Urteil des BPatG vom 21.08.1990

BPatG (bundesrepublik deutschland, wirkung, fig, patentanspruch, fachmann, patent, quelle, verhandlung, verbindung, rückführung)

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
3 Ni 40/04 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
An Verkündungs Statt
zugestellt am
27. November 2006
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
08.05
- 2 -
betreffend das europäische Patent 0 463 230
(DE 590 07 942)
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 21. September 2006 unter Mitwirkung …
für Recht erkannt:
Das europäische Patent 0 463 230 wird im Umfang des Patentan-
spruchs 8 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik
Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass sein Patent-
anspruch 8 folgende Fassung erhält:
„Vorrichtung zum Beschichten von Substraten (31, 31’, …) in
einer Vakuumkammer (2) mit einem in dieser angeordneten
Substratträger (30) und einer Einrichtung (29) zur Erzeugung
einer Plasmawolke (28), die einen Elektronen-Emitter (11)
mit einer nachgeschalteten rohrförmigen Anode (38)
aufweist, die mit einem Einlaß (10) für das Prozeßgas zum
Zünden des Plasmas versehen ist und die weiterhin mit
Magneten (4, 7) ausgestattet ist, und mit Magneten, die die
Plasmawolke auf die Oberfläche der Substrate führen, wobei
in der Prozeßkammer (43) eine Vorrichtung zur Erzeugung
von Atomen, Molekülen oder Clustern der Materialien zur
Erzeugung der Schicht auf den Substraten (31, 31’, …)
vorzugsweise ein Elektronenstrahlverdampfer (37), ein
thermischer Verdampfer oder eine Sputterkathode, dem
Substrathalter (30) gegenüberliegend, angeordnet ist, von
der aus das verdampfte oder abgestäubte Material (31)
dadurch
gekennzeichnet
übrigen Teilen der Vorrichtung elektrisch isoliert im Innen-
raum der Vakuumkammer (2) dem Substratträger (30)
gegenüberliegend angeordnet ist, wobei der Elektronen-
- 3 -
Emitter (11) an den einen Pol und das Anodenrohr (38) an
den anderen Pol einer Stromquelle (35) anschließbar sind,
so daß die aus dem Elektronen-Emitter (11) austretenden
und außerhalb der Einrichtung (29) reflektierten Elektronen
entlang der Feldlinien der Magnete (4, 7) zum Anodenrohr
(38) zurückführbar sind.“
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt 3/4, die Beklagte 1/4 der Kosten des
Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 10.
Dezember
1990 unter
Inanspruchnahme der Prioritäten der deutschen Patentanmeldung DE 40 26 367
vom 21. August 1990 und der deutschen Patentanmeldung DE 40 20 158 vom
25. Juni 1990 beim Europäischen Patentamt angemeldeten und u. a. mit Wirkung
für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 463 230
B1 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer
DE 590 07 942 geführt wird. Das Patent betrifft in der erteilten Fassung eine
„Vorrichtung zum Beschichten von Substraten“ und umfasst für das Hoheitsgebiet
der Bundesrepublik Deutschland 8 Patentansprüche. Der mit der vorliegenden
Nichtigkeitsklage allein angegriffene Patentanspruch 8 lautet wie folgt:
„Vorrichtung zum Beschichten von Substraten (31, 31’, …) in einer
Vakuumkammer (2) mit einem in dieser angeordneten Substrat-
träger (30) und einer Einrichtung (29) zur Erzeugung einer
Plasmawolke (28), die einen Elektronen-Emitter (11) mit einer
nachgeschalteten rohrförmigen Anode (38) aufweist, die mit einem
Einlass (10) für das Prozessgas zum Zünden des Plasmas
- 4 -
versehen ist und die weiterhin mit Magneten (4, 7) ausgestattet ist,
wobei in der Prozesskammer (43) eine Vorrichtung zur Erzeugung
von Atomen, Molekülen oder Clustern der Materialien zur Erzeu-
gung der Schicht auf den Substraten (31, 31’, …) vorzugsweise
ein Elektronenstrahlverdampfer (37), ein thermischer Verdampfer
oder eine Sputterkathode, dem Substrathalter (30) gegenüberlie-
gend, angeordnet ist, von der aus das verdampfte oder
abgestäubte Material (31) direkt auf die Substrate (31, 31’, …)
dadurch gekennzeichnet
(29) gegenüber den übrigen Teilen der Vorrichtung elektrisch
isoliert im Innenraum der Vakuumkammer (2) dem Substratträger
(30) gegenüberliegend angeordnet ist, wobei der Elektronen-
Emitter (11) an den einen Pol und das Anodenrohr (38) an den an-
deren Pol einer Stromquelle (35) anschließbar sind, so dass die
aus dem Elektronen-Emitter (11) austretenden und außerhalb der
Einrichtung (29) reflektierten Elektronen entlang der Feldlinien der
Magnete (4, 7) zum Anodenrohr (38) zurückführbar sind.“
Die Klägerin bestreitet die Patentfähigkeit, weil der Gegenstand des Streitpatents
gemäß dem angegriffenen Patentanspruch nicht neu sei und nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruhe und weiterhin das Patent die Erfindung nicht so
deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne und
schließlich der Gegenstand des Patentes über den Inhalt der europäischen
Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus gehe. Zur
Begründung verweist sie insbesondere auf folgende Druckschriften:
KD1
Aufsatz von D. M. Goebel, G. Campbell und R., W. Conn
im „Journal of Nuclear Materials“, 121 (1984), 277-282,
North Holland Physics Publishing Division, Amsterdam.
KD2
DE 38 30 478 A1
KD3
EP 0 269 446 A2
KD4
EP 0 308 680 A1
- 5 -
KD5
DE 26 12 098
KD6
Preprint Proc. SPIE 1270-21 The Hague 1990 „Large area
IAD with a new plasma source“ A. Zöller, R. Götzelmann
R. Herrmann, K. Matl in Proceedings zu Optical thin Films
ans Applications
KD6*
Fig. 2 und Fig. 3 gem. KD6, vergrößert und beziffert
KD7
DE-OS 1 953 659
KD7a CH PS 465 996 und
KD7*
einzige Figur gemäß KD7 vergrößert.
KD8
EP 0 463 230 A1,
KD9 Heitmann, „Reactive Evaporation in Ionized Gases”,
Applied Optics 10 , 1971, Nr. 11, Seiten 2414 - 2418
KD10 Ebert, „Ion-Assisted Reactive Deposition Processes For
Optical Coatings”, Surface and Coatings Technology,
43/44 (1990), Seiten 950 - 962
KD11 17
th
International Conference on Metallurgical Coatings
and 8
th
International Conference on Thin Films, San
Diego, California April 2-6, 1990
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 0 463 230 mit Wirkung für das Hoheits-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Patent-
anspruchs 8 teilweise für nichtig zu erklären;
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise verteidigt sie den Patentanspruch 8 in der in der mündlichen
Verhandlung überreichten Fassung gemäß Hilfsantrag.
Wegen des Wortlauts des Hilfsantrags wird auf den Tenor und die Anlage zum
Sitzungsprotokoll verwiesen.
- 6 -
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für
patentfähig. Zur Stützung ihrer Auffassung verweist sie u. a. auf
WA 5 D.L. Shmith, Thin-Film Deposition: Principles and Practice,
McGraw-Hill, Inc. 1995, Seiten 432/433 und
WA 7 a. a. O. Seiten 485/486.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigkeit des Streitpatents in
dem im Tenor genannten Umfang (Art II § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3
IntPatÜG, Art 138 Abs. 1 lit a, b und c EPÜ).
I.
1.
einer Vakuumkammer mit einem in dieser angeordneten Substratträger und einer
Einrichtung zur Erzeugung einer Plasmawolke, die einen Elektronen-Emitter mit
einer nachgeschalteten rohrförmigen Anode aufweist, die mit einem Einlass für
das Prozessgas zum Zünden des Plasmas versehen ist und die weiterhin mit
Magneten ausgestattet ist, wobei in der Prozesskammer eine Vorrichtung zur
Erzeugung von Atomen, Molekülen oder Clustern der Materialien zur Erzeugung
der Schicht auf den Substraten, vorzugsweise ein Elektronenstrahlverdampfer, ein
thermischer Verdampfer oder eine Sputterkathode, dem Substrathalter
gegenüberliegend, angeordnet ist, von der aus das verdampfte oder abgestäubte
Material direkt auf die Substrate aufbringbar ist (Streitpatentschrift S. 2 Z. 3 - 10).
2
eine Vorrichtung zum Beschichten metallischer oder dielektrischer Werkstoffe mit
Hilfe eines fremderzeugten Plasmas zu schaffen, bei der die Gleichmäßigkeit der
- 7 -
Beschichtung besonders höchsten Ansprüchen genügt, deren Aufbau einfach ist,
in welcher die Plasmaerzeugung unabhängig von der Erzeugung des
Beschichtungsmaterials erfolgt und bei der die einzelnen Parameter voneinander
unabhängig einstellbar sind. Außerdem soll die beschichtbare Substratgröße
möglichst frei bestimmbar und die für eine gleichmäßige Beschichtung
erforderliche Dichteverteilung des Plasmas genau einstellbar sein. Schließlich soll
eine zusätzliche Ionisierung des Aufdampfmaterials möglich sein, um die
Schichteigenschaften weiter erhöhen zu können (Streitpatentschrift S. 2 Z. 32 -
40).
3.
a)
eine Vorrichtung zum Beschichten von Substraten (31, 31’,
…) in einer Vakuumkammer (2)
b) mit einem in der Vakuumkammer angeordneten Sub-
stratträger (30)
c)
mit einer Einrichtung (29) zur Erzeugung einer Plasmawolke
(28)
c1) die Einrichtung (29) weist einen Elektronenemitter (11) auf
c2) mit einer nachgeschalteten rohrförmigen Anode (38)
c3) die mit einem Einlass (10) für das Prozessgas zum Zünden
des Plasmas versehen ist
c4) und die weiterhin mit Magneten (4, 7) ausgestattet ist
d) in der Prozesskammer (43) ist eine Vorrichtung zur
Erzeugung von Atomen, Molekülen oder Clustern der
Materialien zur Erzeugung der Schicht auf den Substraten
(31, 31’, …) angeordnet,
- 8 -
d1) vorzugsweise ein Elektronenstrahlverdampfer (37), ein
thermischer Verdampfer oder eine Sputterkathode
e)
und zwar dem Substrathalter (30) gegenüberliegend
f)
von der Vorrichtung zur Erzeugung von Atomen, Molekülen
oder Clustern aus ist das verdampfte oder abgestäubte
Material (31) direkt auf die Substrate (31, 31’, …) aufbringbar
g)
die Einrichtung (29) ist gegenüber den übrigen Teilen der
Vorrichtung elektrisch isoliert im Innenraum der
Vakuumkammer (2) angeordnet
h)
und zwar dem Substratträger (30) gegenüberliegend
i)
der Elektronenemitter ist an den einen Pol einer Stromquelle
(35) anschließbar
j) das Anodenrohr (38) ist an den anderen Pol einer
Stromquelle (35) anschließbar
k)
so dass die aus dem Elektronenemitter (11) austretenden
und außerhalb der Einrichtung (29) reflektierten Elektronen
entlang der Feldlinien der Magnete (4, 7) zum Anodenrohr
(38) zurückführbar sind.
4.
8 gemäß Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen
Verhandlung, weist zusätzlich das Merkmal
l)
und mit Magneten, die die Plasmawolke auf die Oberfläche
der Substrate führen,
auf, das zwischen den vorstehend mit c4) und d) bezeichneten Merkmalen
eingefügt ist.
- 9 -
II.
Anspruch 8 des Streitpatents in der erteilten Fassung hat keinen Bestand, da sein
Gegenstand über den Inhalt der europäischen Patentanmeldung in ihrer
ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. II § 6 (1) Nr. 3 IntPatÜG).
Der ursprüngliche Anspruch 1 betrifft nach seinem Oberbegriff eine Vorrichtung
mit Magneten (26, 27), die die Plasmawolke (28) auf die Substrate (31, 31’, …)
lenken (Sp. 8 Z. 19 bis 21 der KD 8), die weiterhin mit Magneten (4, 7)
ausgestattet ist zum Ausrichten und Führen des Plasmas durch das Anodenrohr
(38) in die Prozesskammer (43) (Sp. 8 Z. 27 bis 30). Im ersten Abschnitt der
ursprünglichen Beschreibung ist ebenfalls eine Vorrichtung mit diesen Merkmalen
- hier ohne Bezugszeichen - angegeben.
Entgegen der Auffassung der Nichtigkeitsbeklagten umfasst die ursprüngliche
Offenbarung in ihrer Gesamtheit keine Vorrichtung, die gemäß dem erteilten
Anspruch 8 lediglich mit Magneten (4, 7) ausgestattet ist (Merkmal C4)) aber keine
sonstigen Magnete aufweist.
Nach Spalte 3 Zeilen 12 bis 19 der Anlage KD 8 umfasst die Vakuumanlage „ein
System von elektromagnetischen Spulen 4, 7 bzw. 26, 27 zur Führung des
Plasmas 28 von der Plasmaquelle 29 zum Substrathalter 30 und zur Erzeugung
einer geeigneten Dichteverteilung des Plasmas am Ort des Substrathalters 30“.
Dies ist aber kein Beleg dafür, dass allein die Plasmaquelle 29 mit Magneten (4, 7)
ausgestattet ist, die - nach dem ursprünglichen Anspruch 1, Spalte 1, Absatz 1
und Spalte 5 Zeilen 2 bis 8 der ursprünglichen Beschreibung - das Ausrichten und
Führen des Plasmas durch das Anodenrohr bewirken und dass die in den ur-
sprünglichen Unterlagen offenbarte Vorrichtung keine weiteren Magnete
aufweisen soll.
Die von der Nichtigkeitsbeklagten weiterhin zitierte allgemeine Angabe „mit Hilfe
geeigneter magnetischer Felder“ (in Sp. 2 Z. 42/43) ist ebenfalls kein Hinweis für
den Fachmann, dass die Magnete (26, 27) nicht Bestandteil der beschriebenen
Vorrichtung sein sollen, denn sie bezieht sich ausdrücklich auf das Führen,
Aufweiten und Verteilen des Plasmas nach der Extraktion aus der Quelle, also auf
die gerade den Magneten (26, 27) im Anspruch 1 und der Beschreibung a. a. O.
- 10 -
zugeschriebene Funktion. Auch die beiden ursprünglich eingereichten Figuren
zeigen übereinstimmend jeweils Magnete (26, 27) und weiterhin Magnete (4, 7).
Der ursprüngliche Anspruch 6 betrifft die räumliche Anordnung von Magneten (26,
27) auf der der Plasmaquelle abgewandten Seite des Substratträgers und ihre
bevorzugte Ausführungsform als Ringmagnete. Der Senat stimmt der Auffassung
der Nichtigkeitsbeklagten zu, dass die Rückbeziehung auf Anspruch 1 sprachlich
richtig mit „die Magnete (26, 27)“ zu formulieren gewesen wäre. Der vorliegende
fehlerbehaftete Formulierungsversuch ohne den Artikel „die“ ist aber unmittelbar
als solcher zu erkennen und für den Fachmann kein hinreichender Anlass, die
Nennung der Magnete (26, 27) im ursprünglichen Anspruch 1 als nicht zur
Erfindung gehörend zu bewerten.
Der Senat bezweifelt nicht, dass es ausgehend von der Lehre der KD 8 möglich
und vielleicht sogar naheliegend war, Beschichtungsvorrichtungen zu entwickeln,
bei denen sich ein Magnetsystem nur an der Plasmaquelle als ausreichend zur
Erzielung einer gleichmäßigen Beschichtung erwies. Dies kann aber nicht an die
Stelle der Offenbarung in KD 8 treten, wonach hiervon unabhängige Magnete zur
Erfindung gehören.
III.
Die Klägerin hat den Senat nicht davon überzeugen können, dass
Patentanspruch 8 auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag nicht bestandsfähig ist.
1. Der Gegenstand dieses Patentanspruchs ist in den ursprünglichen Unterlagen
offenbart.
Die von der Klägerin geltend gemachte unzulässige Erweiterung gegenüber der
ursprünglich offenbarten Lehre, durch
1.
Weglassen der Abschirmung
2.
Weglassen der Isolierung der Abschirmung und
3.
Bezug auf Feldlinien der Magnete
liegt nicht vor.
- 11 -
Unter den im ursprünglichen Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen kommt eine
Abschirmung, geschweige denn eine Isolierung der Abschirmung nicht vor.
Folglich ist eine Vorrichtung ohne Abschirmung offenbart; umso weniger kann die
Isolierung der Abschirmung ein obligatorisches Merkmal der ursprünglich (im
Anspruch 1) offenbarten Vorrichtung sein. Die mehrfache Erwähnung in der
Beschreibung und die Darstellung in den Figuren (Bezugszeichen 3 und 5) betrifft
damit ersichtlich eine fakultative Ausgestaltung.
Zur Offenbarung des in der Merkmalsanalyse mit k) bezeichneten Merkmals findet
sich in den ursprünglichen Unterlagen (KD 8 Sp. 5 Z. 8 bis 14) die Angabe „…,
dass sich ein elektrisches Feld aufbaut, das bewirkt, dass die Elektronen
außerhalb der Quelle reflektiert werden und entlang der Feldlinien zum
Anodenrohr 38 zurücklaufen.“ Feldlinien der Magnete (4, 7) sind hier nicht wörtlich
genannt und der Senat vermag auch dem in der mündlichen Verhandlung
überreichten Parteigutachten von Prof. Dr. A… nicht zu folgen,
wonach es sich hierbei eindeutig um Magnetfeldlinien handelt, zumal als Be-
gründung lediglich angeführt ist, dies sei aus dem Zusammenhang der Textstelle
(Sp. 5 Z. 2 bis 14) zu erkennen.
Aus rein sprachlicher Sicht wird der unvoreingenommene Leser die Feldlinien
zunächst auf das im gleichen Satz als (den Effekt) bewirkend genannte elektrische
Feld beziehen. Eine Bezugnahme auf die in den vorangehenden Zeilen 6 bis 8
offenbarten Magnetfeldlinien, denen die Elektronen in der Quelle folgen und so
aus ihr herausgelangen, bedarf dagegen näherer Überlegungen. Sie ist indessen
nicht auszuschließen, da die Magnetfeldlinien im Bereich des Anodenrohres nun
einmal vorhanden sind und sich damit zwangsläufig auch auf die Bewegung der
zum Anodenrohr zurücklaufenden Elektronen auswirken. Insofern kann der Senat
in der Bezugnahme auf die Feldlinien der Magnete (4, 7) keine unzulässige
Erweiterung erkennen.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Merkmal k) kein
gegenständliches Merkmal der beanspruchten Vorrichtung darstellt, sondern eine
Wirkung umschreibt. Dies ist nicht zu beanstanden, da sich die Wirkung auf
technische Merkmale der Vorrichtung - insbesondere auf die in der
Merkmalsanalyse mit c2), c4), g), i) und j) bezeichneten Merkmale - zurückführen
lässt. Wesentlich ist der Effekt, dass die gesamte Anordnung die Rückführung
außerhalb der Quelle reflektierter Elektroden zum Anodenrohr bewirkt. Ob hieran
- 12 -
den Feldlinien des (objektiv vorliegenden) elektrischen Feldes oder denjenigen
des (ebenfalls objektiv vorliegenden) Magnetfelds der höhere oder gar ausschlag-
gebende Anteil zuzuschreiben ist, ist nach Auffassung des Senates letztlich ein
wissenschaftlicher Erklärungsversuch, der sich - anders als die insgesamt erzielte
Wirkung - nicht auf den gegenständlichen Aufbau auswirkt. Ein möglicherweise
fehlerbehafteter Deutungsversuch könnte daher zu keiner Abänderung der
ursprünglich offenbarten Vorrichtung führen.
2. Die Vorrichtung nach Anspruch 8 gemäß Hilfsantrag ist so vollständig und
deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Die Zweifel der Klägerin an der Realisierbarkeit des Merkmals bzw. der Wirkung k)
- die angegebenen konstruktiven Merkmale der Vorrichtung reichten hierzu nicht
aus; die Rückführung der Elektronen entlang der Magnetfeldlinien sei nicht
möglich, da diese nicht an der Anode endeten; zusätzlich verhindere der
„magnetische Spiegel“ die Rückführung und ferner sei nicht erkennbar, wie die
Elektronen auf ihrem Rückweg das geladene Plasma überwinden könnten -
können den Senat nicht vom Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes der mangelnden
Ausführbarkeit (Art. II § 6 (1) Nr. 2 Int. PatÜG) überzeugen.
Die Wirkung k) wird durch das Zusammenwirken insbesondere der in der
Merkmalsanalyse mit c2), c4), g), i) und j) bezeichneten Merkmale erzielt. Sollte
der Fachmann Zahlenwerte für eine geeignete Betriebsweise benötigen, so
werden ihm diese auf Seite 4 Zeilen 23 bis 32 mitgeteilt. Dass die Magnetfeldlinien
nicht am Anodenrohr enden, ist kein Hindernis für die Rückführung von
reflektierten Elektronen, die nach hinreichender Annäherung durch die
Potentialdifferenz eingefangen werden. Dies geschieht im oberen Bereich des
Anodenrohres, somit erfolgt keine weitere Annäherung an den Bereich größter
Magnetfeldstärke im Inneren des Anodenrohres und die Verhältnisse für einen
„magnetischen Spiegel“ im Sinne von WA
7 Figur
9.12 mit zugehöriger
Beschreibung stellen sich nicht ein. Das in der Plasmaquelle ausgebildete und
zwischen Plasmaquelle und Substratträger geführte Plasma stellt jedenfalls kein
Hindernis für die (Rückführung der) reflektierten Elektronen gemäß Merkmal k)
dar. Zum einen weist die Plasmawolke, wie von der Beklagten ausgeführt und von
der Klägerin nicht widerlegt wurde, als makroskopisches Gebilde keine
Überschussladung auf und erlaubt daher einen Elektronenfluss. Zum anderen
betrifft die Wirkung k) nur reflektierte Elektronen und nicht die unmittelbar von der
- 13 -
Plasmaquelle emittierten Elektronen. Derartige Elektronen müssen nicht notwendi-
gerweise die gesamte zwischen Quelle und Substrat ausgebildete Plasmawolke
durchlaufen und dringen ferner - wie ausgeführt - nicht in das Plasma innerhalb
des Anodenrohrs ein. Schließlich kann auch der Hinweis der Klägerin, die mit k)
bezeichnete Wirkung sei bis jetzt nicht nachgewiesen, die Ausführbarkeit des mit
dem Hilfsantrag verteidigten Gegenstands nicht in Frage stellen. Das Argument
der Beklagten, dass ein mit Messwerten belegter Nachweis einen hohen
experimentellen Aufwand erfordern würde, ist glaubhaft und überzeugend
vorgetragen worden. Ebenfalls glaubhaft ist, dass auf Grund des sich während des
Betriebs aufbauenden BIAS-Potentials die Potentialdifferenz Anlage-Anode größer
ist als die Potentialdifferenz Kathode-Anode und als die Potentialdifferenz Ka-
thode-Substrat, so dass reflektierte Elektronen bevorzugt über die Anode
abgeführt werden und nur in geringerem Ausmaß über den Behälter oder das
Substrat (vgl. hierzu Streitpatentschrift S. 4 Z. 15 bis 35).
3. Der Gegenstand des hilfsweise verteidigten Anspruchs 8 ist neu.
Er unterscheidet sich von der in KD 6 beschriebenen Vorrichtung durch die
Merkmale c2), g), j) und k) gemäß Merkmalsanalyse. In diesem Zusammenhang
ist zunächst auf den Hinweis der Klägerin auf die Formulierung „anschließbar“ im
Merkmal j) (und im Merkmal i)) einzugehen. Philologisch ist dieser Begriff von
„angeschlossen“ zu unterscheiden, d.
h. er besagt für sich noch keine
obligatorische Verbindung mit den Polen einer Gleichstromquelle. Aus Sicht des
Fachmannes muss indes diese Verbindung gegeben sein, weil sonst das u. a. für
die Wirkung k) erforderliche elektrische Feld nicht ausgebildet wäre. Ferner ist für
den Fachmann selbstverständlich, dass diese Verschaltung während des
gesamten Beschichtungsprozesses vorliegen muss, denn beansprucht ist eine
Vorrichtung zum Beschichten eines Substrates und nicht eine Vorrichtung zum
Zünden eines Plasmas. Das in KD 6 beschriebene (wassergekühlte) Kupferrohr,
das über einen Widerstand mit der Anode verbunden ist, als Anode nur arbeitet,
wenn das Plasma zündet, und nach der Zündung ein negatives Selbst-Bias-
Potential erhält (Fig. 3 und darüberstehender Abs.) ist somit keine gemäß
Merkmal g) elektrisch isoliert angeordnete Anode c2) mit Anschluss j) an den + Pol
einer Stromquelle im Sinne des Anspruchs 8 gemäß Hilfsantrag. Durch das
Fehlen dieser Merkmale bei der Vorrichtung nach KD 6 kann auch die Wirkung k)
nicht eintreten.
- 14 -
Die Frage der öffentlichen Zugänglichkeit der KD 6 ist somit für die Beurteilung der
Neuheit nicht entscheidungserheblich und bedurfte daher keiner Klärung.
Auch gegenüber der aus KD
4 bekannten Vorrichtung ist die Neuheit
anzuerkennen. Diese Vorrichtung weist zwar eine Einrichtung zur Erzeugung
eines großflächigen Plasmastrahls mit den Merkmalen c1), c2), c3) und c4) auf
(Fig. 1 i. V. m. Sp. 5 Z. 9 bis 45 u. Sp. 6 Z. 2 bis 6), diese ist aber außerhalb der
Vakuumkammer angeordnet (Fig. 1 i. V. m. Anspruch 75) und erfüllt somit nicht
das Merkmal g).
Die in Fig. 2 der KD 10 (mit zugehöriger Beschreibung auf S. 952 vorle. Abs.)
gezeigte Anordnung weist außer den Magneten an der Einrichtung zur Erzeugung
einer Plasmawolke keine weiteren Magnete l) wie die Vorrichtung nach
Anspruch
8 gemäß Hilfsantrag auf und steht schon deshalb nicht
neuheitsschädlich entgegen.
Gegenüber den sonstigen Entgegenhaltungen ist mangelnde Neuheit weder
geltend gemacht worden noch erkennbar.
4. Die Vorrichtung nach Anspruch 8 gemäß Hilfsantrag beruht auch auf einer
erfinderischen Tätigkeit.
Die Klägerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass es für den
Fachmann naheliegend war, in einer Vorrichtung mit den Merkmalen gemäß
Oberbegriff des hilfsweise verteidigten Anspruchs 8 die Kathode und die Anode
den Merkmalen i) und j) entsprechend so zu verschalten, dass in Verbindung mit
den weiteren Merkmalen des Anspruchs beim Beschichten die Wirkung k) erzielt
wird.
Die im konstruktiven Aufbau weitgehend ähnliche Vorrichtung nach KD 6 führt -
wie unter III. 3. dargelegt - von einer solchen Verschaltung weg.
In den Entgegenhaltungen KD
4, KD
7 und KD
10 fehlen jeweils konkrete
Angaben zur Verschaltung von Kathode und Anode. Dies gilt auch für die bereits
in der Streitpatentschrift (S. 2 Z. 11 bis 18) gewürdigte KD 1. Auch wenn dort auf
Seite 278 im 2. Absatz der linken Spalte von einer „Reflex-Arc-Entladung“ von
einer großen Scheibenkathode zu einer gekühlten zylindrischen Anode die Rede
ist, muss dies nicht zwangsläufig die Verschaltung nach Anspruch 8 umschreiben
- 15 -
- Fig. 2 mit zugehöriger Beschreibung gibt nämlich hierzu keine Einzelheiten
wider. Im Übrigen betrifft KD 1 wie KD 4 und KD 7 keine im Innenraum der
Vakuumkammer angeordnete Plasmaquelle.
Die von der Klägerin angezogene KD 9 zeigt zwar in Fig. 2 den Anschluss zweier
Elektroden zur Erzeugung einer Entladung an einer Stromquelle; hierbei handelt
es sich jedoch um eine Quelle für Wechselstrom, wie sich schon aus der
Bezeichnung „Transformator“ und ferner eindeutig aus den Zeilen 11/12 der
rechten Spalte von Seite 2415 ergibt.
Einen eindeutigen Beleg für die Verbindung von Kathode und Anode mit den
beiden Polen einer Gleichspannungsquelle bei einschlägigen Beschichtungs-
vorrichtungen hat die Klägerin nicht beigebracht, während die Beklagte ihren
Hinweis auf eine typische Verschaltung durch die eingereichte Anlage WA 5
untermauert hat, wonach die Pole der Gleichspannungsquelle mit der Anode und
dem Targetträger verbunden sind. Auch die bereits in der Streitpatentschrift (S. 2
Z. 27 bis 31) abgehandelte KD 3 (vgl. z. B. Fig. 3, 4, 24, 25) und nicht zuletzt die
KD 6 beschreiben andere Verschaltungen als die gemäß Anspruch 8.
Es kann somit nicht als einfache oder nahezu selbstverständliche oder im Rahmen
des Routinekönnens liegende Maßnahme gewertet werden, die Anode und
Kathode anspruchsgemäß in einer Weise zu verschalten, für die sich in den dem
Senat vorliegenden Dokumenten kein Vorbild findet (und die in Verbindung mit
den weiteren Merkmalen das Ergebnis k) bewirkt).
IV.
Der nach Schließung der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz der
Beklagten vom 6.
Oktober
2006 war nicht nachgelassen. Er gibt zur
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung, zumal er keine
neuen Gesichtspunkte enthält (PatG § 99, ZPO §§ 283, 156).
- 16 -
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
gez.
Unterschriften