Urteil des BPatG vom 12.07.2018

Urteil vom 12.07.2018

ECLI:DE:BPatG:2018:120718B10Wpat34.15.0
BUNDESPATENTGERICHT
10 W (pat) 34/15
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
12. Juli 2018
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 199 34 877
- 2 -
hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2018 unter Mitwirkung des
Richters Dipl.-Ing. Richter als Vorsitzenden sowie der Richter Eisenrauch,
Dipl.-Ing. Küest und Dr.-Ing. Großmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I .
Das Patent 199 34 877 ist am 24. Juli 1999 unter Inanspruchnahme der französi-
schen Unionspriorität mit dem Zeitrang vom 5. August 1998 und dem Aktenzei-
chen 98 10054 angemeldet und die Erteilung am 31. Mai 2012 veröffentlicht wor-
den. Gegen die Erteilung ist Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 22
des Deutschen Patent- und Markenamtes hat auf Grund der Anhörung vom
23. März 2015 beschlossen, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.
Im Einspruchs- sowie im Beschwerdeverfahren sind dabei die Druckschriften
D1
DE 41 08 561 C2
D2
DE 195 36 648 A1
D3
EP 0 775 793 A1
D4
DE 88 09 256 U1
- 3 -
D5
EP 0 331 832 A1
D6
DE 32 35 891 A1
D7
US 5 092 638 A
D8
DE 40 25 033 A1
D9
EP 1 408 181 A2
D10
EP 0 119 133 A1
herangezogen worden, wobei D1, D4, D5 und D10 bereits im Prüfungsverfahren
berücksichtigt worden sind; D8 und D9 sind von der Einsprechenden im Be-
schwerdeverfahren eingeführt worden. Darüber hinaus hat die Einsprechende in
der mündlichen Verhandlung noch die Figuren 5 und 6 des US-Patents 4 575 138
zur allgemeinen Erläuterung einer typischen Einbausituation eines Fahrzeug-
schlosses vorgelegt.
Die Patentabteilung hat in ihrem Beschluss den Gegenstand des Patents in der
erteilten Fassung des Anspruchs 1 als patentfähig erachtet, da er gegenüber dem
aufgezeigten Stand der Technik nach D1 bis D7 sowie D10 neu sei und auch nicht
durch Kombinationen der vorgenannten Schriften nahegelegt werde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 30. Mai 2015 eingegangene Be-
schwerde der Einsprechenden. Sie hat in der Beschwerdebegründung vom
10. Juli 2015 sowie in ihrem Schriftsatz vom 15. Januar 2016 ausgeführt, dass der
Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber D5 sei und
insbesondere durch die Kombination D3 mit D4 nahegelegt werde, wozu sie in der
mündlichen Verhandlung schwerpunktmäßig vorgetragen hat.
Die Patentinhaberin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass der Fach-
mann dem Stand der Technik keinen Hinweis entnehmen könne, die Betätigung
der Notverriegelung der D3 entsprechend der Kindersicherung bei der D4 zu plat-
- 4 -
zieren, zumal in der D4 keine technische Wirkung bzw. Vorteile einer derartigen
Anordnung offenbart würden.
Die Beschwerdeführerin und Einsprechende hat den Antrag gestellt,
den Beschluss der Patentabteilung 22 des Deutschen Patent- und
Markenamtes vom 23. März 2015 aufzuheben und das Patent in
vollem Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin hat den Antrag gestellt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
„1. Schloss zum Verschließen einer Fahrzeugtür (P) mit einem
außenliegenden Verriegelungs-/EntriegeIungshebel (6), der einer-
seits durch ein elektrisches Betätigungselement und andererseits
durch ein mechanisches Hilfsbetätigungselement betätigbar ist,
um die Verriegelung der Tür gegenüber dem Außenbereich zu
ermöglichen, wobei vorgesehen ist, dass das Hilfsbetätigungsele-
ment von der Schmalseite der Fahrzeugtür aus zugänglich ist,
wenn sich die Tür in ihrer geöffneten Stellung befindet und ermög-
licht, den Verriegelungs-/Entriegelungshebel über eine Öffnung im
Schlossgehäuse (2) zu betätigen, dadurch gekennzeichnet, dass
die Öffnung (8; 18) sich in dem Boden (4a) einer schlitzförmigen
Öffnung (4) des Schlosses, in die der an der zugeordneten Fahr-
zeugsäule befestigte Schließbolzen eingreift, befindet und derart
angeordnet ist, dass bei geschlossener Fahrzeugtür der den
Schließbolzen (15) tragende Schließbügel (5) die genannte Öff-
nung (8; 18) abdeckt und so den Zugang zu dem Hilfsbetäti-
- 5 -
gungselement verhindert und dass die Öffnung (8; 18) eine längli-
che, kreisbogenförmig ausgestaltete Form besitzt, wobei der Mit-
telpunkt des Kreisbogens mit der Drehachse (7) des Verriege-
lungs-/Entriegelungshebels (6) zusammenfällt.“
Hieran schließen sich die Ansprüche 2 bis 9 gemäß der Streitpatentschrift sowie
der nachfolgende nebengeordnete Anspruch 10 an:
„10. Kraftfahrzeug, mit mindestens einer Tür, die auf ihrer Schmal-
seite mit einem Schloss gemäß einem der Ansprüche 1 bis 9 aus-
gestattet ist, dadurch gekennzeichnet, dass an mindestens einer
Türsäule (M) des Kraftfahrzeuges ein Schließbügel (5) befestigt
ist, der eine U-förmige Befestigungsplatte (12) umfasst, zwischen
deren Schenkeln ein Schließbolzen (15) angeordnet ist, welcher
von einer GabelfalIe (3) des Schlosses in der geschlossenen
Stellung der Tür umfasst wird, wobei einer der Schenkel (12b) der
Befestigungsplatte (12) des Schließbügels die im Boden (4a) der
schlitzförmigen Öffnung (4) angeordnete Öffnung (8; 18) abdeckt
und der jeweils andere Schenkel an der Türsäule befestigt ist.“
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. In der Sache führt
sie allerdings nicht zum Erfolg, da das Patent bestandsfähig ist.
- 6 -
1.
Zum Patentgegenstand
Das Streitpatent betrifft ein Schloss zum Verschließen einer Fahrzeugtür nach An-
spruch 1 sowie ein Kraftfahrzeug mit einem derartigen Schloss nach Anspruch 10.
Fahrzeuge mit derartigen Schlössern sind zum Anmeldezeitraum immer mehr mit
Zentralverriegelungen ausgestattet worden, wobei zur Kostenreduzierung auch
immer häufiger die Verriegelungsknöpfe sowie der Schließzylinder an der Beifah-
rerseite weggelassen worden sind (siehe Streitpatentschrift, Absätze [0002] und
[0003]). Nach Absatz [0004] ist es allerdings für den Fall eines Stromausfalls oder
elektrischen Defekts erforderlich, mechanische Hilfsbetätigungselemente vorzuse-
hen, um zu ermöglichen, dass sämtliche Türen des Fahrzeugs sicher verriegelt
bzw. entriegelt werden können.
Der Erfindung liegt vor diesem Hintergrund laut Absatz [0011] die Aufgabe zu-
grunde, ein Schloss zum Verschließen einer Kraftfahrzeugtür vorzuschlagen, des-
sen mechanisches, für die Verriegelung des Schlosses benötigtes Hilfsbetäti-
gungselement bei geschlossener Fahrzeugtür durch unbefugte Dritte nicht beein-
flussbar ist und bei dem die Beachtung enger Toleranzen beim Bohren eines Lo-
ches in das Blech der Schmalseite der Tür sowie die Mehrkosten für den jeweili-
gen Hilfsbetätigungsknopf entfallen.
Der Anspruch 1 umfasst in der erteilten Fassung folgende Merkmale:
1)
Schloss zum Verschließen einer Fahrzeugtür (P),
2)
mit einem außenliegenden Verriegelungs-/EntriegeIungshebel (6),
3)
der Verriegelungs-/EntriegeIungshebel (6) ist einerseits durch ein elek-
trisches Betätigungselement betätigbar, um die Verriegelung der Tür
gegenüber dem Außenbereich zu ermöglichen,
- 7 -
4)
der Verriegelungs-/EntriegeIungshebel (6) ist andererseits durch ein
mechanisches Hilfsbetätigungselement betätigbar, um die Verriegelung
der Tür gegenüber dem Außenbereich zu ermöglichen,
wobei vorgesehen ist, dass
5)
das Hilfsbetätigungselement von der Schmalseite der Fahrzeugtür aus
zugänglich ist, wenn sich die Tür in ihrer geöffneten Stellung befindet
und
6)
das Hilfsbetätigungselement ermöglicht, den Verriegelungs-/Entriege-
lungshebel über eine Öffnung (8, 18) im Schlossgehäuse (2) zu betäti-
gen, die sich in dem Boden (4a) einer schlitzförmigen Öffnung (4) des
Schlosses, in die der an der zugeordneten Fahrzeugsäule befestigte
Schließbolzen eingreift, befindet,
7)
die Öffnung (8, 18) ist derart angeordnet, dass bei geschlossener Fahr-
zeugtür der den Schließbolzen (15) tragende Schließbügel (5) die ge-
nannte Öffnung (8; 18) abdeckt und so den Zugang zu dem Hilfsbetäti-
gungselement verhindert,
8)
die Öffnung (8; 18) besitzt eine längliche, kreisbogenförmig ausgestal-
tete Form, wobei
9)
der Mittelpunkt des Kreisbogens mit der Drehachse (7) des Verriege-
lungs-/Entriegelungshebels (6) zusammenfällt.
Als erfindungswesentlich wird der Fachmann, hier ein Fachhochschulingenieur der
Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und
Konstruktion von Fahrzeugschlössern, die Anordnung des Hilfsbetätigungsele-
ments entsprechend den Merkmalen 6 und 7 ansehen, da hierdurch eine hohe
Sicherheit gegenüber Manipulationen erzielt wird. Darüber hinaus wird in Verbin-
dung mit den Merkmalen 8 und 9 eine einfache und damit kostengünstige Umset-
zung der Betätigung über einen einfachen, unmittelbar wirkenden Schwenkhebel
zum Ausdruck gebracht. Diesbezüglich ist zudem anzumerken, dass durch den
Bezug auf die Drehachse des Verriegelungs-/Entriegelungshebels in Merkmal 9
- 8 -
die Anordnung des Verriegelung-/Entriegelungshebels bezogen auf den Boden
der schlitzförmigen Öffnung implizit festgelegt ist.
Einige Merkmale bedürfen der Auslegung. Insbesondere ist der Begriff „außenlie-
gend“ in Merkmal 2 aufgrund des fehlenden Bezugs, gegenüber „wem oder was“
der Hebel außen zu liegen hat, auszulegen. So bedeutet dies nicht unbe-
dingt/ausschließlich, dass der Verriegelungs-/Entriegelungshebel vollständig oder
zumindest teilweise - wie dies die Patentinhaberin mit Verweis auf die Figur 1 des
Streitpatents ausgeführt hat - außerhalb des Schlossgehäuses angeordnet sein
muss. Vielmehr reicht es aus, dass der Hebel bezogen auf die Anordnung der
Einzelelemente bzw. Funktionselemente des Schlosses außen, aber noch inner-
halb des Schlossgehäuses angeordnet ist, so dass beispielsweise auch eine „ge-
häusewandnahe“ Anordnung entsprechend der Anmerkung der Einsprechenden
von der Formulierung mit umfasst ist – siehe auch diesbezügliche Figur 4. Diese
Auslegung wird durch die Beschreibung gestützt, wobei der Fachmann dem Ab-
satz [0028] der Streitpatentschrift ausdrücklich entnimmt, dass „der außenliegende
Verriegelungs-Entriegelungshebel in(nerhalb) einer zweiten Kammer des Gehäu-
ses angeordnet ist“. Eine beschränkende Auslegung im Sinne der Patentinhabe-
rin, dass der Hebel zumindest teilweise außerhalb des Gehäuses zu liegen habe,
wird somit nach diesseitigem Verständnis nicht von der Streitpatentschrift gestützt,
zumal eine Öffnung im Schloss-Gehäuse zur Betätigung des Hebels nach Merk-
mal 6 nur dann Sinn macht, wenn sich dieser innerhalb des Gehäuses befindet.
Der Fachmann wird in diesem Merkmal lediglich den Vorteil erkennen, dass der
Hebel durch seine außenliegende Anordnung im Schlossgehäuse auch leicht von
außen betätigt werden kann.
Das „Hilfsbetätigungselement“ gemäß den Merkmalen 4 ff. ist schließlich nur
dadurch definiert, dass es eine manuelle Betätigung des Verriegelungs-
/Entriegelungshebels ermöglichen soll; es kann somit im einfachsten Fall ein
Knopf auf dem Verriegelungs/Entriegelungshebel selbst oder aber auch bei-
spielsweise ein weiterer Hebel mit einem Knopf o. ä. sein, mit dem der Verriege-
- 9 -
lungs-/Entriegelungshebel betätigt wird (siehe auch Streitpatentschrift, insbeson-
dere Absätze [0016] und [0018]).
2.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist patentfähig (§§ 1 bis 5 PatG).
2.1.
Die zweifellos gewerblich anwendbare Vorrichtung nach dem Patentan-
spruch 1 ist neu.
Die Neuheit gegenüber dem von der Einsprechenden angeführten Stand der
Technik ist gegeben, da aus dem gesamten vorliegenden Stand der Technik kein
Fahrzeugschloss bekannt ist, bei dem die Öffnung für das Hilfsbetätigungselement
entsprechend den Merkmalen 6 und 7 im Boden der schlitzförmigen Öffnung an-
geordnet und entsprechend den Merkmalen 8 und 9 ausgestaltet ist.
Dies gilt auch für das Fahrzeugschloss der D5, von dem sich der Streitgegenstand
zumindest hinsichtlich der Merkmale 4 und 6 bis 9 unterscheidet. Das von der Ein-
sprechenden zitierte und in den Figuren 14 bis 21 dargestellte „Hilfsbetätigungs-
element“ 280 („child proof safety lever“) betrifft nämlich eine Kindersicherung, mit
deren Hilfe der Innentüröffner-Hebel („inside release lever“ 100A‘) vom Schloss-
mechanismus-Entriegelungshebel 262 entkoppelt werden kann, so dass mit dem
Innentürgriff kein Öffnen der (hinteren) Türen mehr möglich ist („Kindersicherung“);
eine funktionelle Verknüpfung gemäß Merkmal 4, wonach über das Hilfsbetäti-
gungselement eine streitpatentgemäße Betätigung zur Verriegelung der Tür ge-
genüber dem Außenbereich erfolgt, liegt hier jedenfalls nicht vor. Des Weiteren
befindet sich die Öffnung 302 auch nicht im Boden des Einführschlitzes 126, son-
dern unterhalb von diesem an der Stirnseite des Fahrzeugschloss-Gehäuses 32,
was sich aus einer Zusammenschau der Figuren 1, 2, 14 und 15 ergibt (fehlende
Merkmale 6 und 7). Schließlich ist offensichtlich erkennbar, dass die Öffnung 302
der Figur 15 (oder 20, 21) keine längliche, kreisbogenförmige Form aufweist, bei
der der Mittelpunkt des Kreisbogens mit der Drehachse des Innentüröffner-Hebels
100A zusammenfällt (fehlende Merkmale 8 und 9).
- 10 -
Eine den Merkmalen 8 und 9 entsprechende kreisbogenförmige Öffnung geht im
gesamten vorliegenden Stand der Technik lediglich aus D3 hervor (siehe Figu-
ren 1 bis 3, „arcuate slot“ mit Bezugszeichen 40); eine streitpatentgemäße Anord-
nung dieser Öffnung gemäß den Merkmalen 6 und 7 ist D3 jedoch nicht entnehm-
bar, so dass auch aus dieser Druckschrift nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 in
ihrer Gesamtheit hervorgehen.
Damit ist die Neuheit des Streitgegenstands gegenüber dem entgegengehaltenen
Stand der Technik gegeben.
2.2.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit.
Dem Streitpatent liegt der Grundgedanke zugrunde, die sich aus der Drehbewe-
gung des Hilfsbetätigungselements um die Drehachse des Ver-Entriegelungshe-
bels ergebende Öffnung (Merkmale 8 und 9) so im Boden der schlitzförmigen Öff-
nung anzuordnen, dass die Öffnung bei geschlossener Fahrzeugtür durch den den
Schließbolzen tragenden Schließbügel abgedeckt wird. Hierdurch wird der Zugang
zum Hilfsbetätigungselement erheblich erschwert, so dass sich eine erhöhte Ma-
nipulationssicherheit gegenüber einem Zugriff von außen ergibt (siehe Punkt II.1).
Als nächstliegende Schrift wird D3 angesehen, die einen Betätigungsmechanis-
mus für ein Türschloss eines Fahrzeugs offenbart (Merkmal 1), der neben einer
Kindersicherung auch eine manuelle Notverriegelung im streitpatentgemäßen Sinn
ermöglicht (siehe Spalte 4, Zeile 36, bis Spalte 5, Zeile 7). Die D3 weist hierzu ei-
nen Verriegelungs-/Entriegelungshebel 10 („main locking lever“) auf, der sowohl
über einen elektrischen Aktuator (siehe Spalte 3, Zeilen 16 bis 26: „drive shaft 12
of a main powered actuator“) als auch über ein Hilfsbetätigungselement betätigbar
ist. Letzteres besteht aus einem Hebel 36 mit einem Betätigungsknopf 38 (siehe
Spalte 5, Zeilen 2 bis 7, „lever 36“, „operating button 38“) und ist von der An-
triebswelle 12 des elektrischen Antriebes entkoppelt (siehe Spalte 3, Zeilen 52 bis
- 11 -
54). Unter Zugrundelegung der Auslegung unter II.1 werden somit die Merkmale 2
bis 4 vorweggenommen. Dabei wird unter Bezugnahme auf die Anordnung relativ
zur Gehäuseöffnung 40 gemäß den Figuren 1 bis 3 davon ausgegangen, dass der
Verriegelungs-/Entriegelungsriegel 10 bezogen auf die Anordnung im Schloss au-
ßenliegt und nur noch vom Hilfsbetätigungselement 36/38 nach außen hin über-
ragt wird. Dies ist jedoch unschädlich, da das Hilfsbetätigungselement 36/38 die
Betätigung von außerhalb des Türkörpers ermöglichen und deshalb selbstver-
ständlich noch weiter „außen“ angeordnet sein muss. Die ausdrücklich als kreis-
bogenförmig bezeichnete Öffnung 40 („arcuate slot“) weist offensichtlich und un-
bestritten die Merkmale 8 und 9 auf, wobei sowohl das Hilfsbetätigungselement
36, 38 als auch der Verriegelungs-/Entriegelungshebel 10 dieselbe Drehachse
aufweisen (siehe Spalte 3, Zeilen 52 bis 54). Darüber hinaus ergibt sich für den
Fachmann aus der Vorgabe der D3, dass die Öffnung 40 bei geschlossener Tür
abgedeckt und unzugänglich/zugriffssicher sein soll (siehe Brückenabsatz
Spalte 3 auf Spalte 4), eine Anordnung auf der Schmalseite der Tür, da nur diese
im geschlossenen Zustand vom Türrahmen der Fahrzeugkarosserie abgedeckt
wird (Merkmal 5). Genauere Angaben zur Anordnung der Öffnung 40 im Türkörper
oder gar im Türschloss sind D3 allerdings nicht entnehmbar, da sich diese
schwerpunktmäßig mit der funktionellen Umsetzung einer Kindersicherung bzw.
Notverriegelung beschäftigt.
Der Gegenstand der D3 unterscheidet sich somit vom Streitgegenstand im We-
sentlichen durch die spezielle Anordnung der (Betätigungs-)Öffnung im „Einlauf-
schlitz“ des Türschlosses gemäß den Merkmalen 6 und 7 (siehe auch Neuheits-
vergleich).
Eine derartige Anordnung wird im Stand der Technik in D4, insbesondere in deren
Figur 2, gezeigt. Dabei ist ein Betätigungselement 6 für eine Kindersicherung so in
einer Öffnung im Boden der schlitzförmigen Einführöffnung angeordnet, dass es
im geschlossenen Zustand der Tür zwangsläufig vom Schließbügel abgedeckt
wird (Merkmale 6 und 7). Die Anordnung der Öffnung im Schloss erfolgt nach Ab-
- 12 -
satz 2 der Beschreibungsseite 4 der D4 unter anderem im Hinblick darauf, ein
Loch für die Betätigung im Türblech zu vermeiden; damit nimmt D4 zumindest ei-
nen Teilsapekt des Streitpatents vorweg, worauf die Einsprechende zutreffend
hingewiesen hat (vergleiche Absatz [0013] der Streitpatentschrift). Allerdings lehrt
D4 in diesem Zusammenhang ebenfalls, eine drehende Betätigung in einer kreis-
runden Öffnung vorzusehen, um längliche Löcher zu vermeiden, die nur aufwän-
dig gegen Staub- und Wassereintritt abzudichten seien (siehe Seite 4, 1. Absatz,
sowie Seite 5, 2. Absatz). Würde der unvoreingenommene Fachmann D4 im
Hinblick auf eine vorteilhafte Anordnung der Betätigungsöffnung heranziehen, so
würde dies allerdings eine Kombination mit der Ausführungsform nach Figur 4 der
D3 nahelegen. Diese weist nämlich ebenfalls eine Drehbetätigung 437 auf, wobei
die Einsprechende in der Verhandlung selbst auf die Gleichwertigkeit der Ausfüh-
rungsformen nach den Figuren 1 bis 3 bzw. 4 hingewiesen hat. Damit gelangt der
Fachmann jedoch nicht in naheliegender Weise zu einem Gegenstand mit den
Merkmalen des Anspruchs 1 (fehlende Merkmale 8 und 9).
Auch für den hypothetischen Fall einer Kombination mit der Ausführungsform nach
den Figuren 1 bis 3 der D3 würde der Fachmann erkennen, dass eine Anordnung
des Schlitzes 40 im Boden des Einführschlitzes auf Grund der Bewegungsebene
des Hebels 36 nicht ohne weiteres möglich ist. So drehen sich alle in D3 gezeigten
Betätigungshebel, insbesondere auch der Verriegelungs-/Entriegelungshebel 10
und Hilfsbetätigungselement 36, in der Längsebene des Türblattes, was sich aus
der üblichen Gestängebetätigung des Innentüröffner-Hebels in Längsrichtung der
Tür ergibt (siehe Spalte 3, Zeilen 37 bis 40). Die streitpatentgemäße Anordnung
im Boden des Einführschlitzes erfordert allerdings zur Umsetzung der Merkmale 8
und 9 eine Drehbewegung in der stirnseitigen Türblattebene, d. h. mit einer um 90
Grad versetzten Drehachse – siehe hierzu die Eck-Umlenkungen in den Figuren 4
und 5 der D4. Dies würde zusätzliche Modifikationen bei der Ausgestaltung bei D3
erfordern, die den Fachmann zusätzlich von einer derartigen Kombination abhal-
ten würden.
- 13 -
Schließlich ist auch noch der Patentinhaberin zuzustimmen, dass der streitpatent-
gemäße Aspekt der Manipulationssicherheit von außen bei der Kindersicherung
der D4 überhaupt nicht zum Tragen kommt. So kann der Fachmann der D4 keinen
Hinweis dahingehend entnehmen, warum die Platzierung genau an dieser Stelle
des Schlosses vorzusehen ist, zumal keine technischen Wirkungen oder Vorteile
erwähnt werden, die sich hieraus ergeben könnten oder zur streitpatentgemäßen
Ausgestaltung führen würden. Erst in Kenntnis der streitpatentgemäßen Lehre der
besseren Manipulationssicherheit von außen, d. h. „ex-post“, erschließt sich für
den Fachmann eine entsprechende Wechselwirkung bzw. der streitpatentgemäße
Zusammenhang. Damit mangelt es D4 aber an einer Veranlassung bzw. einem
gezielten Hinweis für den Fachmann, im Hinblick auf eine Manipulationssicherheit
von außen die Öffnung 40 der D3 wie bei D4 gezeigt anzuordnen. Auch deshalb
ist eine derartige Kombination nicht nahegelegt.
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen kann die Argumentation der Ein-
sprechenden, die in erster Linie auf den Aspekt der Vermeidung einer Ausneh-
mung im Türblech abzielt (siehe oben) und die meint, dass durch die Anordnung
der Öffnung gemäß der D4 der streitpatentgemäße Sicherheitsaspekt bereits ge-
löst sei, nicht überzeugen. So mangelt es ausgehend von der Ausführungsform
nach den Figuren 1 bis 3 der D3 zum einen daran, dass der Fachmann keine Ver-
anlassung erhält, die bei D4 gezeigte Anordnung bewusst auszuwählen, und zum
anderen führen die alternativen Erwägungen ebenfalls nicht zum Streitgegenstand
bzw. führen den Fachmann sogar von der streitpatentgemäßen Ausgestaltung
weg.
Die weiteren Schriften liegen weiter ab und sind von der Einsprechenden in der
Verhandlung nicht mehr herangezogen worden.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist somit patentfähig.
- 14 -
3.
Mit dem bestandsfähigen Patentanspruch 1 hat der nebengeordnete An-
spruch 10, dessen Gegenstand mit einem erfindungsgemäßen Schloss gemäß
einem der Ansprüche 1 bis 9 ausgestattet ist, ebenfalls Bestand. Gleiches gilt für
die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9, da sie nicht trivi-
ale Ausgestaltungen des Schlosses nach Anspruch 1 betreffen.
III.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befan-
RRgenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4 .
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zu-
gestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen
- 15 -
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schrift-
lich einzulegen.
Richter
Eisenrauch
Küest
Ist wegen Urlaub
an der Unterschrift
gehindert
Richter
Dr. Großmann
prö