach Patentanspruch 1. Im Übrigen
werde der Fachmann ausgehend von D2, die Lithiumsilikatrohlinge für dentale
Restaurationen betreffe, nicht dazu angeregt La
2
O
3
in der Lithiumsilicatrezeptur zu
vermeiden, denn Lanthanoxid sei für die vorteilhaften Eigenschaften der herge-
stellten Lithiummaterialien verantwortlich. Die weiteren Druckschriften lieferten
gleichfalls keine Hinweise in Richtung eines La
2
O
3
-freien Lithiumsilikatrohlings zur
dentalen Restauration, der als Hauptkristallphase Lithiummetasilikat aufweise.
Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Einsprechende als auch die Patentin-
haberin Beschwerde eingelegt.
Zur Stütze ihres Vorbringens verweist die Einsprechende auf folgende weitere
Druckschriften:
D17
Anlagenkonvolut:
Schott, Nacharbeitung des Beispiels 13 aus der DE 103 36 913 B4,
Schott ID 46802, Dezember 2015, 3 Seiten
Annex A:
Schott, Temperung (Kristallisation) und anschließende
XRD-Analyse der Glaskeramikschmelze VSM 46802,
11.2.2016, 3 Seiten
D18
WO 2013/053866 A2,
- 7 -
D19
W.F. Hammetter, R.E. Loehman, “Crystallization Kinetics of a Complex
Lithium Silicate Glass-Ceramic”, J. Am. Ceram. Soc. 1987, 70,
Seiten 577 bis 582
D20
I.C. Madsen et al., “Description and survey of methodologies for the de-
termination of amorphous content via X-ray powder diffraction”, Z.
Kristallgr. 2011, 226, Seiten 944 bis 955
D21-A Anlagenkonvolut: Nacharbeitung des Beispiels 22 der Entgegenhaltung
D1, 4 Seiten, 21.9.2017
D21-B Anlagenkonvolut: Nacharbeitung des Beispiels 13 des Streitpatents,
4 Seiten, 25.9.2017
D22
Ivoclar Vivadent Inc., “IPS, e.max® lithium disilicate, The Future of All-
Ceramic Dentistry”, 2/2009, 9 Seiten
D23
Report, Research and Development Ivoclar Vivadent AG, “IPS e.max®,
all ceramic…all you need”, 2006, 17, Seiten 1 bis 48
Die Einsprechende wendet ein, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach
Haupt- und Hilfsanträgen werde durch die Aufnahme des Merkmals „Lithiummeta-
silicat“ unzulässig erweitert, da sich eine solche allgemeine Lehre nicht in den ur-
sprünglichen Unterlagen finde. Zudem werde der Patentanspruch 1 gemäß der
beschränkt aufrechterhaltenen Fassung durch die Aufnahme des Disclaimers
„aber kein La
2
O
3
“ unzulässig erweitert. Dieses Merkmal sei den ursprünglichen
Unterlagen nicht zu entnehmen, da die Zusammensetzung zwingend eine fär-
bende und fluoreszierende Komponente aufweisen müsse, zu denen Lanthanoxid
zähle. Des Weiteren könne der Streitpatentschrift nicht entnommen werden, dass
die Abwesenheit von Lanthanoxid ein erfindungswesentliches Merkmal darstelle.
Außerdem sei der Streitgegenstand nicht über die beanspruchte Breite ausführ-
bar, weil das Streitpatent explizit erwähne, dass ein Lithiumsilicatmaterial mit
Lithiummetasilicat als einer Hauptkristallphase bzw. als Hauptkristallphase nur mit
bestimmten Ausgangsglaszusammensetzungen unter Einhaltung von besimmten
- 8 -
Verfahrensparametern erzielbar sei. Dies würden auch die Nacharbeitungen D17
und D21-B des Beispiels 13 der Stammanmeldung
D1
DE 103 36 913 A1
belegen.
Ferner macht die Einsprechende mangelnde Neuheit gegenüber den Druckschrif-
ten D2, D6, D8 und D13 bzw. den Nacharbeitungen D11 und D21-A geltend. Zur
Begründung trägt sie vor, dass D2, wie die Nacharbeitungen D11 und D21-A be-
legten, alle wesentlichen Merkmale des erteilten Anspruchs 1 vorwegnehme. Dar-
über hinaus werde in der Druckschrift D6 eine Glaskeramik für die Verwendung
als dentale Restauration beschrieben, wobei ein Rohling aus Li
2
O, SiO
2
, Al
2
O
3
,
K
2
O und P
2
O
5
gebildet werde, der einer Wärmebehandlung bei einer ersten Tem-
peratur von 500°C und einer zweiten Wärmebehandlung bei einer zweiten Tempe-
ratur von 550°C unterzogen werde. Da diese Temperaturen denjenigen des Streit-
patents entsprächen, sei davon auszugehen, dass der Rohling in diesem Verfah-
rensstadium Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase aufweise. Dies werde auch
durch die das allgemeine Fachwissen zu D6 repräsentierenden Entgegenhaltun-
gen D9 und D15 belegt. Auch die Entgegenhaltung D8 betreffe Glaskeramiken für
die dentale Restauration auf Basis von Li
2
O, SiO
2
, Al
2
O
3
, K
2
O und P
2
O
5
. Ein aus
diesen Ausgangskomponenten hergestelltes Glas werde zur Erzeugung von Roh-
lingen einer zweistufigen Wärmebehandlung mit einer ersten Temperatur im Be-
reich von 450 bis 700°C und einer zweiten Temperatur von 800 bis 1000°C unter-
worfen. Die so erhaltenen Rohlinge würden mittels Maschinenbearbeitung in die
gewünschte Form gebracht. Gemäß D8 wiesen diese Rohlingsmaterialien meh-
rere Kristallphasen auf, u. a. Lithiummetasilikat. Ebenso werde in der Druckschrift
D13 eine Dentalrestauration beschrieben, die aus einer auf den streitpatentgemä-
ßen Ausgangskomponenten basierenden Glaskeramik durch Heißpressen geformt
werde, wobei der in der Form befindliche Gegenstand der D13 als Rohling anzu-
sehen sei. Nachdem die Temperaturen der Wärmebehandlung den streitpatent-
- 9 -
gemäßen Temperaturen entsprächen und in Anbetracht des Fachwissens nach
D8 und D9 lese der Fachmann ohne weiteres mit, dass die Glaskeramiken gemäß
D13 Lithiummetasilikat als eine Hauptkristallphase aufwiesen.
Die beanspruchte Verwendung eines Lithiumsilicatrohlings gemäß Patentan-
spruch 1 des Hilfsantrags 8 sei ebenfalls gegenüber D2 unter Berücksichtigung
der Nacharbeitung D21-A nicht neu, da auch in Beispiel 22 der D2 eine maschi-
nelle Bearbeitung von Lithiummetasilicat vorgesehen sei. Das Merkmal, dass we-
niger als 0,5% Schrumpf auftrete, sei zum einen unzulässig, da damit die Aufgabe
in den Anspruch aufgenommen werde, zum anderen handele es sich hierbei um
ein inhärentes Merkmal des Lithiumsilicatmaterials. Denn die Dichte von Lithium-
metasilicat sei kleiner als die von Lithiumdisilicat, wie D21-A belege, so dass bei
der Umwandlung von Lithiummetasilicat in Lithiumdisilicat ein negativer Schrumpf
auftrete.
Des Weiteren macht die Einsprechende geltend, dass der Gegenstand des Streit-
patents zudem gegenüber D2 i. V. m. dem Fachwissen, D8 in Kombination mit D3
oder D4, D6 bzw. D8 in Verbindung mit dem Fachwissen, D4 und D9, D5 in Zu-
sammenschau mit D4 oder D16 in Kombination mit D3 nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit beruhe.
Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe, nämlich einen Rohling zur Ver-
fügung zu stellen, der sich durch eine bessere Bearbeitbarkeit mittels maschineller
Verfahren auszeichne, werde gemäß dem Streitpatent dadurch gelöst, dass die
Bearbeitung des Rohlings in einem Stadium vorgenommen werde, in dem
Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase vorliege, um von der geringeren Festig-
keit des Materials gegenüber Lithiumdisilicat zu profitieren. Somit liege die Erfin-
dung nicht darin, auf die Anwesenheit von Lanthanoxid zu verzichten. Der Ver-
gleich der Beispiele mit und ohne Lanthanoxid zeige vielmehr auf, dass die Abwe-
senheit von Lanthanoxid mit keinen technischen Effekt verbunden sei, da die Ver-
arbeitbarkeit bzw. Festigkeit des Rohlings dadurch nicht beeinflusst werde. Objek-
- 10 -
tiv bestehe die Aufgabe des Streitpatents somit in einer alternativen Bereitstellung
eines leichtbearbeitbaren Glaskeramik-Rohlings. Diese Aufgabe werde aber be-
reits durch D2 allein gelöst. Aus D2, insbesondere Beispiel 22, sei ein Glaskera-
mik-Rohling bekannt, der nach einer Wärmebehandlung Lithiummetasilikat als
Hauptkristallphase enthalte. Dies sei für den Fachmann aufgrund der gewählten
Temperaturführung offensichtlich, wie die Entgegenhaltungen D9, D11 und D12
belegten. Außerdem lehre D4, dass beim Übergang von Lithiummetasilicat zu
Lithiumdisilicat die Härte des Materials zunehme. Um also den unerwünschten
Werkzeugverschleiß bei zu hartem Material zu vermeiden, werde der Fachmann
ein Rohlingsmaterial verwenden, das einen erhöhten Lithiummetasilicatgehalt
aufweise. Das Merkmal, dass der Rohling einen „Halter“ aufweise, um ihn in einer
Maschine zu befestigen, sei für den Fachmann, wie bspw. D7 belege, selbstver-
ständlich. Auch das Merkmal, dass das Lithiumsilicatmaterial kein Lanthanoxid
aufweise, führe nicht dazu, dass der beanspruchte Rohling auf erfinderischen
Überlegungen beruhe, da dieses Merkmal willkürlich gewählt worden sei und mit
keinerlei technischem Effekt verbunden sei.
Die Einsprechende beantragt,
unter Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin den
Beschluss der Patenabteilung 43 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 4. November 2015 aufzuheben und das Patent voll-
umfänglich zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
unter Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden den
Beschluss der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 4. November 2015 aufzuheben und das Streit-
patent vollumfänglich aufrechtzuerhalten,
- 11 -
hilfsweise das Streitpatent im Umfang einer der Hilfsanträge 1
bis 8 vom 2. Februar 2018 aufrechtzuerhalten und die Be-
schwerde der Einsprechenden im Übrigen zurückzuweisen,
weiter hilfsweise die Beschwerde der Einsprechenden zurückzu-
weisen.
Die Patentinhaberin verfolgt ihr Patentbegehren nach wie vor mit den erteilten
Patentansprüchen 1 bis 30 gemäß Hauptantrag und weiter hilfsweise mit den An-
spruchssätzen der Hilfsanträge 1 bis 9, wobei die Anspruchsfassung gemäß Hilfs-
antrag 9 der im Einspruchsverfahren beschränkt aufrecht erhaltenen Fassung ent-
spricht.
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 gemäß Hilfsantrag 1 lauten wie
folgt:
„1. Verwendung eines Lithiumsilicatrohlings in Form eines
Lithiumsilicatmaterials, das Lithiummetasilicat als eine Hauptkris-
tallphase enthält, zur Herstellung einer dentalen Restauration, wo-
bei der Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine zu
befestigen, und durch maschinelle Verarbeitung zu einer ge-
wünschten Geometrie geformt wird, um ein geformtes Lithiumsili-
catprodukt zu bilden, und das geformte Lithiumsilicatprodukt einer
Wärmebehandlung bei einer Temperatur von etwa 700 bis 950°C
für eine Dauer von etwa 5 bis 30 min. unterworfen wird.
6. Verwendung eines Lithiumsilicatrohlings in Form eines
Lithiumsilicatglases, das zur Bildung von Lithiummetasilicat geeig-
nete Keime enthält, zur Herstellung einer dentalen Restauration,
wobei der Rohling einen Halter aufweist, um ihn in einer Maschine
zu befestigen, und durch maschinelle Verarbeitung zu einer ge-
- 12 -
wünschten Geometrie geformt wird, um ein geformtes Lithiumsili-
catprodukt zu bilden, und das geformte Lithiumsilicatprodukt einer
Wärmebehandlung bei einer Temperatur von etwa 700 bis 950°C
für eine Dauer von etwa 5 bis 30 min. unterworfen wird.“
In den Patentansprüchen 1 und 6 gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 5 wurde der
Temperaturbereich jeweils sukzessive auf „770 bis 950°C“, „780 bis 950°C“,
„800 bis 950°C“ bzw. „820 bis 950°C“ beschränkt.
Die Patentansprüche 1 und 6 gemäß Hilfsantrag 6 sind gegenüber den Patentan-
sprüchen 1 und 6 gemäß Hilfsantrag 5 durch die Reduktion der Wärmebehand-
lungsdauer auf „etwa 5 bis 20 min.“ weiter beschränkt worden.
Die Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag 7 unterscheidet sich von der des Hilfs-
antrags 6 darin, dass Patentanspruch 6 gestrichen worden ist.
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 weist gegenüber Patentanspruch 1 nach
Hilfsantrag 7 folgendes zusätzliches Merkmal auf:
„wobei die während der Wärmebehandlung auftretende Schrumpfung kleiner als
0,5%, bezogen auf das Volumen, ist.“
Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Patentinhaberin im Wesentlichen vor,
der Gegenstand der erteilten Patentansprüche gemäß Hauptantrag gehe nicht
über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus. Den ursprüngli-
chen Unterlagen könne nicht entnommen werden, dass nur solche Lithiumsili-
catrohlinge mit Lithiummetasilikat als eine Hauptphase als zur Erfindung gehörend
anzusehen seien, die eine bestimmte numerische Zusammensetzung aufwiesen
oder nach einem bestimmten Verfahren herstellbar seien. Vielmehr beruhten die
vorteilhaften Eigenschaften der erfindungsgemäßen Glaskeramik ausdrücklich
darauf, dass diese Lithiummetasilikat anstelle von Lithiumdisilikat als Hauptkris-
- 13 -
tallphase aufweise. Diese allgemeine Lehre werde in der ursprünglichen Anmel-
dung beispielhaft mit Ausführungsbeispielen erläutert, somit ergebe sich kein Hin-
weis darauf, dass nur diese speziellen Zusammensetzungen bzw. Herstellungs-
verfahren das der Erfindung zu Grunde liegende Problem lösten.
Darüber hinaus sei der Gegenstand der erteilten Patentansprüche so deutlich und
vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Dies gelte auch für
das im erteilten Anspruch 1 definierte Lithiumsilicatmaterial, welches Lithiummeta-
silicat als eine Hauptkristallphase enthalte. Das Merkmal „Hauptkristallphase“ sei
dabei so auszulegen, dass diese die vorherrschende und vorzugsweise die ein-
zige Kristallphase der erfindungsgemäßen Glaskeramik darstelle und sich somit
von untergeordneten Kristallphasen der Glaskeramik abgrenze. Zudem sei der im
erteilten Patentanspruch 1 verwendete Begriff „Hauptkomponenten“ nicht auf sol-
che Komponenten beschränkt, die im Vergleich zu anderen Komponenten not-
wendigerweise in größerer Menge vorlägen. Ausgehend von dieser Auslegung
gebe das Streitpatent dem Fachmann ausreichend Informationen an die Hand, um
ihn in die Lage zu versetzen, geeignete Bedingungen mittels Differentialthermo-
analyse und Röntgenbeugungsanalysen für die Bildung von Lithiummetasilicat zu
bestimmen. Die Verwirklichung dieses Merkmals könne der Fachmann ohne wei-
teres durch quantitative Kristallphasenanalyse mittels Röntgendiffraktometrie
überprüfen, einem ausweislich der D3 bereits seit 1975 etablierten Verfahren.
Gemäß D20 könnten die Mengen der Kristallphasen auch ohne Kenntnis der
Menge der amorphen Phase ermittelt werden, indem ein interner Standard zur
Bestimmung der jeweils zu quantifizierenden Kristallphase verwendet werde. Die
Ausführbarkeit werde auch nicht durch die Nacharbeitungen D17 und D21B in
Frage gestellt, da hier die Verfahrensparameter von Beispiel 13 der Streitpatent-
schrift eingehalten worden seien.
Der Gegenstand der erteilten Ansprüche des Streitpatents werde auch nicht durch
den Stand der Technik vorweggenommen. Der Gegenstand von Anspruch 1 un-
terscheide sich von der Lehre der D2 und dem genannten Ausführungsbeispiel 22
- 14 -
bereits darin, dass der anspruchsgemäße Rohling aus einem Lithiumsilicatmaterial
bestehe, das Lithiummetasilikat als eine Hauptkristallphase aufwiese. Dagegen
führten die in D2 beschriebenen Verfahren immer zu Lithiumdisilicat-Rohlingen,
die aus einer Lithiumdisilicat-Glaskeramik mit geringem Kristallisationsgrad be-
stünden, die durch plastische Verformung oder spanende Bearbeitung in dentale
Restaurationen umgewandelt würden.
Auch liege mit dem Beispiel 22 der D2 keine implizite Offenbarung einer Glaske-
ramik mit Lithiummetasilikat als Hauptkristallphase vor. Bei dem Herstellungsver-
fahren in diesem Beispiel werde weder ein eigenständiger Keimbildungsschritt
durchlaufen, noch stimme das Temperatur-Zeit-Profil mit den im Streitpatent be-
schriebenen Bereichen überein. Des Weiteren weise die relativ niedrige 3-Punkt-
Biegefestigkeit der einfach wärmebehandelten Glaskeramik-Rohlinge und deren
Erhöhung nach der weiteren Wärmebehandlung nicht zwingend auf die Bildung
von Lithiummetasilikat hin, geschweige denn als Hauptkristallphase, und dessen
Umwandlung in Lithiumdisilikat.
Die Nacharbeitung gemäß Dokument D21A weiche von den Vorgaben des Bei-
spiels 22 der D2 bereits darin ab, dass das Ausgangsglas nicht die in Tabelle I der
D1 angegebene Zusammensetzung habe, sondern lediglich aus einer Rohstoffmi-
schung gebildet werde, die auf Basis der Mengenangaben der in Tabelle I ge-
nannten Oxidkomponenten berechnet worden sei. Diese Vorgehensweise führe zu
einer Abweichung in der geforderten Glaszusammensetzung, da einzelne Kompo-
nenten der Glasschmelze dieser durch Bildung unlöslicher Schlacken oder durch
Abdampfen teilweise entzogen würden.
Die streitpatentgemäßen Lithiumsilicatrohlinge gemäß den erteilten Ansprüchen 1
und 6 beruhten zudem auf einer erfinderischen Tätigkeit. In den Entgegenhaltun-
gen D2 und D6 werde Lithiummetasilikat nicht einmal erwähnt. D2 lehre ausdrück-
lich die Herstellung von Lithiumdisilikat-Glaskeramik-Rohlingen, die noch nicht
vollständig kristallisiert seien. Gemäß D6 würden die Mengen an SiO
2
und Li
2
O so
- 15 -
gewählt, dass sie dem zur Bildung von Lithiumdisilikat erforderlichen Verhältnis
entsprächen.
Einen Hinweis auf die mit Lithiummetasilikat verbundenen Vorteile bei der Her-
stellung dentaler Restaurationen könnten die D3 und die D4 schon deshalb nicht
liefern, da sie keine dentalen Anwendungen beträfen, sondern elektrische Isolato-
ren, Kochgeschirr und Schutzgehäuse für Radarantennen. Aufgrund der auf die-
sen Gebieten anderen Anforderungen an das Lithiummaterial hätte der Fachmann
diese Lehren nicht in Betracht gezogen. Zudem lehre D3 das Kristallwachstum so
zu steuern, dass sich kein Lithiummetasilikat ausbilde. In der Druckschrift D4
werde darauf hingewiesen, dass anders als Lithiumdisilikat das Lithiummetasilikat
keinen Vorteil im Hinblick auf die Rissausbreitung biete. Folglich würden die Aus-
sagen der D4 den Fachmann nicht dazu veranlassen, Lithiumglaskeramiken auf
Basis von Lithiummetasilicat für die Herstellung von Dentalrestaurationen, insbe-
sondere durch maschinelle Bearbeitung, in Betracht zu ziehen.
Der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheide sich
von Beispiel 22 der D2 bereits darin, dass die Wärmebehandlung vor der Formge-
bung bei einer Temperatur von 700 bis 950°C für eine Dauer von 5 bis 30 min.
erfolge. Eine derart schnelle Wärmebehandlung biete insbesondere Vorteile bei
der angestrebten Stuhlbehandlung des Patienten. Dagegen sei die Wärmebe-
handlung gemäß Beispiel 22 auf eine Stunde angelegt, um eine Verformung des
Gerüsts zu vermeiden. Von daher habe der Fachmann eine Verkürzung der Wär-
mebehandlungsdauer nicht in Betracht gezogen. Die jeweiligen Patentansprü-
che 1 der weiteren Hilfsanträge 2 bis 7 definierten noch engere Temperatur- und
Zeitbereiche für die Wärmebehandlung und seien deshalb noch weiter von dem
angeführten Stand der Technik abgegrenzt. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfs-
antrag 8 weise gegenüber Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 6 bzw. 7 zusätzlich
das Merkmal, dass ein Schrumpf von kleiner als 0,5% bezogen auf das Volumen
nach der Wärmebehandlung auftrete, auf. Diese Eigenschaft sei in der D2 weder
beschrieben, noch durch den weiter vorliegenden Stand der Technik angeregt.
- 16 -
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und wegen des Wortlauts der
rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5, 7 bis 16 und 18 bis 30 gemäß
Hauptantrag, den Patentansprüchen 2 bis 5 und 7 bis 29 gemäß den Hilfsan-
trägen 1 bis 6, den Patentansprüchen 2 bis 27 gemäß Hilfsantrag 7, den Pa-
tentansprüchen 2 bis 26 gemäß Hilfsantrag 8 und den Patentansprüchen 2 bis
28 gemäß Hilfsantrag 9 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerden der Einsprechenden und der Patentinhaberin sind zulässig und
führen zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.
1.
Das Streitpatent erweist sich im Umfang der verteidigten Fassungen gemäß
Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 7 als nicht patentfähig.
1.1
Das Patent betrifft einen Lithiumsilicatrohling, der einfach durch maschinelle
Verarbeitung geformt und anschließend zu geformten Produkten mit hoher Festig-
keit umgewandelt werden kann, und dessen Verwendung (vgl. Streitpatentschrift
S. 2 [0001]). In der Streitpatentschrift wird hierzu einleitend ausgeführt, dass auf
dem Gebiet der dentalen Restauration ein steigender Bedarf an Materialien be-
steht, die eine sogenannte Stuhlbehandlung für den Zahnarzt ermöglichen. Hierfür
ist es wichtig, dass das Material innerhalb kurzer Zeit maschinell verarbeitbar ist,
ohne eine übermäßige Abnutzung der hierfür eingesetzten Werkzeuge zu verur-
sachen. Dies erfordert eine relativ niedrige Festigkeit im Stadium des zu verarbei-
tenden Materials und eine hohe Festigkeit der endgültigen Restauration. In der
Praxis hat sich gezeigt, dass Lithiumdisilicat-Glaskeramiken zu einer erhöhten Ab-
nutzung der Werkzeuge und langen Verarbeitungszeiten führen. Dagegen ist die
maschinelle Verarbeitung von keramischen Materialien auf Basis von Al
2
O
3
oder
ZrO
2
im ungesinterten Zustand mit dem Nachteil verbunden, dass die keramischen
Restaurationen im Sinterschritt eine drastische Schrumpfung erleiden, so dass die
- 17 -
geforderten Dimensionen nicht eingehalten werden (vgl. Streitpatentschrift S. 2,
[0002-0008]).
1.2
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein
Material zur Verfügung zu stellen, welches einfach mit Hilfe computergestützter
Fräs- und Schleifverfahren geformt und anschließend zu hochfesten Dentalpro-
dukten umgewandelt werden kann, die eine reduzierte Schrumpfung während der
abschließenden Umwandlung zeigen (vgl. Streitpatentschrift S. 3, [0011]).
1.3
Diese Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gelöst
durch einen
1. Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatmaterials,
2. das Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase enthält,
3. wobei der Rohling einen Halter aufweist,
4. um ihn in einer Maschine zu befestigen.
1.4
Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen
Diplom-Chemiker, der über eine mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der den-
talen Glaskeramiken verfügt.
1.5
Vorliegend enthält der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag das Merkmal
„Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase“. Um den Sinngehalt und die Be-
deutung dieses Merkmals verstehen zu können, wird der Fachmann zu ermitteln
suchen, was mit diesem Merkmal im Hinblick auf die patentgemäße Erfindung er-
reicht werden soll (vgl. BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube).
Nach der Lehre des Streitpatents soll eine dentale Restauration aus einem Roh-
ling hergestellt werden, der aus einem Lithiumsilicatmaterial besteht, das eine
Glaskeramik darstellt (vgl. Streitpatentschrift, S. 3, [0012 und 0013]). Die Glaske-
ramik weist nach einer ersten Kristallisation neben dem Ausgangsglas die Kristall-
- 18 -
phasen Lithiummetasilicat, Lithiumdisilicat und Lithiumphosphat sowie Cristobalit
auf, wobei allerdings nach der Lehre des Streitpatents die hochfesten Phasen
Lithiumdisilicat und Lithiumphosphat sowie Cristobalit vermieden oder zumindest
beschränkt werden sollen (vgl. Streitpatentschrift, S. 3, [0013], S. 7, [0039]). Nach
den Patentansprüchen 2 und 3 wird das Lithiumsilicatmaterial zu 20 bis 50 Vol.-%
bzw. zu 30 bis 40 Vol.-% aus Lithiummetasilicat gebildet. Damit wird jedoch nicht
ausgeschlossen, dass Lithiumdisilicat als weitere Hauptkristallphase vorliegt (vgl.
Streitpatentschrift, S. 17 bis 18, Tab. IV, „vorhandene Phasen nach der
1. Kristallisation“).
1.6
Hinsichtlich der Zulässigkeit der erteilten Patentansprüche 1 bis 30 gemäß
Hauptantrag bestehen von Seiten des Senats keine Bedenken.
1.6.1 Der erteilte Patentanspruch 1 findet seine Offenbarung in den ursprünglich
eingereichten Patentansprüchen 2, 11, 14, 15 und 40 i. V. m. Seite 8, dritter und
vierter Absatz der Erstunterlagen. Die weiteren erteilten Patentansprüche 2 bis 30
gehen zurück auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 5 bis 10, 12, 13, 16,
19, 22, 25 bis 32, 35 bis 46 und auf Seite 7, erster vollständiger Absatz, Seite
20/21, übergreifender Absatz der Beschreibung der Erstunterlagen.
1.6.2 Der erteilte Patentanspruch 1 ist entgegen der Auffassung der Einsprechen-
den nicht das Ergebnis einer unzulässigen Erweiterung der Ursprungsoffenba-
rung.
Nach der von der Einsprechenden zitierten BGH-Entscheidung „Kommunikations-
kanal“, muss für den Fachmann die im Anspruch bezeichnete Lehre „unmittelbar
und eindeutig“ als mögliche Ausführungsform der Erfindung den Ursprungsunter-
lagen entnehmbar sein. Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Of-
fenbarung ist dabei in einer Weise anzuwenden, die berücksichtigt, dass die Er-
mittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbei-
spiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unange-
- 19 -
messene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungs-
gehalts der ursprünglichen Unterlagen vermeidet. Insoweit ist darauf abzustellen,
dass das Interesse des Anmelders regelmäßig darauf gerichtet sein wird, einen
möglichst breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner
Weise vorzustellen und nicht auf die aufgezeigten Anwendungsbeispiele zu be-
schränken. Die Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts schließt auch Verallge-
meinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele mit ein. Danach ist ein
„breit“ formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweite-
rung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebe-
nes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der
im Anspruch umschriebenen allgemeineren Lehre darstellt und diese Lehre in der
beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt ei-
nes in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusam-
menhang der Unterlagen – als zur angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar
ist. Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen, wenn von
mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber
auch für sich betrachtet, dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines
oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (BGH,
GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal).
Demnach kann die Patentinhaberin zu Recht die Verwendung eines Lithiumsili-
catmaterials in Form eines Rohlings zur Herstellung einer dentalen Restauration
beanspruchen, der Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase enthält. Denn in den
ursprünglich eingereichten Ansprüchen 14 und 15 wird allgemein ein Lithiumsili-
catmaterial für einen Rohling angegeben, der zur Herstellung von dentalen Res-
taurationen verwendet wird. Das Rohlingsmaterial wird dabei durch ein Verfahren
erhalten, welches einen Wärmebehandlungsschritt beinhaltet, bei dem eine kris-
talline Phase gebildet wird, die hauptsächlich Lithiummetasilicat enthält. Darüber
hinaus weisen die Erstunterlagen Ausführungsbeispiele auf, die Lithiumsilicatma-
terialien betreffen, die ausschließlich Lithiummetasilicat als kristalline Phase nach
der ersten Kristallisation enthalten (vgl. ursprünglich eingereichte Beschreibung
- 20 -
Tabelle IV, Beispiele 1, 3, 4, 6, 7, 9, 10 und 12 bis 18). Lithiumsilicatmaterial mit
der Hauptkristallphase Lithiummetasilicat ist aufgrund seiner im Vergleich zu Lithi-
umdisilicat geringeren Festigkeit leichter maschinell zu einer dentalen Restaura-
tion verarbeitbar (vgl. ursprünglich eingereichte Beschreibung S. 4/5 übergr. Abs.).
Deshalb ist für den Fachmann, der sich die Frage vorlegt, welche technische
Lehre zur Lösung des geschilderten technischen Problems er den Anmeldeunter-
lagen entnehmen kann, ohne weiteres ersichtlich, dass die Erstunterlagen eine
bessere maschinelle Verarbeitbarkeit des Rohlings angeben, die durch die gerin-
gere Festigkeit des Materials „Lithiummetasilicat“ bewirkt wird. Der Einwand der
Einsprechenden, das streitpatentgemäße Lithiumsilicatmaterial mit Lithiummetasi-
licat als Hauptkristallphase würde nur für die im Streitpatent genannten Zusam-
mensetzungen in Verbindung mit dem offenbarten Herstellungsverfahren gebildet,
geht damit fehl. Denn für den Fachmann liegt es auf der Hand, dass diese allge-
meine Lehre lediglich beispielhaft anhand der in den Erstunterlagen genannten
Zusammensetzungen und Verfahrensweisen erläutert werden soll.
1.7
Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, inwiefern die von der
Einsprechenden geltend gemachten Bedenken in Bezug auf die Ausführbarkeit
und die Neuheit begründet sind. Der beanspruchte Gegenstand gemäß Patentan-
spruch 1 des Hauptantrags beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätig-
keit.
Ein Ausgangspunkt zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe stellt für den Fach-
mann die Druckschrift D2 dar, die mit der Herstellung von geformten transluzenten
Lithiumdisilicat-Glaskeramik-Dentalprodukten befasst ist. Die Produkte werden
aus Rohlingen hergestellt, die insbesondere durch plastische Verformung unter
Druck- und Wärmeeinwirkung oder spanende Bearbeitung und anschließender
Wärmeeinwirkung zu geformten transluzenten Dentalprodukten mit hoher Festig-
keit verarbeitet werden (vgl. D2, Patentansprüche 1, 13, 17 und 19, S. 2, Z. 3 bis
6). Die Rohlinge werden aus einer Schmelze eines Ausgangsglases erzeugt, das
57 bis 80 Gew.-% SiO
2
und 11,0 bis 19,1 Gew.-% Li
2
O enthält, das in der ge-
- 21 -
wünschten Weise geformt und abgekühlt wird, bevor es einer Wärmebehandlung
bevorzugt zwischen 400 bis 900°C unterzogen wird (vgl. D2, Patentansprüche 1
und 4). Der Kristallinitätsgrad des eingesetzten Glaskeramik-Rohlings kann an die
Art der gewünschten spanenden Bearbeitung angepasst werden. Im Falle einer
„chair-side“ Behandlung liegt der Glasrohling noch nicht vollständig kristallisiert
vor, sondern lediglich als keimhaltiger Glasrohling oder Glaskeramikrohling mit
sehr kleinen Kristallen (vgl. D2, S. 4, Z. 64 bis S. 5, Z. 7). Nach der spanenden
Bearbeitung wird das geformte Glaskeramik-Produkt mindestens einer weiteren
Wärmebehandlung bei 700 bis 900°C unterzogen, um eine weitere Kristallisation
und damit eine Verfestigung des Glaskeramik-Produkts zu erzielen, die u. a. die
Bruchfestigkeit verbessert (vgl. D2, Patentanspruch 5, S. 5, Z. 8 bis 11). Gemäß
Beispiel 22 wird der Rohling einer ersten Wärmebehandlung für eine Stunde bei
650°C unterworfen, bevor er durch Fräsen mittels eines CAD/CAM-Verfahrens in
die gewünschte Form der dentalen Restauration verarbeitet wird. Aufgrund der
relativ geringen Festigkeit und Zähigkeit der Glaskeramik-Rohlinge ist die Verar-
beitung einfach durchführbar und es treten weniger Ausbrüche auf. Zudem ist der
Werkzeugverschleiß geringer. Die gefräste Restauration wird dann noch einer
zweiten Wärmebehandlung bei 760°C während einer Stunde unterzogen, die zu
einer weitergehenden Kristallisation und damit einer Änderung der Eigenschaften
der Restauration führt (vgl. D2, S. 9 Z. 25 bis 67).
Für den Fachmann liegt es ausgehend von D2 nahe, sich auf der Suche nach ver-
besserten Glaskeramik-Materialien zunächst den auf dem Gebiet der dentalen
Restaurationen bekannten Materialien zuzuwenden und diese auf Optimierungs-
möglichkeiten hin zu überprüfen (vgl. BGH GRUR 2010, 607 – Fettsäurezusam-
mensetzung). Zu den naheliegenden Optimierungsmöglichkeiten gehört vorlie-
gend die Kristallinität des Rohlingsmaterials, da diese sich gemäß D2 maßgeblich
auf die Verarbeitbarkeit auswirkt (vgl. D2, S. 4, Z. 57 bis S. 5, Z. 7). Für Versuche
in diese Richtung bot sich, wie der Fachmann aus dem allgemeinen Fachartikel
D4 erfährt, insbesondere eine Anreicherung der kristallinen Lithiummetasili-
catphase an. Auf den Artikel D4, der sich mit dem Zusammenhang zwischen Fes-
- 22 -
tigkeit und Mikrostruktur von Lithiumdisilicat-Glaskeramiken beschäftigt (vgl. D4,
S. 385 Titel, li. Sp. 1. Abs.), wird der Fachmann schon deshalb stoßen, weil er sich
zunächst im Rahmen einer allgemeinen Literaturrecherche einen Überblick über
die möglichen kristallinen Phasen von Lithiumsilicat-Keramiken und deren physi-
kalischen Eigenschaften verschaffen wird. Aus der Publikation erfährt er, dass bei
Wärmebehandlungstemperaturen zwischen 550 von 750°C Lithiummetasilicat, bei
Temperaturen zwischen 750°C und 820°C Lithiummetasilicat neben Lithiumdisili-
cat und ab 820 bis 980°C ausschließlich Lithiumdisilicat gebildet wird. Mit der Bil-
dung von Lithiumdisilicat korreliert zugleich ein sprunghafter Anstieg der Härte des
Materials (vgl. D4, S. 390, spaltenübergr. Abs., Fig. 5). Nachdem aber ein zu har-
tes Material zu einem unerwünschten Verschleiß des Werkzeugs führt, wird sich
der Fachmann somit einem Glaskeramik-Material für den Rohling zu wenden, das
einen erhöhten Anteil an Lithiummetasilicat aufweist und damit gegenüber Lithi-
umdisilicat eine deutlich geringere Härte aufweist.
Anders als von der Patentinhaberin angenommen, hält den Fachmann die Tatsa-
che, dass sich Risse in einer Glaskeramik mit Lithiummetasilicat gemäß D4 leicht
ausbreiten (vgl. D4, S. 390 re. Sp. vorletzt. Abs., S. 391, 2. vollst. Abs.), nicht da-
von ab, sein Augenmerk auf ein solches Material zu richten. Denn in D4 wird auch
angegeben, dass Lithiummetasilicat im Vergleich zum Ausgangsglas und Lithium-
disilicat einen größeren Expansionskoeffizienten hat, der maßgeblich für die Be-
ständigkeit gegen Oberflächenbrüche ist (vgl. D4 S. 390/391 übergr. Abs.). Inwie-
weit das Material für eine abrasive Verarbeitung, wie dem Fräsen, ausreichend
stabil ist, wird er dann im Rahmen von Routineversuchen ermitteln.
Im Hinblick auf das weitere Merkmal, dass der Rohling einen Halter aufweist, ist
es für den Fachmann im Zusammenhang mit der Anwendung von CAD/CAM-
Verfahren gemäß D2 selbstverständlich, dass der Rohling gehaltert werden muss,
da es sich hierbei um automatisierte Verfahren handelt (vgl. D5 Patentansprü-
che 1 und 10, S. 1, Z. 5 bis 11 und 17 bis 19, S. 1/2, übergreif. Abs., S. 3, Z. 33 bis
- 23 -
S. 4 Z. 22; vgl. D7 Patentansprüche 1 und 14, S. 1, Z. 5 bis 11). Damit beruht die-
ses Merkmal auch nicht auf erfinderischen Überlegungen.
Der Senat teilt die Auffassung der Patentinhaberin nicht, in D4 sei lediglich eine
Musterzusammensetzung getestet worden und die Ergebnisse folglich nicht ver-
allgemeinerbar, weil für den Erhalt von Lithiummetasilicat bzw. Lithiumdisilicat zum
einen das Verhältnis von Li
2
O zu SiO
2
und zum anderen das gewählte Tempera-
turprofil als maßgeblich angesehen werden müsse, wie Beispiel I-16 belege, bei
dem nach einer Keimbildungsphase direkt Lithiumdisilicat erhalten werde. Gemäß
den Beispielen I-4 bis I-22 aus Tabelle III, die alle einer identischen ersten Wär-
mebehandlung für die Keimbildung mit 645°C während einer Stunde ausgesetzt
waren, wurde je nach dem gewählten Temperaturprofil der zweiten Wärmebe-
handlung entweder nur Lithiummetasilicat, eine Mischung von Lithiummetasilicat
und Lithiumdisilicat oder nur Lithiumdisilicat erhalten (vgl. D4, S. 386 Tab. III). Aus
diesen Ergebnissen wird in D4 geschlossen, dass das thermodynamisch instabile
Lithiummetasilicat kinetisch bevorzugt gebildet wird und eine Zwischenphase bei
der Bildung von Lithiumdisilicat darstellt (vgl. D4, S. 387, li. Sp. letzt. Abs. bis
re. Sp. 2. vollst. Abs.). Der Patentinhaberin ist zwar insoweit zuzustimmen, als in
D4 eine spezielle Zusammensetzung gewählt wurde, die nach der zweiten Wär-
mebehandlung bevorzugt nur eine einzige kristalline Phase ausbilden sollte (vgl.
D4, S. 385, li. Sp. vorletzt. Abs.). Allerdings ist dem Fachmann aufgrund seines
Fachwissens bekannt, dass grundsätzlich bestimmte Mengenverhältnisse von
Siliciumdioxid zu Lithiumoxid einzuhalten sind, um die gewünschten Silicatkristall-
phasen zu erhalten (vgl. D9, S. 579 bis 581, Kap. „(ii) Lithium disilicate glass
ceramics“; D12, S. 75, Fig. 2-1, S. 78 erster Spiegelpunkt). Folglich sind die Er-
gebnisse der D4 vor dem Hintergrund des Fachwissens verallgemeinerbar.
Nach alledem fehlt es der Verwendung nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptan-
trag an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
- 24 -
1.8
Inwieweit die Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials nach Patentan-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ausführbar bzw. neu ist, kann vorliegend dahinge-
stellt bleiben, da die Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 jedenfalls
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
1.8.1 Gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 ist der Patentanspruch 1 ge-
mäß Hilfsantrag 1 nunmehr auf die Verwendung eines Lithiumsilicatrohling ge-
richtet und er weist zudem folgende zusätzliche Merkmale auf:
5. zur Herstellung einer dentalen Restauration
6. durch maschinelle Verarbeitung zu einer gewünschten Geometrie ge-
formt wird, um ein geformtes Lithiumsilicatprodukt zu bilden,
7. das geformte Lithiumsilicatprodukt einer Wärmebehandlung bei einer
Temperatur von etwa 700 bis 950°C für eine Dauer von etwa 5 bis 30
min. unterworfen wird.
1.8.2 Bezüglich der ausreichenden Offenbarung des Gegenstands der Patentan-
sprüche 1 bis 29 gemäß Hilfsantrag 1 bestehen keine Bedenken, da deren Merk-
male sowohl aus den Erstunterlagen (vgl. ursprünglich eingereichte Patentansprü-
che 1, 2, 5 bis 16, 19, 22, 25 bis 32 und 35 bis 46 i. V. m. Seite 7, erster vollstän-
diger Absatz, Seite 20/21, übergreifender Absatz) wie auch aus der Patentschrift
(vgl. Patentansprüche 1 bis 30) ableitbar sind bzw. diesen im Wortlaut entspre-
chen. Auch das Merkmal „Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase“ in An-
spruch 1 ist aus den in Abschnitt II.1.6.2 genannten Gründen den ursprünglichen
Unterlagen zu entnehmen.
1.8.3 Diese zusätzlichen Merkmale führen aber nicht dazu, dass die bean-
spruchte Verwendung eines Lithiumsilicatrohlings auf einer erfinderischen Tätig-
keit beruht. Schließlich ist aus D2 auch die maschinelle Bearbeitung des Rohlings
mittels computergesteuerter Fräsmaschinen bekannt. Die bearbeiteten Rohlinge
werden in einer weiteren Wärmebehandlung bei 760°C für eine Stunde zu denta-
- 25 -
len Restaurationen weiterverarbeitet (vgl. D2, S. 9, Z. 31 bis 34, Z. 60 bis 62 und
Z. 65). Davon ausgehend liegt die beanspruchte weitere Wärmebehandlung bei
700 bis 950°C für eine Dauer von 5 bis 30 Minuten nahe. Denn bei Kenntnis des
aus D2 bekannten Temperatur-Zeit-Profils, wird der Fachmann schon deshalb
eine Verkürzung der Wärmebehandlungszeit in Betracht ziehen, weil nach der
Lehre des Streitpatents insbesondere eine kurze Behandlung des Patienten bei
einer zahnärztlichen Stuhlbehandlung maßgeblich ist. Die optimale Temperzeit
wird der Fachmann dann im Rahmen von Routineversuchen bestimmen.
1.9
Inwiefern der Gegenstand des Streitpatents gemäß Patentanspruch 1 in der
Fassung der Hilfsanträge 2 bis 7 ausführbar und neu ist, kann vorliegend dahin
stehen, denn er hat jedenfalls auch in diesen Fassungen mangels erfinderischer
Tätigkeit keinen Bestand.
1.9.1 Der jeweilige Patentanspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 7
unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 darin, dass die
Temperaturuntergrenze der Wärmebehandlung auf 770°C, 780°C, 800°C bzw.
820°C angehoben wird, wobei im jeweiligen Patentanspruch 1 gemäß den Hilfs-
anträgen 6 und 7 zusätzlich noch die Obergrenze der Wärmebehandlungszeit auf
20 Minuten reduziert worden ist.
1.9.2 Hinsichtlich der ausreichenden Offenbarung des Gegenstand der Patentan-
sprüche 1 bis 29 gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 6 und der Patentansprüche 1 bis
28 gemäß Hilfsantrag 7 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale sowohl
aus den Erstunterlagen (vgl. ursprünglich eingereichte Patentansprüche 1, 2, 5 bis
16, 19, 22, 25 bis 32 und 35 bis 46 i. V. m. Seite 7, erster vollständiger Absatz,
Seite 20/21, übergreifender Absatz) wie auch aus der Patentschrift (vgl. Patentan-
sprüche 1 bis 30) ableitbar sind bzw. diesen im Wortlaut entsprechen. Auch das
Merkmal „Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase“ in Anspruch 1 ist aus den
in Abschnitt II.1.6.2 genannten Gründen den ursprünglichen Unterlagen zu ent-
nehmen.
- 26 -
1.9.3 Durch die sukzessive Anhebung der Temperaturuntergrenze auf 770°C,
780°C, 800°C bzw. 820°C im jeweiligen Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 2 bis 7
und die zusätzliche Reduzierung der Wärmebehandlungsdauerobergrenze auf
20 min. im Patentanspruch 1 der Hilfsanträge 6 und 7 ergibt sich aber gegenüber
den im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beanspruchten Gegenstand keine
andere Sachlage, weil zum einen in D2 allgemein ein Temperaturbereich von 700
bis 900°C für die Wärmebehandlung angegeben wird (vgl. D2, S. 5, Z. 8 bis 10).
Zum anderen wird der Fachmann vor dem Hintergrund, dass die streitpatentge-
mäßen dentalen Restaurationen insbesondere in CAD/CAM-Verfahren im Rah-
men einer Stuhlbehandlung beim Zahnarzt eingesetzt werden und hierbei die Be-
handlungszeit eine entscheidende Rolle spielt, Maßnahmen ergreifen, die zu einer
weiteren Verkürzung der Wartezeit für Patienten bis zum Einsatz der dentalen
Restauration führen. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin wird sich der
Fachmann auch von dem Hinweis bei Beispiel 22 der D2, dass die Temperatur
von 760°C so gewählt worden sei, dass keine Gefahr für eine Verformung des Ge-
rüsts bestehe, nicht davon abhalten lassen, eine Temperaturerhöhung in Kombi-
nation mit einer Zeitverkürzung in Betracht zu ziehen. Denn durch die Verkürzung
der Wärmebehandlungsdauer ist auch eine höhere Temperatur tolerierbar.
1.10 Das vorstehend Gesagte gilt im Übrigen auch für die nicht ausdrücklich
verteidigten, nebengeordneten Patentansprüchen 6 und 17 gemäß Hauptantrag
bzw. den nebengeordneten Patentanspruch 6 gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 6,
die auf einen Lithiumsilicatrohling in Form eines Lithiumsilicatglases, das zur Bil-
dung von Lithiummetasilicat geeignete Keime enthält bzw. dessen Verwendung
gerichtet sind, und dessen wesentliche Merkmale mit denen des jeweiligen Pa-
tentanspruchs 1 übereinstimmen.
1.11 Die jeweils abhängigen Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 16 sowie 18
bis 30 nach Hauptantrag und die jeweils abhängigen Patentansprüche 2 bis 5
und 7 bis 29 nach Hilfsantrag 1 bis 6, sowie die jeweils abhängigen Patentansprü-
che 2 bis 27 gemäß Hilfsantrag 7 beschreiben weitere Ausführungsformen des
- 27 -
Lithiumsilicatrohlings bzw. dessen Verwendung nach dem jeweiligen Patentan-
spruch 1, 6 bzw. 17, für die ein eigener erfinderischer Überschuss seitens des Se-
nats nicht erkennbar ist und auch von der Patentinhaberin nicht geltend gemacht
wurde. Sie teilen daher das Schicksal der jeweiligen Verwendungsansprüche 1, 6
bzw. 17.
2.
Im Umfang der Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag 8 erweist sich das
Streitpatent dagegen als bestandsfähig.
2.1
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 unterscheidet vom Patentan-
spruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 dadurch, dass zusätzlich das Merkmal „wobei die
während der Wärmebehandlung auftretende Schrumpfung kleiner als 0,5%, bezo-
gen auf das Volumen ist“ aufgenommen worden ist.
2.2
Bezüglich der ausreichenden Offenbarung des Gegenstands der Patentan-
sprüche 1 bis 27 gemäß Hilfsantrag 8 bestehen keine Bedenken, da deren Merk-
male sowohl aus den Erstunterlagen (vgl. ursprünglich eingereichte Patentansprü-
che 1, 2, 5 bis 16, 22, 23, 24, 26 bis 29, 31, 35 bis 46 und ursprünglich einge-
reichte Beschreibung S. 7, erster vollst. Abs.) als auch aus der Patentschrift (vgl.
Patentansprüche 1 bis 5, 7 bis 18, 20 bis 25 und 27 bis 20) ableitbar sind. Das
Merkmal „Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase“ in Patentanspruch 1 ist
dabei aus den in Abschnitt II.1.6.2 genannten Gründen den ursprünglichen Unter-
lagen zu entnehmen.
Der Einwand der Einsprechenden, dass ein Schrumpf von kleiner 0,5% ein aufga-
benhaftes Merkmal darstelle, welches nicht zulässig sei, vermag nicht zu über-
zeugen. Denn bei diesem Merkmal handelt es sich um eine Stoffeigenschaft des
Lithiumsilicatmaterials, die sich aufgrund der gewählten Zusammensetzung und
der angewendeten Verfahrensparameter ergibt (vgl. hierzu auch
Benkard/Schäfers, PatG, 11. Aufl., § 34, Rn. 52). Folglich wird mit diesem Merk-
mal nicht die Aufgabe des Streitpatents umschrieben, sondern ein Lithiumsili-
- 28 -
catrohling beansprucht, der die Eigenschaft hat, bei der finalen Wärmebehandlung
weniger als 0,5% bezogen auf das Volumen zu schrumpfen.
2.3
Die Verwendung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 8 ist auch so
deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Für einen ausreichenden Umfang der Ausführbarkeit muss eine Erfindung nicht
buchstabengetreu realisierbar sein. Eine ausreichende Offenbarung ist vielmehr
auch dann gegeben, wenn ein Fachmann das erfindungsgemäße Ziel anhand der
Offenbarung zuverlässig in praktisch ausreichendem Maße mit zumutbarem Auf-
wand erfolgreich herbeiführen kann (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl., § 34,
Rdn. 350, m. w. N.). Zur Erzielung des streitpatentgemäßen Ergebnisses, nämlich
einen Rohling aus einem Lithiumsilicatmaterial bereitzustellen, das als Hauptkris-
tallphase Lithiummetasilicat aufweist, werden dem Fachmann durch das Streitpa-
tent ausreichend Informationen gegeben, um ein solchen Rohling in die Hand zu
bekommen.
Ausgehend von den Anfangskomponenten SiO
2
, Li
2
O, K
2
O, Al
2
O
3
und P
2
O
5
wird
ein Ausgangsglas mit diesen Hauptkomponenten in Schritt a) hergestellt, wobei
unter dem Begriff „Hauptkomponenten“ laut Streitpatent die zwingend für die Her-
stellung der Glasschmelze erforderlichen Ausgangskomponenten zu verstehen
sind (vgl. Streitpatentschrift S. 3, [0014] i. V. m. S. 3/4 [0015], S. 10 [0078]). Die
einzusetzenden Mengen der Ausgangskomponenten erfährt der Fachmann aus
der Beschreibung und aus den Ausführungsbeispielen (vgl. Streitpatentschrift S. 3,
[0014], S. 15/16, Tab. III, Beispiele 1 bis 18). Im Hinblick auf die Abkühlung der
Ausgangsglasschmelze auf Raumtemperatur in Schritt b) kann der Fachmann der
Streitpatentschrift entnehmen, dass die Abkühlung auf Raumtemperatur in kontrol-
lierter Weise durchgeführt wird, um eine Entspannung zu gestatten. Die kontrol-
lierte Abkühlung, wird durch Eingießen der Schmelze in bspw. auf 300 bzw. 400°C
erwärmte Formen und einer langsamen Abkühlung in einem Ofen bewirkt (vgl.
Streitpatentschrift S. 6, [0033 und 0034], S. 10, [0079]). Unter dem Begriff
- 29 -
„Raumtemperatur“ versteht der Fachmann eine Temperatur von ca. 20°C (vgl.
gutachterlich Römpp-Lexikon Chemie, 1999, 9. Aufl., Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, Stichwort „Zimmertemperatur (Raumtemperatur)“). Für die erste und
zweite Erwärmung nach den Schritten c) und d) erhält der Fachmann wiederum
aus der Beschreibung und insbesondere in den Ausführungsbeispielen präzise
Temperaturbereiche und Zeitfenster, die für die Keimbildung in Schritt c) und für
die Kristallisation in Schritt d) einzuhalten sind, damit ein Lithiumsilicatmaterial mit
Lithiummetasilicat als einer Hauptkristallphase erhalten wird. Für die Keimbildung
werden Temperaturen von 450 bis 550°C für eine Dauer von 5 min. bis 1 Std. und
für die Kristallisation Temperaturen von 600 bis 700°C für eine Dauer von 10 bis
30 min. angegeben (vgl. Streitpatentschrift, S. 6, [0035–0037]). Ferner wird in der
Streitpatentschrift ein beispielhaftes Temperaturzeitprofil für die Schritte a) bis d)
benannt (vgl. Streitpatentschrift, Fig. 1). Bei Einhaltung der zuvor genannten Ver-
fahrensparameter zeigt das Lithiumsilicatmaterial des Rohling nur einen Schrumpf
von 0,2 bis 0,3% bezogen auf das Volumen (vgl. Streitpatentschrift, S. 8, [0050]).
Somit werden dem Fachmann ausreichend Verfahrensparameter vorgegeben, die
es ihm erlauben, einen Rohling mit einem Lithiumsilicatmaterial bereitzustellen,
das Lithiummetasilicat als eine Hauptkristallphase enthält.
Folglich bedarf es – entgegen der Ansicht der Einsprechenden – keines For-
schungsprojekts zur Ermittlung geeigneter Zusammensetzungen und Temperatur-
Zeit-Profile, um die patentgemäßen Rohlinge in die Hand zu bekommen. Aufgrund
der vorgegebenen Daten übersteigen die hierfür erforderlichen Versuche keines-
falls eine übliche Optimierungstätigkeit, wie sie dem Fachmann im Rahmen seiner
Routinetätigkeit zumutbar sind (vgl. hierzu Schulte/Moufang, PatG, 10. Aufl. § 34,
Rn. 355, 358b) i. V. m. 414). Die von der Einsprechenden vorgelegte Nacharbei-
tungen des Beispiels 13 des Streitpatents gemäß dem Anlagenkonvoluten D11
sind schon deshalb nicht dazu geeignet, dies in Frage zu stellen, weil die Nachar-
beitung D11 bereits in der Glasherstellung von den Vorgaben des Beispiel 13 der
Streitpatents abweicht. Dagegen hält die Nacharbeitung D21-A die Verfahrensbe-
dingungen gemäß Beispiel 13 korrekt ein, wobei eine Glaskeramik mit
- 30 -
27,5 Gew.-% Lithiumdisilicat und 6,7 Gew.-% Lithiummetasilicat als einzige
detektierbare Kristallphasen erhalten wurde. Damit liegt zwar eine Glaskeramik
vor, die Lithiummetasilicat in einer gegenüber Lithiumdisilicat deutlich untergeord-
neten Menge enthält, jedoch führt dieses Ergebnis nicht dazu, dass die Ausführ-
barkeit nicht gegeben ist. Der nacharbeitende Fachmann kann ohne besondere
Schwierigkeiten unter Anwendung der XRD-Analyse die untauglichen Lithium-
silicatmaterial-Varianten herausfinden, welche Lithiummetasilicat nicht als eine
Hauptphase aufweisen und wird diese selbstverständlich ausklammern (vgl.
GRUR 1991, 518 – Polyesterfäden).
Das Streitpatent vermittelt dem fachmännischen Leser damit so viel an techni-
scher Information, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der
Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen.
2.4
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 ist gegenüber dem im Verfahren
befindlichen Stand der Technik neu. Keiner der genannten Entgegenhaltungen
kann die Verwendung eines Rohlings aus Lithiumsilicatmaterial für die Herstellung
einer dentalen Restauration entnommen werden, dessen Material eine Schrump-
fung von kleiner als 0,5%, bezogen auf das Volumen aufweist.
In der Druckschrift D2 werden zwar Lithiumsilicatmaterialien offenbart, aus denen
Rohlinge für die Herstellung von dentalen Restaurationen gefertigt werden (vgl.
D2, Patentansprüche 1, 13, 17 und 19), allerdings wird in der D2 nicht beschrie-
ben, dass die verwendeten Materialien einen Schrumpfung von kleiner als 0,5%,
bezogen auf das Volumen aufweisen.
Die von der Einsprechenden vorgelegten Nacharbeitungen D11 und D21-A des
Beispiels 22 der D2 sind schon deshalb nicht dazu geeignet die Neuheit der bean-
spruchten Verwendung in Frage zu stellen, weil bei beiden Nacharbeitungen der
Schrumpf nicht bestimmt worden ist. Das Argument im Hinblick auf D21-A, dass
aufgrund der Dichteerhöhung beim Übergang von Lithiummetasilicat zu Lithiumdi-
- 31 -
silicat zwangsläufig kein Schrumpf auftrete, kann nicht überzeugen. Denn die fi-
nale Wärmewärmebehandlung führt zu einer weitergehenden Kristallisation (vgl.
D2, S. 9, Z. 66 bis 68), bei der nicht nur Lithiummetasilicat in Lithiumdisilicat um-
gewandelt wird, sondern auch das in der Glaskeramik zum überwiegenden Anteil
vorliegende amorphe Glas kristallisiert. Aufgrund der komplexen Kristallisations-
vorgänge, die jeweils mit Dichteunterschieden verknüpft sind, kann ohne experi-
mentelle Bestimmung der Volumenänderung vor und nach der finalen Wärmebe-
handlung keine valide Aussage zum Schrumpf der Materialien getroffen werden.
Die D6 beschreibt eine mit P
2
O
5
-gekeimte Lithiumsilicat-Glaskeramik, die für die
Herstellung von dentalen Restaurationen verwendet wird (vgl. D6 Patentansprü-
che 1 bis 4, Sp. 1, Z. 5 bis 7). Angaben zur Schrumpfung der Materialien können
D6 aber nicht entnommen werden.
Die Entgegenhaltung D8 gibt ein Verfahren zur Herstellung von dentalen Restau-
rationen auf Basis von Lithiumdisilicat-Glaskeramiken an. Ausgehend von den
Komponenten SiO
2
, Li
2
O, K
2
O, Al
2
O
3
und P
2
O
5
wird bei Temperaturen von 1200
bis 1600°C zunächst ein Ausgangsglas erzeugt, aus dem ein Rohling geformt
wird, der bei Temperaturen von 300 bis 600°C für 15 Minuten bis 8 Stunden wär-
mebehandelt wird. Der Rohling wird im Anschluss einer oder mehreren Wärmebe-
handlungen zwischen 400 bis 1100°C unterworfen, um eine Disilicat-Glaskeramik
zu erhalten (vgl. D8, Patentansprüche 1, 5 bis 11 und 16, S. 3, Tabelle 1, S. 7,
Tabelle 5). Der Disilicatrohling wird im Anschluss zu einer dentalen Restauration
weiterverarbeitet (vgl. D8, Patentanspruch 12, S. 4, [0036]). Angaben zur
Schrumpfung des Materials werden in D8 aber nicht gemacht.
Das Dokument D13 beschreibt dentale Restaurationen, die aus einer Glaskeramik
geformt werden, die sich während der Wärmebehandlung nicht verformt und die
eine Zusammensetzung basierend auf SiO
2
, Li
2
O, K
2
O, Al
2
O
3
und P
2
O
5
enthält
(vgl. D13, Patentansprüche 1 und 4, S. 3, [0054], S. 16, Bsp. 26 i. V. m. S. 7, Ta-
belle IV). Die Herstellung der dentalen Restauration erfolgt gemäß Beispiel 26
- 32 -
durch Heißpressen (vgl. D13, S. 16, Bsp. 26 i. V. m. S. 9, [0155] bis S. 10, [0162],
S. 11/12 Bsp. 6). Im Anschluss wird das dentale Produkt gemäß folgendem Tem-
peratur-Zeit-Profil wärmebehandelt (vgl. D13, S. 16, Tabelle VIII):
Somit liegt nach den ersten zwei Wärmebehandlungsschritten zwar ein Lithiumsili-
catrohlings vor, allerdings kann D13 entnommen werden, dass das Material etwa
3% Schrumpf aufweist (vgl. D13, S. 9 [0142]).
Auch in keiner der sonstigen, dem Senat vorliegenden Entgegenhaltungen wird
die patentgemäße Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials in allen beanspruch-
ten Einzelheiten beschrieben.
2.5
Die Verwendung eines Lithiumsilicatmaterials gemäß Patentanspruch 1
nach Hilfsantrag 8 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.5.1 Ein möglicher Ausgangspunkt zur Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe
stellt die Lehre der D2 dar. Aus D2 ist dem Fachmann ein Verfahren zur Herstel-
lung von geformten transluzenten Lithiumdisilicat-Glaskeramik-Produkten für den-
tale Restaurationen bekannt, das von einer Schmelze eines Ausgangsglases ba-
sierend auf den folgenden Komponenten
- 33 -
ausgeht (vgl. D2, Patentanspruch 1). Als weitere Ausgangskomponenten können
u. a. noch P
2
O
5
und K
2
O eingesetzt werden (vgl. D2, Patentanspruch 9). Die
Schmelze des Ausgangsglases wird in der gewünschten Weise geformt und ab-
gekühlt. Im Anschluss wird das geformte Glasprodukt mindestens einer Wärme-
behandlung im Temperaturbereich von 400 bis 1100°C unterzogen, um ein als
Rohling geformtes Glaskeramik-Produkt zu erhalten (vgl. D2, Patentansprüche 1
und 13). Die Glaskeramikprodukte zeichnen sich durch einen geringen Kristallisa-
tionsgrad aus, der eine einfache maschinelle Bearbeitung der Rohlinge erlaubt.
Durch einer abschließende Wärmebehandlung werden die bearbeiteten Rohlinge
zu hochfestem Lithiumdisilicat-Glaskeramik-Produkten gewünschter Geometrie
umgewandelt (vgl. D2, Patentansprüche 2 bis 6, S. 2, Z. 50 bis 56, S. 4, Z. 64 bis
S. 5, Z. 11). Glaskeramiken mit diesen Eigenschaften wecken zweifelsohne das
Interesse des Fachmanns, der auf der Suche nach leichtformbaren Glaskeramik-
materialien ist, allerdings unterscheidet sich der Lithiumsilicatrohling gemäß dem
geltenden Patentanspruch 1 von dem Rohling der D2 darin, dass er zum einen
keinen Halter aufweist und zum anderen darin, dass er im bearbeiteten Zustand
während der abschließenden Wärmebehandlung keine Schrumpfung kleiner als
0,5%, bezogen auf das Volumen zeigt.
Der Einwand der Einsprechenden, dass sich ein Schrumpf von kleiner 0,5%
zwangsläufig aufgrund der identischen Verfahrensparameter bei D2 ergebe, ver-
mag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es Beispiel 22 an einem Keimbil-
- 34 -
dungsschritt mangelt und die Behandlungsdauer während der finalen Wärmebe-
handlung mit einer Stunde deutlich länger als die beanspruchten 5 bis 20 min. ist,
so dass die Verfahrensbedingungen nicht identisch sind.
Auch eine Zusammenschau der D2 mit der D10 oder der D13 führt nicht zu einem
Naheliegen des Streitgegenstands. Die D10 betrifft ein Zahnrestaurierungsmittel
auf Basis Lithiumsilicatmaterialien, bei denen die während der Kristallisation auf-
tretende Schrumpfung durch geeignete Einstellung des Flüssigkeits- zu Pulver-
Verhältnisses der Einlage kompensiert wird (vgl. D10, Patentansprüche 1 und 20,
S. 23/24 übergr. Abs.). Eine entsprechende Kompensation der Schrumpfung wird
auch in D13 vorgeschlagen, die hierfür eine überdimensionierte Form vorsieht, um
der 3%igen Schrumpfung des Lithiumsilicatmaterials bei der Wärmebehandlung
zu begegnen, die bei der Herstellung der dentalen Restaurationen auftritt (vgl.
D13, Patentanspruch 1, S. 9 [0142-0143]). Damit erhält der Fachmann aber keine
Hinweise, wie durch geeignete Wahl der Zusammensetzung und der Verfahren-
sparameter der Schrumpf von vorneherein vermieden werden kann.
2.5.2 Auch ausgehend von der D4 gelangt der Fachmann nicht zu einer Verwen-
dung eines Rohlings zur Herstellung von dentalen Restaurationen, der einen Hal-
ter aufweist und aus einem Lithiumsilicatmaterial besteht, das als Hauptkristall-
phase Lithiummetasilicat enthält und das während der abschließenden Wärmebe-
handlung eine Schrumpfung von kleiner 0,5%, bezogen auf das Volumen zeigt.
Denn bei der Entgegenhaltung D4 handelt es sich um eine wissenschaftliche Pub-
likation, die den Zusammenhang zwischen Festigkeit und Mikrostruktur von Lithi-
umdisilicat-Glaskeramiken betrachtet. Der Artikel hat aber keinerlei Bezug zu
dentalen Restaurationen (vgl. D4, S. 385, Titel, li. Sp. Abs. 1). Damit mögen aus
D4 zwar Glaskeramiken mit Lithiummetasilicat als Hauptkristallphase bekannt
sein, die aus einer Ausgangsschmelze umfassend SiO
2
, Al
2
O
3
, Li
2
O, K
2
O und
P
2
O
5
durch eine entsprechende zweistufige Temperaturbehandlung bei niedrigen
Wachstumstemperaturen erhalten werden (vgl. D4, S. 385, Tab. I und S. 386,
Tab. III, Einträge I-3 bis I-6, I-8, I-9, S. 390, Fig. 5). Diese Druckschrift bietet dem
- 35 -
Fachmann jedoch keinen Anlass, solche Materialien für Rohlinge bei dentalen
Restaurationen in Erwägung zu ziehen.
Der fehlende Anlass kann auch nicht durch die Berücksichtigung der Druck-
schrift D9 vermittelt werden, die Lithiumdisilicat-Glaskeramiken für dentale Restau-
rationen betrifft. Der D9 kann der Fachmann zwar entnehmen, dass die Glaske-
ramik über die Zwischenphase Lithiummetasilicat zur Disilicat-Glaskeramik kristal-
lisiert (vgl. D9, S. 579 bis 581, Abs. „(ii) Lithium disilicate glass ceramic“). Jedoch
finden sich in D9 keine Hinweise dahingehend, dass das Lithiumsilicatmaterial bei
dieser Kristallisation eine Schrumpfung von kleiner 0,5% bezogen auf das Volu-
men zeigt. Darüber hinaus erfolgt in D9 die Formgebung der Rohlinge durch
Heißpressen, einem Bearbeitungsverfahren, das keinen Halter für den Rohling
erfordert. Somit wird der Fachmann nicht dazu angeregt, einen Rohling mit einem
Halter in Betracht zu ziehen, der aus einem Lithiumsilicatmaterial besteht, dass
eine Schrumpfung von kleiner 0,5% bezogen auf das Volumen bei der abschlie-
ßenden Wärmebehandlung zeigt, welche zur Erzeugung der Disilicat-Kristallphase
dient. Folglich wird der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hilfsan-
trag 8 durch die Kombination der Druckschriften D4 mit D9 nicht nahe gelegt.
2.5.3 Ebenso stellt die D8 keinen weiteren möglichen Ausgangspunkt dar. Aus
D8 sind dem Fachmann zwar Lithiumsilicatmaterialien für Rohlinge bekannt, die
sich zur Herstellung von dentalen Restaurationen eignen (vgl. D8, Patentansprü-
che 1 bis 4 und 16). Für die Herstellung der Rohlinge wird dabei eine Schmelze
eines Ausgangsglases, das auf den essentiellen Komponenten SiO
2
, Al
2
O
3
, Li
2
O,
K
2
O und P
2
O
5
basiert, in eine Form gegossen bzw. pelletiert (vgl. D8, Patentan-
spruch 17, S. 2, [0022], S. 3, [0027], S. 3/4, [0031], S. 4, [0033]). Im Anschluss
werden die Rohlinge einer zweistufigen Wärmebehandlung unterzogen, wobei in
der ersten bei Temperaturen zwischen 450 bis 700°C die Keimbildung und in der
zweiten Stufe bei Temperaturen zwischen 800 bis 1200°C die Kristallisation statt-
finden (vgl. D8, Patentansprüche 9 und 10). Allerdings bestehen die wärmebe-
handelten Rohlinge aus einer Glaskeramik, die aus einer Glasmatrix und Lithium-
- 36 -
disilicat gebildet wird. Laut der Lehre der D8 werden die besten Materialeigen-
schaften mit einer Glaskeramik erhalten, die nahezu kein Lithiummetasilicat in der
Glaskeramik aufweist. Die Rohlinge werden durch Heißpressen oder maschinelle
Verarbeitung zur gewünschten Geometrie der dentalen Restauration geformt (vgl.
D8, S. 3, [0029], S. 3/4, [0031], S. 4, [0037]). Diese Informationen veranlassen den
Fachmann aber nicht dazu eine dahingehende stoffliche Veränderung im Lithium-
silicatmaterial des Rohlings der D8 vorzunehmen, dass dieses als Hauptkristall-
phase Lithiummetasilicat enthält und eine Schrumpfung von kleiner 0,5% bezogen
auf Volumen während der Wärmebehandlung, die zu Lithiumdisilicat führt, zeigt.
2.5.4 Die Entgegenhaltung D6 wird der Fachmann zur Lösung der streitpatentge-
mäßen Aufgabe ebenfalls nicht als Ausgangspunkt in Betracht ziehen, weil in D6
dentale Restaurationen bestehend aus einer Lithiumdisilicat-Glaskeramik angege-
ben werden, die dadurch erhalten werden, dass ein Ausgangsglas vor Temperung
in die Form der Restauration gegossen wird. Zudem enthalten die Ausgangsgläser
kein Kaliumoxid (vgl. D6, Patentansprüche 1 bis 4, Sp. 1, Tabelle, Einträge zu
„Preferred Mole %“, Sp. 2, Z. 32 bis 38, Sp. 2, Z. 48 bis 51, Sp. 3, Tab. I, Bei-
spiel 1). Zu keiner anderen Sichtweise führt die Berücksichtigung des in D6 ange-
gebenen Kontrollbeispiels 3, dessen Ausgangsglas Kaliumoxid enthält, damit es
weicher und entspannter ist (vgl. D6, Sp. 3, Tab. I und Z. 45 bis 47). Das Aus-
gangsglas gemäß Kontrollbeispiel 3 wird zunächst in eine Form gegossen und
dann einer dreistufigen Wärmebehandlung bei 500°C, 550°C und 740°C unterzo-
gen, so dass aufgrund des Temperaturprofils davon ausgegangen werden muss,
dass auch diese Glaskeramik Lithiumdisilicat enthält (vgl. D6, Sp. 4, Tab. III,
„Control 3“). Folglich kann die D6 dem Fachmann keine Anregung dahingehend
vermitteln, eine Formung des Rohlings nach der zweiten Wärmebehandlung in
Betracht zu ziehen.
2.5.6 Auch die Druckschrift D16 stellt keinen geeigneten Ausgangspunkt dar.
Denn die Lehre der D16 betrifft die Bereitstellung von Glaskeramiken für Halbleiter
(vgl. D16, Sp. 2, Z. 47 bis Sp. 3, Z. 14) und liegt damit auf einem völlig anderen
- 37 -
technischen Fachgebiet, das der Fachmann nicht als Ausgangspunkt für seine
Überlegungen in Erwägung gezogen hätte.
2.5.7 Folglich konnte der Fachmann weder ausgehend von D2 bzw. D4 selbst
unter Berücksichtigung der Druckschriften D8, noch ausgehend von D6, D8 oder
D16 zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 8 gelangen.
2.5.8 Die weiteren dem Senat vorliegenden Druckschriften enthalten ebenfalls
keine Anhaltpunkte, welche die Patenfähigkeit der Verwendung gemäß An-
spruch 1 in der durch den angefochtenen Beschluss aufrechterhaltenen Fassung
in Frage stellen könnten.
2.6
Gleichfalls patentfähig sind die Verwendungen gemäß den Patentansprü-
chen 2 bis 26, die weitere Ausführungsformen der Verwendung nach Patentan-
spruch 1 betreffen.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat,
ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
- 38 -
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder
von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bundesge-
richtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.
Dr. Maksymiw
Schell
Dr. Jäger
Dr. Wagner
Pr